Propagandasprache. Ein manipulierender Funktiolekt?

Warum und wie Sprachlenkungstechniken instrumentalisieren


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Propaganda

2. Propagandasprache - ein Funktiolekt?
2.1 Propagandasprache und ihre Abgrenzungen

3. Die Manipulation als kommunikativer Zweck
3.1 Instrumente zur Sprachlenkung und Manipulation
3.1.1 Euphemismen
3.1.2 Dysphemismen
3.1.3 Metaphern
3.2 Techniken zur grammatikalischen Manipulation
3.2.1 Die Unbestimmtheit der Wörter
3.2.2 Adjektive und die Übersteigerung der Wörter
3.2.3 Herabsetzende Suffixe und negierende Präfixe

Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

Ihr Mund ist glatter als Butter und haben doch Krieg im Sinn; ihre Worte sind linder als Öl und sind doch gezückte Schwerter (Bibel: Psalm 55:22-25).

Denkt man an das Wort Propaganda und ihre Sprache werden den meisten Menschen sicherlich zu allererst die Machenschaften des Nazi-Regimes des Dritten Reiches einfallen. Danach kommt einigen noch das propagandistische System der DDR in den Sinn und nur die Wenigsten werden meinen, dass Propaganda heute noch eine Rolle spielt. Wie in dieser Arbeit gezeigt wird, ist Propaganda zwar nicht mehr ein solch omnipräsentes Thema wie zur damaligen Zeit, doch auch heute wird Sprache genutzt, um zu manipulieren, zu lenken, gar zu instrumentalisieren.

Geht man von dem Varietätenbegriff aus, gilt es zu schauen, wo sich die Sprache der Propaganda, die Propagandasprache, einordnen lässt. Es muss aufgezeigt werden wo die Grenzen zu benachbarten, gar verwandten Varietäten sind und was mit Propagandasprache erreicht werden möchte. Ist Propagandasprache ein manipulierender Funktiolekt und wie und warum schafft sie es mit Hilfe von Techniken zur Sprachlenkung zu instrumentalisieren?

Um diese Fragen klären zu können, wird zu Beginn der Blick auf die Propaganda selbst gerichtet. Neben der Wortherkunft und einem Definitionsversuch, folgt die Betrachtung des semantischen Wandels des Wortes Propaganda. Laut Walther Dieckmann ist dies unabdingbar:

Ideologieverdächtige Äußerungen und unreflektierte Wertungen lassen sich schon deshalb nicht vermeiden, weil die Sprachwissenschaft in diesen Teilbereichen über keine ausgebildete Metasprache verfügt und sich für diese Zwecke, angereichert mit Fachtermini, der Umgangssprache bedient. Schwerwiegender ist die Tatsache, daß es für die Untersuchungsgegenstände „öffentliche Sprache“, „Propagandasprache“, […] „politische Sprache“ […] keine sprachinternen Spezifika gibt. Die Texte oder sprachlichen Phänomene, die untersucht werden sollen, werden erst greifbar, wenn man die Begriffe „öffentlich“, „Propaganda“, […] „Politik“ usw. definiert hat (Dieckmann 1981: 21).

Von der Propaganda im Allgemeinen, über die linguistische Betrachtung der Propa- gandasprache als Funktiolekt, nebst Abgrenzungsversuchen zu anderen Varietäten des Deutschen, steht dann die Funktion der Propagandasprache für den Sprachan- wender, den Propagandisten, im Fokus. Was ist Manipulation? Wie schafft es Spra- che zu instrumentalisieren? Man kann nicht einfach ankündigen, man würde jetzt ma- nipulierend sprechen. Es muss getan werden. Dazu bedarf es Techniken und Instru- menten, auf die genauer eingegangen wird. Es muss sich zeigen, wie und ob Propagandasprache ihrer Funktion gerecht wird.

Im Fazit werden die oben aufgestellten Fragen endgültig beantwortet und ein allgemeines Resümee über das Thema Propagandasprache gezogen.

Sie ist kein neues Phänomen, aber nicht weniger aktuell. Gerade in Zeiten des politischen Wahlkampfes, Pegida und der Alternative für Deutschland zeigt sich, wieviel Macht Sprache besitzen kann.

Die Sprache ist keine bloße Nippsache, ein Museumsstück. Sie hat, vom primitiven Zustand an, eine wirkliche Funktion in allem menschlichen Leben. Ohne sie kann man nicht regieren, ohne sie keine Grenze machen. Wie die Sprache auch zum mächtigsten Werkzeug des Betruges wird, so kann allein die Sprache die Maschen entwirren und durchhauen, die die moderne Zivilisation über uns geworfen hat (Bergsdorf 1978: 48).

Aus Gründen der angenehmeren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Die weibliche Form ist jedoch selbstredend immer mit ein- geschlossen.

1. Propaganda

Der Begriff Propaganda und die damit einhergehende Verwendung stellt gerade in Deutschland ein brisantes Thema dar. Der Begriff, der aus dem Lateinischen kommt und dort für ‚ausbreiten‘ und ‚verbreiten‘ Verwendung findet, steht für Deutsche in erster Linie für die Machenschaften im Dritten Reich.

