Steigendes Armutsrisiko durch atypische Beschäftigungsformen


Tesis (Bachelor), 2016

37 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorieansatze
2.1 Die Arbeitsmarktpolitik
2.2 Die Segmentationstheorie
2.2.1 Interne und externe Arbeitsmarkte
2.2.2 Primarer und sekundarer Arbeitsmarkt

3. Empirische Befunde zum gestiegenen Armutsrisiko

4. Fazit und Diskussion

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die aktuelle Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt zeigt sich wie folgt: Die Zahl der Erwerbstatigen steigt an, so waren 2014 37,9 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 64 Jahren erwerbstatig (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016, 6). Durch die „[...] stabile() deutsche() Konjunktur, eine() starke() Zunahme der Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen und alteren Menschen sowie einem allgemeinen strukturellen Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft“ (Statistisches Bundesamt, 2016, 6). Im gleichen Zuge ist die Erwerbslosenquote 2014 auf dem niedrigsten Stand seit der „Wiedervereinigung“ - 2,1 Millionen Menschen sind arbeitslos und im Vergleich mit den EU-Landern hat Deutschland die niedrigste Erwerbslosenquote (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016, 10, 12; vgl. Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, 368).

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt war in den Jahren davor sehr angespannt. Seit Ende der siebziger Jahre ist die Arbeitslosenquote stetig gestiegen, von 7,3 Prozent Arbeitslose in der deutschen Bevolkerung auf 12,7 Prozent im Jahr 1997 und 2005 sogar auf 13 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt (1); vgl. Feil et al., 2008, 163). Um diesem Wachstum entgegenzuwirken, fuhrte die Regierung Reformen ein. Unter anderem wurden atypische Beschaftigungen gefordert und geringfugige und neue Beschaftigungen „im Niedriglohnbereich erschaffen“ (vgl. GieBelmann, 2009, 218; vgl. Backer, 2006, 255).

Die Arbeitslosenquote ist gesunken und die Erwerbstatigenrate steigt an, somit sind immer mehr Menschen erwerbstatig und weniger arbeitssuchend und arbeitslos. Dies macht den Anschein, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt sich entspannt. Es zeigt sich jedoch auch, dass 2014 der Anteil der Beschaftigten in Teilzeit mit 10,1 Millionen sehr hoch ist und seit 2005 angestiegen ist - 27 % der gesamten Erwerbstatigen sind teilzeitbeschaftigt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016, 48). Auch der Anteil der befristet Beschaftigten liegt bei 8 %, ist jedoch uber die letzten Jahre „stabil“ geblieben (vgl. ebd., 48). Auch fuhren immer mehr Erwerbstatige neben ihrem eigentlichen Beruf einen Nebenjob aus, von 2005 bis 2014 ist die Anzahl um 62% „gestiegen“ (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016, 56). Neben den Teilzeitbeschaftigungen haben auch die geringfugigen Beschaftigungen und Leih- und Zeitarbeit zugenommen (vgl. Datenreport, 2016, 132). 2014 waren 7,5 Millionen Erwerbstatige atypisch beschaftigt, hierzu gehoren Teilzeit-, geringfugige, befristete Beschaftigungen und Leih- und Zeitarbeit (vgl. Datenreport, 2016, 132). So zeigt sich, dass das „Arbeitsvolumen“ trotz dessen weniger geworden ist (vgl. Feil et al., 2008, 163). In den letzten Jahren haben die atypischen Beschaftigungen somit stark zugenommen, so meinen Keller und Seifert (2006, 235), die „atypische(n) Varianten gewinnen und Normalarbeitsverhaltnisse verlieren an Bedeutung“.

Ein Normalarbeitsverhaltnis grenzt sich zu den atypischen Beschaftigungen insofern ab, dass es zum einen die zahlenmaBig starkste Beschaftigungsform darstellt, die sich durch Vollzeit, Bestandigkeit (unbefristet) und ein Angestelltenverhaltnis zum Arbeitgeber auszeichnet (vgl. Giesecke, 2006, S. 56). Das Normalarbeitsverhaltnis ist dadurch gepragt, dass das Einkommen fur Arbeitnehmer und Familie sichergestellt ist und „(der) Normalarbeitnehmer arbeitet zudem direkt in dem Unternehmen, mit dem er einen Arbeitsvertrag hat.“ (Datenreport, 2016, 126; Statistische Berichte, 2015, 3). Beschaftigte in einem Normalarbeitsverhaltnis sind sozial abgesichert und im sozialen Sicherungssystem voll integriert (vgl. Keller und Seifert, 2006, 235). Wenn eine Tatigkeit in mindestens einem Aspekt von dem Normalarbeitsverhaltnis abweicht, dann bezeichnet man diese als atypisch, da sie der typischen, standardmaBigen Arbeitsform entgegensteht (vgl. Giesecke, 2006, 57; vgl. Keller und Seifert, 2006, 235).

