Die Strafbarkeit der Verbreitung sogenannter "Fake-News"


Seminararbeit, 2017

43 Seiten, Note: 14,00


Leseprobe


E. Gliederung

A. Inhaltsübersicht

B. Literaturverzeichnis

C. Verzeichnis der zitierten Internetseiten

D. Abkürzungsverzeichnis

E. Die Strafbarkeit der Verbreitung sog. Fake-News

Einleitung

A. Phänomenologie der Verbreitung sog. Fake-News
I. Wesensmerkmale von Fake-News
1. Der Trump’sche Fake-News-Begriff
2. Bedeutungsentnahme aus Fallbeispielen
3. Sinnentnahme aus dem Wortlaut
4. Die Täuschungsabsicht von Fake-News
5. Der Fake-News-Begriff dieser Arbeit
II. Akteure und Formen der Verbreitung
1. Akteure
2. Formen der Verbreitung
III. Maßnahmen gegen die Verbreitung von Fake-News

B. Fake-News im Lichte deutschen Strafrechts
I. Relevante Straftatbestände
1. Die Ehrschutzdelikte der §§ 185 ff.
2. Kreditgefährdung, § 187
3. Staatsschutzdelikte
4. Marktmanipulation, §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG i.V.m. Art. 12 MAR
II. Zwischenergebnis
III. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bei Internetkriminalität
V. Strafrechtliche Verantwortung von Providern

Fazit

B. Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

C. Verzeichnis der zitierten Internetseiten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alle Internetseiten wurden zuletzt am 04.09.2017 abgerufen.

D. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

F. Die Strafbarkeit der Verbreitung sog. Fake-News

Einleitung

Im Jahre 1274 v. Chr. ziehen die Ägypter unter Pharao Ramses II. in die unerbittliche Schlacht um die Stadt Kadesch. Obwohl der blutige Konflikt tatsächlich in einer Patt-Situation endete, berichten antike Papyri und Darstellungen in ägyptischen Tempeln noch heute über den fulminanten Sieg der Ägypter unter der Mithilfe des Gottes Amun[1] .

Obgleich sich das Grundprinzip mehr als drei Jahrtausende später kaum verändert haben mag, sieht sich die Moderne einer globalen Fake-News-Brisanz ausgesetzt, wie sie selbst unter der Herrschaft altägyptischer Gottkönige unvorstellbar gewesen wäre. Durch die kommunikative Dynamik des Internets verbreiten sich falsche Nachrichten mit rasanter Geschwindigkeit, enormer Reichweite und können selbst im Falle baldiger Löschungen irreversible Schäden in Form von Desinformation und Rufschädigung anrichten[2]. Dies wirft in der Konsequenz die Frage auf, ob und wenn ja, inwieweit der Staat der Verbreitung von sog. Fake-News durch das geltende Strafrecht begegnen kann.

Mit dieser Frage beschäftigt sich die vorliegende Arbeit und gliedert sich dabei in zwei Teile. Im ersten Teil soll ein Überblick über das Phänomen der Fake-News als solches gegeben werden, um ihm ein bestimmtes Verhalten zurechnen zu können. Im Anschluss daran erfasst der zweite Teil die strafrechtlichen Aspekte dieses Verhaltens. Diese bestehen zum einen aus den einschlägigen materiellen Strafbestimmungen, aber auch aus anderweitigen strafrechtlichen Fragestellungen wie die der deutschen Rechtsanwendbarkeit oder der Haftung von Providern.

A. Phänomenologie der Verbreitung sog. Fake-News

Das Phänomen der Verbreitung sog. Fake-News soll im Folgenden hinsichtlich der Fake-News als solche, der Verbreitungshandlung, den beteiligten Akteuren und bisherigen politischen Reaktionen erläutert werden. Erst die dadurch erfolgte Bestimmung eines konkretisierten, abgrenzbaren Verhaltens lässt dieses zielführend im Lichte des Strafrechts betrachten.

I. Wesensmerkmale von Fake-News

Es stellt sich zuallererst die Frage, was unter Fake-News als solche zu verstehen ist.

