Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Forschungsfrage & Hypothesen
3. Methoden
4. Ergebnisse
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
7.1 Formular zur Datenerhebung
7.2 Codebuch
7.3 Auszug des Spreadsheets
7.4 Auswertungsbogen
1. Einführung
Vom 25. November bis 16. Dezember 2015 hat die Forschungsgruppe Online-Artikel ausgewählter nationaler und internationaler Tageszeitungen zum Klimagipfel 2015 in Paris inhaltsanalytisch ausgewertet. Entwurf des Auswertungsschemas, Datenerhebung sowie Auswertung erfolgte durch die Arbeitsgruppe an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm im Kurs Fachmedienprojekt unter Leitung von Dr. Beatrice Dernbach. Der vorliegende Bericht enthält die Ergebnisse der Inhaltsanalyse.
Die 21. UN-Klimakonferenz in Paris findet vom 30. November bis zum 12. Dezember 2015 statt. Das Zusammentreffen ist gleichzeitig die 11. Sitzung seitdem das Kyoto-Protokoll erstellt wurde. Da dieses 2020 ausläuft, ist es von großer politischer, sowie ökologischer Bedeutung, ein neues Abkommen zu vereinbaren. Untersuchungsgegenstand und Grundgesamtheit sind Beiträge der Onlineausgaben der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der “Washington Post”, des “Wallstreet Journal”, der “Times of India” und “The Hindu”, die zwischen dem 25.11.2015 und 16.12.2015 veröffentlicht wurden. Untersucht werden Unterschiede in der Berichterstattung über die UN-Klimakonferenz aufgrund von verschiedener politischer Positionierung sowie Nationalität der jeweiligen Zeitungen. Medienberichterstattung kann gemeinsame soziale Realität erschaffen, und mit dieser die Akzeptanz der UN-Klimagipfels und der dort getroffenen Entscheidungen in der Bevölkerung nachwirkend beeinflussen.
2. Forschungsfrage & Hypothesen
Die allgemeine Forschungsfrage lautet: “Gibt es Unterschiede in der Berichterstattung in Online-Publikationen über den Klimagipfel im internationalen Vergleich im Zeitraum von fünf Tagen vor und fünf Tagen nach sowie während des Klimagipfels?”. Bei der Länderauswahl wurde darauf geachtet, ein breites Spektrum abzudecken: Es wurden zwei Nationen aus dem Westen und eine Nation aus dem Osten berücksichtigt. Die USA als weltgrößte Industrienation, Deutschland als wirtschaftsstärkste Nation Europas und Indien als aufstrebendes Schwellenland mit hoher CO2-Emission wurden zur Betrachtung herangezogen.
Deutschland sieht sich in Europa sowohl wirtschaftlich als auch in Umweltschutzangelegenheiten als Vorreiter. USA und Indien haftet ein Image als Umweltverschmutzer an. Aufgrund der leichteren Zugänglichkeit haben wir Onlinepublikationen ausgewahlt, da die nationalen Ausgaben der indischen und amerikanischen Zeitungen nur schwer zu beschaffen sind. Eine Vollerhebung ist uns aufgrund mangelnder personeller Ressourcen nicht moglich. Während des Erhebungszeitraumes wurde die größte Anzahl an Artikeln bezüglich der Klimakonferenz erwartet. So sollte ein Höchstmaß an Informationen gewonnen und an Vergleichbarkeit erreicht werden. Artikelauftreten wurde 24 Stunden täglich überprüft, da Onlinemedien ohne Redaktionsschluss publizieren können. Weiterhin wurde die Forschungsfrage in Thesen aufgegliedert, deren Wahrheitsgehalt im Verlauf der Studie überprüft werden soll. Diese Hypothesen lauten:
1. Der kulturelle, historische Hintergrund des Landes spielt eine Rolle für die jeweilige Positionierung.
Es wird davon ausgegangen, dass gesellschaftliche Subsysteme wie Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, jeweils charakterisiert durch die historische Entwicklung der jeweiligen Nation, als Teile einer “Gesamtgesellschaft” diese wechselwirkend beeinflussen und soziale Realitäten mitgestalten. Theoretische Grundlage bietet Luhmanns Interdependenz-Modell. Dabei wird von einer engen Verflechtung und einer gegenseitigen Abhängigkeit (“Komplizenschaft”) aller Systeme ausgegangen. Journalismus als eigenes Subsystem wird von Kultur, Wirtschaft und Politik des jeweiligen Landes in seiner Rolle als synchronisierendes Element wiederum beeinflusst.
