Die frühen Christen und ihr Verhältnis zum römischen Staat


Intermediate Examination Paper, 2003

33 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!“ — Das Verhältnis des frUhen Christentums zum Staat aus der Sicht christlicher Autoren

2 „Sie sollen nach ihrer Vater Sitte leben“ — Juden in Rom und im römischen Reich

3 „odium humani generis“ — Die neronische Christenverfolgung

4 „superstitio immodica“ — Der Briefwechsel zwischen Plinius dem Jungeren und Kaiser Trajan

5 Zusammenfassung

6 Bibliographie
6.1 Quellen
6.2 Sekundärliteratur
6.3 Lexika und Wärterbächer

Einleitung

„Die Sonne war inzwischen hoch gestiegen; ihre Strahlen drangen blutrot durch das pur­purfarbene Velarium. Der Sand schien feurig; etwas Schreckliches lag auf den Gesichtern der Menge und auf der leeren Arena, die nun bald mit dem Schmerzensgeschrei der Ge­marterten und dem wilden Geheul der Bestien erfüllt werden sollte. Tod und Schrecken schienen in der Luft zu brüten. Die Menge, sonst frühlich und ausgelassen, wurde finster und haßerfullt. Der Prüfekt winkte. Der nümliche, als Charon gekleidete Mann, der die Gladiatoren zum Tode gerufen hatte, schritt jetzt gemessen über den Sand und schlug dreimal an die Pforte. Ein tiefes Murmeln durchflog die Sitzreihen. ,Die Christen! Die Christen!“[11]

Der Roman Quo vadis, für den Heinrich Sienkiewicz 1905 den Nobelpreis erhielt, zeichnet ein düsteres, endzeitliches Portrait der Zustände im neronianischen Rom: Vor dem Hintergrund von moralischem Verfall, Dekadenz, Aberglaube und Hysterie geraten die Anhünger der neuen christlichen Religion in ein Komplott des wahnsinnigen Kaisers Nero, der sie zum Sündenbock für den Brand der Hauptstadt bestimmt, verfolgen, foltern und anschließend publikumswirk­sam hinrichten laßt. Über diese erste rümische Verfolgung von Christen, die bis dahin relativ unscheinbar und sicher im Schatten des staatlich geduldeten und mit gewissen Privilegien ausgestatteten Judentums gelebt hatten, berichtet als erste Quelle mit einem gehürigen zeit­lichen Abstand Tacitus in seinen Annales.[1] [2] Er vermittelt uns, abgesehen von teilweise recht fragwürdigen historischen Fakten, vor allem einen Eindruck davon, wie ein gebildeter Rümer seiner Zeit die Anhaünger dieser neuen Sekte sah, und mit welchem Argwohn und welchen Vorurteilen die heidnische Bevülkerung ihnen gegenüber stand. Ünd wenn es auch bis in das dritte nachchristliche Jahrhundert keine reichsweite Verfolgung der christlichen Religion gab, so war doch auch das Verhalten des roümischen Staates gegenuüber den Christen, wenn sie denn miteinander in Berührung kamen, durch Mißtrauen, Ünwissen, Unverstandnis oder Verach­tung geprügt. Dies lag nicht zuletzt an der abgeschotteten Lebensweise der frühen Christen; fehlende Informationen sowie an ihre Stelle tretende Gerüchte machten sie vollends zu Au­ßenseitern der Gesellschaft, auch wenn sie selber, wie u. a. ein Blick in die Briefe des Apostels Paulus zeigen wird, sich durchaus zum römischen Staat als von Gott gewollter Institution bekannten und für dessen Erhaltung beteten. Als Quellen für das Verhalten des römischen Staates bzw. einzelner Vertreter der rüomischen Institutionen waührend der ersten beiden nach­christlichen Jahrhunderte gegenuüber den Anhaüngern der christlichen Religion dienen neben dem Passus aus den Annales des Tacitus vor allem der Brief des juüngeren Plinius, den dieser als legatus pro praetore[3] aus der Provinz Pontus et Bithynia an den Kaiser Trajan schrieb sowie dessen Reskript. Die Relevanz dieser Briefe kann eigentlich nicht überschätzt werden, da sie als dienstliche, d.h. offizielle, Korrespondenz für die Nachfolger bindenden Charakter in Bezug auf die in ihnen verabredeten Maßnahmen hatten. Die Vorgehensweise des Plini- us, die dieser in Abstimmung mit dem Kaiser festlegte, wurde also, wie noch zu zeigen sein wird, zum Präzedenzfall. Im Zuge dieser Arbeit soll zunachst auf der Grundlage neutesta­mentarischer und apologetischer Quellen die Haltung führender christlicher Persönlichkeiten beispielhaft skizziert werden. Extremisten, die diese, vorweggenommen gesagt durchgehend gemäßigte bzw. positive Einstellung gegenüber dem römischen Staat nicht vertraten, gab es natürlich auch; sie werden hier aber keine grüßere Beachtung finden. Im Anschluß gilt es, die Stellung der Juden im römischen Staat genauer zu untersuchen, da die christiani lange Zeit als jüdische Sekte angesehen wurden; wahrscheinlich sorgten sie mit ihrer Botschaft für einigen Aufruhr in den jüdischen Gemeinden und stürten damit das auch Verhaltnis der eingesessenen juüdischen Gemeinschaften zu den üortlichen Vertretern des Staates. In diesem Zusammenhang wird das sogenannte Judenedikt des Kaisers Claudius von Interesse sein. Mit dem Bericht des Tacitus über die neronische Verfolgung gerät das Christentum erstmals als eigenstandige religiüse Bewegung in den Fokus der (paganen) Geschichtsschreibung. Tacitus vernichtendes Urteil über die Anhünger dieser neuen Religion darf, wie ein Vergleich mit seinem Kolle­gen Sueton (De vita caesarum, Vita neronis, 16,2) zeigt, als beispielhaft für einen Vertreter der gehobenen Bildungsschicht der rüomischen Gesellschaft gelten. Die bei ihnen gesammelten Vorurteile, Halbwahrheiten und kategorische Ablehnung sind auch bei Plinius dem Juüngeren wirksam, und er versuchte im Rahmen seiner Untersuchungen, diesen Anschuldigungen und Gerüchten auf den Grund zu gehen.

