Chopins Polonaisen. Analyse Op. 53 als exemplarisches Werk


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Polonaise
2.1. Zum Begriff ״Polonaise“
2.2. Die Geschichte der Polonaise

3. Chopins Polonaisen
3.1. Polonaise in cis-Moll - op. 26, Nr. 1
3.2. Polonaise in es-Moll - op. 26, Nr. 2
3.3. Polonaise in A-Dur - op. 40, Nr. 1
3.4. Polonaise in c-Moll - op. 40, Nr. 2
3.5. Polonaise in fis-Moll - op. 44
3.6. Polonaise-Fantasie - op. 61

4. Analyse Op. 53 - Ein exemplarisches Werk
4.1. Gegenüberstellung mit den frühen Polonaisen Chopins

5. Persönliches Fazit

6. Quellenverzeichnis
6.1. Primärquellen
6.2. Sekundärquellen
6.3. Internetquellen

1. Einleitung

Im musikwissenschaftlichen Seminar ״Chopin“, gehalten von Prof. Dr. Matthias Wiegandt, standen die Klavierwerke des polnischen Komponisten Chopin im Mittelpunkt. Dabei wurde das Seminar nicht chronologisch oder biographisch aufgearbeitet, sondern die Vorgehensweise war thematisch nach den verschiedenen Werkgruppen organisiert. Ausgehend von z.B. den Balladen, über die Impromptus, Nocturnes, Préludes und Chopins Tänze wurde im Detail der Versuch unternommen, das jeweils Gattungsspezifische herauszuarbeiten und an konkreten Werken zu veranschaulichen.

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit Chopin und seinen Polonaisen. Chopin komponiert in seinem Leben über 100 Tänze, die somit die größte Gruppe innerhalb seines Schaffens darstellen. Sein Leben lang begleitet ihn das Thema Tanz, was auch in einigen Quellen überliefert ist. Dabei liegt der Hauptschwerpunkt auf den Mazurken, Walzern und den Polonaisen. Vor allem die Polonaisen und Mazurken werden durch das Chopin-Buch (Paris, 1852) von Franz Liszt sehr hervorgehoben. Auch für Chopin haben diese beiden Tanzformen eine besondere Bedeutung, da seine erste Komposition eine Polonaise und seine letzte eine Mazurka ist.

Im Mittelpunkt der Hausarbeit stehen seine wohl berühmtesten sieben Polonaisen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der genaueren Überprüfung der in der Sekundärliteratur dargestellten Charakteristika. Dem vorangestellt ist ein Definitionsversuch der Gattung, sowie ein kurzer historischer Überblick der Polonaise. Dieses Kapitel ist als Grundlage und geschichtliche Basis zu verstehen.

Weiterführend wird eine der sieben Polonaisen besonders beleuchtet und exemplarisch untersucht werden. Interessant ist insgesamt die Frage, inwiefern sich die Entwicklung innerhalb der Polonaisen Chopins vollzieht.

2. Die Polonaise

2.1. Zum Begriff ״Polonaise“

Der Polonaise liegt ein polnischer volkstümlicher Tanz zugrunde. Mit dem Begriff verbindet man heute einen Dreiertakt in dem typischen Rhythmus (Achtel, zwei Sechzehntel, vier Achtel). Diese rhythmische Figur entsteht im 18. Jahrhundert. Der Charakter einer Polonaise wird oft als feierlich, würdevoll und gemessen beschrieben. Allerdings sind die Herkunft der Polonaise und auch die damit verbundenen geschichtlichen Anfänge nicht ganz eindeutig.

Die der Polonaise zugrundeliegende Tanzform ist auch unter verschiedenen und leicht variierenden Namen zu finden. Unteranderem gibt es die ältere Schreibweise polonoise und die weiteren Namen polacca, polska oder le/la polonel/le.