a. Je höher das Bruttoinlandsprodukt einer Nation ist, desto mehr wird der Klimaschutzgipfel thematisiert.
Das BIP wird als Indikator für die Stärke der Wirtschaftsmacht einer Nation herangezogen. Die Ausprägung der Wirtschaftsmacht verhält sich parallel zu der Ausbildung/Größe eines industriellen Sektors als Wachstumsfaktor dieser Wirtschaftsmacht und Antreiber für CO2-Emissionen.
b. Je höher der CO2-Ausstoß pro Kopf ist, desto weniger wird der Klimaschutzgipfel thematisiert.
2. Die politische Ausrichtung hat Einfluss auf die Berichterstattung der Zeitung
Es wird davon ausgegangen, dass die politische Orientierung einer Redaktion das Setzen von Themen in ihrer Ausführlichkeit und Intensität beeinflusst. Politische Ausrichtung kann die vorherrschende Subjektivität der Realitätskonstruktion verstärken und/oder durch bekanntes oder erwartbares Agenda-Setting beobachtbar machen.
a. Die als linksliberal eingeordneten Zeitungen zitieren andere Experten als die konservativen.
Es wird davon ausgegangen, dass die politische Ausrichtung Einfluss auf die Beziehungen und Kontaktpflege zu bestimmten Experten hat und diese daher aus unterschiedlichen Branchen oder Positionen stammen.
b. Die jeweiligen linksliberalen Zeitung berichtet häufiger über den Klimagipfel als konservative.
Die Thematik Umweltschutz ist historisch und gegenwärtig verwurzelt mit links-/liberal-orientierten politischen Strömungen, weswegen die Intensität der Berichterstattung bei dieser Ausrichtung ausgeprägter sein könnte.
c. Linksliberale heben häufiger soziale und ökologische Aspekte hervor, während konservative eher ökonomische Aspekte hervorheben.
3. Die Berichterstattung nimmt vor dem Gipfel zu und nach dem Gipfel ab.
Das erwartete Interesse des Ereignisses wird vor und während des Eintretens am höchsten eingeschätzt. Nach Beendigung des Ereignisses Klimagipfel wird ein deutlicher Interessenverlust und damit weniger Veröffentlichungen erwartet. Berichterstattung richtet sich nach der Ressource Aufmerksamkeit des Rezipienten.
Die Zeitungen wurden aufgrund ihrer Überregionalitat, Aussagenstärke und verschiedener politischer Ausrichtung (linksliberal oder konservativ) ausgewahlt. Bei den indischen Tageszeitungen wurden aufgrund der Sprachbarriere englische Publikationen ausgewählt. Besonderes Augenmerk wurde auf einen Charakter der Zeitung als Meinungsführer gelegt, weshalb aussagenstarke Boulevardzeitungen von der Erhebung ausgeschlossen sind.
Süddeutsche Zeitung (SZ)
Überregionale, deutsche Tageszeitung, Leitmedium Nr. 1 laut einer Umfrage 2005 mit einer regelmäßigen Auflage von 372.211 Exemplaren. Nimmt eine linksliberale Positionierung ein und hat eine Online-Vollredaktion.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z)
Überregionale, deutsche Tageszeitung mit einer Auflage von 264.628 Exemplaren, damit höchste Auslandsauflage deutscher Zeitungen. Nimmt eine konservative Positionierung ein und hat eine Online-Vollredaktion.