Zu den atypischen Beschaftigungsformen zahlen „[...] samtliche Beschaftigungsvarianten, die nicht den sozialen und rechtlichen Standards des Normalarbeitsverhaltnisses entsprechen“ (Brehmer und Seifert, 2008, 503). Unterschiede zu einem normalen Arbeitsverhaltnis in Vollzeit zeigen sich in einer verkurzten Arbeitszeit, dauern nur uber einen gewissen Zeitraum (befristet) oder in einem Leiharbeitsverhaltnis (vgl. ebd., 503). Diese Aspekte konnen auch kombiniert sein, so existieren Jobangebote, die in Teilzeit angeboten werden und zeitlich befristet sind (vgl. ebd., 503). Zu den Hauptformen der atypischen Beschaftigungen zahlen vor allem „Teilzeitarbeit, geringfugige Beschaftigung, befristete Beschaftigung sowie Leiharbeit“ (Keller und Seifert, 2006, 235). Minijobs zahlen neben den Midi-Jobs zu der geringfugigen Beschaftigungsform. Diese Beschaftigung ist dadurch gepragt, dass keine Sozialabgaben fur den Arbeitnehmer anfallen und er als Haupttatigkeit maximal 450 Euro im Monat verdienen oder neben einer Haupttatigkeit dazuverdienen kann (vgl. Backer, 2006, 255; Minijob-Zentrale). Midi-Jobs zeichnen sich durch eine Einkommenszone von monatlich 400,01 bis 800 € aus (vgl. Backer, 2006, 255). Der Arbeitgeber bezahlt [...] „pauschalierte() Sozialversicherungsbeitrage() und Steuern in Hohe von 30 Prozent [...]“ (Keller und Seifert, 2009, 41).

Leiharbeit ist durch eine „Dreieckskonstellation“ gepragt, das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer an ein Unternehmen von einem „Arbeitsvermittler verliehen“ wird, dort arbeitet er solange das Unternehmen ihn benotigt (Lengfeld und Kleiner, 2009, 50). Teilzeitbeschaftigungen sind durch eine verminderte Stundenanzahl und entsprechend vermindertem Lohn, im Gegensatz zu einer Vollzeitbeschaftigung, gekennzeichnet (vgl. Keller, Seifert, 2009, 41). Befristete Beschaftigungen sind dadurch gepragt, dass die Dauer des Arbeitsverhaltnisses uber einen bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitrahmen, bis maximal zwei Jahre, besteht und ein Arbeitnehmer drei Mal hintereinander befristet eingestellt werden darf (vgl. Boockmann, Hagen, 2005, 306; vgl. Cahuc und Postel-Vinay, 2002, 68). Des Weiteren lauft das Arbeitsverhaltnis ohne Zutun des Arbeitgebers aus, sodass keine Kosten auf ihn zu kommen (vgl. Boockmann und Hagen, 2005, 307). Gekundigt werden kann die befristete Beschaftigung, wenn dies im Vertrag steht oder durch einen Tarifvertrag vorgegeben ist, vor Ablauf kann der befristet Beschaftigte sonst nicht gekundigt werden (vgl. ebd., 307).

