Nikotinsucht verhindern. Wie sinnvoll ist Prävention in der Erziehung von Kindern im Vorschulalter?

Eine empirische Untersuchung in einer Kindertagesstätte


Mémoire (de fin d'études), 2005

175 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sucht und Gesellschaft
2.1. Leben in einer Konsumgesellschaft
2.2. Bagatellisierung der legalen Sucht 9 Zusammenfassung

3. Sucht und ihre Folgen am Beispiel der Nikotinsucht
3.1. Wissenschaftliches Verständnis von Sucht
3.2. Nikotin in der Gesellschaft
3.2.1. Geschichte des Tabaks
3.2.2. Nikotin als Droge
3.2.3. Zahlen und Fakten zum Konsum
3.3. Gesundheitliche Schädigungen durch die Nikotinsucht
3.4. Tabakkonsum als Einstieg in die gekoppelte Abhängigkeit

Zusammenfassung

4. Sucht als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses
4.1. Ätiologie süchtigen Verhaltens
4.1.1. Risikoorientierte Konzepte
4.1.2. Suchtprotektive Konzepte
Theoretische Konzepte zur Entwicklung einer
4.2. Nikotinsucht ...
4.3. Determinanten des Rauchbeginns

Zusammenfassung

5. Relevanz der Drogenthematik im Vorschulalter
5.1. Suchtgefährdung in der Kindheit
5.2. Vorläufer einer Sucht

Zusammenfassung

6. Die Rolle der ersten Sozialisations- instanz der Familie
6.1. Risikofaktoren in der Familie
6.2. Protektive Faktoren in der Familie
6.3. Familiärer Wandel und pädagogische Grenzen

Zusammenfassung

7. Familiäre Suchtprävention

Zusammenfassung

8. Empirischer Teil
8.1. Angewandte Methodik
8.2. Darstellung der Ergebnisse aus der Untersuchung
8.2.1. Allgemeine Lebenssituation
8.2.2. Einstellungen zur Gesundheit
8.2.3. Einstellungen zu Alltagsdrogen
8.2.4. Verhalten des Kindes
8.2.5. Verhalten gegenüber dem Kind
8.2.6. Kindheit der Probanden

Zusammenfassung

9. Prüfung und Diskussion der Hypothesen

Zusammenfassung

10. Schlussbetrachtung

Zitate zum Nachdenken

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zigarettenkonsum der Jugendlichen pro Tag

Abb. 2: Nikotinbedingte Todesfälle 1990

Abb. 3: Erster Alkoholkonsum

Abb. 4: Drogenkonsum bei Rauchern und Nichtrauchern in Bern I

Abb. 5: Drogenkonsum bei Rauchern und Nichtrauchern in Bern II

Abb. 6: Ursachen der Drogenabhängigkeit

Abb. 7: Das bio-psychosoziale Modell von Hurrelmann

Abb. 8: Das Rahmenmodell von van Raaij

Abb. 9: Psychodynamik und Entwicklung des Drogenmissbrauches von Brogdany

Abb. 10: Prozentuale Verteilung nach Alter und Geschlecht der Probanden

Abb. 11: Schulabschluss der Probanden

Abb. 12: Tätigkeit der Probanden

Abb. 13: Unterteilung der Probanden in Raucher und Nichtraucher Wissen um den elterlichen Einfluss auf die Kinder in Bezug auf das spätere Verhalten gegenüber

Abb. 14: Alltags- drogen

Abb. 15: Einstellung zur Gesundheit

Abb. 16: Einstellung zur Gesundheit (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 17: Einstellung zur Gesundheit (Gegenüberstellung P1 und P2)

Abb. 18: Einstellung zur Gesundheit (Gegenüberstellung der Schulbildung)

Abb. 19: Einstellung gegenüber Alltagsdrogen

Abb. 20: Gefahren, welche bei der Nikotinabhängigkeit gesehen werden

Abb. 21: Angaben der Eltern über die Möglichkeiten der familiären Prävention

Abb. 22: Angaben der Eltern über die Möglichkeiten der familiären Prävention (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 23: Einstellung gegenüber Alltagsdrogen (Gegenüberstellung P1 und P2)

Abb. 24: Angaben der Eltern über die Möglichkeiten der familiären Prävention (Gegenüberstellung der Schulbildung)

Abb. 25: Verhalten des Kindes

Abb. 26: Verhalten des Kindes

Abb. 27: Berufsgruppen der Eltern der Probanden (Gegenüberstellung - Nikotinsucht der Eltern in der Kindheit der Probanden)

Abb. 28: Familiäre finanzielle Situation in der Kindheit der Probanden (Gegenüberstellung - Nikotinsucht der Eltern in der Kindheit der Probanden)

Abb. 29: Familiäre finanzielle Situation in der Kindheit der Probanden (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 30: Das eigene Verhalten in der Kindheit (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 31: Erziehungsstil der eigenen Eltern (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 32: Verhalten und Einstellung der eigenen Eltern (Gegenüberstellung Raucher/ Nichtraucher)

Abb. 33: Präventionsgerüst für Eltern

Abb. 34: Puzzelstücke

1. Einleitung

Ohne Zweifel ist Sucht ein weltweit verbreitetes Phänomen, welches vor allem in der Industriegesellschaft epidemische Ausmaße angenommen hat. Viele Institutionen der modernen Gesellschaft versuchen, diesem Problem und der daraus folgenden Verantwortung gerecht zu werden und der Entstehung der Sucht sowie deren Auswirkungen Einhalt zu gebieten.

Trotz der steigenden Angst, gerade der Eltern, mit Sucht konfrontiert zu werden, stellt der Gedanke einer Suchtvorbeugung im Vorschulalter eine ungewöhnliche Perspektive dar. Da wir auf den Straßen keine kleinen Kinder sehen, die rauchen, trinken oder kiffen, erscheint es nicht selbstverständlich, dieses Problem zu the- matisieren, lange bevor sich ein potentielles Risiko ankündigt. Dass es notwendig ist, diese Frage zur Diskussion zu stellen, bestätigen uns die steigenden Konsumzahlen und das sinkende Einstiegsalter bei Kindern im Bereich der legalen und illegalen Drogen.

„ Im Zusammenhang mit dem „ Aktionsplan Drogen und Sucht “ der Bundesregie- rung verweist der jugendpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sachsen- Anhalt, Marcus Kurz, auf die erschreckende Bilanz hinsichtlich des Drogenkon- sums bei Jugendlichen. Die gestiegene Attraktivität legaler Drogen, insbesondere von Tabak, sei besorgniserregend. Das Einstiegsalter sinke in nicht hinnehmbarer Weise. “

(Elbe Report 2003, S. 1)

Doch wollen wir bei unseren rauchenden Kindern oder aber auch den rauchenden Eltern wirklich von Drogenabhängigen sprechen? Nach Tolzmann ist das Verhältnis der meisten Menschen zu Drogen in unserer Gesellschaft sehr ambivalent. Diese Situation wird mit dem übermäßigen Konsum und der Bagatellisierung legaler Drogen einerseits und der Dramatisierung und Verteufelung illegaler Drogen andererseits gekennzeichnet (vgl. Tolzmann, 1995, S. 3).

Gegen eine derartige Differenzierung sprechen Statistiken wie die der 6. Deut- schen Nikotinkonferenz, welche 90% der jährlich 30.000 zu beobachtenden Neu- erkrankungen des Lungenkrebses auf das Zigarettenrauchen zurückführen. Des weiteren ist davon auszugehen, dass derzeit täglich 380 Menschen an den Folgen tabakassoziierter Erkrankungen sterben (vgl. Haustein, 2003). Dass die Aufgabe der Drogenprävention sich nicht nur auf die illegalen Drogen konzentrieren und keinesfalls erst ab dem Jugendalter zur Diskussion stehen darf, stellten unter anderem Forschungsergebnisse der Bundesarbeitsgemein- schaft Katholischer Familienbildungsstellen und der BZgA fest. Demnach treten zwar in den ersten Lebensjahren zumeist keine süchtigen Verhaltensweisen auf, es bestünde allerdings die Gefahr, dass schon in diesem Alter Strukturen ange- legt werden, welche eine spätere Suchtgefährdung begünstigen. Demzufolge müssen suchtpräventive Maßnahmen bereits ab dem ersten Lebensjahr des Kin- des einsetzen, da man einem gefährdeten Kind besser durch eine gute Vorbeu- gung als durch eine spätere Therapie helfen kann (vgl. BZgA, 1999, S. 11 ff.).

Die vorliegende Arbeit wird strukturell wie folgt gegliedert sein:

Die theoretischen Grundlagen im ersten Teil der dieser Arbeit werden durch eine gezielte Literaturrecherche zusammengestellt.

Um das Arbeitsthema der Nikotinprävention im Elternhaus bei Kindern im Vor- schulalter unter wissenschaftlichen Aspekten in Augenschein nehmen zu können, erscheint es sinnvoll, etwas weiter auszuholen und den Umgang mit Drogen in unserer Gesellschaft sowie das Phänomen der allgemeinen Suchtentstehung zu untersuchen.

