Versuch der Skizzierung der deutschen Kasperfigur im Handpuppenspiel


Dossier / Travail, 2016

14 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis :

1. Einleitung

2. Unterscheidung des ״Comödianten“-Typus Kasperl und der Handpuppe Kasper

3. Die Geschichte der Kasper - Figur im Handpuppenspiel
3.1. Die Merkmale des Handpuppen -Kaspers
3.2. Die Sprachkomik des Kasper

4. Der heutige Forschungsstand und grundsätzliche Fragen in der Kasper-Forschung
4.1. Beispiel: Kurzanalyse des Stücks ״Kasper tot. Schluss mit lustig?“
4.1.1. Die Handlung
4.2. Das Prinzip bei Großmann
4.3. Eigener Standpunkt zum Kasper-Prinzip

5. Literaturverzeichnis/Interquellen/Bildnachweise

1. Einleitung: Ein Versuch der Skizzierung der deutschen Kasperfigur im Handpuppenspiel

Der Kasper wird in der allgemeinen Betrachtung als Harlekins Vertreter auf der deutschsprachigen Bühne des 18. Jahrhunderts gesehen[1], vor allem bekannt durch den namhaften Darsteller des Kasperls Johann Laroche (1744 - 1806) in der Alt-Wiener Stegreifkomödie. Auch dadurch, dass die Maske mit der Hans-Wurst-Maske teilweise konkurrierte und ihn gar beerbte, machte die Maske des Kaspers bekannt. Ins allgemeine Gedächtnis hat es allerdings die Kasper-Maske als Figur im deutschen Handpuppenspiel geschafft.

So wird das deutsche Handpuppenspiel auch ״Kasper“- oder ״Kasperle“ Theater genannt. Damit wird deutlich, dass der Kasper die Hauptfigur und bekannteste Figur im deutschen Handpuppenspiel ist.

In dem Referat soll näher auf die Figur des Handpuppenkaspers und der Abgrenzung zum Kasper der Schauspielbühne eingegangen werden. Außerdem soll die Sprache des Kaspers analysiert werden. Auch soll auf die geschichtliche Umstrukturierung des Handpuppenkaspers unter Poeci und Schmidt eingegangen, so wie das Stück ״Kasper tot. Schluss mit lustig“ unter der Betrachtung aktueller Forschungsfragen betrachtet werden.

Folgende Fragen in Bezug auf die Kasper-Forschung stehen im Mittelpunkt:

Tritt beim Kasper der Handpuppenbühne die Sprachkomik in den Vordergrund?

Wie steht der Kasper zum Harlekin-Prinzip?

2. Die Unterscheidung des Comödianten-Typus Kasperl und der Handpuppe Kasper

Der Kasperl in der Stegreifkomödie und der Kasper(le) im Handpuppenspiel sind zwei verschiedene Varianten von Kasper. Sie haben eine ähnliche Art von Komik und Sprachwitz, aber doch ist unübersehbar, dass der Kasper der Stegreifkomödie von einem Menschen aus Fleisch und Blut gespielt wird und der andere eine Puppe ist, die durch eine Hand in seinem Puppenkörper bewegt wird. Der Bewegungskanon der Handpuppe ist deutlich eingeschränkter und Bewegung kann dementsprechend nur angedeutet werden, während der Schauspieler in der Maske sehr beweglich ist, was ein Spiel-Prinzip der alten Komödie[2] darstellt. Der groteske Leib[3] wird auf alle möglichen Arten ins Spiel gebracht. Wenn auch der Kasperl und die Darsteller des Hans-Wurst, sowie des Bernadon mehr Wert aufs Extemporieren (lat. Extempore - aus dem Stegreif sprechend) legten, so waren die Comödianten und somit die Kasperl-Darsteller dennoch in ihrer Bewegung als menschliche Darsteller deutlich Gestik und Mimik- fähiger.

״Natürlich spielte er im Wiener Dialekt mit unwiderstehlich-komischer Mimik, die noch dadurch unterstrichen wurde, dass er ein » Erbsengesicht« besaß, d.h. blatternarbig war. Oft schrie er schon vor seinem ersten Aufteten aus der Kulisse: »Auwedl, auwedl![4] « - und hatte sofort den Lacher auf seiner Seite. Ja, seine drastische Gebärden-Komik wirkte so ansteckend, dass ein Gegner von ihrer »unglücklichseligen Nachahmung durch die Wiener Jugend« spricht und die typische Bewegungskomik LaRoches, die er nicht zu verfassen vermag, abwertend charakterisiert: »Nun dreht Kasper den Fuß auswärts, steckt seinen Kopf vorwärts, krümmt sich zusammen, macht einen Bocksprung« [...] Seine witzigen Extempores, die oft mit dem Unerwartet­Selbstverständlichen operierten, waren so geistvoll, dass sie selbst einem »Philosophen das Zwerchfell erschüttern könnten.« “[5]

Die Bewegungs- und Mimikfähigkeit wird auch daran deutlich, dass im Hans-Wurst Streit der 1750, 60 er Jahre unter Joseph Sonnenfels, einem Berater von Maria Theresia, das Extemporierverbot ausgesprochen wurde, was erst nach 1780 Wirkung zeigte und neben geregelten Dramentexten auch vermehrt die (stumme) Pantomime anreizte.

