Jungen als Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems?


Diploma Thesis, 2015

85 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Charakteristische Differenzen der Geschlechter
Hormonelle und gehirnbiologische Perspektive
Die psychosoziale Perspektive
Jungen spielen anders
Werden Jungen anders erzogen als Mädchen?

3. Geschlechterdifferenzen bei Erziehung und Bildung
Jungen in pädagogischen Institutionen
Jungen in Kindergärten
Jungen in den Schulen
Schulsystem und Geschlechtsverhältnisse in der Schule

4. Jungen als Bildungsverlierer
Jungendas in der Schule benachteiligte Geschlecht?
Bildungsdaten im Zeitvergleich
Geschlechtsspezifische Leistungsdifferenzen
Lesekompetenz
Berufs- und Studienwahl

5. Wie Jungen sich selbst sehen

6. Die Bedeutung von Identifikationsfigur für Jungen

7. Jungen und Gewalt

8. Jungen – Sorgenkinder oder Sieger?

9. Brauchen Jungen eine andere Erziehung als Mädchen

10. Jungen sind keine Mädchen

11. Schlussbetrachtung

12. Abbildungsverzeichnis

13. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wenn wir wirklich wollen, dass es unsere Töchter einmal leichter haben, müssen wir es unseren Söhnen schwerer machen“ und „die Anerkennung der Mädchen kann nur auf Kosten der kleinen Buben geschehen“ (Frauenzeitschrift EMMA 1986) postulierte der Feminismus der 80er Jahre.

Dieses Ziel scheint heute erreicht. Jungen sind in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld der pädagogischen Aufmerksamkeit gerückt. Sie werden im Durchschnitt eine ganze Schulnote schlechter als Mädchen aufgezeichnet. Nach den aktuellen Diskussionen in den Medien und der Politik gilt das männliche Geschlecht in der Bildung als benachteiligt. Jungen werden zu ‚Katastrophenjungen’ degradiert und seit einigen Jahren, insbesondere nach den erschreckenden Ergebnisse von PISA im Jahr 2000, ist die Rede davon, dass das siegreiche Geschlecht des 21. Jahrhunderts die Mädchen sind, währenddessen das männliche Geschlecht zunehmend ins Abseits geraten. Es wird mittlerweile ein Perspektivwechsel „von der Benachteiligung der Mädchen zur Benachteiligung der Jungen“ hervorgebracht. Sie haben in den letzten Jahren immer mehr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bzw. der Medien gefunden. „Folgt man den populären Printmedien, so werden Jungen im Vergleich zu Mädchen pädagogisch und bildungspolitisch schon lange vernachlässigt und benachteiligt“ (Schultheis/ Fuhr 2006, S. 12). So kam es bereits ab dem Jahr 2000 zu den folgenden Schlagzeilen und Titeln in bekannten deutschen Zeitschriften und Zeitungen: „Jungs – das schwache Geschlecht“ (Stern 24/2000), „Schlaue Mädchen, Dumme Jungen“ (Spiegel 21/2001), „Arme Jungs“ (Focus 32/2002), „Sorgenkinder der Gesellschaft“ (Geo Spezial 3/2003), „Böse Buben, kranke Knaben“ (Spiegel-Online 2002), „angeknackste Helden“ (Spiegel 21/2004), „Risikofaktor Mann“ (Taz 2003) oder „Mädchen als Gewinnerinnen, Jungen als Verlierer der Moderne“ (Rose/ Schmauch 2005).In allen Medien ist mindestens ein Beitrag darüber zu finden. Die Jungen bezeichnen sich heute als unsere neuen Sorgenkinder des Bildungssystems, obwohl sie früher die Mädchen waren. Man greift die Geschlechterfrage immer wieder auf und diskutiert, wie man die Jungen fördern kann, damit man diese Stagnation der schulischen Leistungen der Jungen verhindert.

Die Bildungsbeteiligung und der Schulerfolg von Mädchen liegen inzwischen deutlich über denen der Jungen. Die Statistik bringt die Wahrheit eindeutig vor die Augen. Es ist zwar immer noch knapp die Hälfte der Abiturienten männlich, aber die Zahlen gingen in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurück. 2003 betrug die Abiturientenquote nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei Mädchen 42,4% eines Jahrgangs; bei Jungen 36,4%. Nicht nur bei den höheren Bildungsabschlüssen, sondern erst recht am unteren Ende der Skala stehen die männlichen Schüler schlechter da. Von der Grundschule wechseln die meisten Jungen auf die Hauptschule. Doppelt so viele wie Mädchen. Sitzenbleiber, Sonderschüler, Schulabbrecher oder diejenigen ohne Schulabschluss sind in der Mehrzahl männlich, an gewalttätigen Auseinandersetzungen an Schulen sind fast nur Jungen beteiligt. (Romberg, 2003, S. 85) Eine genauere Analyse führt zu dem Ergebnis:

„Es bestehen also deutliche Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, die zuungunsten der Jungen ausfallen. Am ausgeprägtesten sind diese Unterschiede in der Gruppe derjenigen, die keinen Hauptschulabschluss erreichen; unter ihnen sind bei weitem häufiger Jungen als Mädchen“ (Diefenbach/Klein 2002, S. 941)

Die Problematik lässt sich noch weiter differenzieren und es geht darum, dass ausschließlich die Jungen spezifisch gefördert werden müssen. Für eine Jungen-Pädagogik werden zunächst Grundkenntnisse über die Verschiedenheit von Jungen und Mädchen gebraucht und wie diese überhaupt zustande kommen.