Ein Großteil der Arbeit wird sich ohne eine spezielle Differenzierung der Nikotin- sucht auf die gesamten stoffgebundenen Drogen beziehen. Dies geschieht aus dem Grund, da beispielsweise eine Suchtgefährdung oder eine suchtmittelunspe- zifische Prävention nicht an einen bestimmten Suchtstoff gebunden ist, sondern sich aus dem süchtigen Verhalten im Allgemeinen herausbildet (vgl. Haug- Schnaben, Schmid-Steinbrunner, 2000, S. 10 ff.). Nachdem daher anfangs die Bereiche der Sucht und Gesellschaft, der Ätiologie von Süchten sowie die Folgen der Sucht im Hinblick auf die Nikotinsucht thematisiert werden, werde ich an- schließend auf die Frage der Präventionsrelevanz im Vorschulalter und die dies- bezügliche Verantwortung sowie die Möglichkeiten der Familie eingehen. Der dar- auf folgende empirische Teil bezieht sich auf die Untersuchungsergebnisse aus einer Befragung von Eltern, deren Kinder in einer Kindertageseinrichtung in Mag- deburg untergebracht sind. Im Mittelpunkt dieser Befragung stehen das Verhal- ten des Kindes und der Umgang mit dem Kind, das familiäre Gesundheitsbe- wusstsein, der Umgang mit Alltagsdrogen sowie die eigene erlebte Kindheit.

Folgende Hypothesen stehen im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Arbeit

1. Eine erfolgreiche und drogenunspezifische Suchtprävention muss schon im Vorschulalter ansetzen, da eine Neigung zur Sucht und die Einstellung zu süchtigen Verhaltensweisen schon in diesem Alter ausgebildet werden können.
2. Eine Neigung zur Sucht kann sich schon im Kindesalter entwickeln und in einigen Fällen auch schon in diesem Alter in Form von suchtähnlichen Verhaltensweisen registriert werden.
3. Da die Nikotinsucht nicht kritisch genug gesehen und als Genussmittelab- hängigkeit bagatellisiert wird, sehen die meisten Menschen die Nikotinabhängigkeit nicht unmittelbar als Thema der Drogendiskussion und Drogenprävention an.
4. Bei den Risiken der Nikotinabhängigkeit sehen die meisten Eltern vorder- gründig die gesundheitlichen Schäden, nicht aber die Gefahr einer Einstiegsdroge in die Mehrfachabhängigkeit.
5. Die familiäre Institution als erste Sozialisationsinstanz legt mit ihrem Le- bensstil, ihren Normen, ihren Werten und dem familiären Umgang mitein- ander die Grundlage für ein suchtfreies Leben. Dieses starke Präventions- potential wird hierbei aus Unwissenheit von den meisten Eltern unzurei- chend gewichtet.
6. Das elterliche Vorbildverhalten gegenüber den Kindern bezüglich des Um- gangs mit Alltagsdrogen stellt einen einflussreichen Faktor bei dem späte- ren Umgang der Kinder mit diesen Substanzen dar. Dieser Faktor wird ge- rade von Eltern, welche selbst häufig Alltagsdrogen konsumieren, als ein- flussschwache oder einflusslose Größe in Bezug auf eine Suchtgefährdung ihrer Kinder gesehen.
7. Da sozial benachteiligte Familien ihren Kindern meist unzureichende Rah- menbedingungen und ein ungünstiges Vorbildverhalten mit auf den Weg geben, sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien stärker der Gefahr einer Nikotinabhängigkeit ausgesetzt.

2. Sucht und Gesellschaft

Dass das Bedürfnis nach Rausch so alt wie die Menschheit selbst ist, ist aus kulturgeschichtlichen Forschungen bekannt und lässt auf ein dem Mensch innewohnendes Bedürfnis, der Alltagsroutine zu entfliehen, schließen (vgl.

Schneider, 1996, S. 9 ff.; Schulz, 2000). Aus historischer Sicht lassen sich folgende Funktionsweisen des Gebrauches von Drogen unterscheiden:

- Drogenkonsum als Medium kultischer Handlungen;
- Drogenkonsum als Heilmittel;
- Drogenkonsum als marktbezogenes Genussmittel;
- Drogenkonsum als spirituelles Mittel zur Erweiterung der Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten;
- Drogenkonsum als Mittel zur Befriedigung zwanghafter Impulse

(vgl. Schneider, 1996, S. 9 ff.).

Auch wenn einige Drogen erst zum Ende des vergangenen Jahrhunderts auf dem Markt erschienen, sind Stoffe, welche die Wahrnehmung beeinflussen also keine Erfindung der Neuzeit, sondern gehörten vermutlich seit jeher zum menschlichen Leben. Entscheidende Schritte bei der Verbreitung von Suchterkrankungen waren die industrielle Fertigung (z.B. alkoholischer Getränke) und die Distribution dieser Produkte an jedem Ort, in jeder beliebigen Menge. Somit waren die beiden hauptsächlichen stoffbezogenen Faktoren heutiger Suchtkrisen, also die ständige Verfügbarkeit und die kontinuierliche Wirkstoffpotenzierung, gegeben (vgl. Klein 2001, S. 277 ff.).

Die historischen Brüche im Verständnis vom Rausch einzelner Drogen und die gesellschaftliche Akzeptanz haben laut Dregwitz allerdings weniger mit der Verfügbarkeit und massenhaften Verbreitung zu tun, als mit den sich wandelnden Anforderungen an die Gesellschaftsmitglieder und ihre Verhaltensweisen. Mit fortschreitender Industrialisierung und den sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen prägte sich auch die Individualisierung der Einzelperson. Diese zunehmend verlangte Autonomie bewirkte, dass sich auch das vorherrschende Rauschverständnis änderte. Dies führte im 17. und 18. Jahrhundert beispielsweise dazu, dass Alkohol durch seine unberechenbare Wirkung zum Problem der Gesellschaft wurde. Im Gegensatz dazu etablierte sich Kaffee als Droge des aufsteigenden Bürgertums (vgl. Dregkwitz, 2002, S. 21ff.). Konsummuster, gesellschaftliche Drogenakzeptanz sowie Verbote wie Gebote im Umgang mit den einzelnen Substanzen entspringen also einem historischen und gesellschaftlichen Verständnis von Sucht und unterliegen einem ständigen Wandel. So wird nach Schulz der Sinn menschlichen Lebens in unserer heutigen Gesellschaft im beruflichen Erfolg und der Karriere, im körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefinden und im Erwerb verschiedenster Konsummittel gesehen, was unter anderem die unterschiedliche Bewertung von Süchten zur Folge hat. Die Arbeits- und Fernsehsucht werden durch diese vorherrschenden Werteinstellungen beispielsweise eher positiv, die Alkohol- und Drogensucht dagegen eher negativ und die Medikamenten- und Nikotinsucht als „akzeptiert“ beurteilt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang der Einzelne seinen Rollenverpflichtungen in der Gesellschaft nachkommt (vgl. Schulz, 2000).

Hurrelmann und Unverzagt beziehen sich auf die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, welche rund fünf Prozent der Bevölkerung als „stoffgebunden suchtkrank“ angibt, ganz abgesehen von den unzähligen stoffungebundenen Abhängigen. Insgesamt stehen also mehrere Millionen Suchtmittelabhängige für das Wort der süchtigen Gesellschaft. Sucht ist ein Begriff, der viele Verhaltensweisen mit einbeziehen kann, den aber keiner gerne auf sich bezogen anwendet. Der passionierte Weintrinker, welcher sich zum Abend ein Gläschen erlaubt, wird sich ebenso wenig als süchtig bezeichnen wie der Nikotinabhängige, der sich in seinen wohlverdienten Pausen eine Zigarette gönnt (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 57 ff.). Oder gehen wir von einem Arbeitssüchtigen aus. Es wird kaum vorkommen, dass sich dieser eingesteht, ein Problem zu haben, gar suchtkrank zu sein. Gerade in diesem Fall zeigt sich das zwiespältige Verständnis von Sucht in der Gesellschaft, denn neben dem Betroffenen würde auch kaum ein anderer diese Verhaltensweise als süchtig betiteln. Im Gegenteil, in diesen Fällen ist oft die Rede von Fleiß, Ehrgeiz und Karriere. Sucht ist in diesen Zusammenhängen für die meisten nicht das richtige Wort, denn süchtig sind immer die anderen.

Wie Konsumenten ihren Drogenkonsum subjektiv erleben und welches Bild, welche Vorstellung sich die Öffentlichkeit über den Drogenkonsumenten macht, sind das Ergebnis soziokultureller und sozialer Konstruktionen, welche einem ständigen Wandel unterworfen sind (vgl. Dregkwitz, 2002, S. 21ff.).

2.1. Leben in einer Konsumgesellschaft

Begleitet von der Industrialisierung und dem daraus folgenden Leistungsdruck auf jeden Einzelnen sieht Niebling den Menschen in der modernen Welt auf sich selbst gestellt. Dieses „ auf sich selbst geworfen “ sein und die daraus entstehende Orientierungslosigkeit wird mit dem Streben nach Konsum beantwortet (Niebling, 1997, S. 39). Mit der Anhäufung materieller Werte versucht der Mensch so, sich die fehlende Orientierung und Sicherheit zu verschaffen. Einhergehend mit dem Zwang zur Rationalität und Produktivität jedes einzelnen steigt das Bedürfnis nach Entspannung, Glück und Gemeinschaft (vgl. Niebling, 1997, S. 39 ff.). Dieses Bedürfnis sowie das Verlangen nach Lust, Erholung, An- und Entspannung und Befriedigung wird insbesondere in hochindustrialisierten Konsumgesellschaften bedrohlich manipuliert. Abenteuer müssen nicht mehr hautnah erlebt werden, da ein Knopfdruck auf die Fernbedienung, wenn auch nicht ein Selbst-, so wenigstens ein Miterleben liefert. Ein Babyfon überwacht unsere Kinder und ein Wiegenmechanismus schaukelt das Babybett, ohne unsere persönliche Präsenz. Und so gibt es unzählige Beispiele dafür, wie wir uns unmittelbar und schnell, quasi per Knopfdruck Befriedung und Entspannung verschaffen können (vgl. Nowak, 1994, S. 17 ff.).

