Urheberrechtsvergleich Deutschland - Volksrepublik China


Diplomarbeit, 2005

76 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Einleitung

B. Das deutsche Urheberrecht
I. Aktuelle Entwicklungen
II. Einführung in das deutsche Urheberrechtsgesetz
III. Die Rechte
1. Urheberpersönlichkeitsrechte
2. Verwertungsrechte
3. Nutzungsrechte
4. Leistungsschutzrechte
IV. Schranken

C. Das chinesische Urheberrecht
I. Das Rechtssystem der Volksrepublik China
1. Gesetzesrecht und Gesetzgebungsverfahren
2. Rechtsweg
a) Das Gerichtsverfahren
b) Das Verwaltungsverfahren
II. Geschichtliche Entwicklung des Urheberrechts in China
1. Die Entwicklung vor 1949
2. Die Entwicklung von 1949 bis 1979
3. Die urheberrechtliche Praxis seit 1979
III. Einführung in das chinesische Urheberrecht
1. Geschützte Werke
a) Werkbegriff
b) Illegale und nicht urheberrechtlich geschützte Werke
c) Ausnahmen im Interesse der Öffentlichkeit
d) Schutz ausländischer Werke
2. Der Urheberbegriff
a) Subjekte des Urheberrechts
b) Umgestaltungen
c) Werke von Miturhebern
d) Filmwerke
e) Dienstliche Werke
f) Auftragswerke
g) Sammelwerke
3. Schutzfrist der Rechte
IV. Der Inhalt des chinesischen Urheberrechts
1. Urheberpersönlichkeitsrechte
a) Das Veröffentlichungsrecht
b) Namensnennungsrecht
c) Das Änderungsrecht und das Recht auf Schutz der Werkintegrität
2. Urhebervermögensrechte
3. Verwandte Schutzrechte
a) Verwandte Schutzrechte der Verleger
b) Verwandte Schutzrechte aufführender Künstler oder Einheiten
c) Verwandte Schutzrechte der Hersteller von Ton- und Bildaufzeichnungen
d) Verwandte Schutzrechte von Sendeunternehmen
4. Der Rechtsverkehr im Urheberrecht
a) Übertragung von Urheberrechten
b) Urheberrechtliche Lizenz
c) Kollektivverwaltung
5. Schranken
a) Fair Use-Bestimmungen
b) Gesetzliche Lizenz
6. Ansprüche bei Rechtsverletzung
V. Die Auswirkungen der Informationsgesellschaft
1. Bestimmungen zur Verwaltung audiovisueller Produkte
2. Softwareschutzverordnung
3. Schutz von Datenbanken
4. Urheberrechtliche Bestimmungen im Internet
VI. Die Durchsetzung des Urheberrechts in China
1. Die Wahrnehmung individuellen Rechts
a) Individuelles Recht im feudalen China
b) Individuelles Recht im Kommunismus
c) Der Schutz individueller Interessen durch das gegenwärtige Urheberrecht
2. Rechtskenntnis und allgemeines Rechtsbewusstsein
3. Konfuzianische Werte und Urheberrecht
4. Das Urheberrecht als importiertes Gut
5. Rechtssystematische Aspekte
6. Das Justizsystem
7. Lokaler Protektionismus
8. Wirtschaftliche Entwicklung

D. Vergleich Deutschland – Volksrepublik China
I. Gemeinsamkeiten
II. Unterschiede

E. Resümee

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Die Volksrepublik China rückte in den letzten Jahren vor allem wegen des beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwungs in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Ausgelöst durch eine Wende in der chinesischen Politik erlebt das Land seit 1978 eine Phase der marktwirtschaftlichen Modernisierung und der Öffnung gegenüber der Außenwelt. Die erfolgreichen Wirtschaftsreformen gingen einher mit dem Wiederaufbau gesetzmäßiger Strukturen. Die rechtliche Sicherheit war Voraussetzung und Notwendigkeit für ein Engagement des Auslands in China. Mit zunehmender internationaler Verflechtung durch wachsenden Welthandel hat sich allerdings auch die Verletzung geistiger Eigentumsrechte vervielfacht. massiven Vlertzungen immaterieller

Die vorliegende Arbeit soll den aktuellen Stand des Urheberrechts in der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China rechtsvergleichend darstellen.

Im Einzelnen werden dabei ausgewählte urheberrechtliche Entwicklungen aufgezeigt, die in jüngster Zeit Einfluss auf das deutsche Urheberrechtsgesetz nahmen. Darauf folgt ein Überblick über die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Urheberrecht der Volksrepublik China. Einführend wird das Rechtssystem dargestellt und die Entwicklung des Urheberrechts in der Volksrepublik China nachgezeichnet. Es folgt eine Darstellung des materiellen Urheberrechts und verwandter Schutzrechte, des Rechtsverkehrs im Urheberrecht, der Schranken sowie Sanktionierungsmechanismen. Themenbezogen werden Unterschiede zum deutschen UrhG aufgezeigt. Den Auswirkungen der Informationsgesellschaft auf das chinesische Urheberrecht wird, ebenso wie der Ursachenforschung für die Probleme der Rechtsdurchsetzung, ein eigener Abschnitt gewidmet.

Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Gesetzeswerke herauszuarbeiten. Des Weiteren sollen Gründe aus dem kulturhistorischen, gesellschaftlichen, juristischen und wirtschaftlichen Umfeld aufgezeigt werden, die ursächlich für die umfassende Missachtung immaterieller Schutzbestimmungen in China sind.