Da dies alles zeigt, dass es unter professionalen wie auch in der Öffentlichkeit einen großen Informationsbedarf zu diesem Thema gibt, möchte ich im Weiteren versuchen die folgenden Fragen zu beantworten und in Betracht zu nehmen, wie die Stagnation der schulischen Leistungen der Jungen zu erklären ist;

Welche unterschiedlichen Verhaltensweisen von Mädchen und Jungen treten in den pädagogischen Institutionen auf, die eventuell mit dem Sinken der männlichen Schulleistung zusammenhängen? Werden tatsächlich die Jungen in der Schule immer schlechter oder rücken die Mädchen so weit auf und überholen die Jungen in den Leistungen, so dass das weibliche Geschlecht ins Vordertreffen geraten und kleine Männer dabei arm dastehen lassen? Können wir alle über einen Kamm scheren? Nach vielen Berichten und Befragungen verschlechtert sich die Situation von immer mehr Jungen. Von welchen Faktoren hängt das ab? Was kann man dafür tun, so dass die Jungen sich wieder in den Schulen verbessern können? Ist das Schulsystem dafür verantwortlich, werden Jungen in der Schule benachteiligt oder gibt es verschiedene Faktoren, die man präventiveren oder sogar interventiveren kann? Was für Leistungsunterschiede gibt es wirklich zwischen den Mädchen und Jungen? Brauchen die Jungen eine andere Erziehung als Mädchen? Diese Fragen zu beantworten, hat sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt.

Anhand dieser Fragen möchte ich in Folgenden auf das Thema „Jungen als Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems“ eingehen und Jungen nicht nur unter pädagogischen, sondern auch unter geschlechterpolitischen Gesichtspunkten in den Blick nehmen.

2. Charakteristische Differenzen der Geschlechter

Im Folgenden möchte ich Geschlechtstypische Verhaltensunterschiede von Jungen und Mädchen aus verschiedenen Perspektiven in Betracht nehmen. Außerdem werde ich auf jene naturgeschichtlichen Tatsachen eingehen, die für das Thema „weiblich/männlich“ bedeutsam sind. So dass man genauer versteht, inwieweit Menschen durch die Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechter Unterschiede aufweisen.

Hormonelle und gehirnbiologische Perspektive

Die Frage, ob Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechter in ihrem Erleben und Verhalten Unterschiede aufweisen, wurde und wird in der Geschichte der Jungen-Pädagogik sehr unterschiedlich beantwortet. Nach vielen wissenschaftlichen Fortschritts zeigen beide Geschlechter neben vielen Gemeinsamkeiten und neben den Unterschieden aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungen auch deutliche Unterschiede auf, die im Wesentlichen nicht auf Unterschiede in Erziehung oder auf gesellschaftliche Normen zurückzuführen sind. (vgl. Matzner/Tischner 2012,S.27)

Jungen und Mädchen zeigen verschiedene Verhaltensweisen sogar bereits im Mutterleib. Festgestellt wurde, dass die Jungen als Embryo schon aktiver sind, obwohl bis dato weder eine Sozialisation noch jegliche Erziehung stattfindet.

Außerdem sind Mädchen von Geburt an emotional ausgeglichener und leichter zu beruhigen, während die Jungen schon aktiver sind, sodann vom ersten Lebenstag an störbarer, impulsiver, schlechter zu beruhigen, emotional rascher aufgedreht und schnell auch einmal überdreht.

In diesem Zusammenhang ist auf ein wichtiges Thema hinzuweisen, die elterliche Investition. Sie kann wichtige Fakten, Zusammenhänge beisteuern und einige geschlechtsspezifische Dispositionen erklären. Diese Investition kann aber anhand der Begrifflichkeiten dargestellt werden. Ein Kind zu erzeugen, zu ernähren und zu kultivieren, ist ein elterlicher Aufwand. Dieser Aufwand ist bei Frauen besonders höher als bei Männern, von denen lediglich die Befruchtung erforderlich ist. Männer können demnach potentiell Hunderte von Kindern erzeugen. Das männliche Fortpflanzungspotential kann aber nicht ohne weiteres unendlich genutzt werden, da Partnerinnen mehrfach mit Schwangerschaft oder Betreuung des Nachwuchses beschäftigt sind. Demzufolge entsteht die Notwendigkeit des männlichen Geschlechts mit Konkurrenten rivalisieren zu müssen. (vgl. Matzner/Tischner 2008,S. 24) Konkurrenzverhalten und damit einhergehenden Verhalten wie Imponiergehabe und Aggression können hieraus abgeleitet werden.

Hierfür liegen aber die Gründe in den hormonellen Einflüssen. Das Geschlechtshormon Androgen hat hierbei die Schlüsselrolle. Androgene bilden die Geschlechtsmerkmale aus, beeinflussen verhaltensregulierende Gehirnstrukturen und den Testosteronsspiegel. Und etwa von der achten Schwangerschaftswoche an wird es schon in den Hoden vom männlichen Embryo produziert.