Der Kasper der Handpuppenbühne ist nur sehr eingeschränkt bewegungsfähig, in dem er einen Aufgang und Abgang machen kann (auch Stürzen), einen Gang auf seiner Bühne (Humpeln, Zick-Zack-Gang, U.S.W.), rückwärts gehen, sich auf den Bühnenrand setzen, die Arme hochheben, mit dem Stock schlagen und seinen Kopf bewegen kann.

Alles andere funktioniert über seinen Stock (Teil seiner Sprache) und seiner Sprache.

3. Die Geschichte der Kasper - Figur im Handpuppenspiel

Der Kasper der Handpuppenbühne verkörpert nicht einfach eine Übertragung aus dem Schauspielertheater hin zur Puppenbühne. Es ist nicht gesichert, wann und ob überhaupt eine Verlagerung des verdrängten Kaspers[6] / einer lustigen Figur des deutschsprachigen Theaters von der Schauspielerbühne stattfand oder ob es nicht zeitgleich existiert hat. Möglicherweise hat das Handpuppenspiel das Comodi antentheater schlichtweg überlebt. Wahrscheinlich ist sogar, dass der Name Kasper aufgrund von großer Popularität eines menschlichen Kasper­Darstellers der Handpuppe gegeben wurde.

Bevor der Kasper die tragende Rolle im deutschen Handpuppenspiel übernahm, war es nicht etwa der Hans-Wurst, sondern der Putschinelle. Der Name Putschinelle war in ganz Europa als Handpuppen-Name bekannt, abstammend von der italienischen Handpuppenfigur - dem Pulcinella.

Bevor es jedoch einen Putschinelle/Pulcinella/Pulichinello gab, der der Theaterform einen Namen gab, war es im deutschsprachigen Raum eine unbenannte lustige Figur. So sind Stücke bekannt, in denen ein Bauer als lustige Figur benannt ist[7], oder aber wie Purschke schreibt:

Aus dem 16. Jhr. ist die Figur des Spaßmachers überliefert: ״Meister Hämmerlein mit dem abscheulichen Larvengesicht“8.

Im 19.Jahrhundert findet dann eine Veränderung von einer europäischen Figur hin zu einer nationalen Figur statt:

״Eine Reform des Handpuppenspiels erfolgt zwischen 1830 und 1870. Zum einen wird aus der europäischen Hauptfigur, auch in Deutschland nach dem neapolitanischen Vorbild »Pulcinella« genannt, eine nationale: Der Kasper. Dabei wird die sozial niedere Verortung der Figur durch die närrische Komponente ergänzt. Zum anderen wird die Figur - wie auch anderswo in Kontinentaleuropa - zivilisiert: Aus dem finsteren Totschläger wird der verschmitzte Prügler, der den Dialekt seines Publikums spricht. “[9]

3.1. Die Merkmale des Handpuppen -Kaspers

Der ursprüngliche Kasper der Handpuppenbühne[10] hat sich über die Jahrhunderte zwar unserem Schönheitsideal angepasst, dennoch hat er unverkennbare Merkmale. Seine Hauptmerkmale sind die riesige Nase, das vorstehende Kinn (die Warze wurde mittlerweile wegretuschiert) und natürlich sein Stock, den er immer bei sich trägt.

Sein Ensemble besteht aus den Figuren: Gretel, Seppel, Polizist, Teufel/Hexe, Tod. Häufig treten noch die Figuren der Großmutter, des Krokdils(Lindwurm, Drache), des Königs, des Zauberers u.s.w. auf.

Der Name ״Kasper“ stammt von einem der heiligen drei Könige, dem ״Kaspar“ ab. Damit gehört sein Name zu einer Reihe von Namen von lustigen Figuren, die in einer Umkehrsituation/ Parodie zu christlichen Heiligenfiguren Stehen. So gibt es zum Beispiel die Figuren Petrushka/Petrus, Gerolamo/Hieronymus, Hans-Wurst/Jean Potage/Johann der Täufer, u.s.w.

Die Tradition, derartige Namen zu verdrehen, das Heilige zu profanieren und andersherum stammt aus der Karnevalstradition[11

[...]


[1] Natürlich war die vorherrschende Maske des 17. und 18. Jh. die des Hans-Wurst. Auch die Darstellung des Bemadon ist bekannt. Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Kasper ״nur“ eine Abwandlung der Hans­Wurst“- Maske ist, darauf soll hier aber nicht eingegangen werden. Da das Thema des Vortrags die Kasper-Figur im Handpuppenspiel ist und die gleichnamige Maske/Figur des Schauspielertheaters nur angedeutet werden soll, ist die Aussage, dass “Der Kasper wird in der allgemeinen Betrachtung als Harlekins Vertreter auf der deutschsprachigen Bühne des 17. und 18. Jahrhunderts gesehen“ als stark vereinfacht anzusehen und bezieht sich auf die komische Figur im deutschsprachigen Raum generell. Dabei muss gesehen werden, dass der ״Kasper“ durch seine Popularität im Handpuppentheater oft als Synonym für ״die komische Figur/Maske“ im deutschsprachigen Raum gesehen wird.