1. Der Trump’sche Fake-News-Begriff

Eine genauso entschlossene wie eindeutige Antwort auf diese Frage lässt sich seit Ende 2016 zahlreichen Äußerungen des US-Präsidenten Donald J. Trump entnehmen[3]. Hierunter fallen seiner Ansicht nach auch sachliche Berichte etablierter Nachrichtensender wie CNN, ABC, MSNBC oder Zeitungen wie der Washington Post oder der New York Times [4]. In einer allgemeinen Gesamtbetrachtung der Fälle, in denen die genannten Medien einer solchen Eigenschaft beschuldigt wurden, versteckt sich hinter dem Trump‘schen Fake-News-Begriff jedoch lediglich ein Modebegriff für unliebsame und vermeintlich unseriöse Meldungen[5]. Für die Untersuchung strafrechtlich relevanter Falschmeldungen eignet sich dieser Begriff freilich nicht[6].

Vielmehr muss festgestellt werden, dass es keine allgemeine oder gar juristische Definition von „Fake-News“ gibt[7]. Um für die bezweckte strafrechtliche Untersuchung dennoch mit einem bestimmten und möglichst adäquaten Begriff arbeiten zu können, werden im weiteren Verlauf verschiedene Methoden angewandt.

2. Bedeutungsentnahme aus Fallbeispielen

Die erste Methode, mit der sich einer möglichst allgemeingültigen Beschreibung genähert wird, orientiert sich an in der Öffentlichkeit allgemein als Fake-News bekanntgewordenen Meldungen[8]. Diese sollen aufgezeigt und anschließend verglichen werden. Ziel ist die Extraktion wesentlicher gemeinsamer Eigenschaften.

a. Im Jahr 2016 wurde unter dem Schlagwort „Pizzagate“ die Falschmeldung in Umlauf gebracht, dass die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in einen Kinderpornoring verwickelt sei, welcher im Keller einer Washingtoner Pizzeria agiere[9]. Neben der Verbreitung in sozialen Netzwerken wurde die Meldung als vermeintlicher „FBI-Insider“ auch durch Webseiten[10] und nicht zuletzt durch den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten Michael T. Flynn aufgegriffen[11]. Die besondere Rolle von Pizzagate in Bezug auf die Etablierung des Fake-News-Begriffes wird bei einer Suchbegriffsanalyse sichtbar. So verzeichnet die Internet-Suchmaschine Google sowohl bei Suchanfragen zu „pizzagate“ als auch bei „fake news“ in denselben Tagen einen rasanten Anstieg, nachdem beide die Jahre zuvor keinerlei Bedeutung als Suchbegriffe hatten. „fake news“ baute nach dem korrelierenden Aufschwung seine Popularität weiter aus[12].

b. Doch auch in Deutschland werden Fake-News verbreitet[13]. So war Ende 2016 ein erfundenes Zitat der Grünen-Politikerin Renate Künast im sozialen Netzwerk Facebook im Umlauf. In diesem schien sie die Schwere des Sexualverbrechens an der getöteten Studentin Maria L. wegen des Fluchthintergrunds des Tatverdächtigen relativieren zu wollen. Als angebliche Zitat-Quelle wurde dabei die etablierte und als seriös geltende Süddeutsche Zeitung angegeben[14].

c. Sogar zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland führte die Falschmeldung um Lisa F. im Jahre 2015. Diese bestand aus der, den Ermittlungen des LKA gänzlich widersprechenden[15] Behauptung, dass das damals 13-jährige Mädchen im Januar 2016 auf dem Schulweg von drei Flüchtlingen verschleppt und vergewaltigt wurde, die deutschen Ermittlungsbehörden die Tat jedoch aus politischen Gründen nicht verfolgen bzw. verheimlichen wollten[16]. Der russische Außenminister Sergei Lawrow kritisierte, vertrauend auf den Wahrheitsgehalt der Behauptung, die deutsche Flüchtlingspolitik auf das Schärfste[17].

d. Über eine der Nachrichtenagentur Bloomberg nachempfundenen Website[18] wurde 2015 die Falschmeldung veröffentlicht, es gäbe eine 31 Milliarden Dollar schwere Kaufofferte für das Unternehmen Twitter [19] . Die Meldung verbreitete sich schnell über die sozialen Netzwerke und ließ den Aktienkurs des Unternehmens zwischenzeitlich um über acht Prozent steigen. Durch vorab getätigte Finanzwetten auf solche Kursschwankungen lassen sich hohe Gewinne erzielen[20].

e. In einer Meldung aus dem Jahr 2016 wurden die Häuser der Arcadia Hotels & More Management fälschlicherweise der Zahlungsunfähigkeit bezichtigt. Diese Falschmeldung verbreitete sich im Netz und wurde unter anderem von mehreren Hotellerie- und Nachrichten-Portalen übernommen[21]. Hintergrund soll ein Streit um ein Grundstück gewesen sein.

