Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Funktion der Basissätze
III. Logische Form der Basissätze
IV. Exkurs: Das Basisproblem
IV.1 Der psychologistische Ansatz
IV.2 Poppers Ansatz der intersubjektiven Nachprüfbarkeit
V. Inhaltliche Form der Basissätze
VI. Kritik
VII. Schluss
I. Einleitung
„Dass die Erfahrungswissenschaften auf Sinneswahrnehmungen, auf Erlebnisse zurückführbar sind, ist eine These, die vielen fast als selbstverständlich gilt“, bemerkt Karl Popper in seiner 1935 erschienenen Abhandlung „Logik der Forschung“. Er kritisiert darin vor allem die in der damaligen Wissenschaftstheorie dominierende Richtung des logischen Empirismus und setzt ihr seine Logik, die im Wesentlichen auf dem Falsifikationismus aufbaut, entgegen. Im Folgenden werde ich Poppers Theorie der Basissätze und das damit verbundene Problem der Basis darstellen.
II. Funktion der Basissätze
Statt dem von ihm abgelehnten Verifikationismus vertritt Popper eine Theorie der Falsifizierbarkeit. Die sogenannten Basissätze spielen dabei eine wichtige Rolle, da Falsifizierbarkeit in einer logischen Beziehung zwischen einer Theorie und Basissätzen besteht. Basissätze nennt er alle empirischen singulären Sätze bestimmter Form, die theoretisch mögliche Tatsachenfeststellungen sind. Eine Theorie heißt ‚empirisch’ bzw. ‚falsifizierbar’, wenn sie die Klasse aller überhaupt möglichen Basissätze eindeutig in zwei nichtleere Teilklassen zerlegt“. Eine Teilklasse wird von ihr erlaubt, die andere verbietet sie, weil sie mit ihr in Widerspruch stehen. Letztere bezeichnet er als die Falsifikationsmöglichkeiten der Theorie. Wichtig ist, dass die Theorie dabei nur über die Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten etwas aussagt (nämlich dass die beinhalteten Sätze falsch sind), nicht jedoch über die erlaubten Basissätze.[1]
Während die Falsifizierbarkeit ein Kriterium für den empirischen Charakter einer Theorie darstellt, ist die Falsifikation ein tatsächlich erfolgter Vorgang der Widerlegung. Damit eine Theorie als falsifiziert gilt, müssen Basissätze anerkannt werden, die eine falsifizierbare Hypothese bewähren. Diese Hypothese hat einen niedrigeren Allgemeinheitsgrad als die Theorie und muss der Theorie widersprechen.
Die zwei Funktionen der Basissätze sind also folgende:
1. Sie dienen als Bezugspunkt bei der Beurteilung einer Theorie als empirisch.
2. Sie sind ein Mittel zur Bewährung bzw. Falsifikation einer Theorie.[2]
III. Logische Form der Basissätze
Dafür müssen sich die formalen Anforderungen für die Basissätze nach zwei Bedingungen richten:
1. Sie dürfen nicht ohne Randbedingung aus allgemeinen Sätzen folgen, da allgemeine Sätze nichts über die tatsächliche Existenz des in ihr Erwähnten aussagen.
2. Sie müssen dennoch mit allgemeinen Sätzen im Widerspruch stehen können, damit eine Falsifikation möglich ist.
Aus 2. folgt, dass die Negation eines widersprechenden Basissatzes aus der Theorie ableitbar sein muss. Daraus und aus 1. folgt, dass die Negation eines Basissatzes selbst kein Basissatz sein darf.
Popper setzt fest, dass Basissätze die Form von singulären Es-gibt-Sätzen haben sollen: „Es gibt an der Raum-Zeit-Stelle k einen Gegenstand x“ bzw. „an der Raum-Zeit-Stelle k findet Ereignis x statt“. Die beiden Forderungen sind damit erfüllt, denn
1. kann aus einem universellen Es-gibt-nicht nicht ohne weiteres ein singulärer Es-gibt-Satz abgeleitet werden, aber
2. ein Es-gibt-Satz kann immer einem Es-gibt-nicht-Satz widersprechen.
Die Konjunktion von Basisätzen ergeben ihrerseits wieder Basissätze. Da Theorien oft in Form einer Implikation gefasst sind, weist Popper ausdrücklich darauf hin, dass auch die Konjunktion eines Basissatzes und eines singulären Es-gibt-nicht-Satzes ein Basissatz darstellt: Der Basissatz r ^ Ø p falsifiziert die Theorie r ® p.[3]
Neben der logischen Form sind vor allem die materiellen Kriterien eines Basissatzes interessant, da Popper das Problem der Falsifizierbarkeit von der Ebene der Theorie auf die der Basissätze verschiebt. Wie müssen sie inhaltlich beschaffen sein, damit man sie als empirisch anerkennen kann?