1 „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!“ — Das Verhältnis des frühen Christentums zum Staat aus der Sicht christlicher Autoren

Die christliche Literatur der ersten drei Jahrhunderte ist reich an Schriften, die sich intensiv mit dem Verhaltnis der Christen zum römischen Staat auseinandersetzen.[4] Im wesentlichen koünnen vier Positionen unterschieden werden. Von einer starken Parusieerwartung zeugt jene Haltung, die der Martyrer Speratus auf die Formel „Ego imperium huius saeculi non cognosco“ brachte.[5] Diese Vorstellung vom Christen als Fremden in der irdischen Welt wurzelt u. a. im 1. Petrusbrief, wo es heißt:

1 Petr 1,17 „Et si patrem invocatis eum, qui sine acceptione personarum iudicat secundum uniuscuisque opus, in timore incolatus vestri tempore conversamini.“[6]

1 Petr 2,11f „Charissimi, obsecro, vos tanquam advenas et peregrinos abstinere vos a car- nalibus desideriis, quae militant adversus animam, conversationem vestram inter gentes habentes bonam: ut in eoquod detrectant de vobis tanquam de malefactoribus, ex bonis operibus vos considerantes, glorificent Deum in die visitationis.“[7]

Eng verwandt ist auch der Topos des Christen als Himmelsbürger, wie ihn Clemens von Alexandrien verwendet.[8] Demzufolge ist der Christ nur Gast auf dieser Erde, seine eigentliche Heimat ist das Himmelreich. Eine ühnliche Ansicht vertritt auch Cyprian von Karthago in seiner Schrift De Mortalitate:

Considerandum est, fratres dilectissimi, et identidem cogitandum renuntiasse nos mundo, et tamquam hospites et peregrinos istic interim degere. Amplectamur diem qui assignat singulos domicilio suo, qui nos istinc ereptos et laqueis saecularibus exsolutos paradiso restituit et regno. Quis non peregre constitutus properaret in patriam regredì? quis non, ad suos navigare festinans, ventum prosperum cupidius optaret, ut velociter charos liceret amplecti? Patriam nostram paradisum computamus: [...].“[9]

Tertullian betrachtet die irdische Existenz gar als Dasein im Kerker, in dem der Christ bis zum Tod, in dem er mit Gott einswerden wird, gefangen ist.

Ad martyres ,,Si enim recogitemus ipsum magis mundum carcerem esse, exisse vos e car­cere, quam in carcerem introisse, intellegemus. Maiores tenebras habet mundus, quae hominum praecordia excaecant. Graviores catenas induit mundus, quae ipsas animas ho- minum constringunt. Peiores immunditias exspirat mundus, libidines hominum. Plures postremo mundus reos continet, scilicet universum hominum genus. Iudicia denique non proconsulis, sed Dei sustinet. [...] Christianus etiam extra carcerem saeculo renuntiavit, in carcere autem etiam carceri.“[10]

Über diese Ausrichtung des menschlichen Lebens auf eine jenseitige Welt und der damit zwangsläufig verbundenen negativen Bewertung des Irdischen insgesamt hinaus geht die Hal­tung des Autors der Johannes-Apokalypse; hier wird die staatliche Macht dämonisiert und in direkten Konnex mit den bäsen Mächten des Satans gebracht.

