Die soziale Phobie im Kindes- und Jugendalter. Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes


Dossier / Travail, 2018

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition und Diagnostik
2.1 Ätiologie
2.2 Epidemiologie
2.3 Prognose

3 Falldarstellung

4 Auswirkungen der Sozialen Phobie auf die Entwicklung
4.1 Auswirkungen auf Schule und Beruf
4.2 Auswirkungen auf das soziale Umfeld

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Das Empfinden von Angst wird als natürliche Anpassungsleistung für das Überleben gesehen. Bleibt die Angst dauerhaft bestehen und ist in nicht gefährlichen Lebenslagen unangemessen übersteigert, spricht man von einer Angststörung. Diese schränken das Leben der Betroffenen enorm ein und führen zu emotionalen Folgeproblemen.

„Die Sozialphobie ist nach Depressionen und Alkoholproblemen die dritthäufigste psychische Störung und die häufigste Angststörung“ (Morschitzky 2009, S.99). Sie entwickelt sich im Kindes- und Jugendalter sowie im jungen Erwachsenenalter und gilt als die häufigste Angststörung. Im Kindesalter entsteht ein Grundgerüst von Eigenschaften für das spätere Leben, das sich in Abhängigkeit von den Erlebnissen und Erfahrungen, die ein Kind macht entfaltet. Die soziale Phobie wird oft nicht sofort erkannt und als einfache Schüchternheit abgetan. Bei Nichtbehandlung wird die Sozialphobie zu einer chronischen Krankheit, welche das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt.

Die folgende Hausarbeit befasst sich mit dem Krankheitsbild der sozialen Phobie und untersucht die Fragestellung: Welche Auswirkungen hat die soziale Phobie auf die Entwicklung des Kindes? Anhand des Fallbeispiels eines Sozialphobikers kann nachvollzogen werden, welche Gefühle, Probleme und Einschränkungen mit der sozialen Phobie im Alltag einhergehen.

Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Im Anschluss an die Einleitung folgt im zweiten Kapitel die Definition und Diagnostik des Krankheitsbildes. Die darauffolgenden Unterkapitel thematisieren die Ätiologie, Epidemiologie und Prognose der sozialen Phobie. Sie erläutern krankheitsverursachende Faktoren, welche unter anderem durch ein Schaubild erläutert werden, und die Ausbreitung der psychischen Störung in der Gesellschaft. Im anschließenden Kapitel wird der Fall eines Patienten vorgestellt, welcher beispielhaft einen Einblick schafft. Dieser befindet sich in ausführlicher Form im Anhang. Im vierten Kapitel werden die Auswirkungen der sozialen Phobie auf die Entwicklung des Kindes beschrieben. In diesem Punkt werden die Schule, die Arbeit und das soziale Umfeld näher thematisiert und unter anderem durch das Fallbeispiel ergänzt. Zuletzt erfolgt ein Fazit mit Ausblick.

2 Definition und Diagnostik

Der französische Psychiater Pierre Janet erläuterte 1903 erstmals das Ereignis der sozialen Phobie (vgl. Morschitzky 2009, S.85).

„Die soziale Phobie in ihrer modernen Form wurde 1966 von den englischen Psychiatern und Verhaltenstherapeuten Isaac Marks und Michael Gelder definiert, später weiter ausgearbeitet, 1980 in das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema DSM-III aufgenommen und 1991 auch im internationalen Diagnoseschema ICD-10 verankert“ (Morschitzky 2009, S.85).

Sie beschreibt die dauerhafte Angst vor sozialen Begegnungen oder Leistungssituationen und eine ständige Vermeidung dieser. Die Betroffenen fürchten sich dabei vor der Bewertung, Ablehnung und Kritik anderer (vgl. Morschitzky 2009, S.85). Die Angst, unangenehm aufzufallen und Panik zu bekommen, führt zu starken Schamgefühlen und Unsicherheit. Soziale Situationen lösen demnach charakteristische körperliche Symptome bei den Sozialphobikern aus. Typische Reaktionen sind „etwa Verkrampfung, Händezittern, feuchte Hände, Schwitzen am ganzen Körper, Erröten, Herzrasen, Atemnot, Kloßgefühl im Hals, Übelkeit, Schwindel, Harn- und Stuhldrang, Kopf- oder Magenschmerzen, Stottern bzw. Sprechhemmung“ (Morschitzky 2009, S.87). Besonders Symptome, die nach außen hin sichtbar sind, wie zum Beispiel das Erröten oder Zittern, führen zu einer Verstärkung der Angst und dem Vermeidungsverhalten. Die soziale Phobie kommt daher oft im Zusammenhang mit einer Panikstörung vor (vgl. Morschitzky 2009, S.87).