3. Nach vergleichender Betrachtung ist den erörterten Meldungen die Gemeinsamkeit zu entnehmen, dass es sich um eine Wiedergabe eines unwirklichen Sachverhaltes, also um eine Falschmeldung[22] handelt, deren Inhalt von öffentlichem Interesse ist. Die Verbreitung erfolgt über das Internet, vornehmlich über soziale Netzwerke.

3. Sinnentnahme aus dem Wortlaut

Weiterführende Attribute von Fake-News könnten sich auch aus einer grammatikalischen Auslegung des Begriffes ergeben. Immerhin sei als methodischer Grundsatz davon auszugehen, dass derjenige, der etwas sagen will, seine Worte in dem Sinne gebraucht, in dem sie gemeinhin verstanden werden[23].

Im Unterschied zu falsch (englisch: false) bezeichnet fake bewusste, in Täuschungsabsicht hergestellte Nachbildungen von Dingen (vorliegend: news) [24] . Somit kann alleine schon dem Wortlaut die wesentliche subjektive Komponente entnommen werden, dass es dem Urheber gerade darauf ankommen muss, den Empfänger der Falschmeldung zu täuschen.

Die news stellen wiederum, an den Sprachgebrauch anknüpfend, kürzlich erhaltene, bemerkenswerte Informationen dar, welche insbesondere jüngste Geschehnisse thematisieren[25]. Dies deckt sich mit der Bedeutung des deutschen Begriffes der Nachrichten [26] . Zur Abgrenzung von der journalistischen Darstellungsform des Kommentars ist bei Nachrichten und daher auch bei Fake-News von einer zumindest vorgegebenen objektiven Berichterstattung ohne subjektive Einflüsse einer Stellungnahme auszugehen[27].

4. Die Täuschungsabsicht von Fake-News

Fraglich ist, inwiefern Fake-News mit einer Täuschungsabsicht verknüpft sind.

Eine Ansicht hält eine solche für optional und lässt auch das bloße Wissen um den falschen Inhalt der Meldung genügen. Fake-News seien demnach auch Satire-Artikel, welche zwar inhaltlich falsch, aber nicht zur Täuschung bestimmt sind[28]. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Wortsinnauslegung und ist daher abzulehnen.

In diesem Rahmen sehen einzelne Stimmen die Täuschungsabsicht als stets politisch motiviert[29]. Dieser politische Fake-News-Begriff stützt sich dabei auf den Umstand, dass die Etablierung des Begriffes nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich eng mit dem US-Wahlkampf 2016 in Verbindung stand und Fake-News oftmals das Potential zur Beeinflussung der öffentlichen politischen Meinungsbildung in sich tragen.

Dem steht ein ökonomisch-politischer Fake-News-Begriff gegenüber, welcher sowohl politisch als auch wirtschaftliche motivierte Meldungen umfasst[30]. Letztere finden sich primär auf kommerziellen Fake-News-Webseiten[31]. Diese konzentrieren sich auf die Veröffentlichung von Falschmeldungen, um unter der Zuhilfenahme von Social-Media-Streuung einen hohen Besucherverkehr (Web Traffic) zu generieren. Dieser führt wiederum zu erhöhten Werbeeinnahmen des Seitenbetreibers durch die auf der Seite platzierten Internetwerbung. Aufgrund fehlenden Wahrheitsanspruches ermöglichen Fake-News sensationelle Teaser, die den Nutzer dazu verleiten, den Hyperlink zur Fake-News-Webseite zu betätigen und den genannten Verkehr auszulösen. Ein solcher Prozess fällt mitunter unter den Begriff des sog. Clickbaiting (zu Deutsch etwa: Klickködern)[32]. Doch auch außerhalb des Clickbaitingsystems finden sich wirtschaftliche Motive zur Entwicklung von Fake-News. So finden sich insbesondere auf einschlägigen Darknet-Märkten[33] Dienstleistungsangebote zur gezielten, entgeltlichen Streuung von Falschmeldungen jedweder Art[34]. Nicht zuletzt sind auch marktmanipulative Fake-News wie in der Twitter-Übernahme regelmäßig[35] wirtschaftlich motiviert.