Den Entwicklungen - der niedrigen Erwerbslosenquote und zugleich hohen Erwerbsbeteiligung und der Anstieg der atypischen Beschaftigungen - steht die Entwicklung eines gestiegenen Armutsrisikos gegenuber: 2014 galten in Deutschland 16,7 % der Bevolkerung als armutsgefahrdet (vgl. Datenreport, 2016, 171). Diese Menschen haben weniger als 987 Euro Nettoaquivalenzeinkommen zum Leben (ein Alleinlebender im Jahr 2014) (vgl. Statistisches Bundesamt (2)). „(Der Median) teilt die Bevolkerung in zwei gleich groBe Halften: das Nettoaquivalenzeinkommen der einen Halfte liegt uber dem Median, das der anderen Halfte darunter“ (GeiBler, 2014, 234). „Arm sind diejenigen, deren Nettoaquivalenzeinkommen weniger als 60 %o des Median(s) betragt“ (ebd., 234). Diese Zahl bedeutet, dass 16,7 % der deutschen Bevolkerung mit weniger als 60 % des „mittleren Einkommens der gesamten Bevolkerung“ leben muss (Statistisches Bundesamt (2); Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, XIII)). Im Zeitverlauf, seit den 1990er Jahren ist das Armutsrisiko stetig angestiegen, das Niedrigeinkommen und die Armut stiegen auf das „hochste Niveau“ an (vgl. Datenreport, 2016, 182). Auch die Intensitat der Armut ist starker, seit 2010 sinkt das Armutsrisiko und „stagniert“, „jedoch auf einem hoheren Niveau als zuvor“ (Datenreport, 2016, 182f).

Im Vergleich zu 2013 (16,1 %) zu 2014 (16,7 %) ist ein leichter Anstieg zu vermerken. Wie zu beobachten ist, ist das Armutsrisiko nicht rucklaufig, sondern steigt.

Die atypischen Beschaftigungen, bei denen oft ein Niedriglohn verdient wird, konnen fur ein erhohtes Armutsrisiko stehen (vgl. Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, XXVf.; vgl. Eichhorst und Tobsch, 2015, 85). Wenig Einkommen kann fur eine Einzelperson beispielsweise vollkommen ausreichen, fur eine GroBfamilie wird dies allerdings schwierig - deshalb ist der Haushaltskontext, das Arbeitsverhaltnis, die Stundenanzahl und die Gegebenheiten der Familie mit zu berucksichtigen (vgl ebd., XXVf.; vgl. AndreB und Seeck, 2007, 460). So sind verschiedene Bevolkerungsgruppen einem unterschiedlich starken Armutsrisiko ausgesetzt, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind oft betroffen, Erwachsene und altere Erwachsene eher weniger (vgl. Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, 330). Alleinerziehende und Arbeitslose sind besonders stark betroffen und gerade Menschen, die uber lange Zeitspanne in atypischen Beschaftigungen verharren, beziehungsweise ein niedriges Einkommen erhalten, sind einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt (vgl. Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, 330). Erwerbstatige in einem Normalarbeitsverhaltnis in Vollzeit sind sehr selten betroffen (gleichbleibend uber die Jahre) (vgl. ebd. 330). Dies offenbart, „[...] dass Erwerbstatigkeit der Schlussel zur Uberwindung eines relativ geringen Einkommens ist“ (Bundesministerium fur Armut und Reichtum, 2013, 329). Das Phanomen „Working Poor“ wird jedoch immer presenter, dazu zahlt man Menschen, die trotz Arbeit nicht genugend Einkommen haben, um uber die Armutsgrenze zu gelangen (vgl. AndreB und Seeck, 2007, 460). Dies hangt ebenfalls mit dem Haushaltskontext, Arbeitsform und Stundenumfang zusammen (vgl. ebd., 460). Hier spielt eine ausschlaggebende Rolle die Zunahme der atypischen Beschaftigungen.

Die Armut in Deutschland ist eine „relative“ und „mehrdimensionale Armut“, das bedeutet nicht, dass verarmte Menschen darum kampfen am Leben zu bleiben oder sich erhalten zu konnen, sondern es gibt eine Armutsgrenze, die „[...] durch ein soziokulturelles Existenzminimum“ gekennzeichnet ist (GeiBler, 2014, 229). Die Mehrdimensionalitat der Armut kennzeichnet sich dadurch, dass „sie [.] nicht nur ein okonomisch-materielles, sondern gleichzeitig auch ein soziales, kulturelles und psychisches Phanomen“ ist (ebd., 230). Armut behindert die gesellschaftliche Teilhabe und fordert soziale Ausgrenzung (vgl. ebd., 230).