Trotz der körperlichen Symptome wird die Sozialphobie im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM-IV) und in der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ (ICD-10) als eine kognitive Störung aufgeführt und folgendermaßen, nach ICD-10 (F40.1), definiert:

1. „deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder beschämend zu verhalten“ (Melfsen & Warnke 2004, S.167).

2. „deutliche Vermeidung, im Zentrum oder Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder beschämend zu verhalten“ (Melfsen & Warnke 2004, S.167).

Bei der Diagnose müssen entweder der erste oder der zweite Punkt der Diagnosekriterien zutreffen, wobei das erste Kriterium nicht durch eine andere psychische Störung bedingt sein darf, wie beispielsweise Schizophrenie (vgl. Melfsen & Warnke 2004, S.167).

Im Gegensatz zum DSM-VI fordert das ICD-10 für die Diagnose zusätzlich das Vorliegen von somatischen Angstsymptomen. Diese können allerdings durch signifikantes Vermeidungsverhalten oder die Einnahme von Medikamenten unterdrückt werden. Bei unter 18-Jährigen wird eine Mindestdauer des Auftretens der Symptome von sechs Monaten vorausgesetzt, um diese von entwicklungsbedingten und vorübergehenden Störungen abzugrenzen. Eine Mindestdauer bei Erwachsenen wird nicht festgelegt (vgl. Morschitzky 2009, S.87).

Verschiedene Aspekte müssen gegeben sein, um eine soziale Phobie im Kindesalter von normalem sozialem Unbehagen zu trennen. Demnach müssen die Ängste des Kindes seine Entwicklung langfristig verhindern und verschiedene Lebensbereiche wie die Familie oder Schule beeinträchtigen. Abgegrenzt wird die Zurückgezogenheit des Kindes, der keine soziale Angst vorausgeht. Auch der Unterschied zu anderen Störungen mit ähnlichen Symptomen, wie Depressionen und einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung, müssen gegeben sein (vgl. Melfsen & Warnke 2004, S.174).

Des Weiteren muss die soziale Phobie von anderen sozialen Angststörungen differenziert werden. Die Agoraphobie, die Panikstörung und die generalisierte Angststörung wie auch depressive Störungen unterscheiden sich nur in minimalen Punkten von der sozialen Phobie. Ebendiese müssen bei der Diagnose differenziert werden. Gemeinsame Merkmale dieser Störungen sind vor allem das Erleben von Angst und das Vermeiden sozialer Situationen. Die Agoraphobie unterscheidet sich in dem Punkt, dass die Angst nicht nur in sozialen Kontexten auftritt, sondern auch, wenn der Betroffene alleine ist. Zudem werden Umstände vermieden, in denen das Gefühl von Hilflosigkeit befürchtet wird. Bei der Panikstörung handelt es sich um eine Angst vor Körperreaktionen. Plötzlich auftretende geistige und körperliche Symptome werden als Bedrohung empfunden. Die generalisierte Angststörung definiert sich durch vielfältige ängstliche Befürchtungen und die Erwartung katastrophaler Ereignisse, die meist nicht in einem sozialen Kontext stehen. Wie bei der sozialen Phobie können diese Ängste aber auch durch soziale Gegebenheiten bedingt sein. Depressive Störungen können ebenfalls soziale Ängste implizieren und führen zu sozialem Rückzug und zur Isolation. Jedoch ist die abwertende Selbstwahrnehmung unabhängig von der Bewertung anderer und stimmungsabhängig (vgl. Stangier et al. 2016, S.6).