5. Der Fake-News-Begriff dieser Arbeit

Vorliegend wird sich einem ökonomisch-politischen Fake-News-Begriff gewidmet, denn gerade im US-Wahlkampf sind ein Großteil der Fake-News auf kommerzielle Fake-News-Webseiten zurückzuführen[36]. Der politische Hintergrund von „klassischen“ Fake-News entsteht häufig erst dadurch, dass die erfundene Nachricht reale Ängste oder eine tatsächlich vorhandene Wut aufgreift[37]. Auch höchst politische Meldungen können somit ohne jegliches politische Interesse verbreitet werden[38]. Letztlich spricht auch die viktimologische Perspektive gegen einen Ausschluss bestimmter Motivationen.

Im Ergebnis sind Fake-News mit einer politisch oder wirtschaftlich motivierten Täuschungsabsicht über das Internet, vornehmlich über soziale Netzwerke verbreitete Falschmeldungen, welche als Nachrichten auftreten. Dies lässt sich sodann von ähnlichen Begriffen abgrenzen.

a. Das plakativste Merkmal, die inhaltliche Unrichtigkeit, kann nur bei Behauptungen vorliegen, welche richtig oder falsch sein können. Dies können wiederum nur solche sein, die wirklich geschehene oder existierende Umstände beschreiben und dem Beweis zugänglich sind. Fake-News sind mithin stets Tatsachenbehauptungen[39]. Solche sind von Meinungen abzugrenzen, die wiederum Ausdruck der persönlichen Stellungnahme und damit nicht dem Beweis zugänglich sind[40]. Sind also in einem Artikel sowohl eine Tatsachenbehauptung als auch eine darauf stützende Meinung geäußert, ist lediglich die Tatsachenbehauptung als Fake-News zu bewerten.

b. Von einem ähnlichen Begriff, dem Internet Hoax, zu Deutsch: Internet Scherz, lassen sich Fake-News in der Weise abgrenzen, dass diese zwar auch als online verbreitete Falschmeldungen auftreten, jedoch nicht in der Form journalistischer Nachrichten eingekleidet sind. Sie treten vielmehr als Moderne Sage (Urban Legend) auf, welche per E-Mail oder Instant-Messaging-Dienste weitergegeben wird[41]. Die vermeintliche Kredibilität lässt sich daher nicht wie bei Fake - News-Webseiten auf ein journalistisch-professionelles Auftreten zurückführen. Auch basiert die Täuschungsabsicht nicht auf politischen oder wirtschaftlichen Gründen, sondern gemäß dem Wortlaut auf Unterhaltungszwecken.

II. Akteure und Formen der Verbreitung

Nach der Eingrenzung von Fake-News als solche, soll im Folgenden auf die Akteure und die Formen der Verbreitung eingegangen werden.

1. Akteure

Im Rahmen der Untersuchung wird zwischen zwei wesentlichen Akteuren, dem Urheber und dem hier sog. weiterverbreitende Dritten unterschieden.

a. Zu den Urhebern von Fake-News können neben wirtschaftlich oder politisch motivierten Individuen auch Presseorgane wie etwa das staatsfinanzierte Russia Today [42] gezählt werden, welche einseitige Standpunkte unter anderem mit Falschmeldungen stützen[43]. Aber auch andere politische Interessen vertretenden Gruppen wie politische Parteien, Verbände, Unternehmen und sonstige Organisationen können Ersteller und Verbreiter von Fake-News sein[44]. Durch die globale Vernetzung können inländisch wirkende Meldungen auch dem Ausland entspringen.

b. Des Weiteren treten als Akteur in der Verbreitung von Fake-News die Internetnutzer auf, welche im Glauben an die Richtigkeit der Inhalte diese weiterverbreiten (weiterverbreitende Dritte). Hierunter fallen auch Journalisten, welche die Inhalte aus falscher Vorstellung über dessen Richtigkeit in seriöse Medien einfließen lassen.

2. Formen der Verbreitung

Wie bereits den Fallbeispielen entnommen, spielen soziale Netzwerke bei der Verbreitung eine herausragende Rolle. Unter diesen Begriff fallen Seiten wie Facebook, Twitter, LinkedIn oder Xing. Es sind Plattformen, auf denen registrierte Personen miteinander kommunizieren und sich darstellen[45]. Sie stellen eine Unterkategorie der Social Media dar[46].