IV. Exkurs: Das Basisproblem
Beim Basisproblem, der Frage nach der Grundlage von wissenschaftlichen Erfahrungssätzen, liegt ein Trilemma vor:
1. Wissenschaftliche Sätze müssen begründet werden, um nicht in den Dogmatismus zu verfallen.
2. Möchte man sie logisch begründen, muss man sie auf andere Sätze zurückführen, was zum infiniten Regress führen würde. Möchte man diesen beiden entgehen, bleibt noch
3. der Psychologismus, der überwiegend vertreten wird.[4]
IV.1 Der psychologistische Ansatz
Den Psychologismus beschreibt Popper als Ausdruck einer Wissenschaftsvorstellung, für die Wissenschaft eine systematische Darstellung unserer Überzeugungserlebnisse ist.
Es wird die Überzeugung vertreten, dass Sinneswahrnehmungen als unmittelbare Erkenntnisse die Sätze der Wissenschaft rechtfertigen können.
Empirische Sätze sprechen über unsere Erlebnisse, und beim Vergleich dieser Erlebnisse mit Sätzen können wir letztere als wahr oder falsch bestätigen.
In einer ähnlichen, moderneren Variante des Psychologismus wird eine Wissenschaftssprache in Abgrenzung zur Alltagssprache etabliert, die statt von Wahrnehmungen von Sätzen, die unmittelbare Erlebnisinhalte beschreiben, spricht – den sogenannten Protokollsätzen. Diese werden zur Grundlage aller übrigen wissenschaftlichen Sätze und als nicht weiter bewährungsbedürftig erklärt. Formal gesprochen, werden also Sätze nicht mithilfe von Sachverhalten überprüft, sondern von (Protokoll-)Sätzen.[5]
IV.2 Poppers Ansatz der intersubjektiven Nachprüfbarkeit
Für Popper scheitert der Psychologismus unter anderem am Universalienproblem, denn jeder wissenschaftliche Satz enthält Universalien. Universalien lassen sich nicht auf Klassen von Erlebnissen zurückführen, da sie Gesetzmäßigkeiten implizieren, und gehen somit darüber hinaus, was in einem unmittelbaren Erlebnis erkannt werden kann[6]:
P1 Alle wissenschaftlichen Sätze enthalten Universalien.
P2 Universalien lassen sich nicht auf unmittelbare Erlebnisse zurückführen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
K1 Wissenschaftliche Sätze können nicht auf unmittelbare Erlebnisse zurückgeführt werden.
Popper geht mit seiner Ablehnung der Induktionslogik von einer anderen Auffassung der Wissenschaft aus. Er unterscheidet zwischen „unserem Wissen“ und der objektiven Wissenschaft. Erfahrungen liefern uns unser Wissen, können aber nicht die Geltung von Sätzen begründen. Dies gilt auch für die Protokollsätze, die für Popper nur Wahrnehmungserlebnisse in formaler Redeweise sind.
Die objektive Wissenschaft braucht logische Begründungszusammenhänge zwischen Sätzen, deren Folgerungen intersubjektiv nachprüfbar sein müssen.
Popper begründet seine Ansicht mit einer Analogie aus dem Bereich der Logik. Logische Schlüsse werden nicht dadurch begründet, dass sie in Form einer Denknotwendigkeit wahrgenommen werden, sondern müssen durch detaillierte Darstellung der Nachprüfung freigegeben werden.
Ebenso muss man in der empirischen Wissenschaft verfahren. Ein Satz muss unter Angabe einer genauen Versuchsanordnung angegeben werden, sodass jeder Forscher ihn überprüfen kann.[7]
Popper löst für sich das Problem der Basis, indem er die Anerkennung von Basissätze als Festsetzung betrachtet. Die Festsetzung erfolgt bei der Überprüfung eines Basissatzes im Experiment. Jeder anerkannte Basissatz kann durch Deduktion anderer Basissätze überprüft werden, sodass das Verfahren theoretisch kein Ende findet. Um ein Ergebnis zu bekommen, wird man sich vorläufig auf Sätze einigen müssen, und zwar solche, die „leicht“ nachprüfbar sind, also bei denen sich die Forscher auf die Anerkennung bzw. Verwerfung einigen können.
Popper entgeht
[...]
[1] Vgl. Karl Popper (2005): Logik der Forschung, Tübingen: Mohr Siebeck, S. 60ff.
[2] Vgl. ebd. S. 62f.
[3] Vgl. ebd. S. 77ff.
[4] Vgl. ebd. S. 96f.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. ebd. S. 70f.
[7] Vgl. ebd. S. 74f.