B. Das deutsche Urheberrecht

I. Aktuelle Entwicklungen

Der rasante Fortschritt der Informationstechnologie ist einer der wichtigsten Taktgeber für aktuelle Entwicklungen im Bereich des Urheberrechts. Moderne Medien eröffnen neue Formen der Werkschöpfung und Nutzung. Dabei stellt der Schutz von Interessen beteiligter Akteure eine Herausforderung für den Gesetzgeber dar. Neben der Wahrung ideeller Interessen dient das Urheberrecht auch dazu, die auf Grundlage der vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten entstehenden Vergütungsansprüche zu schützen; insbesondere gegen unerlaubte Vervielfältigung. Beachtung erfährt dies durch die zunehmende Bedeutung von Information in der Gesellschaft. Damit einher geht eine vermehrte Produktion immaterieller Güter, um die herum sich weitere Dienstleistungen ansiedeln.[1]

Der informationstechnologische Fortschritt wurde in Deutschland durch eine Reform des Urheberrechts begleitet. Durch den so genannten Ersten Korb der Novellierung[2] wurde 2003 im Wesentlichen die EU-Richtlinie[3] zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft umgesetzt. Der Zweite Korb soll all jenes, was die Informationsrichtlinie den Mitgliedstaaten zur Regelung überlässt, gesetzlich an die Bedingungen und Anforderungen der Informationsgesellschaft anpassen.[4] Dazu gehören unter anderem Regelungen zur Privatkopie, zum vereinfachten Filmrechteerwerb, zur Nutzung von Archivbeständen sowie vielfach zu Fragen der Vergütung.[5] Auf Grund der politischen Interessenlage in Deutschland ruhen die Arbeiten an dieser zweiten Novellierung jedoch vorerst.[6]

Nicht nur inhaltlich, wie im Falle der oben erwähnten EU-Richtlinie, sondern auch strukturell nimmt die Europäische Union seit Jahren Einfluss auf das nationale Urheberrecht. Verfolgt wird diesbezüglich ein Abbau der zwischenstaatlichen Rechtsunterschiede durch eine Harmonisierung der nationalen Gesetze auf möglichst hohem Schutzniveau.[7] Gliedert man das Europäische Urheberrecht in drei Subsysteme, nämlich das materielle Urheberrecht (Urheberrecht und verwandte Schutzrechte), die Rechtsdurchsetzung und die Rechtswahrnehmung (Urhebervertragsrecht und Recht der Verwertungsgesellschaften)[8], wird erkennbar, dass die Rechtsangleichung in diesen Teilsystemen unterschiedlich stark erfolgte. Bisher konzentrierten sich die Harmonisierungsbemühungen auf das materielle Urheberrecht. Zwischen 1991 und 2001 wurden hierfür sieben Richtlinien verabschiedet.[9] Eine Richtlinie zur Rechtsdurchsetzung wurde 2004 verabschiedet.[10] Während das Urhebervertragsrecht bislang nur punktuell harmonisiert ist[11], liegen für die Angleichung des individuellen und kollektiven Wahrnehmungsrechts erste Vorschläge[12] von der Europäischen Kommission vor.

Anfänglich lagen den Harmonisierungsbestrebungen industriepolitische Überlegungen zugrunde. Durch die Angleichung sollten vor allem Handelshemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr abgebaut werden.[13] Dieser bisherige Fokus der Richtlinien geht einher mit einer weitgehenden Ausklammerung persönlichkeitsrechtlicher Aspekte des Urheberrechts. Mehrheitlich zielten die Richtlinien auf einzelne Verwertungsrechte. Dies führte lediglich zu einer fragmentarischen Urheberrechtsvereinheitlichung. Die Begründung hierfür liegt in dem Fehlen einer klaren Konzeption des Urheberrechts seitens der Europäischen Kommission.[14]

II. Einführung in das deutsche Urheberrechtsgesetz

Das Urheberrecht in seiner subjektiven Ausprägung gewährt dem Urheber den Schutz der ideellen und materiellen Interessen an seinem Werk gegenüber Dritten. In seiner objektiven Ausprägung umfasst es die rechtlichen Bestimmungen, die das Verhältnis des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger zu seinem Werk regeln. Verankert ist es im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (dtUrhG), internationalen Verträgen sowie dem EU-Recht.[15]

Den Schutz des Urheberrechtsgesetzes genießen die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§ 1 dtUrhG). Im objektiven Sinn regelt das Gesetz somit den Schutz bestimmter kultureller Geistesschöpfungen.[16] Gegenstand des Urheberrechts sind auch Computerprogramme, obwohl es sich nicht um kulturelle Schöpfungen, sondern Informationstechnologie handelt.[17]

Der Tradition des kontinentaleuropäischen Immaterialgüterrechts folgend, bezieht sich das deutsche Urheberrecht auf die Schöpfer von Geisteswerken.[18] Es schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk
(§ 11 dtUrhG). Im Gegensatz dazu gilt das angloamerikanische Copyright Law vorrangig als wirtschaftliches Verwertungsrecht.[19] Persönlichkeitsrechtliche Befugnisse des Autors an allen von ihm geschaffenen Werken werden überwiegend abgelehnt.[20] Die im deutschen Urheberrechtsgesetz eingeräumten Befugnisse besitzen eine Doppelfunktion. Sie vereinen vermögensrechtliche (materielle) sowie persönlichkeitsrechtliche (ideelle) Elemente. Gemäß der monistischen Theorie sind beide Teile eng miteinander verbunden.[21] Die Interessen des Urhebers sind teils auf die wirtschaftlich verwertbare Nutzung des Werkes, teils auf Wahrung seiner persönlichen Beziehung zu diesem gerichtet.[22] Auch die dualistische Theorie erkennt diese beiden Elemente des Urheberrechtsschutzes an, betont dabei jedoch deren Unabhängigkeit.

III. Die Rechte

1. Urheberpersönlichkeitsrechte

Die persönliche Beziehung des Urhebers zu seinem Werk, wird durch die Urheberpersönlichkeitsrechte geschützt. Diese Rechte umfassen einen bestimmten Ausschnitt des Schutzbereichs des verfassungsrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG), der auch Anknüpfungspunkt grundrechtlicher Schutzpflichten sein kann.[23] Die Urheberpersönlichkeitsrechte stehen nur dem Urheber selbst, nicht aber einer juristischen Person zu. Sie sind in ihrem Kerngehalt nicht übertragbar. Ebenso wenig ist ein Verzicht auf diese Rechte mit dinglicher Wirkung oder ein Generalverzicht möglich.[24]

Im Kern enthalten die Urheberpersönlichkeitsrechte das Veröffentlichungsrecht, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowie das Recht, Entstellungen des Werkes zu verhindern (§§ 12-14 dtUrhG). Weiterhin werden das Zugangsrecht (§ 25 dtUrhG) und das Änderungsverbot (§ 39 dtUrhG) erfasst.