An unangefochtener Spitze sozialer Netzwerke steht die weltweit am dritthäufigsten abgerufene Webseite[47] Facebook. Dessen zunehmende Rolle als Nachrichtenkanal kann durch eindrückliche Zahlen mehrerer Studien bestätigt werden. So wurden laut einer im Jahr 2015 veröffentlichten Langzeitstudie der Technischen Universitäten Darmstadt und Dresden ca. 91 % aller Online-Nachrichten der Mediengesellschaften über die Teilen- und Like -Funktionen der genannten Plattform verbreitet[48]. In einer Umfrage in den USA gaben 44 % der Erwachsenen an, ihre Informationen und Nachrichten nur über Facebook zu beziehen[49]. Auch 68 % der befragten Nutzer einer deutschen Studie gaben an, Facebook auch als politisch Informationsquelle zu nutzen[50]. In Deutschland selbst sind 30 Millionen aktive Facebook -Nutzer zu verzeichnen[51]. Weltweit sind es über 2 Milliarden[52]. Selbst, wenn die streitgegenständliche Falschmeldung kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung in sozialen Netzwerken am Ursprungsort vom Urheber gelöscht oder korrigiert wird, erreicht diese Richtigstellung die Leser oftmals gar nicht mehr[53]. Ein Umstand, den Urheber von Fake-News zu schätzen und nutzen wissen.

Die Verbreitung in sozialen Netzwerken geschieht auf zwei Arten.

a. Eine Möglichkeit ist die Verbreitung durch den Prozess des sog. Viral Seeding, zu Deutsch: virales Sähen. Zu Beginn der Verbreitung steht dabei die Platzierung einer Meldung in einer Auflage, die die erforderliche kritische Masse an Nutzern zu erreichen versucht, welche die Meldung dann zum Zeitpunkt des sog. Tipping-Points durch eigene Empfehlungen an Freunde und Abonnenten viral verbreiten[54]. Da in diesem Fall der wesentliche Einsatz der Verbreitung von den Nutzern und nicht von den Urhebern der Meldung kommt, handelt es sich um eine Methode mit hoher Kosten-Nutzen-Effizienz[55], die typologisch der Mundpropaganda in digitaler Form entspricht[56]. Die Anfälligkeit von Facebook-Nutzern für Viral Seeding wurde nicht zuletzt durch eine Analyse der 20 populärsten Fake-News des US-Wahlkampfes deutlich, wonach diese mehr verbreitende Reaktionen als die 20 populärsten wahren Meldungen hervorriefen[57]. Diese Reaktionen sind mit zwei Funktionen verknüpft[58].

aa. Der „Gefällt Mir“-Button von Facebook ist eine kleine Schaltfläche, welche nach dem Verfassen eines Inhaltes in dessen Einrahmung erscheint und anderen Nutzern ermöglicht, durch spontanes Klicken Gefallen am Beitrag zu äußern. Neben der automatischen Bestätigung erscheint auch eine für alle Kontakte des Nutzers sichtbare Benachrichtigung samt Verlinkung in den Shortnews der eigenen Ausgangsseite[59]. Das Twitter -Äquivalent zur Beitrags-Favorisierung ist das Klicken auf ein Herz-Symbol[60].

bb. Ein Betätigen des „Teilen“-Buttons lässt den Inhalt gänzlich auf der eigenen „Chronik“ erscheinen und kann dort unabhängig vom Ursprungsbeitrag kommentiert werden. Die „Chronik“ ist die Abfolge aller eigens publizierten Beiträge und derer, auf denen der eigene Account verlinkt wurde. Sie stellt eine Art digitales Tagebuch dar. Die Möglichkeit Dritter zur Einsichtnahme ist abhängig von den jeweiligen Nutzereinstellungen und variiert von ausgewählten Nutzern bis hin zu allen Facebook -Nutzern. Das Twitter -Äquivalent zur „Chronik“ ist die „Twitter Timeline“.

