Wie wird die Situation der Frauen in der islamischen Gesellschaft in dem Werk von Aurora Betrana "Marruecos sensual y fánatico" dargestellt?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

18 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


1. Einleitung

Die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft ist ein komplexes Thema. Viele muslimische Autoren auBern sich zu dieser Thematik und verteidigen den Islam. Sie sind jedoch nicht in der Lage, den Wandel der menschlichen Gesellschaft zu bemerken, da seit der Entstehung des Islams im fruhen 7. Jahrhundert n. Chr. durch den Propheten Mohammed viel verandert worden ist. Aus diesem Grund ist zur Darstellung dieser Problematik die Schilderung der Rolle der muslimischen Frau durch eine neutrale Person interessant. Bertrana ist eine katalanische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Reisen in den Orient bekannt wurde. Fatiha Benlabbah eroffnet ihren Reisebricht mit einem Vorwort und bezieht sich dabei auf die Einstellung der Katalanin. Des Weiteren betont Benlabbah, dass sich Bertrana fur die exotische Lebenswelt sehr interessiere und Marokko wie fur sie erschaffen sei: „Lo exotico le interesaba, evidentemente! Marruecos era para ella.“ (Bertrana 2009, 4) Maltzan behauptet jedoch (1963, 16), dass das Land Marokko fur die Europaer „ein noch verschlossenes Buch sei, in dem so gut wie keiner gelesen hat“. An zentraler Stelle stehen die Lebensverhaltnisse und die soziale Stellung der muslimischen Frau. So ist zu bedenken, dass junge Frauen nur selten ihr Haus verlassen durfen und ihnen die Freiheit beraubt wird (Laazare 1998, 82). Holl bestatigt jedoch (1979, 37), dass die Frau die Herrin des Zeltes ist und „in der Gemeinschaft als Mutter und Arbeitskraft“ angesehen wird, welche dazu verpflichtet ist, sich in der Offentlichkeit zu verschleiern. Daher wird die glaubige Frau dazu aufgefordert, ihre korperlichen Reize zu bedecken und ihre Blicke niederzuschlagen (Holl 1979, 72).

Die vorliegende Hausarbeit wird sich mit der Situation der muslimischen Frauen in Marokko beschaftigen und untersuchen, wie die Autorin Aurora Bertrana diese in ihrem Werk „Marruecos sensual y fanatico“ darstellt. Ziel der Arbeit ist es, zu ermitteln, welche Rolle laut Bertrana die muslimische Frau in der islamischen Gesellschaft hat. Der Aufbau der Arbeit ergibt sich wie folgt:

Zunachst werden die Merkmale der Gattung Reisebericht erfasst und dargestellt, welche Bedeutung sie fur die weiblichen Reisenden hat. Dabei wird auf die Situation der Frauen im 19. Jahrhundert eingegangen. Im Hinblick dazu werden zwei weibliche Reiseschriftstellerinnen vorgestellt. Die Dichterin Sidonia Hedwig Zaunemann und Lady Mary Montagu verdeutlichen die Schwierigkeit weiblicher Reisenden. Als Beispiel einer weiteren weiblichen Reisenden wird Aurora Bertrana

vorgestellt. In diesem Kapitel wird das Ziel ihrer Reise ermittelt und ihr politisches Interesse erlautert. Den Kern dieser Arbeit bilden die Eindrucke Bertranas aus ihrem Reisebericht. Dazu wird die Rolle der Frauen in der islamischen Gesellschaft in zwei Kapitel getrennt. Zum einen wird die Situation im Landstreifen des spanisch- marokkanischen Teils (Protectorado espanol) herausgearbeitet und zum anderen schildert Bertrana ihre Wahrnehmungen aus dem franzosischen Teil Marokkos (Protectorado frances). Zusammenfassend werden die Eindrucke Bertranas gesammelt und in einem Fazit aufgezeigt, wie die Situation der Frauen in der islamischen Gesellschaft in ihrem Werk „Marruecos sensual y fanatico“ dargestellt wird.