2. Verwertungsrechte

Der Urheber erstellt Werke nicht nur aus ideellen Gründen. In der Regel möchte er auch einen wirtschaftlichen Nutzen aus seiner Geistesschöpfung ziehen. Diese Interessen schützt das Urheberrecht durch die Einräumung ausschließlicher Befugnisse zur Verwertung sowie durch Vergütungsansprüche gegen bestimmte Werknutzer.[25] Um die Position des Urhebers bei der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes zu stärken, wurde vom Gesetzgeber festgelegt[26], dass er unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen angemessen zu vergüten ist (§ 32 dtUrhG).[27] Darüber hinaus steht dem Urheber auch dann eine Vergütung zu, wenn das Werk ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen verwendet wird.[28]

Die angemessene Beteiligung des Urhebers an der Nutzung seines Werkes erfolgt durch die Zuweisung ausschließlicher Befugnisse. Gemäß § 15 I dtUrhG besitzt er körperliche Verwertungsrechte, wie das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Ausstellungsrecht (§§ 16-18 dtUrhG). Der zweite Absatz des § 15 dtUrhG benennt Rechte, das Werk in unkörperlicher Form wiederzugeben. Hierunter fallen das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht, das Senderecht sowie das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger (§§ 19-21 dtUrhG). Diese Aufzählung ist exemplarisch[29] und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Verwertungsrechte für Computerprogramme sind in § 69c dtUrhG normiert.

Die materielle Seite des Urheberrechts erschöpft sich jedoch nicht in den Verwertungsrechten. Dem Urheber stehen auch reine Vergütungsansprüche zu.[30] Dies sind beispielsweise das Folgerecht sowie der Anspruch für Vermietung und Verleihung (§§ 26, 27 dtUrhG).[31]

3. Nutzungsrechte

Das Urheberrecht ist weder als Ganzes noch in Teilen übertragbar (§ 29 Satz 1 dtUrhG). Ausgenommen hiervon ist die Rechtsnachfolge im Todesfall (§§ 28-30 dtUrhG). Da eine alleinige Werkverwertung des Urhebers relativ selten ist, kann er Dritten Nutzungsrechte einräumen (§§ 31 ff. dtUrhG). Die Nutzungsrechte sind gegenüber den Verwertungsrechten selbständig. Inhaltlich sind sie jedoch an die Verwertungsrechte gebunden.[32]

Im Rahmen des Rechtsverkehrs werden Zeitdauer, räumlicher Umfang sowie die Arten der erlaubten Nutzung vertraglich geregelt. Nutzungsrechte können als ausschließliche Rechtsposition eingeräumt werden, die den Inhaber zur Nutzung des Werkes, zum Ausschluss aller anderen Personen von der Nutzung und zur Einräumung einfacher Nutzungsrechte berechtigen (§ 31 III dtUrhG).[33] Dagegen befugen einfache Nutzungsrechte den Erwerber nur zur Nutzung des Werkes neben dem Urheber oder anderen Berechtigten (§ 31 II dtUrhG). Ihm steht dann kein Abwehrrecht gegen Dritte zu.[34]

4. Leistungsschutzrechte

Das Urheberrechtsgesetz schützt auch Personen, deren Leistungen auf kulturellem Gebiet dazu dienen, Werkschöpfungen zu vermitteln (§§ 70ff. dtUrhG). Dies kann beispielsweise durch Interpretation, Vorführung oder Aufführung, Verbreitung oder Sendung von Werken erfolgen.[35] Den Leistungsschutzberechtigten werden verwandte Schutzrechte zuerkannt, die denen der Urheber zum Teil gleichgestellt, zumindest jedoch nachgebildet sind. Kürzer gefasst ist indes der Zeitraum des Schutzes, der regelmäßig 25 Jahre beträgt. Leistungsschutzrechte, die auf Grund eines persönlichkeitsrechtlichen Einschlags dem Urheberrecht sehr nahe stehen, erhalten Lichtbildner, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben sowie ausübende Künstler.[36] Den verwandten Schutzrechten zugänglich sind ebenfalls objektbezogene unternehmerische Leistungen auf organisatorisch-technischem Gebiet, wie der Schutz der Veranstalter, Sendeunternehmen, Hersteller von Tonträgern, Datenbanken oder Filmwerken sowie der Schutz nachgelassener Werke.[37]

IV. Schranken

Mit Blick auf die Verfassung[38] muss beachtet werden, dass auch das Urheberrechtsgesetz sozial gebunden ist.[39] Für einen Ausgleich zwischen den Interessen des Urhebers und den entgegenstehenden Interessen einzelner Nutzer, der Kulturwirtschaft sowie der Allgemeinheit wurden Schrankenregelungen geschaffen. Diese existieren in Form gesetzlicher Lizenzen, als Freistellung bestimmter Nutzungsarten und als Befristung der Schutzdauer.[40] Im Wesentlichen betreffen die Schranken die Verwertungsrechte und lassen das Urheberpersönlichkeitsrecht unberührt.[41]

Die gesetzliche Lizenz ist definiert als eine vergütungspflichtige Werkverwertung, die nicht der Zustimmung des Urhebers bedarf.[42] Beispiele hierfür sind die Vervielfältigung und Verbreitung zugunsten behinderter Menschen (§ 45a dtUrhG) und als Sammlungen für den Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch (§ 46 dtUrhG), oder die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§ 51a dtUrhG).

Die Freistellung erwirkt die Freigabe bestimmter Nutzungsarten auch ohne Entschädigung; z.B. für die vorübergehende Vervielfältigungshandlung (§ 44a dtUrhG), die Nutzung für Zwecke der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit (§ 45 dtUrhG) oder auch die aktuelle Berichterstattung (§ 50 dtUrhG).[43]

Die Schranke in Form der Befristung der Schutzdauer bewirkt, dass nach Ablauf der Frist kein Urheberrecht mehr am Werk besteht und dieses gemeinfrei wird (§§ 64-69 dtUrhG).

