Vor- und Nachteile des Paarinterviews als Erhebungsinstrument partnerschaftlichen Erfolgs


Dossier / Travail, 2018

20 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Paarinterview
2.1 Definition
2.2 Methodik und Ablauf

3. Die Paarforschung in der Soziologie
3.1 Historie
3.2 ״doing couple" und Paarperformance
3.3 Kriterien der Partnerschaftsqualität

4. Interviewbeispiel mit Erläuterung der Verfahrensschritte

5. Vor- und Nachteile des Verfahrens

6. Fazit

7. Transkript

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Beziehungen sind und bleiben eines der fundamentalsten sozialen Konstrukte im Leben eines Menschen. Von Eltern-Kind-Beziehungen, über zu Geschwisterverhältnissen, Freundschaftsbeziehungen bis hin zum Umgang des Individuums mit sich selbst, spielen Beziehungen und ihre variablen Facetten eine wichtige Rolle in der Soziologie und in der Sozialforschung. Die Paarbeziehung, als Fundament der menschlichen Zivilisation, rückt dabei gerade in den letzten Jahrzehnten immer stärker in den Forschungsfokus von Soziologen*innen, Psychologen*innen und Sozialforscher*innen. Dabei formen die jeweiligen Forschungsergebnisse nicht nur Methoden der Paartherapie, sondern auch Bereiche der Pädagogik, Familienforschung und anderer Forschungsbereiche. Eine noch recht frische und gerade in Deutschland unerforschte Methodik in der Paarforschung sind die Paarinterviews, als Teil der qualitativen Forschung. Paarinterviews als eine Mischform zwischen dem narrativem Interview und Gruppeninterview bieten dabei eine gute Möglichkeit für die Erfassung von Interaktionen zwischen Paaren, deren Performance und Selbstwahrnehmung als Paar.

Paarbeziehungen nehmen eine besondere Stellung in der Lebenszufriedenheit und dem Selbstbewusstsein eines Individuums ein. Glück und Harmonie innerhalb einer Liebesbeziehung nehmen dabei eine überaus wichtige Rolle in der Lebensgestaltung ein (Hassebrauck 1990: 256) und prägen damit das gesamte Leben. Dabei ist der Einfluss einer glücklichen Beziehung auf die weiteren Lebensdimensionen eines Individuums wie Gesundheit, Beruf, soziale Netzwerke praktisch grenzenlos. Mit diesem Gedanken stellen sich die Fragen, was es braucht um eine erfolgreiche Partnerschaft zu führen, wie man dies evaluieren könnte und welche Rolle Paarinterviews dabei als Methode der qualitativen Sozialforschung einnehmen können.

Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich genau diesen Fragen nachgehen und untersuchen in wieweit sich Paarinterviews zur Evaluation von partnerschaftlichem Erfolg eignen, dabei wird der Fokus nicht ausschließlich auf romantische Paarbeziehungen gelegt. Zu Beginn stelle ich das Paarinterview als Teil der qualitativen Sozialforschung vor. Nachdem die Methodik im Detail erläutert und von themenverwandten Forschungsmethoden abgegrenzt wurde, geht es um die Paarforschung in der Soziologie.

Dabei wird zunächst die Historie innerhalb der bisherigen Sozialforschung erläutert und anschließend unter anderem durch die Vorstellung des ״doing couple" tiefer in die Dynamiken einer Paarbeziehung eingetaucht. Anschließend werden wichtige Kriterien für den Erfolg einer Paarbeziehung vorgestellt und Methoden wie man diese potenziell messbar machen kann. Im Rahmen eines eigens transkribierten Paarinterviews wird im Anschluss die Möglichkeit einer Erfolgsevaluation diskutiert, bevor das gesamte Verfahren in Hinblick auf Vor- und Nachteile untersucht wird. Anschließend werden im Rahmen eines kurzen Fazits alle Erkenntnisse in Hinblick auf die Fragestellung zusammengefasst und reflektiert.