Geschichtlich betrachtet trat der Begriff Propaganda das Erste mal 1622 in Erschei- nung. Unter der Schirmherrschaft Papst Gregor XV. gründeten römische Kardinäle „[…] eine Art Hochschule, in die junge Männer rekrutiert, dort rhetorisch ausgebildet wurden, um dann auszuziehen und den katholischen Glauben in ganz Europa festigen zu können“ (Hardinghaus 2012: 5). Die Schule trug den Namen Propaganda Sacra Congregatio de Fide, was übersetzt ‚Kongregation für die Verbreitung des Glaubens‘ heißt. Durch die von Papst Urban VIII. errichtete Schul- und Pflanzenstätte für Missio- nare bekam der Begriff Propaganda eine weitere Bedeutungsebene, da man hier bei dem Verb propagare von der Fortpflanzung und Ausdehnung der Schösslinge und Ableger sprach. Dies ging in die Militärsprache über und man hörte das Militär und die Politik Sätze sagen wie propagare bellum, das übersetzt heisst ‚den Krieg in die Länge ziehen‘ (vgl. Schmitz-Berning 2007: 475).

Bei den Gegnern der katholischen Kirche wurden Stimmen laut, welche in diesen Schulen geheime, zentral gesteuerte Unterwanderungsmaschinerien sahen. „Die dar- aus folgende polemische Akzentuierung des Ausdrucks Propaganda und die Assozia- tion mit Verschwörungsvorstellungen schuf die Voraussetzung für die Säkularisierung und Politisierung des Ausdrucks in der französischen Revolution“ (Schmitz-Berning 2007: 475). Der von den Revolutionären verwendete Ausdruck de propager les princi- pes de la vraie liberté bekräftigt, dass sie sich als Missionare sahen. So liegt hier auch der Gründungsstein der heutigen Propaganda, da Bekehrungsanstalten versuchten ihre Ideologien und Ansichten zu verbreiten. Allmählich veränderte sich das einstige Wort, das Bestandteil eines Schulnamens war, zu einem Verbreitungsakt.

1907 fand sich in Meyers Lexikon eine Definition für Propaganda, die bis dahin unter der Rubrik Reklame zu finden war. Jegliche Verbreitung von Anzeigen, Schriften, aber auch von Erzeugnissen und Waren wurde unter diesem Begriff zusammengefasst. „Propaganda bezeichnet […] nicht mehr eine Institution, Gruppierung, Zentrale, die die Verbreitung von Ideen steuert, sondern die Aktion der Verbreitung selbst“ (Schmitz-Berning 2007: 476). Das Wort war im ersten Weltkrieg so omniprä- sent, dass es zu einem „Schlagwort der psychologischen Kriegsführung“ wurde (Schmitz-Berning 2007: 477). 1940 laß sich die Definition des Meyer-Lexikons schon ganz anders, waren doch alle Aktivitäten zur wirtschaftlichen Absatzsteigerung keine Propaganda mehr, sondern wurden als Werbung tituliert. Seit dem 20. Jahrhundert haben Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen versucht der Propaganda eine all- gemein gültige Definition zu geben. Am ehesten trifft es allerdings Gerhard Maletzke mit seiner Definition aus dem Jahre 1984: „Propaganda sollen geplante Versuche hei- ßen, durch Kommunikation, die Meinung, Attitüden, Verhaltensweisen von Zielgrup- pen unter politischer Zielsetzung zu beeinflussen“ (Hardinghaus 2012: 7).

Aus dem einstigen Auftrag der Glaubensverbreitung, über die Funktion der Reklame jeglicher Art, bis hin zu einem Machtinstrument, das nicht mehr die Religion zum ‚kleinen Mann‘ bringen soll, sondern den Menschen nun so beeinflusst, dass es in ihm den Glauben selbst erweckt.

Der großangelegte Versuch des Regimes des Dritten Reichs Propaganda von jegli- chen Negativaspekten freizusprechen und für sich zu beanspruchen, indem man ihr negative Worte für die Aktionen der Feinde, wie Lügenkampagne oder Hetze gegenüberstellte, erwies sich schon damals als kaum gelungen. „Für den heutigen Sprachgebrauch ist eine negative Akzentuierung des Ausdrucks Propaganda charakteristisch“ (Schmitz-Berning 2007: 486).

2. Propagandasprache - ein Funktiolekt?

Bevor man sich dieser Frage hingibt, gilt es zu klären, was Funktiolekte überhaupt sind. Sie gehören neben Idiolekten, Mediolekten, Dialekten, Soziolekten und Situolekten zu den Varietäten der deutschen Sprache.

„Varietäten […] kann man […] als gebündelte Textexemplare ansehen, deren sprachliche Merkmale in der Hauptsache von Redekonstellationstypen oder sozio-pragmatischen Bedingungen wie Individuum, Gruppe, Gesellschaft, Situation, Milieu oder Funktion geprägt sind“ (Löffler 2010: 79).

In dieser Sprachwirklichkeitsforschung geht es um die Ausmaße der Interaktionen auf kommunikativer Ebene nebst ihrer jeweiligen Akteure, wie die Sprachanwender.