C. Das chinesische Urheberrecht

I. Das Rechtssystem der Volksrepublik China

1. Gesetzesrecht und Gesetzgebungsverfahren

Im chinesischen Rechtssystem gibt es drei Ebenen gesetzgebender Autorität. Auf der obersten Ebene steht der Nationale Volkskongress (NVK) und sein Ständiger Ausschuss. Diese erlassen grundlegende Gesetze, die über allen anderen Beschlüssen darunter liegender Ebenen stehen.[44]

Auf der zweiten Ebene ist die Zentralregierung (Staatsrat) befugt, Verwaltungsrechtsbestimmungen zu erlassen. Diese exekutive Gesetzgebung darf nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht und die vom NVK erlassenen Gesetze verstoßen. Die Verwaltungsnormen dienen der Führung und Leitung der Verwaltungstätigkeit des Staates und stellen den größten Teil des Gesetzesrechts dar. Aus Sicht einer westlichen Verfassung stellt die Möglichkeit der Gesetzgebung durch die Regierung eine Beschränkung des Grundsatzes der Gewaltenteilung dar.[45]

Oberstes Gericht[46] und Ministerien sowie deren Behörden agieren in einer dritten Ebene. Als gesamtstaatliche Instanzen erlassen sie Richtlinien beziehungsweise Durchführungsverordnungen, die bereits existierende Normen ergänzen. Auf der dritten Ebene findet auch lokale Gesetzgebung statt, obwohl China ein Zentral- und kein Bundesstaat ist. Die Kongresse der Provinzen erlassen lokale Rechtsbestimmungen zur Durchführung höherrangiger Gesetze oder Konkretisierung zentralstaatlicher Leitentscheidungen.

Für alle chinesischen Gerichte setzen die Gesetze, Regeln, Verordnungen und Entscheidungen der ersten beiden Ebenen den rechtlichen Handlungsrahmen. Die Gerichte können sich auch auf Normen der dritten Ebene beziehen, dürfen diese jedoch nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage heranziehen.[47]

Über die nationalen Gesetzgebungsprozesse hinaus tragen auch völkerrechtliche Verträge zur Rechtsbildung bei. Für eine innerstaatliche Anwendung muss Völkerrecht zunächst in nationales Recht überführt werden. Dies geschieht in China automatisch mit der Unterzeichung internationaler Verträge.[48]

2. Rechtsweg

In China existiert ein dualer Rechtsweg aus Gerichts- und Verwaltungsverfahren.[49] Nachfolgend sollen der Aufbau und die Funktion beider Systeme vorgestellt werden.

a) Das Gerichtsverfahren

Hauptorgane der Rechtsprechung des Staates sind die Gerichte. Das Gerichtsorganisationsgesetz gliedert das Gerichtswesen in das Oberste Volksgericht sowie auf lokaler Ebene die Volksgerichte der Grund-, Mittel- und Oberstufe. In fast allen Gerichten existieren vier Kammern oder Senate, jeweils für Straf-, Zivil-, Wirtschafts- und Verwaltungssachen. Außerhalb dieser Hierarchie existieren überdies Militär- und Spezialgerichte.[50]

Das Oberste Volksgericht ist die höchste gerichtliche Institution der VR China. Es beaufsichtigt die Rechtsprechungstätigkeit der lokalen Gerichte und fungiert als Berufungsinstanz für Oberstufengerichte. Daneben nimmt es Interpretationen bei Fragen der Rechtsanwendung vor. Diese Interpretationen besitzen keine Gesetzeskraft. Lokale Gerichte sind jedoch in Gerichtsverfahren an sie gebunden.[51]

Die Volksgerichte der Oberstufe sind die höchsten Rechtsprechungsorgane einer Provinz. Sie fungieren als Berufungsinstanz und veröffentlichen Richtlinien in Fragen der Rechtsanwendung, die auf Provinzebene verbindlich sind.

Erstinstanzlich werden Fälle des geistigen Eigentums in Volksgerichten der Grundstufe behandelt. Komplexere Fälle werden vor Mittelstufengerichte gebracht.[52] An ausgewählten Volksgerichten der Mittel- und Oberstufe sowie am Obersten Volksgericht wurden seit 1993 spezielle Kammern für geistiges Eigentum etabliert.[53] Kurz vor dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) wurden diese jedoch Teil der Zivilkammern. Gleichzeitig richtete man spezielle Zivilkammern für die Behandlung von Fällen mit Auslandsbezug ein. Diese Umstrukturierungsmaßnahmen sowie die Beschäftigung von Richtern, die auf Immaterialgüterrecht spezialisiert waren, verbesserte die Qualität der gerichtlichen Arbeit.[54]

b) Das Verwaltungsverfahren

In China existiert ein so genanntes doppelspuriges System der Rechtsdurchsetzung. Neben den Gerichten können auch Urheberrechtsbehörden, Patentbehörden sowie Behörden zur Verwaltung von Industrie und Handel Rechte an geistigem Eigentum durchsetzen.[55] Sie sind jeweils zuständig für die Untersuchung und Sanktionierung von Verletzungen des Urheberrechts, Patentrechts, Markenrechts und des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen. All diese Behörden sind auf zentraler Ebene dem Staatsrat unterstellt und besitzen auf regionaler Ebene Unterbehörden.

Den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Behörden agieren, bilden die vom Nationalen Volkskongress erlassenen Gesetze, die vom Staatsrat erlassenen Verwaltungsrechtsbestimmungen sowie verschiedene Durchführungsverordnungen der einzelnen Ministerien.

In die Amtsbefugnisse der Urheberrechtsbehörden fallen unter anderem die Untersuchung und Sanktionierung von Urheberrechtsverletzungsfällen. Eine Untersuchung kann auf Eigeninitiative der Behörde oder Anzeige hin eingeleitet werden. Gegen eine Sanktionierung in Form von Verwaltungsstrafen kann vor dem Volksgericht Einspruch eingelegt werden.