Dem entsprechend geht man davon aus, wenn die Kinder als Embryo soviel Androgene ausgesetzt waren, sind von Charakter her noch unternehmungslustiger und aggressiver. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S.27) Der Vollkommenheit halber ist es hinzuzufügen, dass man Biologie und Umwelt nicht trennen kann. Entsprechend formulierte es Chasiotis/Voland (1998, S.582):

„Die Gene bestimmen, welche Aspekte der Umwelt überhaupt verhaltenswirksam werden können, und die Umwelt bestimmt, wann welche Gene auf welche Weise tatsächlich aktivieren.“ (vgl. Schulheis / StrobelEisele/Fuhr 2006, S.57)

Außerdem ist jedoch unklar, ob derart globale hirnstrukturelle Unterschiede in irgendeinem Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Fähigkeiten oder Verhaltensweisen stehen, aber das ist die Wirklichkeit, dass die Größe des Gehirns den offensichtlichsten und am häufigsten berichteten Unterschied zwischen Jungen und Mädchen betrifft. Und bei dem Thema sind die Jungen den Mädchen mit von acht bis zehn Prozent eine Nasenlänge voraus.

Die Basis von Verhalten im allgemeinem besteht aus verschiedenen Komponenten: das Fühlen, Denken und Handeln als auch die Anlage, die immer in Wechselwirkung zur Umwelt steht. Da die ersten drei Komponenten durch das Gehirn gesteuert wird, sollte man es, wenn man geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede erklären möchte, genauer in Betracht nehmen.(vgl. Matzner/Tischner 2008, S.34) Um auf das Thema erhöhte körperliche Aggression bei Jungen zurückzukehren: Es lässt sich auch hirnbiologisch erklären. So können Jungen weniger gut als Mädchen in Stressbedingungen negative Emotionen kontrollieren, so dass impulsive Wutausbrüche entstehen. Die Impulskontrolle geschieht durch folgende Hirnstrukturen: Ein Bereich der vorderen Stirnrinde (orbitofrontale Cortex) als auch ein Teil des limbischen Cortex (anteriore cinculäre Cortex) wirken durch den Botenstoff Serotonin hemmend auf den Mandelkern (Amygdala). Durch das Serotonin ist der Mandelkern weniger aktiv und erzeugt dadurch weniger negative emotionale Impulse. Der Grund der besseren Impulskontrolle bei Frauen liegt wohl an der größeren Anzahl von Serotonin – Rezeptoren und dem größeren orbitofrontalen Cortex, die sie im Gegensatz zu Männern besitzen. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 42) Ein weiterer wesentlicher Geschlechtsunterschied, den man anhand von Gehirnstrukturen nachweisen kann, ist die sprachliche Fähigkeit. Die wichtigsten Gehirnzentren für Sprachverarbeitung sind im Bereich des Stirnlappens (Broca – Areal) sowie im Schläfenlappen (Wernicke – Areal) der linken Gehirnhälfte lokalisiert. Im Vergleich zu Männern sind bei Frauen die Broca- und WernickeAreale größer und in den sprachrelevanten Regionen ist der Anteil der grauen Substanz, die für die Informationsverarbeitung im Gehirn zuständig ist, höher. Interessanterweise wurde bei Jugendlichen ein umgekehrtes Verhältnis gefunden. Bei Jungen im Alter zwischen sechs und fünfzehn wurde im Broca – Areal mehr graue Substanz gefunden als bei Mädchen. Des Weiteren nimmt dort die weiße Substanz, die Informationen innerhalb des Gehirns weiterleiten, nur bei Jungen bis ins hohe Alter linear zu. Dieser Anstieg könnte die erhöhte Anfälligkeit von Sprachfehlentwicklungen bei Jungen erklären. Als Ergebnis kann man sagen, dass sich die Sprachzentren geschlechtsspezifisch entwickeln und reifen. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 37-38)

Die psychosoziale Perspektive

In der Tat existieren sowohl auf hirnbiologischer als auch auf psychosozialer Ebene Hinweise darauf, dass Geschlechtsunterschiede in der Impulskontrolle bestehen, die für die Unterschiede im Verhalten zwischen Jungen und Mädchen mitverantwortlich sein können. Im Nächsten soll geklärt werden, wie ein Junge überhaupt zum Jungen und das geschlechtstypische Verhalten erzeugt wird. Dabei werden einige Theorien kurz umrissen.