The Hindu
Überregionale, drittgrößte englischsprachige Tageszeitung mit einer Auflage von 1.5 Mio. Exemplaren. Gilt als seriöse Zeitung mit linker Ausrichtung. So war der ehemalige Geschäftsführer und Chefredakteur Narasimahn Ram offener Sympathisant der kommunistischen Partei CMP. Die Zeitung selbst gibt offen an linksliberale Ansichten zu vertreten.
The Times of India (Toi)
Absatzstärkste englischsprache Zeitung mit geschätzt 7,6 Millionen Rezipienten. Zeitung mit der drittgrößten Auflagenreichweite in Indien. Familiengeführter Verlag mit konservativer und nationalistischer Ausrichtung.
Washington Post
Die Washington Post erhielt als eine der renommiertesten Zeitungen der Vereinigten Staaten in ihrer Geschichte eine Vielzahl an Preisen. Sie hat die siebthöchste Druckauflage aller amerikanischen Zeitungen und aufgrund ihrer journalistischen Tradition einen Ruf als Meinungsführer-Medium inne. Sie gilt weithin als linksliberal.
Wall Street Journal (WSJ)
Das Wall Street Journal ist die auflagenstärkste überregionale Zeitung der vereinigten Staaten und sie gilt als Pflichtblatt an den US-Börsen. Mit einer durchschnittlichen Auflage von 2,1 Mio. (inklusive Online-Publikationen) gilt sie ebenfalls als Meinungsführer-Medium. Ihre Ausrichtung ist konservativ und wirtschaftsliberal. Ihr Sitz ist in New York City und ihr Besitzer ist die News Cooperation.
3. Methoden
Anstelle von Stichproben wurde eine Vollerhebung durchgeführt, um den Umfang der zu gewinnenden Informationen zu maximieren. Ab Anfang des Erhebungszeitraumes am 25. November 2015 wurde somit jeder Artikel in die Auswahl der zu erhebenden Einheiten einbezogen, in welchem Klimagipfel als Begriff (in der jeweiligen Sprache, somit “climate summit” für englischsprachige Publikationen) erwähnt wurde. Für diese Auswahl wurden Google-Such-Algorithmen sowie das Werkzeug Google Alerts verwendet um konsistente Auswahlkriterien für alle Mitglieder der Forschungsgruppe zu ermöglichen.
Aus der Auswahl der zu erhebenden Einheiten wurden jene Artikel schließlich ausgeschlossen, die in Ressorts veröffentlicht wurden, welche Glosse oder Kommentar gleich sind oder stark ähneln (Bsp.: “Opinion”, Times of India). Die in genannten Ressorts übliche Subjektivität spiegelt die Einzelmeinung des Autoren wider, nicht jedoch die Linie der Redaktion oder Zeitung als Ganzes, wie sie in dieser Studie untersucht werden soll.
Ebenso ausgeschlossen wurden Artikel, die den Klimagipfel lediglich beiläufig als “Aufhänger” erwähnen, sich inhaltlich aber vorrangig (über 50 Prozent der Artikellänge) mit einer anderen Thematik auseinandersetzen. Erhoben wurden pro Artikel jeweils Daten in folgenden Kategorien:
- publizierende Zeitung
Um nationale, sowie politische Zuordnung zu ermöglichen
- Datum der Veröffentlichung
Zur Unterscheidung der Auftretenshäufigkeit der Artikel im Zeitraum vor, während und nach der UN-Klimakonferenz
- Länge des Artikels mit Leerzeichen
Als Indikator für These 2. und 3.
- Ressortzugehörigkeit
- vorherrschender Aspekt (thematischer Fokus)
- Genre des Textes
- Erwähnung von Risiken oder Chancen, die sich durch den Klimagipfel in
verschiedenen Bereichen ergeben
- Name und Einordnung auftretender/ zitierter Experten
Die Datenerhebung wurde mit Hilfe eines Formulars auf Google Forms durchgeführt um ein konsistentes Kategorierensystem sowie Intercoder-Reliabilität zu gewährleisten und die Auswertung mit Hilfe von verschiedenen Werkzeugen zu vereinfachen. Die Operationalisierung der Indikatoren in das Messinstrument ist weiterhin im Codebuch beschrieben. Nach einem Pretest wurde das Formular hinsichtlich seiner Kategorien eingeschränkt, beziehungsweise erweitert.
