Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.. Eine interne Analyse aus organisationssoziologischer Sicht


Hausarbeit, 2018

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.v

1. Organisation
1.1. Definition/Begriffserklärung
1.2. Organisationstypologien: Formale und informale ״Organisation“
1.3. Organisationsmitglieder

2. Interne Analyse einer Organisation am Fallbeispiel der ״Johanniter Unfall-Hilfe e.v.“
2.1. Die JUH als Interessenorganisation
2.2. Verhältnis zwischen der JUH und deren Mitglieder
2.3. Interne Analyse der ״formalen & informalen“ Strukturen der JUH

Fazit

Literaturverzeichnis

Vorwort

״Organisation: weder den Dingen ihren Lauf noch den Menschen ihren Willen lassen.“1 Dieses anonyme Zitat beschreibt sehr gut die Art was eine Organisation ausmacht, denn trotz ihrer großen Bedeutung und ihrer Verbreitung gibt es wenige Aussagen, die außerhalb von Fachkreisen als zitatwürdig gehalten werden. Doch was genau macht eine Organisation aus und wie funktioniert sie? Wie steht die Wissenschaft zu diesem Thema, insbesondere die Soziologie? Die Organisationssoziologie, ein Teilbereich der Soziologie, beschäftigt sich genau mit dem Gegenstandsbereich von Organisationen als soziale Gebilde und die in ihr stattfindenden sozialen Prozesse sowie Organisation als Prozess einer koordinierenden und gestaltenden Tätigkeit in sozialen Kontexten. Organisationen sind ein universelles Merkmal moderner, industrieller Gesellschaften. Menschen in derartigen Gesellschaften sind Zeit ihres Lebens kurz- oder auch längerfristig in Organisationen (Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Haftanstalten, Betriebe, Unternehmen, Verbände, Vereine, Parteien etc.) eingebunden. Deswegen ist kaum ein Lebensbereich vorhanden, der nicht mit Organisationen verbunden ist. Somit stellen Organisationen die Möglichkeiten und natürlich auch Einschränkungen sozialen Handelns dar. Die Aufgabe der Organisationssoziologie ist die Untersuchung sozialen Handelns unter den Aspekten der formalen Struktur, der Organisationsziele, der Macht- und Herrschaftsbeziehungen, des organisatorischen Wandels, des Konflikts und der Funktionalität bzw. Dysfunktionalität in der heutigen Gesellschaft.2

Seit Anfang der 1990er Jahren fällt der Begriff der Nichtregierungsorganisationen (kurz NGO) immer mehr in der öffentlichen und politischen Diskussion. Durch die Globalisierung der Märkte heutzutage gewinnt diese Organisationsform immer mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung in der modernen Zivilgesellschaft und nimmt stärker Gestaltungsbedarf auf der politischen Ebene. Das ״Internationale Rote Kreuz“, gegründet 1864, ist eine der ältesten NGOs, die heutzutage vorwiegend Fremdhilfe in Kriegs-, Not- und Katastrophenfällen leistet, aber auch früher schon advokatorisch (aus dem lateinischen Verb ״advocare“ = herbei-/hinzurufen) für humane Formen der internationalen Kriegsführung und Gefangenenbehandlung eingesetzt hat.3 Doch was macht diese Art von Initiative zu was Besonderem und Neuen? Und wie sind NGOs intern aufgebaut und was kann sie, was andere Organisationen bislang nicht konnten?

Die folgende Arbeit versucht genau diese Fragen zu beantworten und einen Einblick in ebendiese Organisationspolitik von NGOs zu bekommen. Dabei wird ein direkter Praxisbezug am Fallbeispiel der Johanniter Unfall-Flilfe e.v., die es seit den 1960er Jahren in Deutschland gibt, herzustellen. Im ersten Kapitel behandeln wir die Grundbegriffe der Organisation. Was ist die Definition einer Organisation und welche Grundbedeutungen führt die Wissenschaft auf? Außerdem ist wichtig zu erkennen welche Typologien Organisationen aufweisen, deswegen werden wir auf die ״formalen und informalen“ Strukturen näher eingehen. Letztlich ist das Verhältnis zwischen Organisation und deren Mitglieder auch ein Thema, die in der Organisationssoziologie von großer Bedeutung sind. Welche Arten von Mitglieder gibt es und welchen Nutzen haben sie in einer Organisation? Die interne Analyse einer Flilfsorganisation, in unserem Fallbeispiel die Johanniter Unfall-Hilfe e.v., ist das Thema des nächsten Kapitels, denn wie sieht es in der Realität aus? Das ist auch meine Forschungsfrage in dieser Hausarbeit: Inwieweit findet man Parallelen zwischen der wissenschaftlichen Theorie und der realen Praxis? Dabei werden verschiedene Möglichkeiten des organisatorischen Aufbaus der JUH skizziert und in Hinblick auf die Mitgliedschafts- und Einflusslogik untersucht. In welchem Verhältnis stehen die Mitglieder zu der Hilfsorganisation und welchen Teil tragen sie zu ihrer Existenz bei? Welche Formalstrukturen kann man bei der JUH erkennen und warum sind die informalen Strukturen bei einer NGO stärker geprägt als bei anderen Organisationsformen? Durch meine jahrelangen internen Arbeitserfahrungen bei der JUH, werde ich dazu auch meine subjektive Sichtweise hinzufügen, als Beitrag für diese wissenschaftliche Arbeit.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.v.

