Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.
Diese vier Langzeilen hat uns der Nibelungendichter für die nun folgenden 2378 Strophen als einzige Leseanleitung hinterlassen. Doch Leseanleitung ist zuviel gesagt. In den vier Versen wird lediglich ein Hinweis auf Dinge, Formalien und Wiederkehrendes gegeben, auf das man beim Zuhören achten soll.
Im Mittelpunkt der Erzählung stehen demnach allgemeine Geschehniszusammenhänge, Alltägliches. In diesem Kurzinhalt werden keine Personen genannt, die im Verlauf der Geschichte im Mittelpunkt stehen werden. Diese tauchen erst in den Expositions-Aventiuren eins und zwei auf.
„Was wir von dieser epischen Erzählung halten sollen - wie wir sie verstehen oder mit ihr umgehen sollen -, das wissen wir allerdings […] nicht“.2
Der Erzähler führt sich selbst als Berichterstatter und objektiver Vermittler überkommenen, im Grunde bekannten (historische) Wissens ein. Er appelliert zunächst an das Sagenwissen seiner Zuhörer, indem er sie auf die alten mæren aufmerksam macht, die Publikum wie Dichter seit alters her bekannt sind. Er hat die Handlung nicht neu erfunden, sondern lang Bekanntes neu aufbereitet. Es ist der Versuch aus verschiedenen alten mæren eine neue geschlossene zu erstellen. „Sein Text soll zum ersten Mal im literarischen Gewand konkurrenzfähig präsentieren, was bis dahin in allen möglichen Formen - Lied, Kurzepos, Prosærzählung -, zu Teilen vermutlich auch schon schriftlich, im Prinzip (im Status) aber noch unliterarisch, im Umlauf war“. Dabei verweist er auf Strukturen und Elemente, die jede Geschichte enthält. Orientiert seine Hörer darauf, dass sie im Folgenden von ruhmreichen Helden, großen Anstrengungen, Freude und Festlichkeiten, Weinen und Klagen und den Kämpfen tapferer Ritter hören werden. Wenn man dieses als Kurzinhalt versteht, dann könnte es die Inhaltsangabe jedes mittelalterlichen Romans sein. Der Dichter will aber auf sein Werk hinweisen.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- TRÄNEN IN DER ÖFFENTLICHEN KOMMUNIKATION DES MITTELALTERS
- ÜBERTRAGBARKEIT AUF LITERARISCHE TEXTE
- WEINEN, TRÄNEN, TRAUER IM NIBELUNGENLIED
- Stellennachweis
- Leitmotiv Tränen und Trauer
- Brunhilds Tränen
- Kriemhilds Tränen
- Die Trauerliturgie der 17. Âventiure
- Kriemhilds Abschied vom toten Siegfried
- Die Verbindung von Trauer und Rache
- RESÜMEE
- VERWENDETE TEXTQUELLE UND LITERATUR
- Textquelle
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle von Tränen und Weinen im Nibelungenlied. Es wird analysiert, inwieweit die Darstellung von Tränen in dem Werk gesellschaftliche Konventionen des Mittelalters widerspiegelt und wie der Dichter mit ihrer Gestaltung spielt. Dabei soll die Bedeutung von Tränen als Strukturelement des Nibelungenliedes beleuchtet werden.
- Tränen als Ausdruck von Trauer und Leid im Mittelalter
- Der Einfluss gesellschaftlicher Konventionen auf die Darstellung von Tränen in der Literatur
- Die Rolle von Tränen als Leitmotiv im Nibelungenlied
- Die Funktion von Tränen in der Charakterisierung von Figuren, insbesondere Brunhild und Kriemhild
- Die Verbindung von Tränen, Trauer und Rache im Nibelungenlied
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Bedeutung des Weinens und Klagens im Nibelungenlied sowie die Relevanz der Tränen als zentrales Strukturelement des Werkes unterstreicht.
Im zweiten Kapitel wird die Rolle der Tränen in der mittelalterlichen Öffentlichkeit beleuchtet. Es wird untersucht, inwieweit die gesellschaftlichen Konventionen der Zeit in der Literatur widergespiegelt werden.
Das dritte Kapitel untersucht die Darstellung von Tränen im Nibelungenlied. Dabei wird analysiert, ob Tränen lediglich ein Mittel zur emotionalen Charakterisierung der Figuren sind, oder ob der Dichter durch ihr Erwähnen oder Verschweigen bestimmte Aussagen machen möchte.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Tränen und Klageäußerungen der beiden Königinnen Brunhild und Kriemhild. Es werden verschiedene Szenen analysiert, in denen Tränen eine zentrale Rolle spielen.
Schlüsselwörter
Nibelungenlied, Tränen, Weinen, Trauer, Leid, Gesellschaftliche Konventionen, Mittelalter, Leitmotiv, Brunhild, Kriemhild, Charakterisierung, Rache.
- Citation du texte
- Katja Böttche (Auteur), 2005, Tränen als Strukturelement im Nibelungenlied, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44284