Aufgrund von hohen Komorbiditäten und der Ähnlichkeit der Symptomatik ist die Soziale Phobie oft nur schwer von anderen Angststörungen zu unterscheiden (vgl. Stangier et al. 2016, S.6). „In der Regel sind eine gründliche Exploration der auslösenden Situationen, der Kognitionen und der Verhaltensreaktionen, ggf. unterstützt durch den Einsatz von störungsspezifischen Fragebögen zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung unerlässlich“ (Stangier et al. 2016, S.7). Zuletzt gilt folgendes diagnostisches Kriterium:

„Das Vermeidungsverhalten, die ängstliche Erwartungshaltung oder das starke Unbehagen in den gefürchteten Situationen beeinträchtigen deutlich die normale Lebensführung der Person, ihre berufliche/schulische Leistung soziale Aktivitäten oder Beziehungen, oder die Phobie verursacht erhebliches Leiden“ (Pfeifer 2011, S.19).

2.1 Ätiologie

„Aktuelle ätiologische Konzepte gehen davon aus, dass bei Angststörungen sowohl eine biologische Vulnerabilität vorliegt, als auch ungünstige Umwelt- und Entwicklungsbedingungen das Auftreten begünstigen“ (Blanz 2015, S.135). Die Erkrankung der Eltern an einer Angststörung gilt beispielsweise als Risikofaktor. Demnach wird von einem vier- bis achtfach erhöhtem Risiko ausgegangen, wenn ein Elternteil davon betroffen ist. Die Entwicklung einer Sozialphobie kann demzufolge auf genetische Faktoren zurückgeführt werden (vgl. Blanz 2015, S.136).

„Es gilt als gesichert, dass zwei kognitive Angstsymptome genetisch determiniert sind, nämlich die Angst vor negativer Bewertung (ein zentrales Symptom bei sozialen Ängsten) sowie die Furcht vor angstbegleitenden vegetativen Symptomen (zentrale Symptomatik bei der Panikstörung)“ (Blanz 2015, S.136).

Weiterhin ist die Entwicklung einer Angststörung auf die temperamentsbedingte Gehemmtheit zurückzuführen. Diese äußert sich durch ein schüchternes und vermeidendes Verhalten und kann ab einem Alter von acht Monaten erstmals beobachtet werden (vgl. Schneider 2005, S.860). Mit großer Wahrscheinlichkeit gilt auch das Bindungsverhalten als Risikofaktor. Bindungstheoretiker nehmen an, „dass infolge des jeweiligen Bindungsstils das Kind zentrale Kognitionen über zwischenmenschliche Beziehungen und Möglichkeiten zur Gefühlsregulation ausbildet, die in einem `internalen Arbeitsmodell´ verankert werden“ (Schneider 2005, S.862). Aufgrund der Verbindung von Bindungsverhalten und der Bewältigung von Stresssituationen können Ängste ausgelöst werden, wenn das Gefühl existiert, nur mangelhaft mit Stresssituationen umgehen zu können. Besagtes resultiert aus einer unsicheren Bindung, in der die Bezugsperson des Kindes als abweisend und in Belastungssituationen als unzuverlässig erlebt wird (vgl. Blanz 2015, S.136).

Des Weiteren sind familiäre Faktoren, wie der Erziehungsstil, von großer Bedeutung. „Das Lernen innerfamiliärer Regeln zum Umgang mit sozialen Situationen, ihre Vermeidung oder die Überbewertung sozialer Normen können die Entwicklung sozialer Ängste begünstigen“ (Melfsen & Warnke 2004, S.181). Die Überbehütung des Kindes durch die Eltern führt einerseits dazu, dass das Kind in neuen ungewohnten Situationen weniger Angst erfährt. Andererseits nimmt es dem Kind die Chance, Bewältigungsmöglichkeiten zu entwickeln, die in unvertrauten Situationen die Angst reduzieren. Das Erleben von übermäßig unbeherrschten Gefühlsäußerungen der Eltern kann, sowie die Kritik und Sanktionierung von Gefühlsäußerungen des Kindes, dazu führen, dass Gefühle als bedrohlich und bedrückend wahrgenommen werden (vgl. Schneider 2005, S.862). Außerdem hat das elterliche Verhalten, also deren Vorbildfunktion, massiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Es kommt zur Nachahmung von sozial unsicherem Verhalten, welches durch die Eltern vorgelebt wird. Durch das Bestätigen des entsprechenden Verhaltens wird dann die soziale Unsicherheit des Kindes verstärkt (vgl. Blanz 2015, S.136). Angstpatienten berichten oftmals von bedrückenden Lebensereignissen, „wie Scheidung, psychischen Störungen, Zerrüttung von Familie und Ehe, familiären Konflikten und sexuellem Missbrauch“ (Stangier et al. 2016, S.10). Ereignisse wie diese werden daher ebenfalls als Risikofaktor für das Entwickeln einer sozialen Angststörung angesehen (vgl. Stangier et al. 2016, S.10). Zuletzt kann ebenfalls ein traumatisches soziales Ereignis den Auslöser für eine soziale Phobie darstellen. „Bei 58% der Sozialphobiker scheint ein traumatisches soziales Erlebnis voranzugehen“ (vgl. Emmelkamp et al. 1993, S.14).