Lerntheoretische Konzepte besagen, dass Jungen durch die Umwelt, sprich von den Eltern und anderen Bezugspersonen zum Jungen geformt werden. Eltern behandeln Jungen und Mädchen von Geburt an anders. Die Geschlechtsrollenvorstellung ist eine wesentliche Ursache. (vgl. Matzner/Tischner 2008 S. 50) Ergänzend wäre festzustellen, dass das elterliche Verhalten auch eine Reaktion auf eine von Geburt an unterschiedliches Verhalten zwischen Junge und Mädchen ist. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 22) Sicherlich spielen beide Faktoren eine wesentliche Rolle. Soziale Lerntheorien gehen davon aus, dass Jungen ihr geschlechtsspezifisches Verhalten durch gleichgeschlechtliche Modellen (Vater, großer Bruder, evtl. Lehrer) erlernen. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 51) Bei der Identifikationstheorie entwickelt sich zwischen Sohn und Vater eine enge gefühlsmäßige Bindung (Identifikation), die dazu führt, dass der Sohn nicht nur äußerliche Verhaltensweisen der Vaters sondern auch innere Einstellungen imitiert. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S.52) Letztendlich bei Kohlbergs kognitive Theorie, die man als Rahmentheorie verstehen kann, ist das Kind aktiv, das Informationen verarbeitet ein gesetzmäßiger Vorgang im Körper tritt in Kraft. Ab dem sechstem Lebensjahr sind Kinder von sich aus sehr stark daran interessiert sich nach ihrem Geschlecht angemessen zu verhalten, was hauptsächlich durch nacheifern eines Elternteils oder eines anderen Vorbildes geschieht. Für die Entstehung von psychischen Geschlechtsunterschieden spielen aber auch Einflüsse der sozialen Umwelt eine gewichtige Rolle: Das Erziehungs- und Vorbildverhalten, die Peer Group und die Medien dürfen nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 54)

Außerdem muss ich hier auf einige Leib- und Körperkonflikte im Aufwachsen von Jungen eingehen und erläutern. Der erste Konflikt geschieht mit der Bindungsablösung zur Mutter und zugleich mit der Bindungssuche zum Vater. Diese Bewältigungserfahrung betrifft die frühe kindliche Phase eines Jungen, im Alter von 3 bis 5 Jahren. Nun ist es aber meist schwer für Jungen die Alltagsidentifikation des Vaters zu bekommen, da sie nicht nur räumlich sondern sogar oft auch mental abwesend sind, die Erziehungs- und Hausarbeit obliegt schließlich überwiegend der Mutter. Auch im Kindergarten fehlen männliche Vorbilder. Auf diese Weise erfährt der Junge kaum männliche Schwächen und nimmt im zunehmenden Alter zusätzlich durch die Medien nur die “starke“ Seite des Vaters wahr. Dies führt zwangsweise zur Idolisierung des Manns Seins und zur Abwertung des “schwachen Weiblichen“. Hierbei sind das Auftreten und Tätigkeiten der Mutter sowie das Einbringen des Vaters in das Familienleben wichtig, damit ein solches Gedankengut von Jungen erst gar nicht entsteht. Die Entwicklung zum Mann-Werden hängt nicht nur von der MutterVaterKonstellation ab, sondern auch von den Erfahrungen, die sie in ihrem gesamten sozialen Umfeld machen. So fragen sich Eltern, warum ihre Kinder traditionelle Geschlechtsrollen übernehmen, obwohl sie eine geschlechtsemanzipative Erziehung erfahren haben. Die Geschlechterbilder der Medien spielen hier eine gewichtige Rolle. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 71ff)

Jungen spielen anders

Nach Nickel und SchmidtDenter (1988) beschäftigen sich Kinder, wenn man die Spielwelten von Jungen im Basis von Instrumenten, ab dem dritten Lebensjahr zunehmend mit geschlechtstypischem Spielmaterial. (vgl. Blossfeld /Bos 2009, S. 57) Während Jungen Baukasten, Werkzeuge und technisches Spielmaterial favorisieren, bevorzugen die Mädchen Puppen und Spielhaushaltsgerate. (vgl. Einsiedler 1999; siehe Abbildung 20).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Spielmittelbesitz der Schulanfänger (Hartmann 2000. S. 92)

Bei dem gemeinsamen Spiel von Mädchen und Jungen Scheu werden meist geschlechtsneutrale Spielzeuge verwendet. Scheu (1995) betrachtet ausdrücklich, dass die geschlechtsneutralen Spielzeuge die Interaktion zwischen Mädchen und Jungen scheint anzuregen, während die geschlechtstypischen Spielzeuge eher zu getrenntgeschlechtlichem Spiel führen. Geschlechtstypisches Spielmaterial hat außerdem geschlechtstypische Spielformen und Interessen zur Folge. ( vgl. vbw 2009. S. 57)

Außerdem Viele Gemeinsamkeiten verfügen bei den spontanen Spielinteressen von Jungen und Mädchen und sie spielen selten allein. Zum Beispiel treffen Jungen und Mädchen am ehesten beim Malen und Basteln, bei Rollenspielen und bei Regelspielen aufeinander. Beobachtungen in der Schule zeigen, dass dies auch bei den geleiteten Angeboten vor kommt und dass sie oft harmonisch zusammen spielen. (vgl. Kaiser 2005, S. 26)