Die Rolle der Erwerbstatigkeit ist eine besondere, Arbeit ist zentral, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, eine gesellschaftliche Position einnehmen zu konnen, fur gesellschaftliche Teilhabe und um sich selbst „entfalten“ zu konnen (vgl. Datenreport 2016, 125; vgl. Armutsbericht, XXII). Arbeit bildet die Existenzgrundlage der Menschen, sie ermoglicht Teilhabe an der Gesellschaft (Inklusion) und „sichert den Lebensunterhalf ‘ (vgl. Datenreport, 2016, 125). Daher ist der Anstieg der atypischen Beschaftigungen und die hohe Armutsrisikoquote naher zu betrachten, um Zusammenhange erkennen zu konnen.

Es ist offensichtlich, dass mehr atypische Beschaftigungen eingegangen werden, doch wie kam diese Entwicklung zustande? Welche Rolle spielten die Arbeitsmarktreformen fur die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt? Haben die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen der deutschen Regierung dazu beigetragen, dass die Burger in atypische Beschaftigungen gedrangt werden und das Armutsrisiko der Burger steigt? So meinen Lengfeld und Kleiner (2009, 46), dass „(u)nter Arbeitsmarktforschern als unbestritten (gilt), dass die Flexibilisierung von Beschaftigungsverhaltnissen in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre zu einem Wandel von sozialer Ungleichheit beigetragen hat“. Inwiefern lasst sich von der gesteigerten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes auf die erhohte Armutsrisikoquote schlieBen? Und kann die Segmentationstheorie zu einer Erklarung beitragen? Mussen die Burger durch die Segmentierung des Arbeitsmarktes mit erhohten Armutsrisiken leben?

Diese Zusammenhange sollen im nachfolgenden naher erlautert werden. Zuerst werden die Arbeitsmarktreformen und die Politik Deutschlands beleuchtet und die Ziele der Reformen naher erortert. Ziel war es vor allem die steigende Arbeitslosigkeitsquote abzusenken, zeitgleich stieg jedoch die Anzahl atypischer Beschaftigungen. Eine weitere Erklarung kommt von der Segmentationstheorie, die von einer Segmentierung des Arbeitsmarktes in intern und extern beziehungsweise primar und sekundar ausgeht. Diese tragen laut Segmentationstheorie zu der Ungleichheit und den erhohten Armutsrisiken bei, da die Arbeitnehmer in dem internen, primaren Arbeitsmarkt geschutzt werden und die Arbeitnehmer des externen, sekundaren Arbeitsmarktes auBen vor sind und es schwer haben in den internen, primaren Arbeitsmarkt zu gelangen. Anhand von empirischen Befunden wird im nachsten Schritt erlautert, inwiefern die Reformen dazu beigetragen haben, die arbeitsmarktpolitische Situation der Burger zu verschlechtern und das

Armutsrisiko zu erhohen. Auch wird gepruft, ob die Segmentationstheorie und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes eine Erklarung zu dem erhohten Armutsrisiko beitragen. AbschlieBend werden die wichtigsten Schlusse der empirischen Ergebnisse diskutiert und zusammengefasst.

2. Theorieansatze

Die Theorien sind aufgeteilt in den Reformprozess der Arbeitsmarktpolitik und die Segmentationstheorie. Von diesen Aspekten gehen Erklarungen zur gestiegenen atypischen Beschaftigungszahlen und der zeitgleich angestiegenen Erwerbslosenquote hervor. Ausschlaggebend bei diesen Theorien ist, dass eine Veranderung und Entwicklung des Arbeitsmarktes stattgefunden hat. Diese werden im Folgenden naher beleuchtet. Eingangs werden die zentralen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen und Gesetze erlautert, daraufhin werden segmentationstheoretische Ansatze naher betrachtet. Ist der Reformprozess Schuld an dem gestiegenen Armutsrisiko? Produziert die Spaltung des Arbeitsmarktes eine Schlechterstellung von Randgruppen?