Off 13, 1-8 „Et vidi de mari bestiam ascendentem habentem capita septem, et cornua decem, et super cornua eius decem diademata et super capita eius nomina blasphemiae.

Et bestia, quam vidi, similis erat pardo, et pedes eius sicut pedes ursi, et os eius sicut os leonis. Et dedit illi draco virtutem suam, et potestatem magnam. Et vidi unum de capitibus suis quasi occisum in mortem: et plaga mortis eius curata est. Et admirata est universa terra post bestiam. Et adoraverunt draconem, qui dedit potestatem bestiae: et adoraverunt bestiam, dicentes: Quis similis bestiae? et quis poterit pugnare cum ea? Et datum est ei os loquentes magna et blasphemias: et data est ei potestas facere menses quadraginta duos. Et aperuit os suum in blasphemias ad Deum, blasphemare nomen eius, et tabernaculum eius, et eos qui in caelo habitant. Et est datum illi bellum facere cum sanctis, et vincere eos. Et data est illi potestas in omnem tribum, et populum, et linguam, et gentem, et adoraverunt eam omnes, qui inhabitant terram: quorum non sunt scripta nomina in libro vitae Agni, qui occisus est ab origine mundi.“[11]

Der Christ steht in diesem Fall in bewußter Abkehr vom Staat. In dieselbe Richtung zielt auch die Argumentation des Hippolytus in seiner Auslegung des Buches Daniel (Dan. 4,5). Er identifiziert den roämischen Staat mit der vierten der dort erwaähnten Bestien.

Diesen radikalen Stimmen hält der Apostel Paulus seine Einschätzung des Christen als Bärger eines von Gott eingesetzten Staates entgegen, dessen obersten Vertreter, dem römi­schen Kaiser, jedermann Gehorsam und Loyalität schuldig ist.

Rä 13,1-7 „Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit: non est enim potestas nisi a Deo: quae autem sunt, a Deo ordinatae sunt. Itaque qui resistit potestati, Dei ordinationi resistit. Qui autem resistunt, ipsi sibi damnationem acquirunt: nam principes non sunt timori boni operis, sed mali. Vis autem non timore potestatem? Bonum fac: et habebis laudem es illa: Dei enim minister est tibi in bonum. Si autem malum feceris, time: non enim sine causa gladium portat. Dei enim minister est: vindex in iram ei qui malum agit.

Ideo necessitate subdit estote non solum propter iram, sed etiam propter conscientiam.

Ideo enim et tributa praestatis: ministri enim Dei sunt in hoc ipsum servientes. Reddite ergo omnibus debita: cui tributum, tributum: cui vectigal, vectigal: cui timorem, timorem: cui honorem, honorem.“[12]

Im ersten Brief an Timotheus fordert der Verfasser die Gläubigen zu Fürbittgebeten zugun­sten der Herrschenden auf, natürlich zum Frommen der christlichen Gemeinden.

1 Tim 2, 1f „Obsecro igitur primum omnium fieri obsecrationes, orationes, postulationes, gratiarum actiones pro omnibus hominibus: pro regibus, et omnibus qui in sublimitate sunt, ut quietam et tranquillam vitam agamus in omni pietate, et castitate.“[13]

Mit dieser gemaßigten Position steht er in der direkten Nachfolge des Herrenwortes, welches die drei synoptischen Evangelien überliefern, in welchem Jesus fordert:

Mt 22,21 „Tunc ait illis: Reddite ergo quae sunt Caesaris, Caesari: et quae sunt Dei, Deo“[14]

Der frühe Christ sah sich also mit verschiedenen Weltanschauungen konfrontiert, die es irgend­wie in Einklang zu bringen galt; er bewegte sich bestandig zwischen Abkehr und Hinwendung zu Staat und Gesellschaft. Dieses ambivalente Verhaltnis faßte der unbekannte Verfasser eines Briefes an den Nichtchristen Diognet um 200 n. Chr. in die Worte:

„In Kleidung, Nahrung und in allem, was sonst zum Leben gehärt, schließen sie sich dem jeweils Üblichen an. Und doch haben sie ein erstaunliches und anerkannt wunderbares Gemeinschaftsleben. Sie leben zwar an ihrem jeweiligen Heimatort, doch wie Fremde. [...]