2. Das Paarinterview

Um einen ersten Eindruck der Forschungsmethode zu bekommen und diese im nächsten Schritt auch sinnvoll von den verwandten Methoden, beispielsweise dem narrativen Interview oder Gruppeninterview abzutrennen, soll das empirische Vorgehen zuerst einmal definiert werden.

2.1 Definition

״Paarinterviews erlauben es, die Interaktionen im Paar (vgl. ALLAN 1980) und die (gemeinsamen oder nicht gemeinsamen) Wirklichkeitskonstruktionen und (gemeinsam geteilte oder divergierende Deutungen und ungleiche Deutungshoheiten) von Paaren in situ erfahrbar zu machen." (Christine Wimbauer & Mona Motakef 2017)

Paarinterviews unterliegen dabei denselben Mechanismen wie narrative Einzelinterviews, außer, dass nicht ein*e Befragte*r anwesend ist, sondern ein Paar. Diesem wird abwechselnd Fragen gestellt, die sowohl als Paar, also gemeinsam, beantwortet werden können, aber auch von jedem einzeln. Im Gegensatz zum Gruppeninterview liegt nicht der Fokus auf jedem einzelnen Befragten als Individuum. Dabei kann das Interview verschiedene Interviewvarianten beinhalten, es bietet sich jedoch eine Mischform aus einem leitfadengestützten und narrativen Interview an. Die Befragten in der Eingangserzählung und im gesamten Interview zu geteilten Erzählungen und Diskussionen zu dem Gesagten zu bringen ist dabei essentiell.

Besondere Aufmerksamkeit bedarf es daher bei der Erstellung des Leitfadens, da zahlreiche aushandlungsgenerierende, verbal und nonverbal an beide Partnerinnen adressierte Fragen enthalten sein sollten (Christine Wimbauer und Mona Motakef 2017).

2.2 Methodik und Ablauf

Wie bereits erläutert, handelt es sich bei dem Paarinterview häufig um eine Mischform zwischen einem leitfadengestützen und narrativen Interview. Ein weiteres wichtiges Element ist die teilnehmende Beobachtung, die der*die Intervieweren einnehmen kann, sobald er sich beispielsweise in der Wohnung des Paares befindet. Die eigene Wohnung als unmittelbares Beziehungszentrum, kann als Forschungsfeld einige weitere Faktoren zur Beziehungsanalyse beisteuern (Hirschauer/Hoffmann/Stange 2015: 6). Ziel des Interviews ist es durch ein gemeinsames Erzählen und Aushandeln über das Erzählte einen guten Einblick in das Paar als Einheit zu bekommen.

Als Start bietet sich hier eine erzählgenerierende Eingangsfrage an, die möglichst unspezifisch ist und zu keinerlei Wertung führt. Diese Frage wird an beide Partner bestellt, wer antwortet und in welchem Ausmaß kann bereits ausschlaggebend für die Paarbeziehung sein (Christine Wimbauer und Mona Motakef 2017). Im Rahmen der Interaktion zwischen den Paaren ist im weiteren Interview zu beachten, ob eine gemeinsame Geschichte erzählt wird oder nicht. Dies kann man vor allem an zustimmenden, ergänzenden oder korrigierenden Kommentaren zwischen den Paaren erkennen. ״Es ist also höchst bedeutsam, die interaktive und inhaltliche Art und Weise des Sprecher*innenwechsels - des Turn-taking -zu beachten, da hierbei besonders Machtunterschiede und Ungleichheiten deutlich werden." (Behnke/Meuser 2013: 5). Neben dem Turn-Taking, also den Redeanteilen, und den Reaktionen der Partner, interessiert auch wer über welche Themen spricht, oder eben nicht. Dies kann bereits interessante Aufschlüsse über die Paardynamik und mögliche Probleme innerhalb der Beziehung geben. Der weitere Verlauf des Paarinterviews gleicht im Grunde sehr dem Ablauf eines narrativen Interviews nach Schütze. Nach der Haupterzählung folgen immanente erzählgenerierende Nachfragen, bevor erst im dritten Teil konkretere Nachfragen gestellt werden können.