b. Eine andere Möglichkeit stellt die Nutzung sog. Social Bots dar. Dies sind Computerprogramme, die eine menschliche Identität vortäuschen und mit der Verbreitung von Fake-News den öffentlichen Diskurs beeinflussen[61]. Bisher wurden Social Bots am ehesten auf dem Mikroblogging-Dienst Twitter eingesetzt. Hier konnten sie bestimmte Meldungen so sehr popularisieren, dass sie schließlich in den „Trending Topics“ diskutiert wurden, wo sie teilweise von Journalisten aufgegriffen und als vermeintliche Empörungswelle durch seriöse Medien in den Fokus öffentlicher Debatten gerückt wurden[62]. Nachweislich 20 % der Beiträge auf Twitter im US-Wahlkampf 2016 wurden durch Social Bots verfasst[63]. Bezüglich des Ukrainekonflikt sollen etwa 15.000 Social Bots im Einsatz sein, welche durchschnittlich 60.000 Meldungen pro Tag absetzen[64]. Das tatsächliche Beeinflussungspotential ist jedoch empirisch nur schwer nachzuweisen[65].

[...]


[1] Clayton Die Pharaonen, 151.; Weir History´s Greatest Lies, 28 ff.

[2] WD 10 – 3000 – 003/17, 3.

[3] Trump „fake news“ from:realdonaldtrump, Twitter.com.

[4] Klein / Wueller JoIL 20.10, 6.

[5] Roßnagel et al. Policy Paper Fake News, 3; Klein / Wueller JoIL 20.10, 6.

[6] Klein / Wueller JoIL 20.10, 6.

[7] WD 10 – 3000 – 003/17, 6.

[8] Ähnlich auch: Klein / Wueller JoIL 20.10, 5.

[9] Rehfeld In Amerika herrscht die Lüge, Faz.net, 09.12.16.

[10] So auch Ozimek FBI-Insider packt über „Pizzagate“ aus, Epochtimes.de, 17.02.17; Adl-Tabatabai FBI Insider: Clinton Emails, Newspunch.de, 31.10.16.

[11] Rosenberg Trump Adviser Has Pushed Clinton Conspiracy Theories, Nytimes.com, 05.12.16.

[12] Suchbegriffsanalyse über den Online-Dienst Google Trends für den Zeitraum vom 02.09.12 – 28.08.17, URL unter: http://bit.ly/2wilcXG.

[13] WD 10 – 3000 – 067/16, 4 ff.

[14] Tomik Künast stellt Strafanzeige, Faz.net, 10.12.16.

[15] Stellungnahme der Polizei Berlin am 18.01.16, URL: http://bit.ly/2xqE33a.

[16] Rötzer Lisa, Flüchtlinge und Propagandakrieg, Heise.de, 27.01.16.

[17] Jahrespressekonferenz 2016 des russischen Außenministers, URL: http://bit.ly/1ZSqnEj.

[18] Die Fake-URL lautete: www.bloomberg.market.

[19] Kessler Übernahmewirbel um Twitter, Deraktionaer.de, 15.07.15.

[20] Ebd.

[21] Henning Arcadia Hotels sind nicht insolvent, Hotelling.net, 29.07.16; Ott „Arcadia Hotels“ nicht betroffen, Ahgz.de, 29.06.16; Theimer Verwirrung um Arcadia Insolvenz, Blmedien.de, 29.06.16.

[22] „Falschmeldung“ auf Duden.de, URL: http://bit.ly/2x5fyvw.

[23] Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 320.

[24] Stefanowitsch Laudatio, Sprachlog.de, 31.01.17; „fake“ auf Dictionary.cambridge.org, URL: http://bit.ly/2eVeOhI.

[25] „news“ auf Oxforddictionaires.com, URL: http://bit.ly/2iWtAJ6.

[26] Schwiesau/Ohler Nachrichten – klassisch und multimedial, 2.

[27] Vgl. „Kommentar“ auf Duden.de, URL: http://bit.ly/2xJCsp4.

[28] Klein / Wueller JoIL 20.10, 6.

[29] „fake-news“ auf Dictionary.cambridge.de, URL: http://bit.ly/2wyCy4u; Stefanowitsch Laudatio, Sprachlog.de, 31.01.17; Vgl. auch Zuckerman Fake news is a red herring, Dw.com, 25.01.2017.