Der Johanniter-Orden besteht aus folgenden Werke und Einrichtungen: Johanniter Hilfsgemeinschaft (JHG), Johanniter Schwesternschaft e.v. (JoSch), Johanniter­Unfall-Hilfe e.V.(JUH), Johanniter GmbH und Johanniter Seniorenhäuser GmbH. Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.v., gegründet am 07. April 1952, ist seit mehr als 60 Jahren in den unterschiedlichsten karitativen und sozialen Bereichen aktiv. Sie haben mehr als 20 000 Beschäftigten, knapp 36 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und mit knapp 1,3 Millionen Fördermitgliedern gehören sie zu einer der größten Hilfsorganisationen Europas.4 Der Ursprung des Johanniterordens findet sich, genau wie der der Malteser, in der Gründung des Ordens vom Spital des Heiligen Johannes zu Jerusalem. Die Aufgaben des heutigen evangelischen Johanniterordens sind unter anderem Rettungs- und Sanitätsdienst, Katastrophenschutz und Erste-Hilfe­Ausbildung. Soziale Dienste in der Kinder- und Jugendarbeit, sowie die Betreuung und Pflege von älteren und kranken Menschen sind mitunter Schwerpunkte der Organisation. Seit Februar 2006 engagieren sich die Johanniter International (JOIN) in 23 Ländern mit mehr als 100.000 Ehrenamtlichen in der humanitären Hilfe, etwa bei Hunger- und Naturkatastrophen.5

1. Organisation

1.1. Definition/Begriffserklärung

Der Begriff der Organisation findet sich in der Umgangssprache, als auch in Wissenschaften wie in der Soziologie in vielerlei Definitionen. In der Publikation ״Organisationssoziologie“ von Prof. Dr. Günter Endruweit versucht dieser das Wort ״Organisation in drei Grundbedeutungen zu kategorisieren: Organisation erscheint als soziales Subjekt, sozialer Katalysator und sozialer Prozess6.

Im sozialen Prozess ist ״das Organisieren“ der Kern einer ״Organisation“. Organisieren als Prozess des Entwerfens oder Implementieren eines Handlungsordnung heißen.7 Dabei ist etwa in der Zuständigkeitsbezeichnung einer ״Abteilung für Organisation und Datenverarbeitung“ gemeint. Hauptsächlich wird dies im Sprachgebrauch der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre genutzt.8

Die ״Organisiertheit“, auch als Sozialstruktur bekannt, spielt beim sozialen Katalysator eine entscheidene Rolle.9 Dabei versteht man darunter ein soziologisches Objekt, was als intervenierenden Variable, soziale Prozesse beschleunigt, bremst oder in ihre Richtung ändert. Diese Definition wird jedoch in der älteren Soziologie und der Sozialanthropologie verwendet.

Zu guter Letzt kommt die Bedeutung des sozialen Subjekts in Betrachtung. In der Allgemeinen Soziologie und in der Organisationssoziologie wird dieser Begriff auch ausschließlich genutzt und ist heutzutage am verbreitetsten. Das Soziale Subjekt wird als Gegenstand soziologischer Betrachtung genommen, dass sozial handeln kann, d.h. wenn man einen Betrieb, einen Verein (in unserem Fall die Johanniter Unfall-Hilfe e.v.) etc. als Organisation bezeichnet10 oder die Version von Klaus Türk, Organisation als ״Organisaf zu bezeichnen11.

1.2. Organisationstypologien: Formale und informale ״Organisation“

Eine Formale Organisation ist eine fixe Regelung innerbetrieblicher Abläufe und Strukturen. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Definition der Arbeitsteilung, Beschreibungen von Arbeitsläufen oder die Festlegung von Weisungsbefugnissen. Doch seit den Hawthorne Experimenten (1924-1932) pflegt die Organisationsforschung nicht nur darauf zu achten, was in Schemata oder Richtlinien für das Funktionieren der Organisation festgelegt sind, umso mehr ist man der Meinung, dass stets ungeplante, spontane, ״private“ Beziehungen bestehen, die neben, über und hinter den offiziellen Linien existieren und von dort aus das Funktionieren der Organisation beeinflussen12.