Ein Ursprung des Tanzes befindet sich in Eröffnungstänzen im 18. Jahrhundert, die zum feierlichen Zeremoniell dazugehören und besonders vom Adel beansprucht werden.

2.2. Die Geschichte der Polonaise

Die Polonaise ist eine der wichtigsten Ausdrucksformen der polnischen Musik und ihre Entwicklung ist in Polen, aber auch in Deutschland und Skandinavien von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Eine erste geschichtliche Quelle führt bis ins 16. Jahrhundert zurück und besagt, dass der Tanz zum ersten Mal 1574 von polnischem Adel in Krakau zum Anlass der Krönung des polnischen König dem französischen Prinzen Henri de Valois vorgeführt wurde. Allerdings handelt es sich hier vermutlich noch um eine geradtaktige Polonaise, was nicht dem bekannten Polonaise-Metrum entspricht. Doch dies ist kein ausschlaggebendes Kriterium, da es auch geradtaktige polnische Tänze gegeben hat, wie z.B. die Polonez, Polonese, Polonessa und Polonoise. Der Chopinforscher Karol Hlawiczka schreibt in seinem Aufsatz „Grundriss einer Geschichte der Polonaise bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts“[1], dass diese geradtaktigen Tänze, bestehend aus Vor- und Nachtanz, aufgrund ihrer Namen, als Vorgänger der Polonaise bezeichnet werden können.

Nach Hlawiczka durchlebt der polnische Tanz bis hin zur Polonaise vier Entwicklungsstufen:

1. 1574-1602 Entstehung und Bildung des geradtaktigen polnischen Tanzes mit Nachtanz (Vorgänger der Polonaise)
2. 1602-1647 Neue musikalische Elemente werden in den Nachtanz integriert
3. 1647-1721 Verselbständigung des Tanzes durch den ungeradtaktigen Nachtanz, als einfache Polonaise
4. 1721-1800 Entfaltung der Polonaise und musikalische Reifung des Tanzes durch diverse Komponisten unterschiedlicher nationaler Herkunft

In den ersten zwei Entwicklungsphasen ist die Polonaise noch stark von der polnischen Volksmusik beeinflusst. Während der dritten Phase wird der Nachtanz mit polnischen Rhythmen (z.B. punktierte Achtel, Sechzehntel, Viertel, Viertel) und Mazurka-Rhythmen erweitert und daraus entwickelt sich schlussendlich der bekannte Polonaise-Rhythmus. Durch die Verselbständigung des Nachtanzes, stirbt der geradtaktige Vortanz der Polonaise langsam aus. Der veränderte Nachtanz wird nun zum Haupttanz im Dreiertakt. In Folge erhält die Polonaise durch verschiedene Komponisten und andere zeitgenössische Tänze eine immer ausgereiftere Form. Es gibt nach wie vor Gebrauchstänze und Lieder, aber auch Polonaisen für viele Instrumente und Instrumentalensembles.

Auch im Gesamtwerk zahlreicher berühmter Komponisten, wie z.B. J.S. Bach und seinen Söhnen, Händel, Telemann, Goldberg, Mozart, Schubert, Schumann, Wagner, Liszt und natürlich auch Chopin, sind Polonaisen in verschiedenen Gattungen und Besetzungen zu finden. Hier wird nun deutlich, dass Chopin zwar die berühmtesten Polonaisen für Klavier komponiert, er aber bei weitem nicht der erste Komponist ist, der sich an Kompositionen dieser polnischen Tanzform wagt. Vielmehr sieht sich manch ein Komponist seit J.S. Bach in der künstlerischen Pflicht Polonaisen zu komponieren.

Die Polonaise entwickelt sich von polnischer volkstümlicher Tanzmusik zur artifiziellen Kunstmusik. Der Höhepunkt ist von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts anzusiedeln.