II. Geschichtliche Entwicklung des Urheberrechts in China

1. Die Entwicklung vor 1949

Nach Einführung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg Mitte des
15. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa ein Privilegiensystem für Verleger.[56] Schutzobjekt war meist nicht der Urheber, sondern der Drucker. Die Kritik an der falschen Schutzrichtung dieser Privilegien[57] führte in einem langwierigen Prozess zur Ausweitung des Schutzbereiches auf das geistige Eigentum.

In China wurde der Druck mit beweglichen Lettern bereits Mitte des 11. Jahrhunderts durch Bi Sheng erfunden.[58] Infolge dessen wurden auch im kaiserlichen China[59] Druckprivilegien erteilt.[60] Anders als in Europa überdauerten diese feudalen Privilegien jedoch bis ins 20. Jahrhundert, bevor ein modernes Urheberrechtsgesetz eingeführt wurde. Daraus wird deutlich, dass der technischen Möglichkeit zur Massenvervielfältigung durch neue Drucktechniken nicht zwangsläufig ein modernes Urheberrechtssystem folgt. Neben dem Bewusstsein für individuelle Rechte sind dafür insbesondere eine entwickelte Warenwirtschaft, in der Werke als Ware gehandelt werden sowie eine Rede- und Pressefreiheit notwendig.[61] Daran mangelte es im feudalen China jedoch.

Nach Ende des Opiumkrieges im Jahre 1842 wurde China gezwungen, seine selbst gewählte Isolation aufzugeben. Die damals führenden Industrienationen begannen ihren wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss in China auszubauen. Um ihre Interessen zu schützen, zwangen sie den Kaiser, rechtliche Vorschriften und Institutionen einzuführen. Diese, aus der westlichen Welt importierten Normen, standen in Widerspruch zu fundamentalen sozialen und rechtlichen Prinzipien der chinesischen Gesellschaft. Sie legten jedoch den Grundstein für die Entwicklung eines modernen Rechtssystems.[62] Das erste chinesische UrhG wurde 1910 von der kaiserlichen Qing-Dynastie[63] erlassen. Es basierte im Wesentlichen auf dem japanischen UrhG.[64] Nach der chinesischen Revolution im Jahre 1911 gab es zwei weitere Urheberrechtsgesetze: das UrhG der Republik China von 1915 und das von der Kuomintang-Regierung[65] erlassene UrhG von 1928, welches auf Taiwan bis 1985 galt.[66] Inhaltlich basierten die Gesetze auf den damals sehr fortschrittlichen japanischen und deutschen Bestimmungen.[67] Praktisch erfolgte jedoch keine Durchsetzung dieses Rechts auf Grund der instabilen politischen Verhältnisse[68] und geringen Erfahrungswerte im Umgang mit Urheberrecht.[69]

2. Die Entwicklung von 1949 bis 1979

Mit Gründung der VR China im Jahre 1949 wurden alle Gesetze der Kuomintang-Regierung aufgehoben. Obwohl seitens der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) versprochen wurde, die entstandenen Lücken zu füllen, existierte in den folgenden 30 Jahren kein UrhG. Eine beabsichtigter Effekt war die Behinderung politischer Publikationen durch Intellektuelle. Dies erleichterte der Regierung die Zensur des Informationsflusses.[70]

In den fünfziger Jahren wurde versucht, eine neue rechtliche Ordnung nach sowjet-sozialistischem Muster aufzubauen. Sie propagierte Einparteienherrschaft der KPCh, Dominanz des Staatseigentums, planmäßige Sozialreform und radikale Unterordnung individueller Rechte unter die Bedürfnisse der Kollektive.[71] In dieser Zeit erarbeiteten verschiedene Kommissionen[72] Entwürfe eines modernen Urheberrechtssystems nach Vorbild des sowjetischen UrhG. Parallel dazu erließ die Regierung Beschlüsse[73], welche zumindest die Beziehung zwischen Autoren und Verlagen regelten.[74] Diese Beschlüsse wurden nie veröffentlicht. Verwaltungsintern klärten sie jedoch Abläufe von urheberrechtlichem Interesse.

Auf Grund verschiedener politischer Bewegungen[75] fanden die Bemühungen, ein Urheberrechtssystem aufzubauen, um 1960 ein Ende. Unter dem Einfluss dieser politischen Kampagnen wurde die Angemessenheit materieller Anreize für kreative und kommerzielle Aktivitäten angezweifelt.[76] Das formelle Rechtssystem wurde als reaktionär angeprangert und praktisch ignoriert. Ein Urheberrechtsschutz bestand faktisch nicht mehr, da der Staat selbst die Werke vervielfältigte, ohne die Erlaubnis des Urhebers einzuholen, Vergütung zu zahlen oder die Urheberschaft anzuerkennen.[77]

Während der von Mao Zedong[78] initiierten Kulturrevolution[79] gab es keinerlei Fortschritte auf dem Gebiet des Urheberrechts. Nach Ansicht der Regierung verstieß der Urheberrechtsschutz gegen die sozialistische Ideologie. Kulturelle, künstlerische sowie wissenschaftliche Arbeiten wurden zu Volkseigentum erklärt. Zudem wirkte die Verfolgung von Intellektuellen der Schaffung geistigen Eigentums entgegen.

3. Die urheberrechtliche Praxis seit 1979

Mit der Reform- und Öffnungspolitik Deng Xiaopings[80] setzte ein Neuaufbau des Rechtssystems ein. Hauptantrieb hierfür war das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Stabilität und das Bedürfnis nach Produktivität, Wirtschaftsentwicklung und Überwindung der Armut. Für die ökonomische Entwicklung des Landes sollten ausländische Investoren gewonnen werden. Diese forderten jedoch weitgehende Rechtssicherheit für ihre Investitionen in den chinesischen Markt. Die willkürliche Machtausübung durch Regierungsorgane sollte begrenzt und allgemeingültige rechtliche Standards geschaffen werden.