Infolgedessen sind die Spielwelten von Jungen und Mädchen unterschiedlich. Es ist offensichtlich, wie denn ein Junge seine Identifikation mit den Impulsen, Gedanken Sehnsüchten, die in ihm leben, die eben typisch jungenhaft sind, die ihm Sicherheit vermitteln in seinem Dasein als Junge findet. Bestimmte geschlechtstypische Verhaltensunterschiede lassen sich bereits von Geburt an nachweisen. So sind Jungen vom ersten Lebenstag an impulsiver, schwerer zu beruhigen, rascher emotional aufgedreht. Mit sechs Monaten ist es ihnen deutlich wichtiger als Mädchen, sich durchzusetzen. Sie nehmen auch häufiger anderen Kindern Spielzeuge weg. Schon mit einem Jahr spielen Mädchen lieber mit Stofftieren und Puppen, Jungen bevorzugen Autos und andere Maschinen alles, das irgendwie funktioniert. Jungen interessieren sich auch eher für verbotene Dinge und raufen vom dritten Lebensjahr an gerne. Natürlich gibt es immer auch Ausnahmen die Tendenzen aber sind klar verschieden. Hier wird nicht auf eine rein gattungsbezogene triebhafte Männlichkeit gemeint. Das, was einen Jungen auch echt und liebenswert macht. Diesen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen möchte ich mit meinen Beobachtungen deutlich machen, die ich in meiner Familie gemacht habe: Meine Schwester hat natürlich viel und ausgiebig gespielt. Nicht nur mit Puppen, auch mit Bauklötzchen, draußen auf der Straße, mit den Nachbarmädchen. Selbstverständlich haben sie sich gestritten und gefetzt. Aber ihre Art zu spielen hatte etwas Inniges. Sie haben Kaufladen oder Post gespielt, dann konnten sie Vormittage lang beschäftigt sein. Die Spiele hatten etwas in sich Ruhendes, nichts Aufregendes oder Riskantes. Für meine Eltern waren diese Spiele „schön“, da sie berechenbar blieben und selten ausarteten. Wenn draußen auf der Straße das Rädergeprassel des Bollerwagens zu hören war, dann machten Sie ihren ruhevollen Spazierfahrten. Es wurde dann aber sofort gehört, wann ein anderes Element dazu trat. Sobald nämlich unser Nachbar junge dazukam, drehten sich die Räder schneller und die Mädchen im Wagen fingen an zu kreischen – erst noch vor Vergnügen! Aber bald kam schon die erste herein und beschwerte sich, dass der Ali ihnen das Spiel verderben wolle, weil er immer so schnell fuhr.

So wie die Mädchen mit Ihren Puppen sorgsam umgingen (es waren ja ihre Babies!), so behandelten sie auch Tiere und überhaupt Dinge, vorsichtig, behutsam. Es war keine Ängstlichkeit, auch keine Zögerlichkeit in ihrem Reagieren und Handeln, sondern einfach ein gewisses Ruhe-Element, etwas Bewahrendes. Bewahrenes, weil, wie mein Vater immer sagte: Eine Frau bewahrt das Leben, sie zerstört es nicht. Z.B. wird in der Türkei noch fast ausschließlich hausgeschlachtet; Ziegen, Schafe, Hühner und Kühe. Das Schlachten aber besorgen ausschließlich Männer. Sogar die Zubereitung des geschlachteten Tieres bei den in der Türkei häufigen Festmählern obliegt ihnen, während die Frauen sich geschäftig um alle andern Speisen kümmern. Dies Entspricht einem tiefen Empfinden und das gibt meinem Vater Recht und zeigt wie unterschiedlich die Jungen von Mädchen sein könnten.

Maccoby (2002) stellt zusammenfassend fest, dass es Fantasie und Spielwelt des Jungen um Gefahr, Vernichtung, Heldentaten oder Mutproben geht. Anderseits verwenden die Mädchen die häuslichen und romantischen Themen, die bei den sozialen Beziehungen und der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung bedeutend sind. (vgl. vbw 2009, S. 56)

Während die Mädchen respondier gegenüber den Beziehungen mit ihren Partnern sind und eher Angebote als Kommandos und schaffen häufiger gemeinschaftliche Spielszenarien mit wechselseitigen Spielhandlungen verwenden, geht es bei Jungen um Raufen und Toben, Wettkampf und Konflikt, Risikoübernahme, Vorherrschaft arbeiten, Machtgehabe und Aufbau von Hierarchien. Außerdem streben Mädchen in ihren Freundschaften zu einem kommunikationsfreudigen, vernünftigen und Streitabschwächenden Stil und verleiten dadurch die Harmonie in der Interaktion beizubehalten. Dementsprechend sind die Freundschaften von Mädchen und Jungen sind qualitativ unterschiedlich. Die Freundschaften von Mädchen sind inniger, damit sie mehr Einzelheiten aus ihrem Welt und ihre Angelegenheiten teilen. Jungen wissen dagegen typischerweise weniger über das Leben ihrer Freunde und ihre Freundschaften basieren auf gemeinsamen Aktivitäten. Darüber Hinaus sind die Ende der Freundschaften von Mädchen meistens gefühlsmäßig wirksamer als Jungen. (vgl. vbw 2009, S. 56) Das reflektiert natürlicherweise in die Interaktionen von Spielgruppen von Mädchen und Jungen. Z.B. Sowohl in gleichgeschlechtlichen Dyaden als auch in größeren Gruppen spielen die Jungen typischerweise mit Freude, obwohl die Mädchen in dyadischen Gelegenheiten doch gerne spielen.

Werden Jungen anders erzogen als Mädchen?