Sie halten sich auf Erden auf, doch leben sie als Bürger des Himmels.“[15]

Der Christ sah sich zugleich als Bürger des rümischen Reiches und als Untertan des himmli­schen Herrschers und mußte versuchen, beiden Herren - Kaiser und Gott - gerecht zu werden. Gleichwohl bedeutete das Leben nach den christlichen Grundsatzen immer eine immanente Kritik an den bestehenden Verhaültnissen und somit eine Abkehr. Besonders deutlich wird dies in jenen Lebensbereichen, in denen sich der Christ mit heidnischen Kulthandlungen konfrontiert sah; da diese in allen Belangen des Alltags praktisch gegenwärtig waren, sind die Äußerungen der christlichen Autoren zu diesem Thema entsprechend zahlreich.[16] Hier kollidierten nun christliche Religionsausäbung und die kultischen Praktiken der heidnischen Umwelt mit voller Kraft, denn dem Götzendienst konnte der Christ nur kompromißlos ableh­nend gegenäberstehen. Normalerweise praktizierte der rämische Staat bzw. seine Vertreter im wesentlichen eine sehr liberale Religionspolitik: So lange die offentliche Ruhe nicht gestärt und die Sicherheit des Staates nicht gefahrdet wurden, blieb Religionsausäbung Privatsache, in die sich der Staat nicht einmischte.[17] Wenn der Staat intervenierte, so geschah dies meist aus politischen Gränden,[18] wie im Fall des senatus consultum de Bacchanalibus des Jahres 186 v. Chr.[19] und zur Erhaltung der äffentlichen Ruhe, wie im Fall des claudischen Judenediktes. Gleichwohl kann von staatlicher Seite her eine gewisse Reserviertheit gegenäber den My­sterienkulten, die sich nichtsdestoweniger teilweise großer Beliebtheit erfreuten, konstatiert werden.

Ein Politikum stellte der Kaiserkult dar, „der im römischen Imperium als Loyalitatsbe- kundung fär den Kaiser aufgefaßt“ wurde.[20] Die politische Gemeinschaft war zugleich auch eine kultische, die Trennung von Religion und Politik eine Vorstellung, die der räomischen Gesellschaft fremd war.[21] Vor allem die Teilnahme an den Kaiserfesten galt als Verpflichtung fär jeden Stadtbewohner bzw. im Falle der reichsweiten Opferaufforderungen aller Reichs­bewohner; die Untertanen waren dazu angehalten, ihre Häuser zu schmäcken, gemeinsame Opfer und Festmahler abzuhalten. Deutliche Kritik an diesen zutiefst heidnischen Zeichen und Praktiken äbte Tertullian, der zu diesem Thema eigens eine Schrift, „De idololatria“, verfaßte.[22] Diese ablehnende Haltung gegenäber der Kultform sollte jedoch keineswegs eine Opposition zu Kaiser und Staat implizieren:

De idololatria 15,8 „Igitur quod attineat ad honores regum uel imperatorum, satis prae- scriptum habemus, in omni obsequio esse nos oportere secundum apostoli praeceptum subditos magistratibus et principibus et potestatibus, sed intra limites disciplinae, quous- que ab idololatria separamur.“[23]

Die kategorische Verweigerungshaltung der Christen dem Kult gegenüber konnte von Sei­ten der römischen Obrigkeit als Widerstand gegen den Staat, reprüsentiert durch den Kaiser, (fehl)interpretiert werden, auch wenn dies natürlich aus christlicher Sicht nicht intendiert war: Sie lehnte vielmehr die Art und Weise der Verehrung, bei der Gottheit und Herrscher ver­schmolzen, ab, nicht aber den rümischen Staat, verkürpert durch den Kaiser.[24] Vom Bemühen der christlichen Autoren, dieses Mißverstandnis zu beseitigen, zeugen auch die Schriften der Apologeten. An die Stelle des paganen Kaiseropfers setzen sie das Kaisergebet, in welchem sich offizielle Staatsterminologie und christliche Gebetsform zu einer Loyalitütsbekundung verbinden, in der alle wichtigen rümischen Wertbegriffe gesammelt sind:

1. Clemensbrief 61, 1-2 „Du, Herr, hast ihnen die Regierungsgewalt gegeben durch deiner erhabene und unbeschreibliche Macht, damit wir die ihnen von dir gegebene Herrlichkeit und Ehre erkennen und uns ihnen unterordnen und somit in keiner Hinsicht deinem Willen zuwiderhandeln; gib ihnen, Herr, Gesundheit, Friede, Eintracht und Zuverlässigkeit, damit sie die ihnen von dir gegebene Herrschaft ausüben, ohne Anstoß zu erregen. Du namlich, himmlischer Herr, Künig der Aonen, gibst den Sühnen der Menschen Herrlichkeit und Ehre und Gewalt uüber das, was auf der Erde ist; du, Herr, lenke ihren Sinn darauf, was gut und wohlgefüallig ist vor deinem Angesicht, damit sie gottesfuürchtig in Friede und Sanftmut die ihnen von dir gegebene Gewalt ausüben und Gnade bei dir finden. Du, der es als einziger vermag, dies und noch viel mehr Gutes unter uns zu bewirken, dich preisen wir durch den Hohepriester und Beschützer unserer Seelen, Jesus Christus, durch welchen dir die Herrlichkeit und Erhabenheit zuteil werden jetzt und von Geschlecht zu Geschlecht und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“[25]

Aber nicht nur in Bezug auf den Kaiserkult ergaben sich Schwierigkeiten. Da, wie schon erwühnt, praktisch das gesamte üffentliche Leben der römischen Gesellschaft mit heidnischen Praktiken durchsetzt war, galt auch hier für den Christen außerste Zurückhaltung. Zumindest mahnen die christlichen Autoren die Glaubigen, sich z. B. von den allgegenwürtigen Festi- vitüten, wie sie der überbordende römische Festtagskalender anordnete, fernzuhalten; dies bedeutete auch, daß die Teilnahme an Spielen, Prozessionen oder sonstigen Feierlichkeiten als nicht angemessen für den Christen erachtet wurden. Besondere Bedenken bestanden bei der Übernahme offentlicher Amter, da dies immer mit der Teilnahme an Kultopfern, Tempel­dienst und der Ausrichtung von Spielen verbunden war. Auch die Befürchtung der moralischen

Korruption durch Geld und Macht, vor der christliche Autoren warnen,[26] ließ viele vor einer Kandidatur zu einem Amt zurückschrecken.[27] Auch in bezug auf den Militärdienst war dem Christen durch das Gebot der Feindesliebe außerste Zurückhaltung auferlegt. Gleichwohl kann nicht von einem völligen Pazifismus ausgegangen werden, argumentiert doch Orígenes in sei­ner Antwort an den Heiden Celsus, daß die Christen zwar keine Kriege führten, aber dennoch durch ihre Gebete im Geiste teilnähmen.[28] Auch muß eine gewisse, nicht näher bestimmbare Anzahl Christen im rümischen Heer gedient haben; hierfür legen die Martyrienberichte Zeug­nis ab.[29] Als Ergebnis der bisherigen Ausführungen zu den Themengebieten Amt, Militar und Kaiser- bzw. Staatskult lüßt sich festhalten, daß die meisten christlichen Autoren - und damit wahrscheinlich auch die Mehrheit der christlichen Anhanger - sich nicht vüllig von ihrer paganen Umwelt mit ihren heidnischen Riten abkapseln wollte. Grundsützlich war die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Leben, zum Dienst am/im Staat in Form von Ämtern, Militürdienst und Teilnahme an Festen mit kultischem Charakter durchaus vorhanden.[30] So­bald es allerdings zu einer direkten Konfrontation mit dem verhaßten Gützendienst kam, mußte dies eine bewußte Verweigerungshaltung hervorrufen, wie dies dann auch die Berichte über christliche Martyrien belegen.[31] Diese Ablehnung führte, obwohl sich Christen wahrend der ersten drei Jahrhunderte räumlich nicht von ihrer Umwelt abgrenzten,[32] zu einer gewis­sen Isolation, die auch von heidnischen Autoren kritisiert wurde.[33]

[...]


[1] Zitiert nach: Sienkiewicz, Heinrich: Quo vadis. Zürich 1985 (detebe; 21270), S. 479.

[2] Annales, 15,44

[3] Zu Amt, Auftrag und Befugnissen Plinius’ siehe Freudenberger, Rudolf: Das Verhalten der Behörden gegen die Christen im 2. Jahrhundert, dargestellt am Brief des Plinus an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians. 2., durchges. Aufl. München 1969. Hier S. 17-40.

[4] Vgl. hierzu Lehnen, Joachim: Zwischen Abkehr und Hinwendung. Äußerungen christlicher Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts zu Staat und Herrscher. In: Rom und das himmlische Jerusalem. Die fruhen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung. Hrsg. von Raban von Haehling. Darmstadt 2000. S. 1-28. Im folgenden: Lehnen, Abkehr.

[5] Aus der „Passio Sanctorum Scillitanorum“ 6. In: CPL 2049, S. 86.