In Niklas Luhmanns Buch - Funktionen und Folgen formaler Organisationen, lautet seine Definition im Kapitel ״Organisationen als Systeme“ folgendermaßen: Unter Formalität soll "die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Systemstruktur verstanden werden, die formal ist, weil sie die Identität des Systems gegenüber wechselnden Personen und Orientierungsinhalten sichert."13

Informale Organisationstheorie verwandeln die Organisation in ein geselliges Geschehen. Sie verführen dazu die informale Organisation der formalen Organisation gegenüberzustellen, als ob emotional gebundene Gruppen sich gegen die formale Organisation verteidigen würden.

"Im allgemeinen werden formale und informale Organisationen nur noch als zwei komplementäre Aspekte eines sozialen Systems aufgefasst, die sich nur analytisch, nicht aber im Sinne gegensätzlicher konkreter Untersysteme, trennen lassen."14 Es fehlt der Organisationsforschung die Einheit der Theorie.

1.3. Organisationsmitglieder

Ein weiterer wichtiger Grundsatz, um zu bestimmen, ob es sich bei einem sozialen Gebilde um eine Organisation handelt, sind ihre Mitglieder bzw. deren Akteure: Eine Organisation muss, so kann man mit vielen Ansätzen der Organisationsforschung sagen, einen Kreis von zuweisbaren Mitgliedern zu haben, die in spezifischer Weise ,organisiert’ sind.

Durch den freiwilligen Beitritt des Mitglieds in die Organisation, erkennt dieser grundsätzlich auch die formalisierten Verhaltenserwartungen an. Das Mitglied, dass freiwillig einer Organisation angehört, leistet in der Regel einen individuellen Beitrag zum Fortbestand der Organisation, jedoch mit der Erwartung einer spezifischen Gegenleistung.15 Um das Beitrags-Leistungs-Verhältnis zwischen Mitglied und Organisation zu klären, geht Prof. em. Walther Müller-Jentsch von drei Mitgliederklassen aus16

(1) Personal: Jede Organisation verfügt über eine Mindestausstattung von Personal, einen ״Verwaltungsstab“ (Max Weber). Dabei sind es die Mitgliedergruppen, die für die Bewältigung des Verwaltungsaufwands und der Realisierung des Organisationszwecks zuständig sind. Bei einigen Organisationsformen (in unserem Fall eine NGO) sind neben den

[...]


1 Anonymes Zitat aus Tange, Ernst Günte: Der boshafte Zitatenschatz, Frankfurt/M.: Eichborn 2001, s. 395

2 Vgl. Türk/Lemke/Bruch 2006: Organisation in der modernen Gesellschaft, s. 14-18

3 Vgl. Müller-Jentsch 2003: Organisationssoziologie - eine Einführung, s. 169

4 Vgl. Informationen aus der offiziellen Webseite der Johanniter Unfall-Hilfe e.v. (2018): Die Johanniter

5 Vgl. Jahresbericht 2016 der Johanniter Unfall-Hilfe e.v. (2018), s. 27

6 Vgl. dazu Endruweit: Beiträge zur Soziologie, Bd. II, s. 14-34. Siehe auch Gomez/Zimmermann, s. 16-19

7 Vgl. Türk 1990: Neuere Organisationssoziologie, s. 21

8 Vgl. Mayntz 1963, s. 37

9 Vgl. Parsons 1960, s. 16 und 23

10 Vgl. Endruweit: Organisationsoziologie 2004 s. 18/19

11 Vgl. Türk: Neuere Organisationssoziologie 1990, s. 22

12 Vgl. Endruweit: Organisationsoziologie 2004 s. 48

13 Vgl. Luhmann 1964: Funktionen und Folgen formaler Organisationen, s. 29

14 Vgl. Luhmann 1964: Funktionen und Folgen formaler Organisationen, s. 30

15 Vgl. Müller-Jentsch 2003: Organisationssoziologie - Eine Einführung, s. 26

16 Vgl. Müller-Jentsch 2003: Organisationssoziologie - Eine Einführung, s. 27

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.. Eine interne Analyse aus organisationssoziologischer Sicht
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V441525
ISBN (eBook)
9783668798632
ISBN (Buch)
9783668798649
Sprache
Deutsch
Schlagworte
johanniter-unfall-hilfe, eine, analyse, sicht
Arbeit zitieren
Johnny Lam (Autor:in), 2018, Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.. Eine interne Analyse aus organisationssoziologischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441525

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