Der Beginn der Entwicklung der literarischen Fiktionalität im klassischen Artusroman des 12. Jahrhunderts


Term Paper, 2004

15 Pages, Grade: 2,3


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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Literaturtheoretische Betrachtungen der literarischen Fiktionalität in der Antike
1.1 Die aristotelische Poetik
1.2 Die Integumentum-Lehre

2 Der Diskurs um die Erscheinung einer neuen Form von literarischer Fiktionalität im 12 Jahrhundert
2.1 Walter Haugs Positionen zum neuen poetologischen Konzept der Fiktionalität im mittelalterlichen Artusroman
2.2 Gegenpositionen

Literaturverzeichnis

Einleitung

Fiktionalität ist in unserem heutigen Bewusstsein fest verankert, wir besitzen sozusagen eine Kompetenz literarische Werke oder Filme als fiktional zu verstehen. Wird Fiktionalität nun bezüglich der Semantik des Begriffes und dessen Entstehung hinterfragt, stößt man auf eine Vielzahl von philosophischen und literaturwissenschaftlichen Arbeiten, welche versuchen dieses durchaus nicht unproblematische Phänomen der Fiktionalität zu erhellen.

Seinen etymologischen Ursprung hat der Begriff im lateinischen Verb fingere, welches bilden, formen, ersinnen bzw. erdichten bedeutet, weiterhin in dem Substantiv fictum; das mit Erdichtung, Trug sowie mit Lüge übersetzt wird.

Fiktionalität könnte somit über seinen fehlenden Wirklichkeitsbezug definiert werden, jedoch bringt eine solche Betrachtungsweise Probleme mit sich. Zunächst wird ein oppositionelles Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit deutlich, wobei letztere über die Widerspiegelung der Realität charakterisiert wird. Die gängige Definition bestimmt diese Opposition zum Faktischen. Wenn aber das eine dem Bereich der Realität unterliegt, muss das andere irreal sein. Von dem konstruktivistischen Ansatz abgesehen, dass Realität wie sie ist nicht erfassbar für den menschlichen Geist sein kann, stellt sich dennoch die Frage, wie etwas existieren kann, das keinen Wirklichkeitsbezug hat. Daraus ergibt sich, neben dem stummen Wissen1 um Einigung bezüglich der kategorialen Semantik der Begriffe, dass Fiktion immer an die Wirklichkeit gebunden ist, allein schon durch ihre gedanklichen Konstrukte, die von Realem inspiriert sind, und durch Kommunikationsinstrumente wie die Sprache. Dies führt zu der Erkenntnis, dass Fiktion und Faktisches in einem sich bedingenden Mischungsverhältnis stehen und somit schwerlich in wahr oder falsch oppositionell getrennt werden können. 2

In der Literaturwissenschaft wird die Fiktion zunächst als charakterisierendes Element oder Stilmittel literarischer Werke angesehen, dessen konstruiertes Geschehen dargestellt wird, als ob es wirklich sei und ist doch Erfundenes, die Wirklichkeit widerspiegelnd oder interpretierend und somit an sie gebunden.

Doch war das Wissen um und Umgehen mit der Fiktionalität nicht seit jeher Teil unseres kulturellen Bewusstseins, und es sollte somit nach ihrer Entstehung und Entwicklung gefragt werden. Da die ersten schriftlich fixierten Werke in unserem Kulturkreis der Antike entstammen, bietet es sich an, in dieser Arbeit zunächst die antiken Literaturtheorien

bezüglich der Fiktionalität zu untersuchen, um danach die des, sofern welche vorhanden, Mittelalters zu betrachten, da das antike geistige Gut Teil der Gelehrtenausbildung dieser Zeit war und im Grunde der gesamte mittelalterliche Diskurs um Fiktionalität auf der antiken Rhetorik und beruhte. 1 Somit folgt eine Darstellung des literaturwissenschaftlichen Diskurses im Bereich der Mediävistik, welcher von Walter Haug mit seinen umstrittenen Thesen bezüglich der Entstehung einer neuen Fiktionalität im 12. Jahrhundert angeführt wird. Danach werden andere Theorien im Hinblick auf die Fiktionalität des höfischen Romans angesprochen, welche zugleich Gegenpositionen zu Haug bilden.