[6] Zitiert nach: Novum Testamentum Graece et Latine. Textus Graecus, cum apparatu critico-exegetico, Vulgata Clementina et Neovulgata. Curante Gianfranco Nolli. Citta del Vaticano 1981. Im folgenden: Novum Testamentum. Übersetzung: „Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden nach seinem Werke richtet, so wandelt während eurer Pilgerschaft in Furcht.“ Zitiert nach: Die Bibel. Deutsche Ausgabe mit den Erlauterungen der Jerusalemer Bibel. Hrsg. von Diego Arenhoevel, Alfons Deissler und Anton Vägtle. 16. Aufl. Freiburg. i. Br., Basel, Wien 1968. Im folgenden: Die Bibel.

[7] Zitiert nach: Novum Testamentum. Übersetzung: „Geliebte, ich ermahne (euch): Als Fremdling und Pilger enthaltet euch von den fleischlichen Begierden, da sie ja wider die Seele streiten. Fuährt einen ehrbaren Wandel unter den Heiden, damit sie, wäahrend sie euch als Üä beltäater verleumden, nach euren sichtbaren guten Werken sich uberzeugen, am Tage der Heimsuchung Gott preisen.“ Zitiert nach: Die Bibel.

[8] Clemens von Alexandrien Protreptikos 10,108,4, ähnlich in: Paidagogos 3,8,1.

[9] Cyprianus Carthagenensis De Mortalitate 26. Zitiert nach P. L. t. 4, Sp. 601. „Wir sollten bedenken, gelieb­teste Bruäder, und uns immer wieder darauf besinnen, daß wir der Welt entsagt haben, und geichsam Gaästen und Pilgern dort einstweilen leben. Laßt uns den Tag gutheißen, der jedem einzelnen seinen Wohnsitz zuweist, der uns von hier losreißt und von den weltlichen Verstrickungen befreit und uns in das Paradies und das Konigreich zuruckfährt. Wer wurde nicht, in die Fremde gestellt, sich beeilen, in die Heimat zurnckzukehren? Wer, der sich beeilt zu den Seinen zu steuern, wurde sich nicht einen gunstigen Wind sehnlichst wunschen, so daß es ihm um so schneller/rascher mäglich sei, die Geliebten zu umarmen? Wir sehen das Paradies als unsere Heimat an: [...].“ (eigene Übersetzung)

[10] P. L. t. 1, Sp. 619. „Denn, wenn wir uns daran erinnern, daß die Welt selbst vielmehr ein Kerker ist, so werden wir erkennen, daß Ihr vielmehr aus einem Kerker herausgegangen als in einen Kerker eingetreten seiet. Was die dort herrschende Dunkelheit betrifft, so gibt es in der Welt eine größere, die nämlich, welche die Herzen der Menschen blind macht. Ketten - legt die Welt noch schwerere an, solche, welche die Seelen sogar fesseln. Unsaubere Dunste - haucht die Welt noch schlimmere aus, die Wollüste der Menschen. Schuldige - enthält die Welt schließlich noch in größerer Zahl, namlich das ganze Menschengeschlecht. Verurteilung endlich - hat sie nicht vom Prokonsul, sondern von Gott zu erwarten. [...] Der Christ aber hat, auch nicht im Kerker befindlich, der Erde entsagt, im Kerker auch noch dem Kerker.“ (eigene Übersetzung)

[11] Zitiert nach: Novum Testamentum. Übersetzung: ,, Und ich sah aus dem Meere ein Tier auftauchen,; das hatte zehn Härner und sieben Käpfe und auf seinen Hornern zehn Kronen und auf seine Käpfen Lasternamen. Und das Tier, das ich sah, glich einem Panther; seine Fuße waren wie Bärenfäße und sein Maul wie ein Bärenmaul. Und der Drache verlieh ihm seine Macht und einen Thron und große Gewalt. Und einen seiner Käpfe (sah ich) wie zum Tode geschlachtet; aber seine Todeswunde wurde geheilt. Und die ganze Welt staunte hinter dem Tier her. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Gewalt gegeben hatte, und sie beteten das Tier an, indem sie sprachen: ,Wer ist dem Tier gleich und vermag mit ihm zu kämpfen? ‘Und es ward ihm ein Maul gegeben, um prahlerische und lasterliche Reden zu fuhren, und es ward ihm die Vollmacht gegeben, es zweiundvierzig Monate lang (so) zu treiben. Und es tat sein Maul auf zu Lästerungen wider Gott, um seinen Namen zu lastern und sein Zelt, (das heißt die,) die im Himmel ihr Wohnzelt haben. Auch wurde ihm (Macht) gegeben, mit den Heiligen Krieg zu fuhren und sie zu besiegen, ja es wurde ihm Macht gegeben uber jeden Stamm, jedes Volk, jede Sprachen und Nation. Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, alle, deren Namen nicht im Lebensbuch des geschlachteten Lammes geschrieben steht von Grundlegung der Welt an.“ Zitiert nach: Die Bibel.