Diese Fragestellung erinnert mich den Ausspruch meiner Schwester, die jetzt eine Theologin ist und vier Kinder hat; „Eine völlige Gleichstellung kann naturgegeben nicht funktionieren. Schon wäre es komisch, wenn es statt Vater und Mutter nur noch „ Elter“ heißen soll.“

Recht geben sie vielleicht viele. Aber nach dem Psychologe John B. Watson war die Realität ganz anders. Zwar bezeichnete er seinen Ausspruch;

Gebt mir ein Dutzend gesunder Kinder und ich mache aus ihnen, was ich will.“ (http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychologie/Behaviorismus/Methodologischer_Behaviorismus/Klassischer_Behaviorismus/Watson/watson.htm 03.02.2014)

Wenn es um Kindererziehung geht, fallen mir immer diese Sprüche ein und ich fürchte, wie das Thema sehr rätselhaft sein könnte. Ich bin aber sicher, dass ich es mit eigenem Kind erfahren werde, das noch eine Woche alt ist.

Um die Frage „Werden Jungen anders erzogen als Mädchen?“ antworten zu können muss man die Rollenverhältnis der Geschlechter in der Gesellschaft ausführlicher in Betracht nehmen. Denn die Rollenzuweisung in den Gesellschaften könnte in vielen Kulturen nicht verleugnet werden. Dafür muss man sich mal das Bild genauer anschauen, das Männer heute abgeben, dann wird die Unsicherheit, ja fast Verzweiflung des so genannten starken Geschlechts ganz deutlich. (vgl. Nieder 2011, S. 83)

In den Kindergärten und in den unteren Schulklassen werden so getan, als hätte man gleichgeschlechtliche Wesen vor sich. Anfang der 20. Jahrhundert war diese Frage noch nicht so gravierend. Denn Jungen und Mädchen konnten sich außerhalb der Schule noch voll mit den geschlechtsspezifischen Vorbildern ihrer Umgebung Identifizierung: Mutter- und Vaterrolle, Männer- und Frauenberufe, Jungen- und Mädchenspiele…

Nach Nieder gäbe es für Kinder keine eindeutigen Vorbilder mehr. Kinder können sich nicht auf die Bewusstseinsebene erwachsener Menschen anbringen und Verständnis für deren gegenwärtige Selbstbestimmungskrise öffnen. Kinder leben immer in den Folgen der Bestimmungen der Erwachsenen. Aber Jungen und Mädchen bringen eine innerliche Gewissheit mit, die nach Identifikation verlangt. Sie schauen mit diesem Bedürfnis auf ihre Eltern und die Erwachsenen in ihrer Umgebung. Vor Jahrzehnten leiteten in der Entwicklungstheorie die sogenannte Milieutheorie, wonach der Mensch in seinem Rollenverhalten stark von der sozialen Umwelt geprägt sei, auch die Geschlechterrollen. Ein Mädchen spielt mit Puppen, denn es wird von Anfang an darauf konditioniert; ein Junge spielt Fußball und rauft gerne, denn das sich so gehört für einen Jungen. Würde man die Erziehungsziele willentlich umpolen, dann würden die Jungen genau so gern mit Puppen spielen und die Mädchen miteinander raufen. Diese Theorie stimmt nur bedingt. Das tiefere Wesen der Geschlechter erfasst sie jedenfalls nicht. Das konnte ich bei meinen Nichten mit nüchterner Beobachtung bald erkennen. Es kamen zwei Mädchen, -und so erlebte ich als Onkel eine Mädchenkinderstube, die ich nun gut mit meiner eigenen Jungenkinderstube vergleichen konnte. Seither weiß ich aus eigener Erfahrung: Jungen und Mädchen sind ihre seelischen Konfiguration nach wirklich deutlich verschieden. Sie haben eine verschiedene Art der Wahrnehmung, des Urteilens, des Handelns, des Konfliktverhaltens und vieles mehr. Das zeigt ganz deutlich, dass die Jungen und Mädchen auch verschieden erzogen werden müssen. Sie können „verbogen“ werden aber sie haben unterschiedlichen Charakter und Neigungen und Interessen, dem entsprechend „muss man von einem Apfelbaum keine Birne hoffen“, wie meine Schwester sagte, „weil nicht dein kann, was nicht sein darf“. (vgl. Bischof-Köhler 2002, S. 30)

3. Geschlechterdifferenzen bei Erziehung und Bildung

Jungen in pädagogischen Institutionen

Das Thema „Jungen in Pädagogischen Institutionen“ in diesem Teil der Arbeit definiert die Situation von Jungen in Einrichtungen der Erziehung und Bildung, angefangen von Kindergärten über Schulen. Es werden nicht nur den Schüler sondern auch dieInstitutionen und ihre Gestaltungen und sogar die pädagogische Lehrkräften und ihre Verhalten und Auswirkungen für die Geschlechtsidentität von Jungen präziserunter die Luppe genommen. Nach dem Versuch die Jungen im Sinne von der biologischen und psycho-soziologischen Entwicklungzu definieren, muss man sie institutionell beobachten und dem entsprechend mit dem ersten Institution „Kindergarten“ anfangen, wo die Jungen von der Familie her als erstes in die Sozialisation landen, und wo sie die Möglichkeiten finden ihr Geschlecht noch fühlbarer identifizieren zu können.