1 Literaturtheoretische Betrachtungen der literarischen Fiktionalität in der Antike

1.1 Die aristotelische Poetik

Bei der Beschäftigung mit den Literaturtheorien der Antike stößt man unweigerlich auf die leider unvollständig überlieferte aristotelische Poetik. Aristoteles war Schüler Platons und bemühte sich, die zu seiner Zeit noch nicht niedergeschriebenen Details der Dichtkunst in ein geschlossenes System mit genauen Gliederungen und Definitionen zu überführen. Platon selbst hatte keine systematische Lehre zur Dichtung geschaffen, aber vereinzelte Ausführungen in einigen Dialogen verfasst, die somit eine wichtige Basis für die Poetik bildeten. Überdies waren hauptsächlich drei Themen in der älteren Tradition grundlegend. An erster Stelle pflegte man über das Wesen und die Quellen der dichterischen Erfindung nachzudenken. Zweitens wurde der Wirklichkeitsbezug in der Dichtung problematisiert und genauen Analysen unterzogen. Die Vordenker Sokrates und die Sophisten diskutierten das Verhalten der Dichtung zur Natur und zur Wahrheit, um somit eine Allgemeingültigkeit daraus abzuleiten. Drittens standen die Wirkungen und die Wirkungszwecke im Interesse der Untersuchung. Unter allen Positionen, die vor der Poetik die Grundlage der Dichtung bildeten, war Platons Auffassung, dass die Dichtung die Wirklichkeit nachahme, der wichtigste Gedanke und Ansatzpunkt für Aristoteles literaturtheoretische Betrachtungen. Er übernahm den platonschen Begriff der Mimesis, reduzierte ihn allerdings auf eine spezielle Eigenschaft künstlerischen Schaffens. 2

Die Dichtkunst in ihrer Erscheinung wird durch ineinandergeschachtelte Beschreibungen und Definitionen in der antiken Schrift manifestiert und empirisch begründet dargestellt. Die 26 Kapitel umfassen drei Teile. Neben einer allgemeinen Abhandlung werden die Gattungen

Tragödie und Epos ausgearbeitet. Teile der Analyse einer weiteren Gattung, die der Komödie, gingen verloren. Im neunten Kapitel erörtert der Philosoph den Wirklichkeitsbezug der Handlung einer Tragödie. Gleich zu Beginn schreibt er:

„Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass es nicht Aufgabe des Dichters ist

mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen

könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit

Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich

nicht dadurch voneinander, dass sich der eine in Versen und der andere in Prosa

mitteilt – (...) – ; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich

Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. Daher ist die Dichtung

etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; (...).“

(Fuhrmann 2002, S.29)

Aristoteles begreift die Dichtung als Nachahmung der Wirklichkeit und betont in diesem Zusammenhang, dass die Aufgabe eines guten Dichter ist, nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und des Möglichen nachzuahmen, dabei tunlichst keine Fehler zu machen und sich vor unvollkommener Imitation zu schützen. Die Dichtung ist also ein Spiegel der Wirklichkeit und umso genauer diese dargestellt wird, desto höher ist die Dichtkunst zu bewerten. Dadurch unterscheidet sie sich auch von der Geschichtsschreibung, deren Aufgabe ist, das Wirkliche darzustellen, und ist ihr sogar noch überlegen, da die Dichtung eine philosophischere Wahrheit für sich beansprucht.

Das Modellhafte der Dichtung wird hier hervorgehoben, denn nur so ist es für das Publikum möglich, das Geschehen auf die Wirklichkeit zu beziehen und daraus zu lernen. Solch eine affektische Wirkung ist also das eigentliche Ziel der Dichtung. 1

Haug deklariert nun, dass sich die mittelalterliche Fiktionalität in ihrer Ähnlichkeit zur antiken dennoch unterscheidet. Auf diesen Unterschied wird im zweiten Teil der Arbeit eingegangen.

1.2. Die Integumentum-Lehre

Der Begriff bedeutet zunächst Hülle bzw. Einkleidung. Demnach handelt es sich in der Literaturtheorie, auf Cicero zurückgehend, um eine verhüllende Redeweise, eine erdachte, also fiktive Geschichte, welche einen wahren Sinn bzw. eine moralische Wahrheit verhüllt, das heißt, philosophische Konzepte werden in bildhaft verhüllter Form dargestellt. 2 Bernadus Silvestris definiert in seinem Aeneas-Kommentar den integumentum-Begriff in Bezug auf Macrobius als einen eingeschlossenen wahren Sinn in einer erfundenen Erzählung.

[...]


1 Vgl. auch: Iser, S.18/19.

2 Vgl. auch: Haug: Geschichte, Fiktion und Wahrheit. In: Knapp, Niesner (Hg.), S.121ff.

1 Vgl. hierzu: Haug, S. 7/8.

2 Vgl. hierzu: Fuhrmann, S.145-173.

1 Vgl. hierzu: Fuhrmann, S.171.

2 Vgl. hierzu: Grünkorn, S.50.

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Der Beginn der Entwicklung der literarischen Fiktionalität im klassischen Artusroman des 12. Jahrhunderts
College
Martin Luther University
Grade
2,3
Author
Year
2004
Pages
15
Catalog Number
V44659
ISBN (eBook)
9783638422130
ISBN (Book)
9783638763479
File size
468 KB
Language
German
Keywords
Beginn, Entwicklung, Fiktionalität, Artusroman, Jahrhunderts
Quote paper
Diana Riege (Author), 2004, Der Beginn der Entwicklung der literarischen Fiktionalität im klassischen Artusroman des 12. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44659

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