2. Das reisende Frauenzimmer

Als Reiseberichte bezeichnet man eine Gattung, „in der sich verschiedene literarische Formen und Schreibweisen wie Briefliteratur, Bericht, Tagebuch [...] uberlagen und vermengen“ (Stamm 2010, 45). Es handelt sich um Texte, „die meistens Anspruch auf Glaubwurdigkeit erheben“ und deren Inhalt durch die personlichen Erfahrungen und Eindrucke des Reisenden gepragt sind (Felden 1993, 23). Die Sehnsucht nach der Ferne und das Interesse, neue Lebensweisen zu erkunden, trieben die Menschen zum Reisen. Jedoch beschrankte sich der Aufgabenbereich der Frauen im 18. und fruhen 19. Jahrhundert auf Haus und Familie, sodass sie ihre Sehnsuchte und Wunsche nicht erfullen konnten. Auch wenn das 18. Jahrhundert als „das goldene Zeitalter des Reisens“ gekennzeichnet worden ist, war es fur die weibliche Bevolkerung ein unerfullbares Verlangen (Frederiksen 1999, 147). Dennoch gab es im 18. Jahrhundert einige weibliche Reisenden, die sich trotz ihrer schwierigen Lage auf gefahrliche Reisen wagten und gegen die Rollenvorstellungen jener Zeit verstieBen (Frederiksen 1999, 148). Bezuglich der Rollenvorstellungen wurden Frauen nur als „reisende Mutter, reisende Ehefrauen, Heilige, Narrinnen oder [...] Prostituierte gesehen und legten sich daher Mannerkleidung an, um ihre Sehnsucht nach Freiheit erfullen zu konnen“ (Frederiksen 1999, 149). Zudem stellte die Reise fur Frauen eine „Fluchtmoglichkeit aus der oftmals beengten burgerlichen Lebenssituation“ dar (Lehmann 2009, 51). Die ausbrechenden Frauen wurden nicht, wie etwa junge Manner, als Heldinnen angesehen, die eine wichtige Bildungsreise absolvierten, um das fremde Gebiet und die neuen Kulturen zu erkunden (Felden 1993, 29). Da der Reisebericht aber die subjektive Erfahrung des Reisenden abbildet und somit „dem Leser ein imaginares Nacherleben der Reise selbst ermoglichf‘, galt sie im Hinblick auf die emotionale Komponente fur Autorinnen geeigneter (Stamm 2010, 49). Trotzdem wurden die Reiseberichte von Frauen nur von Frauen gelesen, „da sie den mannlichen Anspruchen nicht genugten“. Wahrend die Berichte der Manner „als Lehr- und Informationsgewinnungswerke“ angesehen wurden, galten die Berichte der Frauen lediglich der Unterhaltung (Lehmann 2009, 55). Daher waren viele Reiseberichte von Frauen ursprunglich nur Tagebucheintragungen oder Briefe an Freunde und gewannen mit der Zeit an Bedeutung, sodass sie uberarbeitet und publiziert worden sind (Lehmann 2009, 56). Als Beispiele fur weibliche Reisende werden zum einen die Erfurter Dichterin Sidonia Hedwig Zaunemann genannt, die in Mannerkleidung reiste und als eine der ersten Frauen galt, die das Bergwerk besichtigte. Zum anderen ist Lady Mary Montagu eine wichtige Reiseschriftstellerin, die mit dem europaischen Orientbild eng verbunden war und „durch Konstantinopel oftmals selbst verschleiert“ reiste (Pelz 1991, 126). Sowohl in dem Reisebericht von Zaunemann als auch in dem von Montagu ist auffallig, dass sie sich unterwegs fur eine Bedeckung entscheiden, die sie als Frauen unerkennbar macht (Pelz 1991, 127). Des Weiteren ist zu betonen, dass der Harem als einer der zentralen phantasmatischen Topoi des Orientalismus gilt und fur mannliche Reisende unmoglich war, diesen geheimnisvollen Ort zu erkunden. Die Reiseschriftstellerinnen hingegen konnten den Harem betreten und Stellung zur Problematik der orientalischen Frau nehmen (Stamm 2011, 61). Im Folgenden wird Aurora Bertrana als eine weitere weibliche Reisende des 19. Jahrhunderts vorgestellt.

2.1 Aurora Bertrana als weibliche Reisende

Aurora Bertrana ist eine katalanische Schriftstellerin, die besonders durch die Reisen in den Orient bekannt wurde. Sie beginnt ihre Reise nach Nordafrika im Sommer 1935 und setzt als Ziel:

„Aurora Bertrana llega a Marruecos con el deseo de ver cerca a aquellas tribus montanosas, guerras y libertarias [...], las fuerzas francesas ya las haMan vencido.“ (Bertrana 2009, 4)

Zudem betont sie, dass sie die Reise nicht nur als Berichterstatterin, sondern auch als Abenteurerin bestreitet, um ein Buch uber Marokko zu veroffentlichen, welches darauf zielt, die Politik zu verachten und den Schwerpunkt auf die interaktiven Prozesse zu legen:

„Se presenta a si mismo como una cronista que se lanza a la busqueda de emociones psicologicas y de paisajes, sin querer documentarse y con profundo menosprecio hacia la poHtica.“ (Bertrana 2009, 4)

Da ihr als Frau der Zugang zum Harem nicht verwehrt wird, interessiert sich die Katalanin sehr fur den Teil eines Hauses, der nur von Frauen bewohnt ist. Der Harem ist einer ihrer Beweggrunde, nach Marokko zu reisen, da er wenig erforscht ist und ihre Neugierde weckt: „Aurora Bertrana llega a Marruecos animada por el deseo y la curiosidad de conocer harenes.“ (Bertrana 2009, 5) Des Weiteren ist ihr Reisebericht ein Appell an alle Muslime. Die Jugend der muslimischen Frauen sei in der islamischen Gesellschaft kritisch anzusehen und es musse eingegriffen werden, da die aktuelle Situation bedrohlich sei:

„La juventud femenina musulmana ha entrado en una de las fases mas escabrosas de la decadencia islamica [...]. jAlerta musulmanes! jLas bellas tradiciones del Marruecos guerrero, cauteloso y fanatico estan en peligro!“ (Bertrana 2009, 6)

Trotz der Schwierigkeit, als weibliche Reisende den Orient zu erkunden, beschlieBt Bertrana, die weibliche Seele einer muslimischen Frau zu entdecken, um die strenge Hierarchie im Orient nachzuvollziehen:

„Mi plan literario consistia en descubrir y poner en evidencia el alma femenina musulmana. Mis primeras investigaciones fueron de lo mas penosas. No solo no encontraba el alma de las musulmanas sino que no encontraba ni a las propias musulmanas. Pronto comprend! que no lo tendria nada facil, dira al cabo de su viaje.“ (Bertrana 2009, 5)

Durch die Reise nach Marokko gewinnt Bertrana neue Erkenntnisse und begegnet unerwarteten Situationen: „el viaje exotista se convierte para la escritora en una experiencia formativa, en un aprendizaje inesperado“ (Bertrana 2009, 5). Besonders die Sinnlichkeit der arabischen Kultur, die nach Bertrana eine schone Expansion ist und als Nachbarland wertgeschatzt werden sollte, ist durch ihre Vielfaltigkeit der Sitten und Gebrauche zu erforschen:

„La sensualidad cultivada, tan apreciada en la nacion vecina, encuentra en Marruecos, como la uva y el trigo, una bella expansion. Finalmente, el Maroc sensual, es el Marruecos de los colonos.“ (Bertrana 2009, 6)

Damit die Leserschaft die Intention ihrer Reise nachvollziehen kann, verfasst Bertrana eine justificacion und nennt die Schwerpunkte, auf die sie sich wahrend ihres Aufenthalts stutzen mochte. Sie weist daraufhin hin, dass sie die Reise ohne Begleitung (sin acompanante) unternimmt. Bertrana unterstreicht in ihrer justificacion, dass ihre Leser einen unubersichtlichen Einblick in ihre gesammelten Eindrucke erhalten werden und sie bewusst keine feste Ordnung gewahlt hat, da sie ihre Leserschaft unterhalten mochte:

„Esta selection un poco desordenada - en la vida, ni las horas pletoricas ni las dificiles guardan ningun tipo de orden - no busca otro objetivo que el de distraer un rato a los lectores.“ (Bertrana 2009, 12)

Bereits in Tetuan fallt auf, dass Bertrana sich mit Marokko identifizieren kann und eine Beziehung zu den Menschen aufgebaut hat. Sie spricht oft von der groBartigen Freundschaft zu den Menschen und ist stolz, ein Teil von ihnen sein zu durfen: „Me sentia mas orgullosa y satisfecha que nunca de esta importante amistad.“ (Bertrana 2009, 22) Zudem wird durch die Verwendung der ersten Form des Plurals ihre Zugehorigkeit zu der islamischen Welt verstarkt: „Como se parecen mis amigos musulmanes a algunos politicos de nuestra tierra [...].“ (Bertrana 2009, 22)

3. Marruecos sensual y fanatico: Die Rolle der Frau in der Gesellschaft

3.1 Protecorado espanol

3.1.1 Tetuan

Die Reise beginnt in der spanisch-marokkanischen Hauptstadt Tetuan. Dort stellt Bertrana fest, dass die weibliche Seele einer muslimischen Frau wenig erforscht ist. Daher beschlieBt Bertrana, alles dafur zu tun, um sich der marokkanischen Welt zu nahern:

„Para acercarme al mundo marroqui, para vislumbrar aunque fuese entre nieblas el alma femenina musulmana, habria hecho cualquier sacrificio [...].“ (Bertrana 2009, 18)

Hierbei ist der Vergleich mit den europaischen Frauen sehr entscheidend. Da die europaischen Frauen intelligenter seien, interessiere sich die Mannerwelt fur ihre Probleme:

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wie wird die Situation der Frauen in der islamischen Gesellschaft in dem Werk von Aurora Betrana "Marruecos sensual y fánatico" dargestellt?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2.3
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V444784
ISBN (eBook)
9783668817241
ISBN (Buch)
9783668817258
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aurora Bertrana, Reiseberichte, islamischen Gesellschaft, Marruecos sensual y fánatico
Arbeit zitieren
Berkay Saral (Autor:in), 2017, Wie wird die Situation der Frauen in der islamischen Gesellschaft in dem Werk von Aurora Betrana "Marruecos sensual y fánatico" dargestellt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444784

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