Jungen in Kindergärten

Der erste Weg von jungen in die Gesellschaft hinein ist selbstverständlich der Weg von der Familie in den Kindergarten. Jungen werden hier zum ersten Mal mit im weitesten Sinne gesellschaftlichen Vorstellungen und Forderungen konfrontiert, während in der Regel die Erfahrungen im geschützten Innenraum der Familie die erste Lebenszeit prägen. Und die Gesellschafte beinhalten lediglich Männlichkeit und Weiblichkeit als Geschlechtstyp. Aber viele Erzieherinnen sind der Meinung, dass Jungen und Mädchen heute schon viel gleicher als früher sind und die Unterschiede der Geschlechter nicht mehr so ins Gewicht fallen. Nämlich finde ich das genauso und deswegen in Kindergärten derzeit vor allem der Anteil an dem mangelt, was als männlich gilt. Daher die Aufforderung, mehr Attribute und Verhaltensweisen, die von Jungen und Mädchen als männliche definiert werden, in den Kindertagesstätten alltags zu integrieren und Geschlechtsbewusster zu arbeiten.

Mit „geschlechtsbewusster arbeiten“ meine ich wahrzunehmen, dass sowohl Jungen wie Mädchen ihren jeweils eigenen Weg zur Geschlechtsidentität wünschen und dass sie dabei unterschiedliche Wege aufgehen müssen, weil sich die Geschlechter eben unterscheiden. Man kann auch einem Auftrag des KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz) entsprächen, die nämlich verlangt, "die unterschiedlichen Lebenslagen von Jungen und Mädchen zu berücksichtigen und Benachteiligungen abzubauen“. (§ 9 Grundrichtung der Erziehung, Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen)(http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__9.html 05.02.2014)

Geschlechtsbewusst zu arbeiten bedeutet nicht, Jungen oder Mädchen auf eine Geschlechtsrolle festzulegen. Was gesellschaftlich und kulturell als männlich oder weiblich gilt, unterscheidet sich sowieso von dem individuellen Junge-(Mann)oder Mädchen-(Frau)-Sein. Hier geht es um die Erweiterung beider Geschlechtsrollen. Das Ziel sollte vielmehr die Rollenflexibilität sein. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es ausreichend Möglichkeiten gibt, mit der eigenen und der anderen Geschlechtsrolle zu experimentieren. Dadurch haben beide Geschlechter die Möglichkeiten und Gleichberechtigung eigene Wege zur Geschlechtsidentität suchen und finden zu können.

Zum Beispiel, ab dem 2. Lebensjahr tendieren Kinder durchschnittlich eher für geschlechtsspezifische Spielzeuge zu haben. Das können wir allerdings nicht pauschal sehen. Die Jungen spielen gerne mit Autos, haben vorwiegend Interesse an technische Zusammenhänge oder legen die Dinge auseinander und versuchen zu wissen, wie sie funktionieren. Auch eine geschlechtsneutrale Erziehung erzeugt das gleiche Ergebnis. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S.78)

Trotz männlicher Mängel bei den Kindergärten, werden allerdings bei vielen Kindergärten eine geschlechtstypische Behandlung durch die räumliche und materielle Ausstattung, wie Bau- und Puppenecke gestaltet. Das einseitige Spielen wird auch von dem Peergroup verstärkt. Hier entsteht ja schon fast die Bestandsaufnahme, sofern eine Jungen-Gruppe mit älteren Jungen kleinere Jungen aufnehmen möchte. Sie müssen begehrte Spielzeuge (vorwiegend aus dem technischen Bereich, z.B. Flugzeug, Baufahrzeug) mitbringen oder Fachwissen in einem bestimmten Bereich haben (z.B. Spielkarten, Dinosaurier). Das Spielen mit den Mädchen im Kindergarten führt zum Ausschluss der Jungen-Gruppe. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S.82)

Jungen sind schon im Kindergarten impulsiver und arbeiten intensiver an vielen Projekten mit großen Interessen, als wollen sie ein Fachspezialist werden. Da die Rahmenbedingungen in Kindergarten nicht immer so strukturiert sind, dass das Spielmöglichkeiten allen Kindern und Spielgruppen in gleicher Weise angeboten werden, müssen die Erzieherinnen die Jungengruppen immer wieder darin unterbrechen und dadurch fühlen sie sich in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen und rebellieren heimlich oder offen gegen die Bevormundung durch “Frauen“. Männer hingegen erkennen Jungen eher als die “Bestimmer“ und beugen sich ihrer Erwartungen. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 85)

Einerseits erleben die Kinder wegen der Überzahl der weiblichen Erzieherinnen in Kindergärten die Unterschiedlichkeit der erwachsenen Männer und Frauen. Es gibt Männer so gut wie nie, lediglich 3,84%. Die Lebensbereiche von Kindern sind in großer Menge von Frauen bestimmt. Das wirkt sich auf Kommunikationsstile und Konfliktverhalten genauso aus wie auf Raumgestaltung und Spielangebote. Typisch „männliche“ Verhaltensweisen und Interessen entstehen oft kurz oder werden abgewartet. Da Männer der Dominanz des weiblichen im Leben von Kindern (Jungen wie Mädchen!) etwas entgegensetzen sollen, werden sie für wichtig gehalten. Außerdem sind sie für die Geschlechtsidentifikation und Nachbildung der Verhaltungsweise bedeutend. Sind sie nicht vorhanden, so müssen sich Jungen ausschließlich in der Peergroup sozialisieren, wobei hier auch wiederum häufig “Männlichkeitsmodelle“ aus den Medien übernommen werden. (vgl. Neider 2011, S. 27) Aber auch eine weitere Erkenntnis leitet sich unter anderem daraus ab: Kinder machen somit häufig die Erfahrung, dass das “männliche“ Arbeiten in der Gesellschaft höher geschätzt wird als “Tätigkeiten“ von Frauen. So wurde ein Erzieher von einem Kindergartenkind gefragt, ob er arbeitslos sei, weil er im Kindergarten arbeite. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 87) Stillschweigend wird vorausgesetzt, dass Männer qua Geschlecht automatisch über eine für diesen Zweck geeignete „Männlichkeit“ oder „Männliche Sicht“ besitzen.