Das Interview kann mit einer allgemeinen Bilanzierung oder Gesamtbewertung mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, Hoffnungen oder Wünsche enden (Schütze 1987: 43).

Weitere wichtige Kriterien für die Vorbereitung und den Ablauf des Interviews sind Wahl der lnterviewer*innen, Ort und Zeit. Empfohlen sind zwei lnterviewer*innen, möglicherweise unterschiedlichen Geschlechtes, um eine Art personelle und geschlechtliche Harmonie in die Situation des Paarinterviews zu bringen. Es soll das Gefühl vermittelt werden, dass der Anteil an Gesprächsteilnehmern auf beiden Seiten ausgeglichen ist und so eine angenehme Gesprächssituation vorliegt. Des Weiteren bietet es sich an das Paarinterview in der Wohnung des Paares oder einem anderen intimen Ort stattfinden zu lassen. Neben den Erkenntnissen aus dem Interview per se, kann der*die Intervieweren zusätzlich einige Informationen im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung aus dem privaten Umfeld des Paares ziehen. Um nicht in Hetze zu geraten und möglicherweise aus Zeitmangel in einem besonders interessanten Moment das Interview abbrechen zu müssen, sollte das Interview idealerweise an einem freien Tag stattfinden. So haben alle Beteiligten die Nötige Ruhe und Gelassenheit und die Befragten sind eher bereit tiefere Einblicke in die Beziehung zu geben (Ludwig-Mayerhorfer et al. 2001:10).

3. Die Paarforschung in der Soziologie

Obwohl die Forschung, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Form, bereits seit je her eine fundamentale Rolle in der Soziologie spielt, standen Paarbeziehungen und deren Erforschung lange eher im abseits der Interessen. Daher überrascht es nicht, dass erst im Laufe der 1900er Jahren Aufzeichnungen von Paarforschungen im deutschsprachigen Raum auftauchten. Im Folgenden wird eine kurze Historie der Paarforschung in der Soziologie skizziert.

3.1 Historie

Wenngleich Paarbeziehungen nach Simmel bereits um 1985 als eigenständiger soziologischer Gegenstand identifiziert wurden, fanden Paare hauptsächlich im Rahmen der Familiensoziologie Erwähnung und Aufmerksamkeit (Wimbauer/Motakef 2017: 3).

Erst durch die Schriften von Berger und Kellner sollte sich dies ändern, was dann auch zu einem signifikanten Einschnitt in die Paarforschung Deutschlands führen sollte. Berger und Kellner verstanden die Ehe als einen drastischen Prozess, in dem aus zwei fremden Individuen ein neuer eigenständiger Hybrid entsteht. Die beiden getrennten Wirklichkeiten von Mann und Frau verschmelzen und formen eine gemeinsame Welt, die für das Paar von höchster Signifikanz ist (Berger/Kellner 1965: 226). Man kann also sagen, dass durch die Ehe von Mann und Frau eine vollkommen neue Paaridentität entsteht, die die Welt durch ״eigene Augen" wahrnimmt und ihre eigene Wirklichkeit formt. Berger und Kellner setzten für die Soziologie der Zweierbeziehung fest:

״...,die Ehe als einen eigenständigen soziologischen Gegenstandsbereich; es werde zweitens in Anbetracht der Wirklichkeitskonstruktion in Ehen eine genuin soziologische Perspektive auf das Phänomen der Ehe entwickelt; und der Aufsatz weise drittens einen starken Theoriebezug auf, indem er sozialkonstruktivistisch fundiert einen Beitrag zu einer Soziologie der Ehe leiste." (Wimbauer/Motakef 2017: 4)