[12] Zitiert nach: Novum Testamentum. Übersetzung: ,, Jedermann ordne sich der obrigkeitlichen Gewalt unter; denn es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott ist. Die bestehenden (Gewalten) sind von Gott angeordnet. Wer sich daher der Gewalt widersetzt, widersetzt sich der Anordnung Gottes; die sich aber widersetzen, ziehen sich selbst das Gericht zu. Nicht das gute Werk hat Grund, die Obrigkeit zu furchten, sondern nur das Böse. Du willst die Gewalt nicht furchten mussen? Dann tue, was recht ist, und du wirst von ihr Lohn erhalten. Denn sie ist för dich Gottes Dienerin för das Gute. Wenn du aber Boses tust, so furchte, denn nicht umsonst trögt sie das Schwert. Ist sie doch Dienerin Gottes, Röcherin zum Zorn fur den, der Boses tut. Darum ist es geboten, sich zu unterwerfen, nicht nur um des Zornes, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuern; denn Gottes Diener sind sie, wenn sie diesem Amt beharrlich obliegen. Gebt allen, was ihr schuldig seid: Steuer, wem Steuer, Zoll, wem Zoll, Furcht, wem Furcht, Ehre, wem Ehre.“ Zitiert nach: Die Bibel.

[13] Zitiert nach: Novum Testamentum. Übersetzung: „Ich mahne nun vor allen Dingen, daß Bitten, Gebete, Furbitten und Danksagungen fur alle Menschen verrichtet werden, fur Könige und alle Obrigkeiten, damit wir ein stilles und ruhiges Leben fuhren können, in aller Frömmigkeit und Heiligkeit.“ Zitiert nach: Die Bibel.

[14] Zitiert nach: Novum Testamentum. Übersetzung: „Da sprach er zu ihnen: ,So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.‘“ Zitiert nach: Die Bibel. Vgl. ebenso Mk 12,17 und Lk 20,25.

[15] Zitiert nach: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord. Frankfurt a. M., Leipzig 1999. Im folgenden: Berger/Nord, Das Neue Testament.

[16] So verfaßte Tertullian eine eigene Abhandlung De idololatria über den Götzendienst.

[17] Ohne Beispiel ist Assimiliationsföhigkeit der römischen Götterwelt, der Import fremder Gottheiten und deren Einverleibung in den eigenen Kultkreis, gelegentlicher gegenlöufiger Tendenzen zum Trotz. Man denke nur an die Vielzahl fremde auslöndischer Kulte, wie beispielsweise den Isis- oder Mithraskult, die in Rom praktiziert wurden. Vgl. hierzu auch den Artikel „Toleranz“ in: Der neue Pauly, Bd. 12/1, Sp. 657-668. Hier spez. Sp. 661ff.

[18] Zum Verbot des gallischen Druidenkultes als politischer Maßnahme vgl. Cineira, David Alvarez: Die Re­ligionspolitik des Kaisers Claudius und die Paulinische Mission. Freiburg i. Br. u. a. 1999. (Herders biblische Studien; 19), hier S. 104-115.

[19] Der Kult wurde nicht verboten, aber die Ausubung so weit erschwert, daß er nicht mehr als Keimzelle staatsumsturzlerischer Umtriebe gefahrlich werden konnte. Vgl. den Artikel „Bacchanal(ia)“ in: Der neue Pauly, Bd. 2, Sp. 390f.

[20] Zitiert nach: Lehnen, Abkehr, S. 7.

[21] „In der röm[ischen] Trad.[ition] wurde, öhnlich wie in Griechenland, die Entstehung des Staates und die kultisch gestaltete Beziehung zu den Göttern als Einheit gesehen [...].“ Aus dem Artikel „Toleranz“ in: Der neue Pauly, Bd. 12/1, Sp. 661.

[22] Mehrere Kapitel widmet Tertullian diesem Thema auch in seinem Apologeticum. Vgl. Apol. 31-35.

[23] Zitiert nach: P. L. t. 1, Sp. 684. Übersetzung: „Was also die Ehrenbezeigungen für Könige oder Impera­toren betrifft, so ist uns genugsam vorgeschrieben, den Obrigkeiten, Fürsten und Machten Untertan zu sein, jedoch innerhalb der Grenzen der Moral, insoweit wir dabei von der Idololatrie frei bleiben.“ Zitiert nach: Tertullians ausgewöhlte Schriften ins Deutsche öbersetzt. Bd. 1. Übersetzt von Heinrich Kellner. Kempten 1912. (Bibliothek der Kirchenvater; 7).