[2] Der Comödien-Stil ist gekennzeichnet durch das überschreiten oder Durchbrechung der Fiktionsschranke sowie durch deren maximale Beweglichkeit und Verschiebbarkeit. Das bedeutet: es wird sowohl eine Fiktionsebene aufgebaut - in Gestalt von theatralen Repräsentationen - als auch wieder unterlaufen - in Gestalt spielerisch - ritueller Aktionen. [...] Der Comödien-Stil beruht auf dem Aktem und seinen praktischen, handwerklichen Können. Leib und Körper, Tier und Mensch, reales und soziales Rollenspiel, reale Maskenhaftigkeit und Identitätsforderungen, affektive Zustände oder habituelle Nominierungen werden durch die Verfahren: Vertauschen und Verkehren, doppeln und Vervielfachen, Zerstückeln und neuerliches Zusammensetzen, kommunizierbar gemacht. Baumbach, Gerda: Schauspieler, Historische Anthropologie des Aktems, Band 1, Schauspielstile, Leipzig, 2012, s. 254.

[3] ״...der vor Angst schlotternde und in ungeheme Motorik geratende Arlecchino; der vor Lüsternheit oder rasender Wut sich krümmende Pantalone. Gebärden des Schreckens, Erstaunens, der Freude, der Furcht, des Begehrens erhielten ihre komische Wirkung erst durch den exzentrischen Bewegungsstil der comici dell'arte.“ Theile, Wolfgang: Comico dell'Arte - Stegreifsschauspieler.“ Erdmann, Eva (Hg.): Der komische Körper, Szenen-Figuren-Formen. 2003, Bielefeld, s. 97.

[4] Ein Ausruf, der der immer wieder vor dem Auftritt getätigt wird und somit als Running Gag anzusehen ist. Damit erhält die Maske/der Comödiant LaRoche in der Rolle zugleich einen Einzelstatus, da nur er das sagen kann, es seine komische Wirkung nur bei ihm entfaltet.

[5] Kindermann, Heinz: Theatergeschichte Europas, Aufklärung - Romantik (2.Teil), Salszbmg, 1962, s. 274.

[6] Mit der Verdrängung von der Menschenbühne sind mehrere Vorgänge gemeint, die im Gesamten zu einem Untergang des Comödienstils auf der Bühne geführt haben. So Z.B. das Extemporierverbot unter Maria Theresia und Sonnenfels, die umstrittene ״Vertreibung“ des Harlekins durch die Einführung des Regeldramas, der Schauspielregeln und der ״öffentlichen Verbrennung“ Harlekins bei einer Aufführung der Tmppe von Caroline Neuber. Ähnliche Vorgänge haben auch in anderen europäischen Ländern stattgefunden und zu Regelwerken für die Schauspielkunst geführt.

[7] Simmen, René: "Die Welt im Puppenspiel", Zürich 1972, S.20.

[8] Purschke, Hans R.: über das Puppenspiel und seine Geschichte. Querschnitt aus dem literarischen Schaffen des Puppenspiel-Historikers und -Theoretikers, Frankfurt a. Main, 1983.

[9] Kratochwil, Emst-Frieder:, Geschichte des Handpuppenspiels, 2004. Für das Online-Portal FIDENA: [http://www.fidena.de/publish/viewfull.cfm7objectid-cc0a501e_e081_515d_74772f784b478cc9]

[10] Damit ist die Variante vor der Umstrukturierung zu einer pädagogischen Figur, also der Handpuppen-Kasper im Kindertheater gemeint.

[11] ״In den lebendigen Karnevalstraditionen ist jedoch der Tod schwanger, erweißt sich der gebärende Mutterschoss als Grab. Eben solche Gestalten sind es, die das schöpferische Ambivalente Kamevalslachen hervorrufen, indem Verspottung und Triumph, Schmähung und Lobpreisung untrennbar verschmolzen sind.“ s. 66: Bachtin, Michail: Literatm und Karneval, Zur Romantheorie und Lachkultur. München, 1985.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Versuch der Skizzierung der deutschen Kasperfigur im Handpuppenspiel
Université
Ruhr-University of Bochum
Cours
The lost book 4
Note
1,3
Auteur
Année
2016
Pages
14
N° de catalogue
V444889
ISBN (ebook)
9783668824102
ISBN (Livre)
9783668824119
Langue
allemand
Mots clés
Kasper
Citation du texte
Jennifer Müller (Auteur), 2016, Versuch der Skizzierung der deutschen Kasperfigur im Handpuppenspiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444889

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