Da alle Bereiche des Lebens fest ineinander verzahnt sind, ist ein Leben fern von gesellschaftlichen Wertvorstellungen heutzutage nicht mehr möglich. So wachsen schon unsere Kinder in einer Gesellschaft auf, die auf Konsum und Befriedigung ausgerichtet ist. Nicht das Gespräch oder ein Rollenspiel mit den Eltern, sondern ein Blick in namhafte Kinderzeitschriften wie die Bravo oder Micky Maus verrät, was von Bedeutung ist. Nur wer Markenklamotten trägt ist in, kann sich von anderen absetzen oder zu ihnen gehören. Laut Freitag ist es die Individualität, hervorgerufen von eben diesen Besitztümern, welche, wenn schon keine Einzigartigkeit in der Person zu erreichen ist, angestrebt wird. Aber auch uns als besorgten Eltern kommt diese Entwicklung zugute. Calciumtabletten machen unsere Kinder groß und stark und Vitaminkombinationen bekämpfen Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit und andere unangenehme Zustände (vgl. Freitag, 1995). Nicht mehr langwierige Erziehungs- und Beziehungsarbeit machen eine Identität aus, sondern Marken, Logos und Trends bestimmen den Status. Schnelle, möglichst unmittelbare Befriedigung ist die Devise zur Selbstverwirklichung (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 64 ff.). Gerade das Bewusstsein junger Menschen wird von künstlichen Bedürfnissen überschwemmt, die gegen jeden Triebverzicht und auf unmittelbaren Lustgewinn ausgerichtet sind (vgl. Meyer, 1993, S. 20 ff.).

Lange bevor es zu einer Sucht kommt, durchwandern wir das Feld der Ersatzhandlungen, welches unter anderem durch ein früh ausgeprägtes , passives Konsumverhalten hervorgerufen wird. Aber wie auch Hurrelmann und Unverzagt beschreiben, können wir den Konsum nicht komplett verdammen und verurteilen, weil wir unabänderlich in einer Konsum- und Wohlstandsgesellschaft leben, welche all diese Besitztümer wichtig macht. Warum soll man nicht auch schöne Dinge genießen können, sich ohne eigene Mühen entspannen oder sich mit der Überreichung eines kleinen Geschenkes für die Kinder ein paar Minuten Ruhe erkaufen? Vorübergehend auszuweichen ist in manchen Fällen ein sinnvolles Verhalten. Erst das Verharren in diesen Ausweichmanövern durch ständige Ersatzbefriedigung birgt die Gefahr, die starke Neigung zu Ersatzhandlungen auf Dauer zu festigen (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 64 ff.). Das Für und Wider einer jeden Wahlmöglichkeit in den verschiedenen Situationen abzuwägen, liegt in der Verantwortung eines jeden selbst. Da unsere Gesellschaft noch keine Normen für ein vernünftiges Konsumverhalten entwickelt hat, stellt sich die Frage, ob es überhaupt ein Erziehungskonzept gibt, was das Erziehen zu einem zweckmäßigen und sinnvollen Konsumverhalten möglich macht (vgl. Meyer, 1993, S. 20 ff.).

Gerade in Hinblick auf die Erziehung unserer Kinder scheint dies eine Frage des eigenen Verantwortungsbewusstseins zu sein.

2.2. Bagatellisierung der legalen Sucht

Erste Verbote bestimmter Rauschgifte erfolgten erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts und führten in den 30er Jahren zu einer deutlichen Trennung zwischen den legalen und illegalen Drogen (vgl. Bäuerle, 1991, S. 46 ff.). Im Laufe der Jahre wurden mehr und mehr Drogen reglementiert, um schließlich in drei zentralen Drogengesetzen festgeschrieben zu werden:

1. Das LMBG (Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandsgesetz) , welches die unbedenkliche Herstellung und Behandlung sowie die richtige Auszeichnung regelt.
2. Das AMG (Arzneimittelgesetz), welches zum Beispiel die Apotheken- oder Rezeptpflichtigkeit regelt.
3. Das BtMG (Betäubungsmittelgesetz), welches mit seinen Maßnahmen auf den fachgerechten Umgang und die Verhinderung des Konsums der von ihm geregelten Substanzen abzielt (vgl. Schmidt-Semisch, 2000).

Die Unterscheidung von legalen und illegalen Stoffen gehorcht also arzneimittelrechtlichen, gesundheitspolitischen und strafrechtlichen Erwägungen. Diese hängen nicht immer direkt von der Wirkung und Folge der Substanz ab, bestimmen aber ganz ausschlaggebend, wie wir über diese Drogen denken und wie gefährlich wir diese wahrnehmen (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 90 ff.). Obwohl es die weltweit verbreitetsten Suchtstoffe sind, haben wir uns an Alkohol, Koffein und Nikotin so sehr gewöhnt, dass sie nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken sind und als Genussmittel angesehen werden. Sie haben einen allgemein akzeptierten Platz in unserer Gesellschaft. Im Gegensatz zu den illegalen Drogen, deren Konsum gemeinhin als negativ betrachtet wird, gibt es etliche Alltagssituationen, in denen der Konsum legaler Drogen als gesellschaftlich akzeptiert und positiv angesehen wird (ebd.).

Dabei sprechen auch die Statistiken gegen diese ambivalente Sicht. Schon 1995 waren weitaus mehr Menschen von legalen Suchtmitteln abhängig als von illegalen und wesentlich mehr Menschen kamen durch legale als durch illegale Drogen zum vorzeitigen Tod. Laut Beckmann starben in Deutschland allein durch das Nikotin 1997 mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen, Mord und Selbstmord zusammen. 1998 belief sich die Zahl der sogenannten Rauschgifttoten auf etwa 1.700, 2003 sank diese Zahl auf ca. 1.400, eine Schätzung der tabakbedingten Todesfälle belief sich dagegen schon im Jahr 1990 auf 111.000. Angesichts der deutlichen Zahlen ist die Verharmlosung der legalen Drogen nicht nachvollziehbar (vgl. Beckmann, Mechinch, 2001, S .15 ff.; Tolzmann, 1995, S. 11 ff.; Caspers-Merk, 2004, S. 149).

Es stellt sich also die Frage, warum der Konsum von illegalen Drogen so schockierend auf uns wirkt, ein Alkoholrausch jedoch billigend, wenn nicht sogar amüsiert hingenommen wird. Zum einen ist hier die Rede von der Verlogenheit der Presseberichte, welche Sensationsmeldungen über illegale Drogen herausbringt, jedoch kaum ein Wort über die sogenannten Genussmittel verliert. Zum anderen wird ein Grund in der zwiespältigen Einstellung der Menschen gesehen, welche durch die Verharmlosung einerseits und Verteufelung andererseits ihre eigenen Gefährdungen und Verhaltensweisen bagatellisieren. Es scheint sich um ein kollektives Verdrängen zu handeln, welches die Konsumenten legaler Suchtmittel entlastet und jene illegaler Drogen zu Sündenböcken werden lässt (vgl. Bäuerle, 1991, S. 17 ff.; Tolzmann, 1995, S. 11 ff.). Ein anderer Grund scheint sich in der Drogenpolitik zu finden. Statt sachlich über die Gefährdungs- und Genusspotentiale aller Drogen aufzuklären, werden den illegalen Drogen eine besondere Gefährlichkeit unterstellt. Des weiteren wird durch die strafrechtliche Verfolgung der soziale Abstieg der Konsumenten illegaler Drogen billigend in Kauf genommen. Beschaffungskriminalität und soziale Ausgrenzung sind nicht selten die Folge (vgl. Bäuerle, 1991, S. 17 ff.; Stöver, 1994, S. 7 ff.). Laut Stöver förderte die selektive Prohibition nur die Doppelmoral. Hier ist die Rede vom Grundrecht, welches auch die Entscheidung zum Konsum einer Droge mit einbezieht. Seiner Meinung nach sollte sich der Staat nicht durch Sanktionierung und strafrechtlicher Verfolgung einmischen, sondern gesundheitsfördernde und schadensminimierende Verhaltensweisen in Bezug auf alle Drogen unterstützen (vgl. Stöver, 1994, S. 13 ff.).

Eine künstliche Trennung zwischen legalen und illegalen Drogen ergibt nach Hurrelmann und Unverzagt weder aus pharmakologischer, soziologischer oder gesundheitsgefährdender Sicht einen Sinn. Solange unerlaubte Drogen verteufelt und tabuisiert werden, ist eine tatsächliche Bewertung erlaubter Suchtmittel nicht möglich. Eine derartige Unterscheidung erlaubt lediglich, über die Drogen anderer zu reden und den Gebrauch der eigenen zu verharmlosen. Nur wer sich mit dem Gefährdungspotenzial der einzelnen Substanzen differenziert auseinandersetzt und sachliche Informationen liefert, kann eine objektive Sichtweise entwickeln und vermitteln (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S.90 ff.).