[24] Vgl. auch die Aussagen der Martyrer aus der „Passio sanctorum scillitanorum“, Abschnitt 9: „Donata dixit: ,Honorem Caesari quasi caesari; timorem autem deo.‘“

[25] Zitiert nach: Das fruhe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation. Bd. 1. Die Christen im heidnischen Staat. Übersetzung der Texte von Peter Guyot. Darmstadt 1993 (Texte zur Forschung; 60). Hier S. 211. Dort auch der griechische Text, auf dessen Abdruck hier verzichtete wurde.

[26] So z. B. Cyprian in seinem Brief an Donatus, Absatz 3: ,, Quando parcimoniam discit qui epularibus coenis et largis dapibus assuevit? et qui pretiosa veste conspicuus in auro atque in purpura fulsit, ad plebeium se ac simplicem cultum quando deponit? Fascibus ille oblectatus et honoribus, esse privatus et inglorius non potest. Hic stipatus clientium cuneis, frequentiore comitatu officiosi agminis honestatus, poenam putat esse cum solus est. Tenacibus semper illecebris necesse est, ut solebat, vinolentia invitet, inflet superbia, iracundia inflammet, rapacitas inquietet, crudelitas stimulet, ambitio delectet, libido praecipitet.“ Zitiert nach: P. L. t. 4, Sp. 199f. Übersetzung: „Wann lernt derjenige Sparsamkeit, der an ausschweifende Mahler und große Feierlichkeiten gewöhnt ist? Ünd derjenige, der in Gold und Purpur geglänzt hat und für seinen kostbaren Putz gefeiert wurde - wann beschrankt er sich auf eine burgerliche und einfache Kleidung? Derjenige, der den Vorteil von Fasces und Ehren gespurt hat, kann kein unspektakulürer/unauffülliger/bescheidener Privatmann sein. Dieser, der begleitet wird von einem Gefolge, der von einer Schar diensteifriger Gefolgsleute gewurdigt/geehrt wird, sieht es als Strafe an, wenn er allein ist. Es ist unvermeidlich, daß die Verlockungen nicht loslassen, (und), wie es immer zu sein pflegte, daß die Liebe zum Wein verwirrt, Stolz aufblaht, Zorn entflammt, Raubsucht umtreibt/beunruhigt, Grausamkeit stimuliert, Ehrgeiz erfreut, Lust zum Ruin treibt mit den Verfuhrungen.“ (eigene Üübersetzung)

[27] Lehnen verweist darauf, daß dennoch nicht mit einem totalen Verzicht auf eine Amterlaufbahn in christ­lichen Kreisen zu rechnen ist. Vgl. Lehnen, Abkehr, S. 12.

[28] Origenes Contra Celsum 8,73.

[29] Lehnen geht davon aus, daß die meisten dieser Soldaten bereits vor ihrem Bekenntnis zum Christentum gedient hatten. Vgl. Lehnen, Abkehr, S. 13.

[30] Wieder sei auf Lehnen verwiesen, der eine ,, innere Dialektik“ in bezug auf die christliche Haltung gegenuber dem rüomischen Staat feststellte.

[31] Vgl. die Äußerung der Martyrerin Donata. Fußnote 24.

[32] Die römischen Christen lebten keineswegs in Ghettos, sondern in Hausgemeinschaften mit Heiden. Vgl. Lehnen, Abkehr, S. 15, Anm. 80.

[33] Origenes Contra Celsum 8,75

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Details

Title
Die frühen Christen und ihr Verhältnis zum römischen Staat
College
RWTH Aachen University  (Historisches Institut, Lehrstuhl für Alte Geschichte)
Grade
1,0
Author
Year
2003
Pages
33
Catalog Number
V44661
ISBN (eBook)
9783638422147
File size
598 KB
Language
German
Notes
Hallo! Auf Rücksprache mit Herrn Daniel Ol. sende ich diese Arbeit, die eigentlich als Tex-file konzipiert ist, als PDF-file ein und hoffe, daß Sie trotzdem etwas damit anfangen können. Herzliche Grüße Sabine Ley
Keywords
Christen, Verhältnis, Staat
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Sabine Ley (Author), 2003, Die frühen Christen und ihr Verhältnis zum römischen Staat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44661

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Title: Die frühen Christen und ihr Verhältnis zum römischen Staat



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