[30] „Fake News“ auf Duden.de, URL: http://bit.ly/2eyqkir; Wolf in: Volmer Sind Fake News eher rechts als links?, N-tv.de, 11.01.17; Bendel Stichwort: Fake News, Wirtschaftslexikon.gabler.de; WD 10 – 3000 – 003/17; Reuter Fake-News, Bots und Sockenpuppen, Netzpolitik.org, 29.11.16; Tavernise Readers Shrug at the Truth, Nytimes.com, 06.12.16.

[31] Eine Sammlung von Fake-News-Webseiten findet sich auf: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_fake_news_websites.

[32] Langer Kinder vor Clickbaiting warnen, Schau-hin.info, 19.08.15.

[33] Von Suchmaschinen nicht indexierte und auf den Handel illegaler Waren spezialisierte virtuelle Marktplätze.

[34] Gu et al. The Fake News Machine, 6 ff.

[35] Anders im Fall Vinci, vgl. Hanke Bilanzmanipulation, Finanzchef gefeuert – alles nur Fake, Handelsblatt.com, 23.11.16.

[36] Ladurner Stadt der Lügner, Zeit.de, 18.12.16.

[37] Wolf in: Volmer Sind Fake News eher rechts als links?, N-tv.de, 11.01.17.

[38] Vgl. auch die Fake-News-Webseiten aus Mazedonien in Ladurner Stadt der Lügner, Zeit.de, 18.12.16; Tynan Facebok powers money machines, Theguardian.com, 24.08.2016; Kittel Fake-News aus Mazedonien, Wp.de, 28.12.2016. Auch Pizzagate soll nach Mazedonien zurückzuverfolgen sein (vgl. Klein / Wueller JoIL 20.10, 5).

[39] Vgl. BVerfG NJW 2006, 207; NJW 2003, 1109.

[40] Vgl. BVerfGE 90, 241, 247.

[41] Vgl. Zierhut / Koch Swiffer-Stellungnahme, Hoax-info.tu-berlin.de; Mikkelson False Prophecy, Snopes.com, 09.09.16; „Hoax“ auf Duden.de, URL: http://bit.ly/2wyztS0.

[42] MacFarquhar A Powerful Russian Weapon, Nytimes.com, 28.08.16.

[43] Seiffert Putins Propaganda-Sender, Focus.de, 23.07.2014.

[44] Roßnagel et al. Policy Paper Fake News, 5.

[45] jurisPK InternetR/ Roggenkamp/Stadler Kap. 10 Rn. 550 ff.

[46] Neben u.a. Wiki-, Diskussions- und Bewertungsplattformen.

[47] Vgl. http://www.alexa.com/topsites.

[48] Schiller et al. Social Network Usage, 2015.

[49] Gottfried / Shearer News Use 2016, Journalism.org, 26.05.16.

[50] Online-Umfrage des Munich Digital Institute 13.-15.01.2016, URL: http://bit.ly/1PscEOw.

[51] Roth Facebook Nutzerzahlen, Allfacebook.de, 02.07.17.

[52] Roth State of Facebook, Allfacebook.de, 27.07.17.

[53] WD 10 – 3000 – 067/16, 4; Vgl. auch MüKo StGB/ Lampe/Hegmann § 100a Rn. 1.

[54] Sela et al. Latent Viral Marketing, Arxiv.org, 1.

[55] Ebd.

[56] Ristevska RiPESH 6.1, 11.

[57] Silverman Viral Fake Election News, Buzzfeed.com, 16.11.16.

[58] Hier am Beispiel Facebook.

[59] Krischker JA 2013, 488, 489.

[60] Bähr Liebe für einen Tweet, Faz.net, 04.11.15.

[61] Kind et al. Social Bots, Tab-beim-bundestag.de, 4 f.

[62] Ebd., 8.

[63] Bessi / Ferrara First Mondays 21.11.

[64] Hegelich / Janetzko ICoWaSM, 579 ff.

[65] Hegelich Invasion der Meinungsroboter, 211, 1.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Die Strafbarkeit der Verbreitung sogenannter "Fake-News"
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
14,00
Autor
Jahr
2017
Seiten
43
Katalognummer
V448653
ISBN (eBook)
9783668830912
ISBN (Buch)
9783668830929
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Note "14 Punkte" entspricht einer 1,3 in einem Bachelorstudiengang.
Schlagworte
strafbarkeit, verbreitung, fake-news
Arbeit zitieren
Theodor Lammich (Autor:in), 2017, Die Strafbarkeit der Verbreitung sogenannter "Fake-News", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448653

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