„ Was einmal in die Welt gekommen ist, sei es durch die Natur, menschlichen Erfindergeist oder den weltumspannenden Handel, ist von nun an da und wir müssen lernen, damit zu leben - jenseits von Panikmache oder Verharmlosung. “ (Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 95)

Zusammenfassung

Das Verlangen des Menschen, sich durch eine Substanz oder eine Handlung in Rausch zu versetzen, besteht seit Menschengedenken. Was sich im Laufe der Geschichte veränderte, sind lediglich die Möglichkeiten und die gesellschaftliche Akzeptanz, diesem Bedürfnis nachzugehen. Es gibt kaum eine Substanz, kaum ein Konsumgut, was nicht erstanden werden könnte, um ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen die Familien noch in gr öß eren Gruppen zusammenlebten, bestehen die Familien heute in den meisten Fällen aus den Eltern und ein bis zwei Kindern. Das Leben in weniger großen Gruppen hat zur Folge, dass man sich mehr mit sich selbst beschäftigen muss und allein für das Ausfüllen des Tages verantwortlich ist. Somit werden Gelegenheiten, die eine große Familie bietet, durch eine Vielzahl von Konsummöglichkeiten (Fernsehen, Computerspiele usw.) ersetzt.

Das Aufwachsen in einer Gesellschaft uneingeschränkter Konsummöglichkeiten erschwert das unabhängig werden und bleiben. Wie ich eingangs erwähnte, wird die Problematik der Sucht nicht nur von dem Vorhandensein jeglicher Konsumgüter und Suchtmittel gesehen, sondern auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz, die wie im Kapitel 2.2. zu erlesen, sehr ambivalent ist. Wir sollten uns nicht nur darüber im Klaren sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, welche die

Sucht fördert, sondern auch, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, süchtig zu werden. Da jedes süchtige Verhalten auf die eine oder andere Weise zur Erkrankung des Menschen führt, sollte die grundsätzliche Drogendiskussion nicht durch eine Legalisierung oder Illegalisierung in harmlose und bedrohliche Suchtformen unterscheiden. Jedoch stellt sich mir die Frage, welche Alternativen sich bieten und was eine Gleichstellung aller Süchte zu Folge hätte. Eine Legalisierung aller Drogen könnte zur Folge haben, dass der Konsum heute illegaler Drogen zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz und damit zu einem steigenden Konsum führt. Ein Verbot aller Drogen mit dem Ziel, die Suchterkrankungen einzuschränken, sehe ich ebenfalls als unrealistisch, da es eine Anzahl stoffungebundener Süchte gibt, deren Reglementierung ein schweres Unterfangen darstellen dürfte. Ich sehe die zukünftigen Erfolge nicht in einer Gleichsetzung der Drogen, sondern darin, die Sucht als Störung eines Menschen und nicht vom Suchtstoff her zu thematisieren. Im Endeffekt ist Sucht, in welcher Form auch immer, eine Erkrankung, die weder verteufelt noch verharmlost werden sollte.

3. Sucht und ihre Folgen am Beispiel der Nikotinsucht

Ungeachtet des starken Ausuferns der Missbrauchsgewohnheiten gegenüber Ni- kotin, Alkohol und Medikamenten, waren diese Probleme schon im Nachkriegs- deutschland kaum ein Thema. Im Gegenteil, statt ein Problem in den gesundheit- lichen Schädigungen oder zumindest in den steigenden Konsumzahlen zu sehen, wurde der Gebrauch des Tabaks beispielsweise gesellschaftlich nicht nur gebilligt, sondern gefördert (siehe 3.2.). Den „ Zustand der Vergiftung “ (Heckmann, 2000, S. 120) unserer Gesellschaft schienen erst die Konsumenten illegaler Drogen deutlich zu machen. Trotz der verhältnismäßig geringen Anzahl illegaler Drogenkonsumenten Ende der 60er Jahre rückte das Problem der Sucht oder Abhängigkeit erst mit ihnen zunehmend in die öffentliche Diskussion (vgl. Heckmann, 2000). Nun, fast 40 Jahre später, sind wir gesundheitspolitisch an einem Punkt angelangt, der uns erlaubt, über die „geringeren“ Probleme, welche die Genussdrogen wie Nikotin mit sich bringen, zu diskutieren.

3.1. Wissenschaftliches Verständnis von Sucht

Es wird vermutet, dass sich der Suchtbegriff, welcher sich aus dem germanischen „siech“ ableitet und auf ein Siechtum beziehungsweise auf eine Krankheit hin- weist, erst im 19. Jahrhundert zu einem moralisch besetzten Begriff entwickelte. Sucht wird in vielen Definitionen und mit unterschiedlichen Worten beschrieben und deutet immer auf einen Zustand hin, welcher ein unabweisbares, starkes Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand darstellt. Das süchtige Ver- halten entzieht sich zunehmend der willentlichen Kontrolle des Betroffenen. Es besteht ein zwanghafter Drang, welcher immer wieder von neuem befriedigt wer- den muss. Der Süchtige kann nicht von seiner Sucht lassen, er leidet an Entzugs- erscheinungen und es kann zu Dosissteigerungen kommen. Das Verlangen beein- trächtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und kann zu körperlichen, psychi- schen und sozialen Schädigungen führen (vgl. Priebe, 1994, S. 22; Schulz, 2000; Tretter, 1998, S. 128 ff.).

Wenn wir eine Dosissteigerung mit einer Steigerung eines bestimmten Verhaltens, wie dem zwanghaften Putzen, Spielen oder Arbeiten gleichsetzen, macht diese Definition deutlich, dass nicht nur bei dem Missbrauch eines Suchtmittels die Rede von Sucht sein kann. Da also nicht nur das Verlangen nach einem bestimmten Stoff, sondern auch das Verlangen nach einem bestimmten Verhalten in eine Sucht ausarten kann, wird in der Praxis in die stoffgebundenen und nicht stoffgebundenen Süchte unterteilt.

Die stoffgebundenen Süchte sind laut dieser Einteilung an die Zufuhr von psycho- tropen Substanzen wie Alkohol, Medikamente oder Drogen gebunden. Eine stoff- ungebundene Suchterkrankung liegt dagegen dann vor, wenn die Sucht ohne den Konsum von Suchtmitteln sondern durch zwanghafte Verhaltensweisen, wie zwanghaftes Spielen, Arbeiten oder Reinigen gelebt wird (vgl. Andreas-Stiller, 2000, S. 565). Auf phänomenologischer Ebene weisen die stoffungebunden Süch- te viele Symptome der stoffgebundenen Süchte auf. In den psychiatrischen Diag- nosesystemen werden sie jedoch trotz dieser Tatsache entweder gar nicht oder unter den Impulskontrollstörungen erwähnt (vgl. Klein, 2001).

Da medizinisch jedoch die stoffgebundenen Süchte besonders bedeutsam sind, wurde der Begriff der Suchterkrankung 1963 von der World Health Organisation (WHO) durch den „Missbrauch“ beziehungsweise die „Abhängigkeit von Substan- zen“ ersetzt. Dies geschah, um klinisch-medizinisch bedeutsame Süchte präziser diagnostizieren und einordnen zu können (vgl. Tretter, 1998, S. 128 ff.). Um eine einheitliche Diagnose einer Suchterkrankung stellen zu können, gab es laut Heckmann viele Systematisierungsversuche der einzelnen Drogen. Zu ihnen gehören die Einteilung in Rauschgifte oder Genussgifte, in biologische oder che- mische Drogen, in „harte“ und „weiche“ Drogen und die seit langem diskutierte Einteilung in legale und illegale Drogen. Letztlich werden diese jedoch als man- gelhaft oder historisch überholt diskutiert (vgl. Heckmann, 2000). Da eine klare und eindeutige Definition des Störungsbildes bei einer Suchterkrankung für deren Behandlung unerlässlich ist, wurde 1964 von der WHO eine Klassifikation von empirisch bekannten Konsumententypen erstellt. Die Klassifikation der ICD-10 (“International Statistical Classification of Diseases and Related Health Prob- lems“) wird auf internationaler Ebene als Diagnosesystem auf symptomatischer Ebene genutzt (vgl. Heckmann, 2000; Klein, 2001).

Bezüglich der Auswirkungen einer Suchtkrankheit ist die am häufigsten benutzte Unterscheidung die der physischen und der psychischen Abhängigkeit. Die physische Abhängigkeit ist klar durch eine Toleranzentwicklung oder durch das Auftreten von Entzugserscheinungen gekennzeichnet. Sie stellt eine Anpas- sung des Organismus an eine länger anhaltende Substanzzufuhr dar, welche zu- meist eine Dosissteigerung mit sich bringt (vgl. Klein, 2001; Bartsch, Knigge- Illner, 1987, S. 15).

Weniger klar ist dagegen die psychische Abhängigkeit definiert. In der Regel wird unter ihr ein unwiderstehliches oder auch zwanghaftes Verlangen nach der Einnahme einer bestimmten Substanz verstanden. Es entsteht eine Dominanz der Droge oder des süchtigen Verhaltens im Wahrnehmungs- und Erlebnisraum des Betroffenen. Der Süchtige tendiert zu selbstschädigendem Verhalten, welches sich in der persönlichen Entwicklung und in der Verkümmerung sozialer Beziehungen äußern kann (vgl. Klein, 2001).