Diese Erkenntnisse dienten der deutschen Forschung als erhebliche Ideenquelle und sollten weitere Theorien der Paarbeziehung in der Soziologie formen und weiterentwickeln. Beispielsweise liegt heutzutage nicht mehr der Fokus auf verheiraten heterosexuellen Paaren. Auch Paardynamiken von liierten oder homosexuellen Paaren oder werden mittlerweile berücksichtigt. Ein wichtiger Punkt, gerade auch für das Verständnis von Paarbeziehungen und deren Dynamiken ist die Frage nach geteilten Wirklichkeiten. Während Berger und Kellner davon ausgingen, dass ein Ehepaar in seiner Rolle eine gemeinsame Wirklichkeit teilt, entwickelten Ludwig-Mayerhofen, Eckert oder Hahn eine Gegentheorie und zweifelten das Konstrukt der gemeinsamen Wirklichkeit an. Sie hinterfragten, ob es überhaupt möglich sei, dass zwei Individuen eine gemeinsame Wirklichkeit teilen, sollte es nicht eher unzählige davon geben, auf Basis der Blickwinkel von Alter, Ego und dem Forschenden. Die Frage nach einer gemeinsamen Paarwirklichkeit wurde zum Fokus der Paarforschung und ist ein fundamentaler Untersuchungsgegenstand in der qualitativen Paarforschung geworden (Wimbauer/Motakef 2017: 6).

Im Laufe der 2000er Jahre eröffneten die Wissenschaftlicher Hildenbrand und Weiter­Enderlin neue Perspektiven.

Sie setzten die Frage nach partnerschaftlichem Erfolg erstmals in den Forschungsfokus und untersuchten, was Paare dazu bringt lange zusammen zu bleiben. Dabei spielt der Faktor der Resilienz eine entscheidende Rolle, also die Fähigkeit Krisen innerhalb eines Lebenszyklus durch eigene geistige Ressourcen zu meistern und darauf sogar eine Entwicklungschance für die Beziehung zu sehen (Hildenbrand/Welter-Enderlin 2006:13). Während die Erforschung einer geteilten Wirklichkeit innerhalb einer Paarbeziehung bereits Teil des Forschungsgegenstandes eines Paarinterviews ist, wird die Frage nach partnerschaftlichem Erfolg eher in den quantitativen Methoden untersucht.

3.2 ״doing couple" und Paarperformance

Als fundamentale Dimensionen einer Paarbeziehung gelten die soziologischen Konstrukte des ״doing couple" und der Paarperformance. Diese Dimensionen sind es auch die innerhalb eines Paarinterviews Aufschluss über die Paardynamiken und die Partnerschaftsqualität geben können.

Während das ״doing couple" hautsächlich die internen Dynamiken der Paarbeziehung beschreiben, geht es bei der Paarperformance um die Darstellung des Paares nach außen. Im Idealfall befinden sich die Kriterien und Dimensionen des ״doing couple", wie der komplette Umgang des Paares untereinander, in einem Einklang mit der Paarperformance. Es wird also unterschieden zwischen der Paarpraxis und der Darstellung der Paarpraxis im Interview. Dabei bieten Paarinterviews einen interessanten Einblick:

״Es liefert einen Einblick in die beobachtbare konkrete Paarpraxis und in die Darstellung der Praxis im Interview als doing couple, aber auch als doing gender, doing family, doing recognition und doing inequality. Mit dem relationalen Blick auf lndividuen-in Paarbeziehungen lässt sich also das doing sowie die Darstellung des doing in verschiedenen Facetten und damit die Prozesshaftigkeit und Dynamik des Sozialen ausschnitthaft beobachten." (Wimbauer/Motakef 2017:18)

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Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Vor- und Nachteile des Paarinterviews als Erhebungsinstrument partnerschaftlichen Erfolgs
Université
Bielefeld University
Note
2,3
Auteur
Année
2018
Pages
20
N° de catalogue
V445013
ISBN (ebook)
9783668819382
ISBN (Livre)
9783668819399
Langue
allemand
Mots clés
vor-, nachteile, paarinterviews, erhebungsinstrument, erfolgs
Citation du texte
Maria Korosteljow (Auteur), 2018, Vor- und Nachteile des Paarinterviews als Erhebungsinstrument partnerschaftlichen Erfolgs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445013

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