2.1 Die Arbeitsmarktpolitik

„Als Folge anhaltend hoher Arbeitslosigkeit haben eine Reihe europaischer Lander in den 1980er Jahren erleichterte Bedingungen fur den Abschluss befristeter Arbeitsvertrage und anderer kurzfristiger Beschaftigungsformen geschaffen. Durch diese partielle Deregulierung sollte die Anpassungsfahigkeit der Arbeitsmarkte erhoht werden, ohne dass der gesetzliche Schutz der Mehrzahl der Arbeitnehmer angetastet wurde“ (Boockmann und Hagen, 2005, 306). So auch in Deutschland. Anfang der 1990er Jahre fand eine Einfuhrung von „arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen“ seitens der deutschen Regierung statt, die den Fokus auf den Niedriglohnsektor legen (vgl. GieBelmann, 2009, 215). Da die Arbeitslosigkeit ein immer prasenteres Thema wurde, die Situation auf dem Arbeitsmarkt immer angespannter wurde und die Arbeitslosenquote immer mehr zunahm, wollte die Regierung die Wirtschaft ankurbeln und durch arbeitsmarkt- und sozialpolitische Regelungen und Instrumente die Arbeitslosenquote eindammen (vgl. Feil et al., 2008, 168). Neben der Ausweitung der geringfugigen Beschaftigungen, spielten der Niedriglohnbereich und die Ausweitung atypischer Beschaftigungen ein zentrales Thema bei den Reformen. Die „Anpassungsfahigkeit auf individueller Ebene“ sollte dazu beitragen, dass Arbeitslosen der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert wird und dass auf der „betrieblichen Ebene“ die Unternehmen mehr neue Mitarbeiter einstellen und so die Beschaftigtenzahl ansteigt und die Arbeitslosigkeit gesenkt wird (Boockmann und Hagen, 2005, 306).

Die erste arbeitsmarktpolitische Handlung, die zentral fur die nachfolgende Arbeitsmarktpolitik war, war das „Gesetz uber Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ (AVAVG) 1927, da in diesem Gesetz schon Zuge aktiver Arbeitsmarktpolitik und aktiver Arbeitsforderinstrumente integriert waren (vgl. Oschmiansky und Ebach, 2009, 15). Viele Ansatze, die in dem AVAVG inkludiert waren, wurden in der nachfolgenden Arbeitsmarktpolitik umgesetzt (vgl. ebd., 16). Das Arbeitsforderungsgesetz von 1969 baute auf diesem auf.

Die Regierung unter Kohl in den Jahren 1991 bis 1998 wollte ein Wirtschaftswachstum bewirken, um mehr Arbeitsplatze zu erschaffen und der steigenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken (vgl. Feil et al., 2008, 168). Die Kopplung der Privatisierung und der Deregulierung sollte einen Anstieg des Wachstums und Beschaftigungen begunstigen (vgl. ebd., 170). Das Beschaftigungsforderungsgesetz von 1985 fuhrte zu einem erleichterten Eingehen von befristeten Arbeitsvertragen und die Regierung fokussierte sich auf die Deregulierung (vgl. Feil et al., 2008, 170). Die Arbeitsmarktpolitik war aktiv und dereguliert (vgl. Feil et al., 2008, 173).

1997 gingen Reformen von dem „Arbeitsforderungsreformgesetz“ aus, die das Arbeitsforderungsgesetz von 1969, das die Grundlage der Arbeitsmarktpolitik bildete und die Richtung in eine aktive Arbeitsmarktpolitik einlenkte, abloste (vgl. Feil et al., 2008, 174). Das Arbeitsforderungsgesetz war schon damals auf die Erhohung der Beschaftigungszahlen und deren Aufrechterhaltung fokussiert, um ein Wachstum der Wirtschaft zu erzielen (vgl. Oschmiansky und Ebach, 2009, 15). Das vorherige Arbeitsforderungsgesetz wurde in das Dritte Buch des Sozialgesetzbuches 1998 eingegliedert (vgl. Feil et al., 174).

Das 1985 eingefuhrte Beschaftigungsforderungsgesetz erleichterte befristete Beschaftigungen (vgl. Feil et al., 2008, 170). Es gibt Arbeitgebern die Moglichkeit Arbeitssuchende befristet, uber einen bestimmten vorher festgelegten Zeitraum, einzustellen, ohne einen sachlichen Grund zu nennen (vgl. Boockmann und Hagen, 2005, 307). Ab 1996, nach der Uberarbeitung des Gesetzes, wurde die Zeitspanne der Befristung von 18 auf 24 Monate, die heute noch gelten, hochgesetzt (vgl. ebd., 307). 2001 wurde das Gesetz von einem Gesetz, das Teilzeit- und befristete Arbeitsvertrage regelt ersetzt, dies hatte Folgen fur die befristeten Arbeitsverhaltnisse, da die Einstellung ohne einen sachlichen Grund nun nur noch fur Bewerber galt, die zuvor noch nicht in dem Unternehmen tatig waren, bzw. keinen Vertrag mit diesem eingegangen waren (vgl. ebd., 307). Diese Anderung wurde 2005 erneut revidiert, die Bestimmungen zu befristeten Arbeitsvertragen in dem Beschaftigungsbefristungsgesetz bestehen weiterhin (vgl. Boockmann und Hagen, 2005, 307). Nach 1991 wurden des Weiteren die ArbeitsbeschaffungsmaBnahmen wiedereingefuhrt (vgl. Feil et al., 2008, 174).