„In retrospektiven Studien berichtet ungefähr jeder zweite Betroffene von einem aversiven sozialen Erlebnis, bevor die soziale Angststörung begann (z.B. vor der Schulklasse ausgelacht worden zu sein, von anderen Kindern gehänselt, gedemütigt oder ausgeschlossen worden zu sein)“ (Stangier et al. 2016, S.10).

Das folgende Schaubild soll verdeutlichen, wie die Angst entsteht und sich verfestigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Kreislauf der Angsterfahrung (Abb. nach Pfeifer 2011, S.5)

Das Erleben von Angst kann effektiv anhand eines Kreislaufs dargestellt werden, da es sich dabei um einen Prozess handelt, der sich immer wiederholt. Die Angst stellt hier eine ausweglose Situation dar, bei der sich Ursache und Wirkung gegenseitig verstärken (vgl. Pfeifer 2011, S.5). Der Auslöser der Angst wird durch einen äußeren Reiz erregt. Darauf folgt die erste körperliche Veränderung, zum Beispiel in Form von Herzrasen. Der Körper signalisiert, dass eine Gefahr vorliegt und ein lähmendes Gefühl der Angst breitet sich aus. Die betroffene Person steigert sich immer mehr in die Angst herein und es treten weitere körperliche Symptome als Konsequenz des Stresses auf. Daraus ergibt sich ein Schwächegefühl. Im nächsten Punkt folgt auf die Reaktion der Angst ihr sichtbares Verhalten, welches für die Betroffenen sehr unangenehm ist und Schamgefühle auslöst. Daraus resultiert das verzweifelte Ziel, Situationen zu vermeiden, die eine weitere Angstattacke bedingen (vgl. Pfeifer 2011, S.5). „Jede Aufregung, jeder kleine Konflikt, jede schlechte Nachricht muss vermieden werden“ (Pfeifer 2011, S.5). Die Betroffenen entwickeln ein Vermeidungsverhalten, welches zu Isolation von der Gesellschaft führt. Die Angst vor Angstattacken oder nur die Angst vor der Angst führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Beziehungen und Lebensbedingungen. Forscher fanden heraus, „dass sich die Angst schon im Bruchteil einer Sekunde einen Weg in die Alarmzentrale des Gehirns bahnen kann, bevor man überhaupt einen klaren Gedanken gefasst hat“ (Pfeifer 2011, S.5).

Zum Abschluss dieses Kapitels wird im Folgenden das Fallbeispiel erstmals aufgegriffen. Es werden mögliche Ursachen und Risikofaktoren herausgearbeitet, die das Entstehen der sozialen Phobie des Patienten begünstigt haben.

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Die soziale Phobie im Kindes- und Jugendalter. Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes
Université
Fliedner University of Applied Sciences Düsseldorf
Cours
Grundlagen der Psychotherapie bei spezifischen Störungsbil-dern im Kinder- und Jugendalter
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
19
N° de catalogue
V439089
ISBN (ebook)
9783668791220
ISBN (Livre)
9783668791237
Langue
allemand
Mots clés
Soziale Phobie, Störungen im Kindes- und Jugendalter, Psychologie, Pädagogik
Citation du texte
Pauline Couvrat (Auteur), 2018, Die soziale Phobie im Kindes- und Jugendalter. Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439089

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