Der "Otnit" steht zum "Wolf Dietrich" in besonders enger Beziehung, denn neben der Tatsache, dass die beiden fast immer gemeinsam überliefert werden, stehen sie auch inhaltlich in besonders enger Beziehung. Wolf Dietrich wird Otnits Witwe heiraten und er wird den Lampartenkönig rächen, indem er die Drachen tötet. Dies wissen wir, weil es beispielsweise in den Handschriften B und D überliefert wurde. Auch für Handschrift A geht man von diesem Ende aus – jedoch: Die Handschrift bricht nach Strophe 606 ab. Die Heirat der Witwe und die Rache durch das Töten der Drachen kommen im „Wolf Dietrich A“ also nicht vor.
Wie kann man nun trotzdem beweisen, dass "Otnit" und "Wolf Dietrich A" keine unabhängigen Texte sind, die lediglich durch intertextuelle Verweise in loser Verbindung stehen? Diese Arbeit beschäftigt sich mit der inhaltlichen Zusammengehörigkeit der beiden Heldenlieder. Es wird um die Frage gehen, ob und inwiefern Otnit und Wolf Dietrich parallel konzipiert wurden, in welchen Punkten sie Gemeinsamkeiten aufweisen und wo und vor allem warum sie voneinander abweichen. Dies soll anhand dreier Aspekte erfolgen:
1) Familie und Emanzipationsprozess
2) Glauben und göttlicher Beistand
3) rîters muot - Treueverständnis und Schlaf
Diese Untersuchung soll letztlich dazu dienen, zweierlei zu beantworten: Erstens: Gibt es zwischen den beiden Texten doch mehr Gemeinsamkeiten als Heirat der Witwe und Drachenkampf? Zweitens soll dies auch ein Versuch sein, das merkwürdig unheroische Ende von Otnit zu erklären. Hat der Tod Otnits vielleicht einen höheren Zweck in Bezug auf Wolf Dietrich? Könnte es womöglich sein, dass Otnit nur eine Art Prototyp sein sollte und Wolf Dietrich somit die bessere Konstruktion, gewissermaßen der "Otnit 2.0", dieses defizitären Heldenexemplars ist?
Um eine Grundlage für die inhaltliche Analyse zu schaffen, soll zuerst ein Forschungsüberblick dargelegt werden. In diesem werden formale Kriterien besprochen, etwa Autor- und Datierungsfragen oder Diskussionen zu Vorlagen der beiden Texte. Die inhaltliche Interpretation wird sich lediglich auf die Handschriften A beziehen, was bedeutet, dass im "Wolf Dietrich" nur jene inhaltlichen Aspekte bis Strophe 606 einbezogen werden. Da in der verwendeten Ausgabe das fehlende Ende durch das Dresdner Heldenbuch (Handschrift k) ergänzt wird, soll dieses erst in einem zweiten Schritt näher betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- FORSCHUNGSSTAND
- AUTOR-, DATIERUNGS- UND GATTUNGSFRAGEN
- VORLAGEN
- Historische Vorlagen
- Literarische Vorlagen
- Sagen
- FORMALE ASPEKTE
- ZWISCHENFAZIT
- INHALTLICHER VERGLEICH
- FAMILIE UND EMANZIPATION
- RELIGION UND GÖTTLICHE AUSERWÄHLUNG
- RITERS MUOT
- DAS ENDE NACH HANDSCHRIFT K
- DER RICHTIGE UND DER FALSCHE – EIN FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den Heldenliedern "Otnit" und "Wolf Dietrich" und analysiert ihre Verbindung, insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob und inwiefern die Texte parallel konzipiert wurden und Gemeinsamkeiten aufweisen. Dabei werden die Figuren und ihre Beziehungen, Glauben und göttlicher Beistand sowie ritterliche Gesinnung und die Eigenschaft der Treue untersucht.
- Familiäre Strukturen und Emanzipationsprozesse
- Religiöse Konzepte und göttlicher Beistand
- Ritterliche Gesinnung und die Eigenschaft der Treue
- Das Ende des "Otnit" und seine Verbindung zu "Wolf Dietrich"
- Die mögliche Bedeutung des "Otnit" als Prototyp für "Wolf Dietrich"
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die beiden Heldenlieder "Otnit" und "Wolf Dietrich" vor und beleuchtet ihre verwobene Geschichte sowie das unkonventionelle Ende des "Otnit". Sie skizziert die Forschungsgeschichte und den Fokus der Arbeit auf die inhaltliche Verbindung der beiden Texte.
- Forschungsstand: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Forschungsgeschichte zu den beiden Texten, mit Schwerpunkten auf Fragen der Autorschaft, Datierung, Vorlagen und der Bedeutung einzelner Motive.
- Inhaltlicher Vergleich: In diesem Abschnitt werden die Familienstrukturen, religiösen Konzepte und die ritterliche Gesinnung der beiden Protagonisten anhand der Handschriften A verglichen. Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung dieser Aspekte.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Heldenliedern "Otnit" und "Wolf Dietrich", ihre inhaltliche Verflechtung, die Analyse von Familienstrukturen, religiösen Konzepten, ritterlicher Gesinnung, dem unheroischen Ende des "Otnit", die Verbindung der beiden Protagonisten und die Interpretation der Handschrift A. Zentrale Begriffe sind: Emanzipation, Glaube, Treue, Drachenkampf, Prototyp, Parallelismus, Verflechtung und Intertextualität.
- Quote paper
- Danielle Schwarz (Author), 2014, Hero reloaded. Zur komplementären Konstruktion der Protagonisten im Otnit und Wolf Dietrich A., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441899