4. Ergebnisse
In den ausgewählten Medien wurden innerhalb des Erhebungszeitraumes insgesamt 277 relevante Artikel veröffentlicht und ausgewertet. 44,1% der Artikel wurden in deutschen Tageszeitungen veröffentlicht, 46,9% in indischen und lediglich etwa 9% (entspricht 25 Artikeln) in den ausgesuchten US-amerikanischen Tageszeitungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die meisten Artikel mit insgesamt 80 veröffentlichten Artikeln (28,8% gesamt) im Erhebungszeitraum sind der süddeutschen Zeitung zu zuschreiben; dicht gefolgt von The Hindu mit 76 Artikeln. Der Wallstreet Journal hat unter den beobachteten Zeitungen mit 8 Artikeln am wenigsten über den Klimagipfel berichtet. Die durchschnittliche Anzahl veröffentlichter Artikel über einen gewissen Zeitraum variiert jedoch themenunabhängig von Zeitung zu Zeitung. Durchschnittlich wurden 46 Artikel pro Zeitung veröffentlicht.
Die Länge eines Artikels betrug im Durchschnitt 3520 Zeichen inklusive Leerzeichen.
These 1a
Laut aktueller Zahlen des IMF (International Monetary Fund) weisen die USA mit 16,78 Millionen Dollar das höchste Bruttoinlandsprodukt unter den untersuchten Nationen auf. Deutschland belegt in dieser Rangliste mit 3,73 Millionen Dollar den 2. Platz, gefolgt von Indien mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 1,87 Millionen Dollar.
Für die Überprüfung der These werden Artikellänge, sowie Artikelanzahl als Indikatoren genutzt. Beide Indikatoren besitzen die Maxima, sowie Minima ihrer Werte in jeweils der selben Nation. Mit insgesamt etwa 378.400 Zeichen wurde der Klimagipfel in 130 Artikeln in indischen Tageszeitungen behandelt. Im internationalen Vergleich war die Berichterstattung und Thematisierung des Gipfels dort somit am intensivsten. In den deutschen Tageszeitungen FAZ, sowie SZ wurde das Ereignis in 122 Artikeln mit 248.200 Zeichen innerhalb des Untersuchungszeitraumes thematisiert. Die amerikanischen Zeitungen veröffentlichten lediglich 26 Artikel mit einer Gesamtzeichenanzahl von etwa 102.590. Somit wurde der Klimagipfel entgegen der zu erforschenden These in dem Land mit niedrigstem BIP (Indien) am stärksten thematisiert und in der Nation mit dem höchsten BIP (USA) am wenigsten. Das laut These zu erwartende Maß an Thematisierung trat in umgekehrter Ordnung auf.
These 1b
In folgender These wird die Ordnung der Nationen durch den landesweiten CO2-Ausstoß pro Kopf bestimmt. Mit etwa 16,41 Tonnen bilden die USA, den Vorreiter. Deutschland steht mit 9,51 Tonnen pro Kopf an zweiter Stelle. Der pro-Kopf Ausstoß von CO2 ist in Indien mit 1,92 Tonnen am niedrigsten.
Zur Thesen-Überprüfung herangezogene Daten bilden auch hier Artikellänge sowie -anzahl. Aus der in 1b) resultierenden Ordnung ergibt sich eine Bestätigung der These. Die USA mit vergleichsweise höchstem CO2-Ausstoß pro Kopf thematisierte den Klimaschutzgipfel am wenigsten, indische Publikationen am meisten. Die aus der These zu erwartende Ordnung der Berichterstattungs-Quantität nach Nation ist eingetreten.
Die Differenz des Maßes an Berichterstattung nach Nation in 1a) und 1b) könnte jedoch durch schwankende, themenunabhängige Artikelquantität und -häufigkeit der jeweiligen Zeitungen gegeben sein. Der Ausgleich der allgemeinen Veröffentlichungs-Häufigkeit und -Menge war nicht Teil der Studie.