3. Chopins Polonaisen

Chopin komponiert insgesamt 16 Polonaisen für Klavier solo und eine Polonaise für Klavier und Orchesterbegleitung. Diese Kompositionen sind in einer großen Zeitspanne zwischen dem Jahr 1817 und 1845/46 entstanden. Die Arbeit an den Polonaisen begleitet Chopin also fast sein ganzes Leben lang. Daher lässt sich auch eine Entwicklung der Polonaisen innerhalb seines Schaffens, ja sogar ein großer Kontrast zwischen den frühen und den späteren Polonaisen erkennen.

Bereits in seiner Kindheit komponiert Chopin zwei erste Polonaisen, die stark von der heimischen polnischen Tradition beeinflusst sind, und weniger von Kompositionen bekannter Komponisten, wie J.S. Bach, Telemann oder Weber, die im polnischen Sinne vom Wesen der Tanzform weit entfernt liegen.

Die Entwicklung vollzieht sich von kurzen dreiteiligen Polonaisen in konventioneller, einfacher Form und schlichter musikalischer Gestaltung, bis hin zur letzten Polonaise, die sogar schon die Form des Tanzes verlässt und mit ihrem Zusatznamen Polonaise-Fantaisie die Form nahezu sprengt. Diese letzte Polonaise ist vom Umfang her fast achtmal solang wie die erste Polonaise. Doch nicht nur der Umfang gibt hier das ausschlaggebende Argument, dass Chopin mit seiner letzten Polonaise die Form des Tanzes überschreitet. Dieses Werk ist nicht mehr mit dem konventionellen Modell der Polonaise vergleichbar.

In der chronologischen Anordnung der Kompositionen ergibt sich allerdings ein Problem, da einige Polonaisen posthum veröffentlicht wurden. Dies erklärt sich dadurch, dass Chopin seine frühen Kompositionen einer Veröffentlichung nicht würdig genug empfindet. Zu diesen frühen Werken gehören neun Polonaisen, komponiert zwischen 1817 und 1829. Alleine sieben Polonaisen werden von Chopin veröffentlicht und mit Opuszahlen versehen und diese sind auch bekannt als die sieben Meisterpolonaisen.

Die Urtext-Gesamtausgabe der Polonaisen Chopins im Henle-Verlag soll im Folgenden als Grundlage der Analyse und der Veranschaulichung dienen. Hier werden zuerst chronologisch nach Erscheinungsdatum die sieben bekanntesten Polonaisen aufgeführt und anschließend folgen die posthum veröffentlichten Polonaisen.

Im Folgenden soll auf die sieben Meisterpolonaisen genauer eingegangen werden, die nach Henle in folgender Reihenfolge stehen:

Nr.1: Polonaise in cis-Moll op. 26, Nr.1
Nr.2: Polonaise in es-Moll op. 26, Nr.2
Nr.3: Polonaise in A-Dur op. 40, Nr.1
Nr.4: Polonaise in c-Moll op. 40, Nr.2
Nr.5: Polonaise in fis-Moll op. 44
Nr.6: Polonaise in As-Dur op 53
Nr.7: Polonaise-Fantasie op. 61 in As-Dur

Mieczyslaw Tomaszewski teilt diese sieben Polonaisen in die „Romantischen Polonaisen“ (op. 26, Nr.1, 2), die „Heroischen Polonaisen“ (op. 40, Nr.1, 2) und die „Pianistische Poème“ (op. 44, op. 53 und op. 61). Diese Einteilung entsteht durch die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Polonaisen. Mit dem ersten Begriff der „Romantischen Polonaise“ bezieht sich Tomaszewski auf Briefe Chopins, der die beiden Polonaisen op. 26 mit dem Begriff polonaises mélancoliques benennt. Die Polonaisen op. 40 stellt er als die „Heroischen Polonaisen“ dar, da bei diesen der Rhythmus, gegenüber der Melodie, die deutlich wichtigere Funktion einnimmt. Die letzten Polonaisen beschreibt Tomaszewski als „Pianistische Poème“, sozusagen als eine freie dichterische Schöpfung. Dies lässt schon erahnen, dass sich diese drei Polonaisen in ihrer Form, Umfang und der angereicherten Harmonik deutlich von den vorherigen Polonaisen absetzen. Die polnische Pianistin Prof. Regina Smendzianka schreibt in ihrem Aufsatz „How to Play Chopin?“[2] über diese drei Polonaisen:

„The free and uniquely individual form of each of the above pieces does not allow me to make any far-reaching generalization on their characteristic features, nor to discuss them in detail.“

Walter Rehberg geht konträr zu dieser Meinung vor, indem er versucht jeder Polonaise ein Adjektiv zuzuordnen. Er wählt folgende Begriffe:

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Allerdings bleibt fraglich, ob eine Polonaise Chopins mit nur einem Begriff ausreichend charakterisiert werden kann. Spätestens bei der Polonaise-Fantasie wird deutlich, dass diese Kritik gerechtfertigt ist, da Rehberg für dieses Werk offensichtlich keine passende Beschreibung gefunden hat.

Im Folgenden soll genauer untersucht werden, inwiefern die beschreibenden Charakterisierungen zutreffen, bzw. nicht ausreichend sind und noch genauer präzisiert werden müssen. Dabei wird die Polonaise op. 53 in As-Dur nicht beleuchtet werden, da diese exemplarisch im folgenden Kapitel genauer analysiert wird.

3.1. Polonaise in cis-Moll - op. 26, Nr. 1

Dieses Werk ist 1836 mit der Nr. 2 erschienen und wird ein Jahr zuvor von Chopin komponiert. Es weist eine große zweiteilige Form auf und hat als Besonderheit das Fehlen der Reprise.

Zu klären ist nun, ob das Adjektiv „romantisch-lyrisch“ als ein die Polonaise in ihrer Ganzheit gut beschreibender Begriff akzeptiert werden kann. Dafür sprechen in diesem Fall einige Merkmale. Die Einleitung ist durch einen hämmernden Rhythmus geprägt, der wiederholt erklingt und auf den die Bezeichnung „lyrisch“ nicht passt. Dafür entfaltet sich die anschließende erste Melodie sehr gesanglich über acht Takte, zunächst in einem Halbschluss mündend, dann zurückgehend und schließt auf der Moll-Tonika endend. Diese Melodie, mit einer vergleichsweise schlichten Begleitung, ist klar und durchscheinend im Klang und kann als „lyrisch“ bezeichnet werden. Die lyrische Melodie wird aber immer wieder von rhythmisch-markanten und lauten Stellen unterbrochen.

Im D-Teil, der mit Meno mosso überschrieben ist, ist eine breite Des-Dur Kadenz angelegt, die durch pendelnde Harmonik, Dominantketten und Trugschlüsse erweitert wird. Die durch enharmonische Verwechslung geprägte Harmonik, aber auch der Einsatz des neapolitanischen Sextakkordes in T. 11/23 lassen das Werk vielleicht etwas romantisch erscheinen, dennoch können harmonische Merkmale nicht ausreichend für eine solche Bezeichnung sein, da bekanntlich der neapolitanische Sextakkord schon in Carissimis Oratorium Jephte auftaucht.

[...]


[1] Siehe Quellenverzeichnis: Internetquelle, 1)

[2] Siehe: Quellenverzeichnis, Inhaltsverzeichnis, 3)

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Chopins Polonaisen. Analyse Op. 53 als exemplarisches Werk
Hochschule
Hochschule für Musik Karlsruhe
Note
2,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V448737
ISBN (eBook)
9783668847460
ISBN (Buch)
9783668847477
Sprache
Deutsch
Schlagworte
chopins, polonaisen, analyse, werk
Arbeit zitieren
Ludger Donath (Autor:in), 2016, Chopins Polonaisen. Analyse Op. 53 als exemplarisches Werk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448737

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