An Stelle der Ideologie wurde das Rechtssystem als ein strukturierendes Element des gesellschaftlichen Umformungsprozess propagiert. Die seit Mao vorherrschende Personenherrschaft sollte einer Gesetzesherrschaft weichen. Die treibende Kraft hinter diesem Prozess wurde der wirtschaftliche Wandel.[81]

Erste Bestimmungen für den Schutz geistigen Eigentums enthielten bilaterale Verträge über Handelsbeziehungen und die Kooperation im wissenschaftlichen Bereich zwischen China und den USA aus dem Jahre 1979.[82] Sie enthielten Klauseln, welche beide Seiten verpflichteten, die Patent-, Marken- und Urheberrechte für natürliche und juristische Personen der jeweils anderen Vertragspartei zu gewährleisten. Ohne diese Klauseln wäre der Vertrag von den Vereinigten Staaten nicht unterzeichnet worden.[83] Kurz nach Abschluss der Verträge wurde eine Kommission zur Ausarbeitung eines neuen chinesischen UrhG gebildet.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem modernen Urheberrechtgesetz war die 1984 vom Kulturministerium erlassene Provisorische Verordnung über den Schutz des Urheberrechts an Büchern und Zeitschriften.[84] Sie basierte auf einem bereits vorliegenden Entwurf für ein neues UrhG und enthielt verhältnismäßig detaillierte Vorschriften.[85] Obwohl die provisorische Verordnung den Charakter eines modernen UrhG besaß, wies sie einige Mängel auf. So schützte sie nur erschienene Bücher und in Zeitschriften veröffentlichte Aufsätze und erstreckte sich in ihrem Schutzbereich nicht auf ausländische Werke. Vor allem wirkte sie jedoch nur als interne Verwaltungsvorschrift und wurde nie veröffentlicht. Sie überbrückte jedoch den langen Entwurfszeitraum für ein neues UrhG und belebte das Bewusstsein für urheberrechtliche Belange.

Um die Entwurfsarbeiten an einem umfassenderen UrhG zu beschleunigen und die Urheberrechtsverwaltung zu stärken, genehmigte der Staatsrat im Juli 1985 den Antrag des Kulturministeriums auf Gründung eines staatlichen Urheberrechtsamtes (National Copyright Administration of China, NCAC). Das Amt befasste sich neben der Ausarbeitung eines neuen UrhG auch mit urheberrechtlichen Streitigkeiten von nationaler Bedeutung[86] und erließ Dokumente über das Urheberrechtsverhältnis zwischen der VR China, Taiwan, Hongkong und Macao.[87]

Mit Inkrafttreten der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der VR China (AGZ) im Jahre 1986 wurden zumindest grundlegende Normen des Urheberrechts durch § 94 AGZ geschützt.[88] Eine Verordnung aus dem gleichen Jahr sprach den Urheberschutz auch audiovisuellen Produkten zu.[89] Die Gültigkeit der Bestimmung war auf den Zeitraum bis zum Erlass eines chinesischen UrhG begrenzt. Das Gesetzgebungsverfahren verzögerte sich jedoch. In Folge des nach wie vor mangelhaften Schutzes geistigen Eigentums stieg der ausländische Druck auf China.[90] Auf beiden Seiten wurde erkannt, dass der Mangel der ersten Rechtsreformwelle im Erlassen von Gesetzen bestand, für die keine entsprechenden Realisierungsmaßnahmen geschaffen wurden.[91]

Schließlich trat das neue Urheberrechtsgesetz gemeinsam mit der Durchführungsverordnung zum UrhG (DurchVO) am 1. Juni 1991 in Kraft. Die DurchVO enthielt materiellrechtliche Ergänzungen sowie Definitionen und Klarstellungen.[92] Nahezu zeitgleich wurde die Verordnung über den Schutz von Computersoftware (Softwareschutzverordnung, SVO)[93] erlassen. Mit dem UrhG und den beiden Ergänzungsregelungen wurden umfassende Grundlagen für den Urheberrechtschutz in China gelegt.

In den folgenden zwei Jahren trat China den wichtigsten internationalen Abkommen zum Schutz des Urheberrechts bei.[94] Um den Anforderungen dieser internationalen Konventionen zu entsprechen und die legitimen Rechte und Interessen von Urheberrechtsinhabern ausländischer Werke zu schützen, erließ der Staatsrat 1992 die Bestimmungen über die Durchführung internationaler Urheberrechtsübereinkommen.

Neu auftretende Probleme beim Urheberrechtsschutz nach Einführung der Digitaltechnologie sowie der Druck aus dem Ausland, die Rechtsdurchsetzung zu verbessern, führten bereits im Frühjahr 1993 zu Vorschlägen für eine Überarbeitung des UrhG.[95] Fortschritte auf dem Gebiet des Internationalen Urheberrechtsschutzes in Verbindung mit dem Wunsch Chinas der WTO beizutreten, mündeten in einer Überarbeitung des Urheberrechts. Kurz vor dem Beitritt erließ China im Jahr 2001 das novellierte UrhG. In Übereinstimmung mit dem Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) wurde der Schutzbereich erweitert und Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung erheblich ausgebaut.

III. Einführung in das chinesische Urheberrecht

Das chinesische UrhG orientiert sich an bestehenden Urheberrechtssystemen westlicher Prägung, also dem kontinentaleuropäischen Urheberrecht sowie dem angloamerikanischen Copyright. Das Gesetz gliedert sich in ein materielles Urheberrecht sowie Bestimmungen zum Rechtsverkehr im Urheberrecht, verwandten Schutzrechten und Haftungen aus Rechtsverletzungen. Geschützt werden sowohl materielle als auch ideelle Interessen des Urhebers durch Vermögensrechte[96] und Persönlichkeitsrechte.

1. Geschützte Werke

a) Werkbegriff

Die Schutzobjekte des chinesischen Urheberrechts sind wie im deutschen Urheberrecht (§1 dtUrhG) die Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst (Art. 1 chUrhG).