Ein Funktiolekt ist die Varietät der deutschen Sprache, die die kommunikativen Zwe- cke innerhalb einer Kommunikationssituation inkludiert. Es geht also um Zweckbe- stimmungen von konkret sprachlich realisierten und kommunikativen Handlungsbe- reichen.

Das Organon-Modell nach Bühler zeigt, dass ein sprachliches Zeichen immer drei Seiten hat. Neben der Ausdrucksfunktion, die den Sender als Subjekt der Sprach- handlung betrachtet, umfasst die Darstellungsfunktion die Sprecher-Sachverhalt-Be- ziehung. Die dritte Seite, die Appellfunktion einer Aussage befasst sich mit der Bezie- hung zwischen dem Sendern (Propagandisten) und dem Empfänger. Sie soll auch die für eine Untersuchung von Propagandasprache wichtigste Funktion sein. Jakobson hat diesen drei Seiten weitere drei hinzugefügt und allen sechs Funktionen neue Na- men gegeben. Auch hier lässt sich anmerken, dass die Ebene der konativen Funktion, bei Bühler der Appell, für diese Art von Sprachrealisierung die maßgebliche ist. Im- merhin möchte der Sender den Empfänger zu einer Handlung bewegen bzw. ihm sei- ne Ansichten und Einstellungen indoktrinieren (vgl. Löffler 2010: 94).

Elise Riesel bringt bei den Funktiolekten Einteilungsvorschläge ins Spiel und unterteilt diese in fünf Vorkommensbereiche: Alltagssprache, Literatursprache, Wissenschafts-/ Fachsprache, Zeitungssprache und die Instruktionssprache. Für die Letztere gilt, dass sie nur autoritäre Beziehungen hat. Zu ihr zählen beispielsweise Verträge, Ver- ordnungen und Gesetzestexte. „Die fünf Funktionsbereiche mit den zugeordneten Funktionsstilen decken nicht das gesamte Spektrum […] ab. Viele Varietäten sind auch mehrfunktional wie z.B. Sprache in der Werbung oder Sprache der politischen Rede […]“ (Löffler 2010: 96). Die Fachsprache der Politik und der Verwaltung ist die Sprache des öffentlichen Verkehrs. Hier liegt auch ihr Funktionsbereich, der „die Ver- waltung und Organisation, die Gesetzgebung und das Vertragswesen, […] die Propa- ganda und politische Meinungsbildung und Politikwissenschaft“ umfasst (Löffler 2010: 107f).

Festzuhalten ist des Weiteren, dass dieser Funktionsstil sich an ausgewählte Berufszweige, wie Politiker, bindet. Er zielt jedoch nicht auf ebendiese Personen ab, sondern trifft externe Gruppen, wie den Bürger. Das ist auch der Grund, warum dieser Funktionsstil sich den allgemeinsprachlichen Wortschatz zunutze macht. Der Rezipient ist das gesamte Volk (vgl. Löffler 2010: 108).

2.1 Propagandasprache und ihre Abgrenzungen

Die oft beschworene Macht des Wortes besteht nicht darin, daß es Ideen und Intentionen transportiert, die vom Empfänger als Befehle unmittelbar in das Den- ken oder gar die Tat umgesetzt werden […], scheint doch die Vorstellung zu existieren, daß über den intendierten Wandel des Wortschatzes und der Wortbe- deutung das Verhalten von Menschen gesteuert werden kann […], indem diesen die Möglichkeit zur Erfassung von Wirklichkeit entzogen wird, und die ideolo- gisch bestimmte Sprache die Handlungen der Menschen prägeterminiert. So verstanden gerät „Sprache“ zu einem Herrschaftsinstrument (Beck 1991: 22f).

Wenn man das Thema Propagandasprache betrachtet, fällt einem zu allererst auf, dass Propaganda mit Propagandasprache oftmals gleichgesetzt wird. Propaganda ist die Verbreitung von Ideologien und Ideen und das wird zum großen Teil mit Sprache, geschriebener wie gesprochener, erreicht. Doch zu Propaganda gehört mehr als die bewusste Sprachanwendung. Propagandasprache ist nicht gleich Propaganda. Selbst Propaganda ist nicht gleich Propaganda. Neben den Rezipienten und den zu vermittelnden Inhalten, kommt es auch auf den Propagandisten und seine Ausgangslage an. Zu unterscheiden ist hier zwischen der direkten und indirekten Propaganda und der Propaganda durch Überredung oder durch Täuschung.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Propagandasprache. Ein manipulierender Funktiolekt?
Untertitel
Warum und wie Sprachlenkungstechniken instrumentalisieren
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Germanistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V443123
ISBN (eBook)
9783668809437
ISBN (Buch)
9783668809444
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Linguistik, Propagandasprache, Varietät, Funktiolekt, Dialekt, Euphemismus, Dysphemismus, Metapher, Sprachwissenschaft, Soziolekt
Arbeit zitieren
Bruno Minniti (Autor:in), 2017, Propagandasprache. Ein manipulierender Funktiolekt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/443123

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