Wie in den vorhergegangenen Erklärungsversuchen zu ersehen ist, bezieht sich ein Grossteil der Einteilungen und Definitionen auf die stoffgebundene Sucht. So kritisiert Schulz den oftmals in der Fachwelt benutzten Begriff der Abhängig- keit, dessen Nachteil darin besteht, dass er nicht die stoffgebundenen und -ungebundenen Süchte gleichermaßen mit einbezieht (vgl. Schulz, 2000). Die Autoren Bartsch und Knigge-Illner beziehen sich auf Heckmann, der die erste Fassung des von der WHO aufgestellten Kataloges von Drogenabhängigkeit als lückenhaft kritisiert. Neben der Tatsache, dass er sich lediglich auf die stoffge- bundene Abhängigkeit bezog, waren darin Drogen wie Nikotin, Schnüffelstoffe und missbrauchsfähige Arzneimittel nicht aufgeführt (vgl. Bartsch, Knigge-Illner, 1987, S.15; Heclmann, zitiert nach. Bartsch, Knigge-Illner, 1987, S.15;). Dies wurde allerdings mit der zweiten Fassung, welche 2000 erschien, nachgeholt.

3.2. Nikotin in der Gesellschaft

Laut Bergler entwickelt jede Gesellschaft sozial wünschenswerte Eigenschaften und Verhaltensweisen, welche jedoch der gesellschaftlichen Entwicklung und dem Wandel der Einstellungen unterworfen sind. So zeigt auch die soziale Akzeptanz des Rauchens eine Reihe qualitativer Veränderungen, welche ihren Einfluss auf das Verhalten der Menschen nahmen (vgl. Bergler, 1992, S. 22ff.). Die Veränderungen dieser Akzeptanz vollzog sich in mehren Phasen:

Phase I: Rauchen als Leitbild

Das Rauchen gilt als männlich und ist unerlässlicher Bestandteil des männlichen Verhaltens. Der Vorwurf eines Defizits an Männlichkeit wird bei Nichtrauchern erhoben und auch Frauen nehmen im Zuge der Emanzipation zunehmend das ursprüngliche, männliche Recht des Rauchens für sich in Anspruch.

Phase II: Rauchen zwischen Genuss und Gesundheitsschädlichkeit

Das Rauchen gehört in dieser Phase nicht mehr nur zu einem allgemein akzep- tierten Lebensstil, sondern gewinnt eine gesundheitsschädigende Komponente. Raucher und Nichtraucher werden zunehmend über diese Schädigungen aufge- klärt.

Phase III: Rauchen als sozial unerwünschtes Verhalten

Durch radikale Leitbildveränderungen geraten Raucher zunehmend unter Sanktionsdruck, da das Rauchen nicht mehr nur ambivalent gesehen, sondern zunehmend negativ bewertet wird. Nichtraucher fühlen sich nun verstärkt durch das Rauchen anderer Menschen belästigt.

Phase IV: Rauchen als allgemein sozial schädigendes Verhalten

Das Passivrauchen als Risikofaktor wird zusätzlicher Bestandteil der gesundheits- politischen Debatte. Mit zunehmender öffentlicher Diskussion wird das Rauchen als Gesundheitsrisiko der gesamten Bevölkerung und damit ein Handlungsbedarf gesehen.

Phase V: Der Raucher als „Feindbild“

Auf Seiten vieler Nichtraucher geht die Etablierung der sozialen Norm des Nicht- rauchens mit der Entwicklung eines Feindbildes einher. Dieses Feindbild, welches durch unerwünschte Eigenschaften charakterisiert wird, wird vor allen bei den „aggressiven“, sich zum Teil organisierenden Nichtrauchern gesehen. Demnach sind Raucher in hohem Maße nervös, leichtsinnig, unsicher, unzufrieden, kränklich, rücksichtslos, genussorientiert, verantwortungslos, abhängig, konditionsschwach und anfällig (vgl. Bergler, 1992, S. 22 ff.).

Das Entstehen solcher Feindbilder zeigt zwar die erhöhte Sensibilität in Bezug auf öffentlich umstrittenes Verhalten, kann aber keine wünschenswerte Verhaltensänderung herbeiführen (ebd.).

Trotz dieses sich wandelnden Leitbildes und den umfassenden gesundheitlichen Aufklärungen sind die Inzidenz- und Prävalenzzahlen weiterhin hoch. Die kurzfris- tige Ersatzbefriedigung vorhandener, nicht erfüllter Bedürfnisse und der Wunsch nach Selbstverwirklichung ist für einen Grossteil unserer Gesellschaftsmitglieder handlungsweisend (vgl. Troschke, 2000). Ebenso wie die Verbreitung anderer schädlicher Verhaltensweisen ist die Verbreitung des Tabakkonsums ein Ergebnis unserer konsum- und befriedigungsorientierten Gesellschaft (vgl. 2.1.).

Zusammenhängend gesehen verhält es sich somit mit der Nikotinsucht nicht an- ders als mit jeder anderen Suchtform. Wir versuchen vorhandene Bedürfnisse mit den uns zugänglichen und für uns „sympathischen“ Drogen zu befriedigen und weisen im Zweifelsfall auf die Drogen anderer hin, welche zweifelsohne weit „ge- fährlicher“ sind.

3.2.1. Geschichte des Tabaks

Der Begriff Tabak, dessen Wirkstoff das Alkaloid Nikotin ist, wurde aus dem spanischen Wort „tabacco“ abgeleitet. Der Wirkstoff Nikotin wurde nach dem französischen Diplomaten Jean Nicot benannt, welcher als Gesandter des französischen Königs den Tabak kennenlernte und den französischen Adel von seinen heilenden Kräften überzeugte. Die Tabakpflanze, von welcher es etwa 40 verschiedene Arten gibt, gehört zu der Gattung der Nachtschattengewächse.

Nachdem der Tabak in der indianischen, nordamerikanischen Region schon länger religiösen und medizinischen Zwecken diente, begann seine Geschichte in Europa mit der Entdeckung Amerikas. Von der neuen Welt ausgehend wurde der Tabak im 16. Jahrhundert über den Seeweg in die ganze Welt gebracht. In Europa verbreitete sich der Tabak als Genussmittel, wurde aber auch als neues Heilmittel gelobt. Beginnend mit der Entdeckung des Tabaks gab es zahlreiche Gegner, die den Tabakkonsum verteufelten und bekämpften. König Jacob I. setzte sich bereits 1604 gegen den extremen Gebrauch des Tabaks ein. Von der Kirche wurde der Konsum als schandhaft angeprangert und die Herrschenden beklagten die Verschwendung von Volkseigentum und Arbeitskraft. Jedoch wurden diese Bedenken relativiert, als man die ökonomischen Vorteile erkannte (vgl. Tretter, 1998, S.207 ; Troschke, 2000, S. 285 ff. und 432 ff.).

In der Geschichte des Tabakkonsums als Genussmittel oder Genussdroge wurde ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten entwickelt. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert bedienten sich breite Bevölkerungsschichten des Pfeiferauchens. Im 18. Jahrhundert begann der Adel seinen Tabak zu schnupfen und diesen durch Requisiten wie Schnupftücher und Tabakdosen als Statussymbol zu gebrauchen. Ende des 19. Jahrhunderts hielt die Zigarette ihren siegreichen Einzug und galt von da an als Symbol des neuen bürgerlichen Reichtums. Um die Jahrhundert- wende entwickelte sich, verbunden mit Statussymbolen wie Zigarettenspitzen und Zigarettenetuis, ein Zigarettenkult, der nach dem 1. Weltkrieg seinen ent- scheidenden Durchbruch erlebte (vgl. Troschke, 2000, S. 285 ff. ). Die Verfüg- barkeit war für jedermann gegeben und das Rauchen erwünscht (vgl. 3.2.). Erst Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die erforsch- ten Gesundheitsschädigungen des Nikotins öffentlich diskutiert und das Zigaret- tenrauchen zunehmend negativ bewertet (vgl. Tretter, 1998, S. 208 ; Troschke, 2000, S. 285 ff.).

3.2.2. Nikotin als Droge

Bevor ich auf die Frage eingehen werde, ob es sich bei einem Raucher um einen Süchtigen handelt, erscheint es mir sinnvoll, die pharmakologische Wirkung des Nikotins zu betrachten.

Nikotin gehört zu den wenigen natürlich vorkommenden, flüssigen Alkaloiden und ist der wichtigste biologische Wirkstoff der Zigarette. Durch die Inhalation des Nikotins wird der Wirkstoff in die Blutbahn aufgenommen und erreicht ca. 7 Se- kunden später das Zentralnervensystem. In seiner Wirkung erregt es sowohl den Sympathikus als auch den Parasympathikus. In geringer Dosis wirkt das Nikotin stimulierend, in hoher Dosierung wirkt es dagegen zunächst stimulierend, hemmt dann aber die Tätigkeit des vegetativen Nervensystems (vgl. Deubner, 1998, S.

24 ff.; Troschke, 2000, S. 285 ff.).

Pomerleau & Pomerleau fassten laut Deubner die Hormone zusammen, deren Wirkungen durch das Nikotin verstärkt werden:

- Acetylcholin, Noradrenalin und evtl. auch Vasopressin fördern die Gedächtnis- fähigkeit
- Acetylcholin und Noradrenalin verbessern die psychomotorische Performance
- Dopamin, Noradrenalin und beta-Endorphin fördern das Wohlbefinden
- Acetylcholin und beta-Endorphin reduzieren Ängstlichkeit und Anspannung
- Acetylcholin vermindert Entzugserscheinungen bei Abstinenz
- Dopamin und Noradrenalin wirken gegen eine Gewichtszunahme

Wird einem Raucher das Nikotin über längere Zeit entzogen, treten die umgekehrten Effekte ein (vgl. Deubner, 1998, S. 26).