Eine Definition des Werkbegriffs findet sich nicht im chinesischen UrhG, sondern in der Durchführungsverordnung. Gemäß Art. 2 DurchfVO müssen urheberrechtlich geschützte Werke folgende Voraussetzungen erfüllen:

(1) Geistige Schöpfung auf dem Gebiet der Literatur, Kunst und Wissenschaft;
(2) Originalität;
(3) Reproduzierbarkeit in körperlicher Form.

Die erste Voraussetzung entspricht den gängigen Anforderungen westlicher Urheberrechtsgesetze.

Die Originalität des Werkes als zweite Voraussetzung ist im Gesetz nicht näher definiert. Unter chinesischen Rechtsgelehrten ist allgemein akzeptiert, dass Originalität eine gewisse Individualität voraussetzt, d.h. die Arbeit muss die Kreativität des Urhebers repräsentieren.[97] Strittig bleibt dabei der quantitative Aspekt der Individualität, nämlich die Gestaltungshöhe. Als Mindestanforderung gilt, dass durch das Werk der Ausdruck einer Idee und nicht nur die Idee selbst dargestellt wird. Außerdem darf es sich nicht nur um die bloße Kopie eines anderen Werkes handeln. In der Praxis legen die chinesischen Gerichte bei der Beurteilung der Gestaltungshöhe hohe Maßstäbe an. Sie verlangen, dass das Werk selbständig vom Urheber geschaffen wurde und ein erhebliches Maß an Kreativität aufweist.[98]

Das deutsche Urheberrecht schützt auch Werke der so genannten „kleinen Münze“. Dies sind einfache Schöpfungen, die bei einem Minimum an Gestaltungshöhe gerade noch urheberrechtsschutzfähig sind.[99]

Die dritte Voraussetzung bezieht sich nicht auf eine körperliche Festlegung des Werkes. Vielmehr wird nur die Reproduzierbarkeit in irgendeiner körperlichen Form vorausgesetzt (Art. 2 DurchVO). So können mündliche Werke Urheberrechtsschutz erlangen (Art. 3 Ziff. 2 chUrhG i.V.m. Art. 4 Ziff. 2 DurchVO), da eine Wiedergabe und Verbreitung möglich ist.[100] Die praktische Bedeutung dieser Regelung zielt auf die Bindung des Urheberrechts für mündliche Werke an den Redner, unabhängig davon, wer eine Aufnahme vornimmt.[101] Auch im deutschen UrhG ist weder eine körperliche noch eine dauerhafte Festlegung des Werkes erforderlich. Es muss lediglich der Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne zugänglich sein.[102]

Zur genaueren Bestimmung des Werkbegriffs werden in Art. 3 chUrhG verschiedene Werkarten aufgelistet. Dieser Artikel ähnelt dem § 2 I dtUrhG. Der im chinesischen UrhG enthaltene Werkkatalog ist beispielhaft und nicht abschließend. Kraft eines Gesetzes oder einer Verordnung können neue Werkarten hinzutreten (Art. 3 Ziff. 9 chUrhG). Dadurch wird eine Einbeziehung aller relevanten Bestimmungen bei der Suche nach neuen Werkarten erforderlich. Andererseits begrenzt es den Einfluss der Gerichte, die den Bereich der Werke nicht beliebig ausbauen können.[103]

[...]


[1] Kröger, S. 6.

[2] Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 11. April 2003.

[3] Die EU-Richtlinien sind Maßnahmen zur Rechtsangleichung, „ die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“. Schack, Rdnr. 134.

[4] O.V., Urheberrechtsnovelle, BMJ, veröffentlicht im Internet (Abfrage 27.10.2004).

[5] Flechsig, S. 249.

[6] Hoeren, S. 341.

[7] Schack, Rdnr. 126.

[8] Riesenhuber/ von Vogel, S. 519.

[9] O.V., KOM(2004) 261 endgültig, S. 8, veröffentlicht im Internet (Abfrage vom 22.06.2005).

[10] Richtlinie 2004/48/EG v. 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, in GRUR Int. 2004, S. 615.

[11] Grundmann, S. 928; Schricker, in: Schricker, vor §§ 28 ff., Rdnr. 3.

[12] O.V., KOM(2004) 261 endgültig, veröffentlicht im Internet (Abfrage vom 22.06.2005).

[13] O.V., Die Europäische Kommission, veröffentlicht im Internet (Abfrage vom 22.06.2005).

[14] Schack, Rdnr. 125.

[15] Ders., Rdnr. 2.

[16] Rehbinder, Rdnr. 2.

[17] Ders., Rdnr. 129.

[18] Schack, Rdnr. 315; Hertin, Rdnr. 18.

[19] Schack, Rdnr. 25; Peifer, S. 327.

[20] Peifer, S. 325.

[21] Ulmer, S. 113 f.

[22] Rehbinder, Rdnr. 75.

[23] Seith, S. 93 ff.

[24] Hertin, Rdnr. 126.

[25] Rehbinder, Rdnr. 190.

[26] Siehe Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern vom 22. März 2002 (Urheberrechtsnovelle 2002).

[27] Jacobs, S. 1906.

[28] BGHZ 11, 135 (143), BGHZ 92, 54 (57), BGHZ 129, 66 (72).

[29] Schack, Rdnr. 372.

[30] Haberstumpf, Rdnr. 4.

[31] Koppe, S. 48.

[32] Rehbinder, Rdnr. 299.

[33] Fechner, Medienrecht, Rdnr. 348.

[34] Rehbinder, Rdnr. 306.

[35] Fechner, Medienrecht, Rdnr. 410.

[36] Hertin, Rdnr. 408.

[37] Schack, Rdnr. 59.

[38] Gemäß Art. 14 II GG.

[39] Rehbinder, Rdnr. 85.

[40] Ders., Rdnr. 253.

[41] Schack, Rdnr. 464.

[42] Melichar, in: Schricker, vor §§ 49 ff., Rdnr. 6.

[43] Eine weiterführende Übersicht für Freistellungen findet man bei Rehbinder, Rdnr. 253.