Jungen in den Schulen

In diesem Teil der Arbeit wird darauf eingegangen, inwiefern die Schulen für die Geschlechter gerecht sind, und sogar wie sie den Jungen und Mädchen helfen oder gestaltet werden um ihre Geschlechtsidentität bekommen zu können. Fangen wir im Folgenden mit dem Schulsystem und seinen Behandlung gegenüber den Geschlechtern.

Schulsystem und Geschlechtsverhältnisse in der Schule

„Männer sind nicht per se dümmer, wir werden nur nicht so gefördert“. Dieser Satz gehört zu dem , den man bei einem Interviewgefragt wurde, ob die Schulen die Jungen benachteiligen.

Eine BildungsAufschwung für Mädchen im letzten Jahrhundert ist deutlich bewusst. Bis 1900 durften keine Mädchen normale Gymnasien besuchen und das Studium wurde ihnen ab 1908 erst erreichbar, vor 60 Jahren wurde das Schulwesen koedukativ und seit 1980 werden Mädchen in den Schulen und im Berufsleben gefördert. (vgl. Matzner/Tischner 2008, S. 122) Sind die Schulen mit diesen Förderungen nicht mehr Jungengerecht? Werden sie benachteiligt und müssen gefördert werden?

Laut Boldt müssten sich Bildungswissenschaft, Bildungspolitik und Schule darüber klar werden, dass die Jungen eine besonders bedrohte Gruppe von Risikoschülern sind, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Herausforderung, vor der die Schule steht, ist die Institutionalisierung der „Jungen-Arbeit“, (vgl. Boldt, U. 2004, S. 24)

Kritisierend das Bildungssystem erklärt Prof. Dr. Dieter Lenzen (Freie Universität Berlin, Vorsitzender des Aktionsrats Bildung), dass die Jungen beim Übergang auf das Gymnasium eine deutlich höhere Leistung erbringen müssen und der Weg in die Berufsausbildung für Jungen erschwert ist. Außerdem meint er, dass Jungen oft gar nicht die Möglichkeit haben, eine ausgereifte Geschlechtsidentität zu erschaffen, weil im Kindergarten und in der Grundschule vorwiegend mit weiblichen pädagogischen Personalen konfrontiert wird. Leider nicht mehr als zehn Prozent liegt der Anteil männlicher Lehrkräfte bei den pädagogischen Institutionen in Deutschland. (http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/geschlechter-studie-schulen-benachteiligen-jungen-massiv-a-612997.html; 17.02.2014)

Die gesamte weibliche Ausrichtung in den Schulen dient mehr zur Mädchenförderung. Sogar die Unterrichtsmethoden wurden verändert. Es wird heute mehr selbstständig und an Projekten gelernt, während es früher ausschließlich nur den Frontalunterricht gab. Und das lässt sich wirklich ungerecht im Schulalltag umsetzen. Beuster (2007) meint, dass das Schulsystem in manchen Bereichen zu Jungen ungerecht ist und dass die Schule so vertextet ungerecht ist. Dass Jungen viel weniger sprachliche Fähigkeiten haben als Mädchen ist offensichtlich und das ist ein klarer Nachteil für Jungen.

Außerdem werden die Schulen von Frauen geprägt, 95 Prozent der Lehrkräfte sind weiblich. Das ist doch nicht abwertend, aber Schule wird nach weiblichen Kriterien von Frauen gestaltet. Die Schulen und Unterrichten werden nach den Interessen und Bedürfnissen von Mädchen ausgerichtet und die Lernstile werden mit der Berücksichtigung der Lernbedürfnisse von Mädchen ausgestaltet. Das erste und offensichtliche Beispiel wird auffällig, wenn man an Grundschulen vorbei geht. So fallen als erstes Blumen und Schmetterlinge aus buntem Papier an den Fensterscheiben auf. Jedoch ist der Anteil der weiblichen Lehrkräfte an den Schulen immerhin ein großes Problem, auf das viele Pädagogen und Bildungsforscher Aufmerksam machen. Folgendes Diagramm bringt es ins Licht, dass je mehr männlichen Lehrer an den Schulen fehlen, die Leistungen des Jungen sich verschlechtern.

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Title
Jungen als Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems?
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2015
Pages
85
Catalog Number
V449125
ISBN (eBook)
9783346151469
ISBN (Book)
9783346151476
Language
German
Keywords
bildungsverlierer, jungen, schulsystems
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Hüseyin Kuru (Author), 2015, Jungen als Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/449125

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Title: Jungen als Bildungsverlierer des deutschen Schulsystems?



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