Das Tabakrauchen kann als komplexes Verhaltensmuster angesehen werden, welches in das alltägliche Leben eingebettet ist und sozial verstärkt wird. Die Tat- sache, dass Raucher ihr Verhalten trotz der gesundheitlichen Gefahren nicht än- dern können, bestärkt viele Wissenschaftler in ihrer Suchthypothese (vgl. Trosch- ke, 2000, S. 285 ff.).

Deubner befasste sich in seinem Buch „Rauchen als Risikoverhalten“ eingehend mit der Kontroverse, ob Rauchen als Sucht bezeichnet werden kann oder nicht und stellte die Meinung verschiedener Wissenschaftler gegenüber. Die Wissen- schaftler, welche sich für eine Sucht aussprachen, bedienten sich zentral der Ar- gumentation der Toleranzentwicklung und des Auftretens von Entzugserschei- nungen. Nikotinabhängige legen sich demnach einen „Suchtvorrat“ an, welcher eine Entzugssituation vermeiden soll. Des weiteren sind sie trotz gesundheitlicher Beschwerden unfähig, mit dem Rauchen aufzuhören, was auf einen Kontrollver- lust hinweist. Im Vergleich mit anderen Drogen entspricht laut Henningfeld Niko- tin den Kriterien eines Suchtmittels. Es sei psychoaktiv euphorisierend und kann als psychologischer Verstärker wirken (vgl. Deubner, 1998, S. 24 ff.). Auch Brau- ner führte eben diese Faktoren an, um das „süchtige Rauchen mit intensivem Zigarettenkonsum, Nicht-aufhören-können und Abhängigkeit“ zu beschreiben (vgl. Brauner, 1987). Gegner der Suchthypothese beziehen sich auf den funktio- nalen Aspekt des Rauchens, welcher auch aus der pharmakologischen Wirkung des Nikotins hervorgeht. Weiterhin lägen keine Intoxikationserscheinungen vor. Das heißt, das Rauchen stört nicht die soziale und berufliche Funktion, da Rau- cher eine gewisse Zeit ohne Nikotin auskommen. Darüber hinaus sei es nicht mit einer Suchtdefinition kompatibel, dass manche Menschen nur unregelmäßig rau- chen (vgl. Deubner, 1998, S. 24 ff.). Gegen eine Suchthypothese sprechen auch die relativ kurze physiologische Entzugszeit und die hohe Erfolgsquote der soge- nannten Schlusspunktmethode (vgl. Troschke, 2000). Laut Deubner ist unter Be- rücksichtigung aller Faktoren keine einfache Etikettierung des süchtigen Rauchers für alle Raucher angemessen. Vielmehr handelt es sich um eine Vielzahl physiolo- gischer und psychologischer Prozesse und deren Interaktion (vgl. Deubner, 1998, S. 24 ff.).

3.2.3. Zahlen und Fakten zum Konsum

Frühere Untersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeig- ten bis zum Jahr 2000 einen überwiegend positiven Trend. So sank beispielsweise der Pro-Kopf-Verbrauch an Zigaretten in Deutschland von 1.910 Stück pro Jahr und Einwohner auf 1.699 Stück pro Jahr und Einwohner (vgl. Junge, 2001, S. 34). Der Gesamtverbrauch an Zigaretten in Deutschland sank von 145.265 Mio. im Jahr 1999 auf 139.625 Mio. im Jahr 2000. Dass dies keinesfalls ein stetiger Abwärtstrend ist, zeigen Vergleichzahlen des Jahres 1998, in dem 138.388 Mio. Zigaretten konsumiert wurden und jüngste Zahlen des Jahres 2002, in dem ein Gesamtverbrauch an Zigaretten von 145 Mio. gemeldet wurden. Vielmehr handelt es sich um ein Auf und Ab der Konsumzahlen, welches zusammenfassend einen Anstieg des Zigarettenverbrauches in den letzten 10 Jahren um 13% erkennen lässt (vgl. Thamm, Junge, 2003). Einen trotzdem eher positiveren Trend bestäti- gen jüngste Untersuchungen der Bundesstudie 2003, an der 8.061 Erwachsene im Alter zwischen 18 und 59 Jahren teilnahmen. Demnach wurde ein leichter Rückgang des Anteils an Rauchern von 37% im Jahr 1997 auf 34% im Jahr 2003 verzeichnet. Bei dem Vergleich der Geschlechter, zeigte das Ergebnis mit 30% einen unveränderten Anteil der Raucherinnen und einen leichten Rückgang der männlichen Raucher von 43% im Jahr 1997 auf 37% im Jahr 2003 (vgl. Caspers Merk, 2004, S. 59 ff.).

Als alarmierend bezeichnete Keil dagegen die steigende Zahl der Raucher im Al- ter zwischen 12 und 15 Jahren. Diese erhöhte sich von 21,3% im Jahr 1995 auf 28,3% im Jahr 2000, also um 7% (vgl. Keil zitiert nach Haustein, 2004). Einen näheren Einblick in die Problematik der jugendlichen und kindlichen Konsumenten bietet die zwischen November 2000 und Januar 2001 durchgeführte „Repräsenta- tiverhebung zur Drogenaffinität Jugendlicher und junger Erwachsener in der Bun- desrepublik Deutschland“. In der zum neunten Mal durchgeführten Erhebung be- fragte die BzGA mittels Telefoninterview 3.000 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren. Wie die Befragung zeigte, sank der Anteil an jugendlichen Rau- chern von 44% im Jahr 1997 auf 38% im Jahr 2001. Entgegengesetzt dazu stieg der Anteil der Nieraucher (haben im Gegensatz zu Nichtrauchern, die evtl. aufge- hört haben zu rauchen, noch nie geraucht) von 31% im Jahr 1997 auf 49% im Jahr 2001. Bedenklich erscheint allerdings auch in dieser Studie der von Haustein angesprochene Trend der jüngeren Altersgruppen. Laut dieser Erhebung, welche allerdings die Altersgruppe der 12- bis 17jährigen wählte, stieg die Zahl der Rau- cher in dieser Altersgruppe von 21% im Jahr 1993 auf 27% im Jahr 2001 (vgl. BzgA, 2001). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Rauchen unter den Jugend- lichen immer unpopulärer wird, sich jedoch das Einstiegsalter in die frühere Ju- gend bewegt. Ein weiterer Punkt, der bei der Erhebung untersucht wurde, war der tägliche Zigarettenverbrauch der Jugendlichen. Wie die Ergebnisse zeigten, rauchten die Jugendlichen durchschnittlich 10,3 Zigaretten pro Tag.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zigarettenkonsum der Jugendlichen pro Tag

Quelle: Repräsentativerhebung der BzgA, Köln 2001, S. 7

Vergleichsweise wenig rauchten die 12- bis 15jährigen. Über 70% von ihnen rauchte entweder nur gelegentlich oder bis zu 5 Zigaretten am Tag. Wie anhand der Abbildung 1 zu ersehen ist, nimmt die Intensität jedoch mit steigendem Alter zu. In der Altersklasse der 20- bis 25jährigen betrug der Anteil von denen, wel- che mehr als 20 Zigaretten am Tag rauchen, schon über ein Viertel (vgl. BzgA, 2001).

Wie anhand der Daten zu erkennen ist, ist tatsächlich ein Positivtrend festzustellen, welcher sich durch den abnehmenden Anteil an Rauchern belegen lässt. Eine Ausnahme macht bei diesem Trend das Rauchverhalten der Jüngsten, dessen Anteil an Rauchern prozentual stieg.

3.3. Gesundheitliche Schädigungen durch die Nikotinsucht

Rauchen gilt unumstritten als Risikofaktor der menschlichen Gesundheit. Neben dem Nikotin, dem Kohlenmonoxid und dem Teer, welche die bekanntesten Schadstoffe des Tabakrauchens sind, gelten etwa 40 weitere Schadstoffe als krebserregend. Diese zum Teil noch unausreichend erforschten Schadstoffe kön- nen vor allem zu Mundhöhlen-, Speiseröhren-, Kehlkopf- und Lungenkrebs führen (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S. 96).

Die mit dem Rauch eingeatmeten Teerstoffe setzen sich als Reizstoffe in den At- mungsorganen ab. Bei starken Rauchern wird die rachenwärts gerichtete Bewe- gung der Flimmerhärchen gelähmt und durch Teerstoffe verklebt. Neben der chronischen Bronchitis kann es zu Lungenerweiterungen kommen, welche im schlimmsten Fall zu einem Krebsbefall der Atemwege führen kann (vgl. Brauner, 1987, S. 84). Wissenschaftler gehen heute bei Rauchern von einem mindestens fünffach erhöhten Lungenkrebsrisiko aus und nehmen an, dass ein Drittel aller Krebserkrankungen mit dem Zigarettenrauchen zusammenhängt (Beckmann, 2001, S. 38 ff.).

Das Nikotin gelangt über die Schleimhäute des Mundes und der Atemwege in die Blutbahn und führt zur Verengung der Kapillaren und Kapillarschlingen. Da mit dieser Verengung die Steigerung der Herzschlagrate und eine Erhöhung des Blut- druckes einher gehen, gilt Rauchen als höchstes Herzinfarktrisiko. Neben dem Herzinfarkt können als Folge regelmäßiger Nikotineinwirkung allgemeine Durch- blutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder -verschlüsse sowie ein Gehirn- schlag auftreten (vgl. Brauner, 1987, S. 84). Zusätzlich zum Nikotin wird der Kreislauf durch das Kohlenmonoxid stark belastet. Es bindet sich leichter an die roten Blutkörperchen als Sauerstoff und reduziert so die Sauerstoffversorgung des Körpers. Weiterhin beeinträchtigt es die Fähigkeit des Herzens, Sauerstoff in Energie umwandeln zu können (vgl. Brauner, 1987, S. 84; Hurrelmann, Unver- zagt, 2000, S. 97).