[44] Heuser, S. 187.

[45] Zur verfassungsmäßigen Beschränkung der Regierungsmacht siehe unten S. 48.

[46] Nach § 33 des chinesischen Gerichtsverfassungsgesetzes ist der Oberste Gerichtshof für die Auslegung von Fragen hinsichtlich der Anwendung von Gesetzen und Bestimmungen bei Gerichtsverfahren zuständig.

[47] Xue Hong/ Zheng Chengsi, S. XXXV.

[48] Pattloch, S. 81.

[49] Zu Vor- und Nachteile des dualen Rechtswegs siehe unten S. 49.

[50] Heuser, S. 241f.

[51] Xue Hong/ Zheng Chengsi, S. XXXVII.

[52] Wei Zhi, S. 138 f.

[53] Li Ling, S. 960.

[54] Feng, S. 28 f.

[55] Liu Xiaohai, S. 488.

[56] Fechner, Geistiges Eigentum, S. 28.

[57] Ders., Geistiges Eigentum, S. 32.

[58] Zhou Lin, S. 405.

[59] Das chinesische Kaiserreich existierte von 221 v. Chr. bis 1911 n. Chr.

[60] Der älteste bekannte Verweis „Erschienen durch Cheng in Meishan, angemeldet bei der Behörde, Nachdruck verboten“ befindet sich in einem Buch welches um 1190 n.Chr. gedruckt wurde.

[61] Wei Zhi, S. 19.

[62] Qu Sangqiang, S. 50.

[63] Letztes kaiserliches Herrschergeschlecht in China (1644-1911).

[64] Zhou Lin, S. 406.

[65] Partei der Republik China, die 1927 die Herrschaft über das chinesische Festland errang. Nach dem verlorenen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten zog sie sich 1949 nach Taiwan zurück, wo sie die Republik fortführte und bis 1990 diktatorisch regierte.

[66] Wei Zhi, S. 6.

[67] Qu Sangqiang, S. 26.

[68] Machtkampf zwischen KPCh und Kuomintang (seit 1926); Invasion Chinas durch Japan (seit 1931); 2. Weltkrieg (1939-1945); chinesischer Bürgerkrieg (1946-1949).

[69] Alford, S. 52; Qu Sangqiang, S. 27.

[70] Qu Sangqiang, S. 34.

[71] Heuser, S. 141.

[72] Entwurfskommission für die provisorische Verordnung über Urheberrecht und Verlagsrecht; 1954 abgelöst durch neue Entwurfsgruppe.

[73] Beschlüsse besaßen keine Gesetzeskraft, gaben jedoch die offizielle Ansicht der Regierung wider.

[74] Gou Shoukang, Geistiges Eigentum, S. 955.

[75] Anti-Rechts Bewegung (1957); Großer Sprung vorwärts (1958-1960).

[76] Qu Sangqiang, S. 36.

[77] Alford, S. 64 f.

[78] Mao Zedong (1893-1976): chinesischer Politiker, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas und Gründer der Volksrepublik China.

[79] Kommunistische Bewegung (1966-1976) die von Mao Zedong ausgelöst wurde, um seine Macht in der kommunistischen Partei zu behaupten und sein Lebenswerk, die Revolution, zu retten.

[80] Deng Xiaoping (1904-1997): chinesischer Politiker, der die Führung der Kommunistischen Partei nach Maos Tod übernahm und die Volksrepublik China faktisch von 1976 bis 1997 regierte.

[81] Heuser. S. 156 ff.; Qu Sangqiang, S. 395.

[82] Li Ling, S. 973.

[83] Zhou Lin, S. 406.

[84] Wei Zhi, S. 9.

[85] Diese bezogen sich auf geschützte Werke, Zuordnung, Inhalt und Schutzdauer des Rechtes, Übertragung und Lizenz des Urheberrechtes, „Fair Use“, Verletzungen und deren Folgen, usw.

[86] Z.B. bei dem Streit über die Miturheberschaft an der Autobiographie des letzten Qing-Kaisers Pu Yi.

[87] Wei Zhi, S. 11.

[88] Dietz, Urheberrechtsgesetz, S. 906.

[89] „Vorläufige Verordnung über für den Schutz des Urheberrechts an Publikationen der Ton- und Bildaufzeichnungen“ vom 15. September 1986.

[90] Wei Zhi, S. 16.

[91] Alford, S. 117.

[92] Dietz, Durchführungsvorschriften, S. 704.

[93] Zur SVO siehe unten S. 40.

[94] Siehe Anhang.

[95] Gou Shoukang, Copyright Act, S. 526.

[96] Der Begriff Vermögensrechte ist der deutschen Übersetzung des chinesischen UrhG entnommen.

[97] Wang Yuankuo, S. 76; Xiao Xun, ZF, S. 63; zit. nach Wei Zhi, S. 30.

[98] Qu Sangqiang, S. 95 f.

[99] BGH, GRUR 1995, S. 581 (582); BGH, GRUR 1981, S. 267 (268).

[100] Wei Zhi, S. 31.

[101] Feng, S. 77.

[102] Loewenheim, in: Schricker, § 2, Rdnr. 20.

[103] Wei Zhi, S.37.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Urheberrechtsvergleich Deutschland - Volksrepublik China
Hochschule
Technische Universität Ilmenau  (Institut für Rechtswissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
76
Katalognummer
V44863
ISBN (eBook)
9783638423762
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit soll den aktuellen Stand des Urheberrechts in der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China rechtsvergleichend darstellen. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Gesetzeswerke herauszuarbeiten. Des Weiteren sollen Gründe aus dem kulturhistorischen, gesellschaftlichen, juristischen und wirtschaftlichen Umfeld aufgezeigt werden, die ursächlich für die umfassende Missachtung immaterieller Schutzbestimmungen in China sind.
Schlagworte
Urheberrechtsvergleich, Deutschland, Volksrepublik, China
Arbeit zitieren
Ralf Karchow (Autor:in), 2005, Urheberrechtsvergleich Deutschland - Volksrepublik China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44863

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