Im Jahr 1996 wurde das „Arbeitsrechtliche Beschaftigungsforderungsgesetz“ erlassen, das beispielsweise mit einer „Einschrankung der Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall“ und einer „Liberalisierung des Kundigungsschutzes“ einhergeht (Feil et al., 2008, 170f.).

Schroders Arbeitsmarkpolitik sah vor, sich von der bisherigen Arbeitsmarktpolitik abzugrenzen (vgl. Feil et al., 2008, 173). Die Regierung regelte das „Beschaftigungsforderungsgesetz“ teilweise zuruck, wie beispielweise die Einschrankung der Lohnfortzahlung (vgl. ebd., 173). Atypische Beschaftigung wird „gefordert“, wie bspw. die Eingliederungsvertrage, die Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt bringen sollen, die jederzeit gekundigt werden konnen und sozialversicherungspflichtig sind (vgl. Steffen, 2011, 18).

Schroder verabschiedete das „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte“, das eine Sozialversicherungspflicht fur 630 DM Jobs ab 1999 bewirkte (vgl. Feil et al, 2008, 173). Weitere Regelungen fanden bis zu den Neuwahlen 2002 nicht statt, Schroders Politik wurde zu dieser Zeit auch als die „Politik der ruhigen Hand“ bezeichnet (Feil et al., 2008, 173).

Die rot-grune Arbeitsmarktpolitik verabschiedete das Job-Aqtiv Gesetz 2002, das beinhaltet, dass staatliche Leistungen fur bis zu 12 Wochen ausgelassen werden (bis zu 30 Prozent), wenn die Arbeitslosen sich nicht kooperativ zeigen (vgl. Steffen, 2011, 26; vgl. Huther und Scharnagel, 2005, 26). Das Job-Aqtiv Gesetz kann als Wende von aktiver zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gesehen werden (vgl. Oschmiansky und Ebach, 2009, 17). Im Marz 2003 trat die Reform „Agenda 2010“ in Kraft, in der Regelungen fur die Zeitarbeit gelockert wurden, jedoch der Ansatz „Equal Treatment“ eingefuhrt wurde, das bedeutet, dass die Stammbelegschaft und die Zeitarbeiter den gleichen Stundenlohn erhalten mussen und nur tarifvertragliche Regelungen abweichen durfen (vgl. Feil et al., 2008, 173f.). Die Arbeitsmarktpolitik fokussierte statt dem „Fordern der Arbeitslosen“ immer mehr ein Fordern und aktive Mitarbeit - das „Fordern und Fordern von Arbeitslosen“ wird zentral (Feil et al., 2008, 161). Den Arbeitnehmern wurde eine aktive Rolle auf dem Arbeitsmarkt zugesagt, so (sollten) „Arbeitnehmer [...] personliche Risiken zunehmend selbst tragen und mehr Verantwortung fur ihre individuelle Lage am Arbeitsplatz ubernehmen“ (Feil et al., 2008, 174).

[...]

Final del extracto de 37 páginas

Detalles

Título
Steigendes Armutsrisiko durch atypische Beschäftigungsformen
Universidad
University of Kaiserslautern
Calificación
1,7
Autor
Año
2016
Páginas
37
No. de catálogo
V441997
ISBN (Ebook)
9783668803091
ISBN (Libro)
9783668803107
Idioma
Alemán
Palabras clave
Armutsrisiko, Prekarität, Atypische Beschäftigungsformen, Arbeitsmarktpolitik, Segmentationstheorie, interner Arbeitsmarkt, externer Arbeitsmarkt, primärer Arbeitsmarkt, sekundärer Arbeitsmarkt, Teilzeit, Befristung, Probezeit, Armut, Arbeitsmarktreformen, Arbeitslosigkeit, Leiharbeit, Erwerbstätigkeit
Citar trabajo
Laura Hartmann (Autor), 2016, Steigendes Armutsrisiko durch atypische Beschäftigungsformen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441997

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