Jedes Jahr werden in Deutschland auf Grund von Durchblutungsstörungen rund 20.000 gefäßchirurgische Eingriffe und Amputationen vorgenommen. Neben ei- nem doppelt so hohen Schlaganfallrisiko wird die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzinfarkt zu sterben, je nach konsumierter Menge zwei- bis fünfmal höher ein- geschätzt.

Bei den altersbedingten Erkrankungen wird davon ausgegangen, dass ein beinahe fünffach erhöhtes Risiko besteht, an Alzheimer zu erkranken und ein dreifach erhöhtes Risiko, einer Degeneration der Netzhaut besteht (vgl. Brauner, 1987, S. 84).

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Abb. 2: Nikotinsuchtbedingte Todesfälle 1990 Quelle: Rumpf, 2000, S. 201

Laut Rumpf wurden in der Bundesrepublik 1990 111.000 durch das Rauchen bedingte Todesfälle verzeichnet. 43.000 von ihnen waren auf eine Krebserkran- kung zurückzuführen, 37.000 auf eine Kreislauferkrankung und 20.000 auf eine Erkrankung der Atemwege (vgl. Rumpf, 2000). Aufgrund einer Schätzungsme- thode, welche von Welte angewandt wurde, wurden für 1993 rund 117.000 ta- bakbedingte Todesfälle gemeldet. Eine in ihrer Methodik vergleichbare Untersu- chung ermittelte für 1996 137.000 tabakbedingte Todesfälle (vgl. Thamm, Junge, 2003).

Neben dem direkten Risikoverhalten kann auch das Passivrauchen als gesund- heitsschädigend betrachtet werden. Zwar gelangt der sogenannte Hauptstrom- rauch der Zigarette in die Lunge des Rauchers, der Nebenstromrauch wird jedoch zwischen den Zügen an der Zigarette an die Luft abgegeben. Aufgrund der Verbrennung bei wesentlich niedrigeren Temperaturen (die Zigarette glimmt nur) enthält der Nebenstromrauch weit mehr Schadstoffe als der Hauptstromrauch. Die Konzentration der krebserregenden Stoffe ist dadurch bis zu 129-mal höher als die des Hauptstromrauches (vgl. Beckmann, 2001, S. 43; Hurrelmann, Unver- zagt, 2000, S. 97.) Untersuchungen zeigten, dass ein Nichtraucher, welcher über einen längeren Zeitraum passiv rauchte, ein ebenfalls erhöhtes Krebsrisiko auf- wies (vgl. Beckmann, 2001, S. 43).

3.4. Tabakkonsum als Einstieg in die gekoppelte Abhängigkeit

Vor dem tatsächlichen Ereignis, dem Tag, an dem man feststellt, dass das eigene Kind raucht, wird sich vermutlich jedes Elternteil hauptsächlich über die gesund- heitlichen Folgen einer Nikotinsucht Gedanken machen. Viele Autoren weisen aber darauf hin, dass Tabak als Einstiegsdroge für den problematischen Konsum weiterer Substanzen anzusehen ist. Um zu prüfen, ob der Konsum von Tabak mit dem Konsum von Alkohol, aber auch weiterführend mit dem Konsum von illega- len Drogen einher geht, möchte ich im Folgenden auf vier Studien eingehen.

Die erste zu erwähnende Studie untersuchte, ob Korrelationen zwischen dem Konsum von Nikotin und Alkohol, aber auch illegalen Drogen bestehen und in wie weit die Konsumgewohnheiten frühzeitig erworben werden.

Im Verlauf von 6 Jahren wurden 376 Lehrlinge einer Maschinenfabrik im Alter zwischen 16 und 18 Jahren in Bezug auf ihre Konsumgewohnheiten interviewt. Von den befragten Lehrlingen gaben 26% an, Raucher zu sein. Bezüglich des Zu- sammenhanges zwischen dem Rauchen und dem Alter des ersten Alkoholkon- sums war auffallend, dass 90% der Raucher den ersten Alkoholkonsum vor dem

12. Lebensjahr hatten, wobei nur 71% der Nichtraucher die ersten Erfahrungen mit Alkohol vor dem 12. Lebensjahr machten (vgl. Biener, 1986, S. 90 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Erster Alkoholkonsum Quelle: Biener, 1986, S. 90

Bei einer weiteren Frage, welche die Häufigkeit des Alkoholkonsums untersuchen sollte, gaben nur 2% der Raucher, aber 17% der Nichtraucher an, völlig auf Alkohol zu verzichten. Den täglichen Konsum zum Essen gaben lediglich 2% der Raucher an. 13% der Raucher und 7% der Nichtraucher gaben an, Wochenendtrinker zu sein. Der Rest gab an, Alkohol eher selten zu konsumieren (vgl. Biener, 1986, S.90 ff.). Das Ergebnis dieser Studie ließ erkennen, dass mehr Raucher als Nichtraucher frühzeitig Alkohol konsumiert hatten und dieser Konsum auch später noch häufiger auftrat als bei den Nichtrauchern. Demzufolge besteht zwischen dem Tabak- und dem Alkoholkonsum eine enge Korrelation Laut Hurrelmann und Unverzagt darf der Zusammenhang zwischen dem Konsum legaler Drogen und dem Einstieg in den Konsum illegaler Drogen nicht übersehen werden. Die Gefahr einer illegalen Drogenkarriere liege bei Konsumenten von legalen Drogen wie Nikotin und Alkohol bei 30 Prozent. Im Umkehrschluss läge die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument illegaler Drogen bereits Konsument legaler Drogen ist, bei 70 bis 80 Prozent (vgl. Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S.88).

„ Nicht jeder 12-jährige Raucher endet als Junkie, aber kaum ein Heroinabhängi ger hat noch nie Zigaretten geraucht oder Alkohol getrunken. “ (Hurrelmann, Unverzagt, 2000, S.93)

Wie die Autoren in diesem Zitat treffend formulierten, würde es die Allgemeinheit eher verwundern, wenn uns ein Drogenkonsument sagen würde, Nichtraucher zu sein.

Einen statistischen Beweis für den Zusammenhang eines Tabak- und Rauschgift- konsums lieferte eine Schweizer Untersuchung. An einem Gymnasium in Bern wurde in den Oberklassen eine entsprechende Befragung an 227 Schülern durch- geführt. Die Befragten setzten sich aus 27% Rauchern und 73% Nichtrauchern zusammen. Anhand dieser Studie wurde sichtbar, dass Raucher zum einen be- reits mehr Konsumerfahrungen mit Rauschgiften hatten und zum anderen häufi- ger den Wunsch verspürten, ein Rauschgift zu probieren (siehe Tabelle 3.3. und 3.4.). Zu 90% handelte es sich bei den probierten Rauschgiften um Haschisch bzw. Marihuana. Die Autoren sahen es als offensichtlich an, dass Raucher durch die gewohnte Technik des Inhalierens schneller zum Joint greifen als Nichtraucher (vgl. Biener, 1986, S.95 ff.).

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Abb. 4: Drogenkonsum bei Rauchern und Nichtrauchern in Bern I Quelle: Biener, 1986, S. 95

Weit über die Hälfte der Raucher, aber nur fast ein Drittel der Nichtraucher gaben an, gern einmal ein Rauschgift zu probieren. Die Autoren erklärten sich diesen erheblichen Unterschied im Ergebnis dadurch, dass Raucher selbstverständlich mit ihrer eigenen Droge umgehen und somit auch gegen andere Drogen eine geringere Abneigung entwickeln (siehe Tabelle 3.4.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Drogenkonsum bei Rauchern und Nichtrauchern in Bern II Quelle: Biener, 1986, S. 96

Eine US-amerikanische Längsschnittstudie untersuchte die sequentiellen Folgen des Erstkonsums verschiedener Substanzen und stellte eine Entwicklung des Konsums fest, welche sich in Stufen einordnen lässt. Auf der ersten Stufe wurden leichte alkoholische Getränke wie Wein und Bier konsumiert. In der nächsten Stu- fe wurden Tabak und harte alkoholische Getränke konsumiert um schließlich in der letzten Stufe illegale Drogen wie Marihuana zu sich zu nehmen. Nach Klaus würde es selten zu einem Gebrauch von Marihuana kommen, wenn vorher kein Tabak oder Alkohol konsumiert worden ist. Der Konsum anderer illegaler Drogen würde wiederum selten stattfinden, wenn im Vorfeld keine Erfahrungen mit Marihuana bestünden (vgl. Klaus, 2000).

Auf ein ähnliches Ergebnis stieß Hüllinghorst, welcher die diesbezüglichen Daten der Studie „Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 1997“ verglich. Bei der Auswertung der Fragestellung, ob der Konsum bestimm- ter Substanzen die Wahrscheinlichkeit des Konsums anderer Substanzen erhöhen würde, wurde folgendes Ergebnis erzielt. Die ermittelte Reihenfolge orientiert sich am Durchschnittsalter des Erstkonsumenten und beginnt mit dem Rauchen im Alter von 13,9 Jahren, es folgen Alkoholkonsum im Alter von 15,4 Jahren, der Konsum von Cannabis im Alter von 16,8 Jahren und der Konsum von anderen illegalen Drogen im Alter von 17,2 Jahren. Zusammenfassend konnte in dieser Studie ermittelt werden, dass das Rauchen den intensiven Alkoholkonsum ver- stärke, beide den Konsum von Cannabis und alle drei wiederum den anderer ille- galer Drogen intensiviere. Es konnte nachgewiesen werden, dass Jugendliche eher bereit waren, auch illegale Drogen zu konsumieren oder zu probieren, wenn sie im Vorfeld regelmäßige Erfahrungen mit den vermeintlich ungefährlicheren, legalen Drogen hatten (Hüllinghorst, 2001, S.205 ff.).

Angesichts des Zahlenmaterials dieser Studien sehe ich die Bedenken, einer aus der Nikotinsucht entstehenden Mehrfachabhängigkeit (zusätzlicher Konsum von anderen Drogen) als gerechtfertigt. Es ist sicher nicht davon auszugehen, dass jedes rauchende Kind einmal in eine Mehrfachabhängigkeit gerät. Aber es zeigt sich, dass ein größerer Anteil derjenigen, welche sich im ständigen Gebrauch legaler Drogen befinden, offen gegenüber anderen Suchtmitteln sind. Es scheint, als überschreite der Jugendliche mit dem regelmäßigen Konsum sogenannter Genussdrogen eine Grenze zu „neuen Herausforderungen“.

Zusammenfassung

Sucht betitelt eine Erkrankung des Menschen, welche sich psychisch wie auch physischäußert und das Verlangen nach einer bestimmten Substanz oder einer Handlung darstellt. Es gab in den letzten Jahren eine Vielzahl von Versuchen, die verschiedenen Suchterkrankungen zu systematisieren, jedoch wirdüber den Er- folg dieser Versuche bis heute diskutiert. Um zumindest die stoffgebundenen Süchte medizinisch diagnostizieren zu können, wurde eine allgemein anerkannte Klassifikation der WHO aufgestellt, welche z.B. die Symptome der jeweiligen Sucht aufzeigt. Dass diese Klassifikation noch immer nicht die stoffungebundenen Süchte mit einbezieht, ist meiner Meinung nach aus präventiver Sicht nicht zu rechtfertigen.

Wie schon im Kapitel 2 erwähnt, hängt die Beurteilung einer Sucht davon ab, wie sie von der Gesellschaft charakterisiert wird. Die Nikotinsucht durchlief verschie- dene Phasen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Dabei reicht die Bewertung der Sucht von einem gelobten Heilmittel im 16. Jahrhundert,über ein akzeptiertes Genussmittel mit dem Charakter eines Statussymbols bis hin zur anerkannten Sucht, welche 2002 in die ICD-10 Klassifikation der WHO aufgenommen wurde. Jedoch teilen nicht alle Wissenschaftler die Auffassung, Nikotin als Droge zu se- hen und verweisen auf die ungestörten sozialen und beruflichen Funktionen des Rauchers und die kurze physiologische Entzugszeit. Meiner Meinung nach sind dies jedoch keine Indizien dafür, Nikotin nicht als Droge anzusehen. Ich denke, dass es sich durchaus um eine Suchtform handelt, die sich in Bezug auf die er- wähnten Merkmale dadurch kennzeichnet, dass sie im Vergleich zu anderen stoffgebundenen Süchten eine niedriger ausgeprägte Verhaltensbeeinträchtigung und eine vergleichbar schwache physiologische Abhängigkeitswirkung des Sucht- stoffes aufweist. Dennoch sprechen genügend Faktoren dafür, die Nikotinsucht nicht zu unterschätzen. Genannt seien hier die Gesundheitsschädigungen, die zu einem vorzeitigen Tod führen können und der Gegebenheit, dass der Nikotinkon- sum den Zugang zu anderen Drogen erleichtert beziehungsweise unterstützt.

Dies sind Gedanken, die uns beunruhigen sollten, wenn wir davon ausgehen, dass zwar die Popularität des Rauchens im Erwachsenenalter abzunehmen scheint, sich aber das Einstiegsalter der Raucher vorverlegt.

4. Sucht als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses

Natürlich gibt es niemanden, der eines morgens aufwacht und den starken, unwiderstehlichen Drang nach einem bestimmten Suchtstoff oder einer bestimmten Handlung verspürt. Die Entstehung eines süchtigen Verhaltens ist ein Entwicklungsprozess mit verschieden Einflüssen.

„ Sucht wird als ein Handlungsmuster individualisierter Persönlichkeiten verstanden, das sich wie alle Handlungsmuster entwickelter Persönlichkeiten auf gesell schaftlicher Grundlage in soziokulturellen Beziehungen herausbildet. “ (Dregkwitz, 2002, S. 46)

Die möglichen Ursachen einer Suchtentstehung sind nach heutigem Wissensstand in einem Ursachenbündel des individuellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereiches zu suchen. Sind die Bedingungen einer Suchtentstehung (siehe 4.1.) gegeben, kann es zu einem Ablaufprozess kommen, an dessen Ende die Sucht steht (vgl. Loviscach, 2000; Schulz, 2000). Dieser Prozess kann in drei Phasen eingeteilt werden.

Die Einstiegsphase

In dieser Phase spielen vor allem die Neugierde und Risikobereitschaft, aber auch der Reiz des Verbotenen eine tragende Rolle. In der Phase der jugendlichen Iden- titätsfindung können die Werte und Erwartungen an die Droge oder die Tätigkeit durch zu stark verbietende Verhaltensweisen und Einstellung in der Erziehung verstärkt werden.

Die Gewöhnungsphase

Wird die Erwartung an die Droge insofern erfüllt, als dass sie erfolgreich zur Lö- sung von Problemen beiträgt, wird sie in dieser Phase zur aktuellen Lebensbewäl- tigung und als Ersatzbefriedigung elementarer Bedürfnisse instrumentalisiert.

Die Sucht

Wenn in der Vorgeschichte keine alternativen Bewältigungskompetenzen erlangt werden konnten und das in der vorherigen Phase erlernte suchtriskante Verhalten zur Problemlösung in den Vordergrund gedrungen ist, ist das Stadium der Sucht erreicht (vgl. Loviscach, 2000).

Ich werde in den folgenden Kapiteln versuchen, die Entstehungsbedingungen einer Sucht anhand verschiedener Modelle zu erklären, um nachfolgend auf die Entwicklungsbedingungen einer Nikotinsucht einzugehen.

4.1. Ätiologie süchtigen Verhaltens

Wie ich aus der Literaturrecherche entnehmen konnte, gibt es kaum persönliche oder soziale Determinanten, welche nicht als Ursache einer Suchterkrankung un- tersucht wurden. Jedoch kann laut Dregkwitz eine monokausale Beziehung auch anhand empirischer Untersuchungen nicht bewiesen werden (vgl. Dregkwitz, 2002, S. 20 ff.). So lässt sich in der Literatur eindeutig erlesen, dass es zwar um- fassende Ergebnisse der einzelnen Forschungsrichtungen gibt, aber bis heute kein eindeutiger Zusammenhang zwischen verursachenden Faktoren und einer Suchtentstehung belegt werden konnte (vgl. Nowak, 1994; Loviscach, 2000). Gemeint ist damit nicht, dass die einzelnen Theorien einer Suchtentstehung, de- ren beeinflussende Faktoren sich anhand von Untersuchungen bestätigen lassen, angezweifelt werden, sondern die Frage, warum manche Menschen unter eben den Bedingungen süchtig werden und andere nicht. Da es keine eindeutige und umfassende Theorie zur Entstehung einer Sucht gibt, bleibt uns die Wissenschaft diese Antwort bis heute schuldig.

Dennoch sind die einzelnen Theorien mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtung wichtig. Das süchtige Verhalten ist zwar zunächst ein komplexes und ganzheitliches Phänomen, welches auf eine konkrete Person bezogen aber das Ergebnis subjektiver, objektiver, körperlicher, persönlicher und kultureller Faktoren ist. Mit der Zerlegung der einzelnen Faktoren nähern wir uns laut Dregkwitz dem Phänomen der Sucht auf verschiedenen Betrachtungsebenen. Die psychischen, physischen und sozialen Betrachtungsebenen werden in den einzelnen Theorien systematisch beschrieben (vgl. Dregkwitz, 2002, S. 84 ff.).

[...]

Fin de l'extrait de 175 pages

Résumé des informations

Titre
Nikotinsucht verhindern. Wie sinnvoll ist Prävention in der Erziehung von Kindern im Vorschulalter?
Sous-titre
Eine empirische Untersuchung in einer Kindertagesstätte
Université
University of Applied Sciences Stendal
Note
1,0
Auteur
Année
2005
Pages
175
N° de catalogue
V44179
ISBN (ebook)
9783638418263
Taille d'un fichier
1581 KB
Langue
allemand
Annotations
Studiengang Gesundheitsförderung/ -management
Mots clés
Nikotinprävention, Elternhaus, Kindern, Vorschulalter, Thema, Erziehungs-, Präventionsbestandteil, Eine, Empirische, Untersuchung, Kindertagestätte, Magdeburg
Citation du texte
Nicole Walter (Auteur), 2005, Nikotinsucht verhindern. Wie sinnvoll ist Prävention in der Erziehung von Kindern im Vorschulalter?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44179

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