Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte

Konzepte - Möglichkeiten - Wege


Epreuve d'examen, 2000

127 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

1. Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Klärung von Begrifflichkeiten

2. Beschulung bei Verhaltensstörungen
2.1 Aufgaben und Ziele
2.2 Schulformen
2.3 Die Herman-Nohl-Schule

3. Aufgaben des Deutschunterrichts
3.1 Aufgaben aus der Sicht der Fachliteratur
3.2 Der Lehrplan
3.3 Aufgaben des Deutschunterrichts in der Praxis
3.3.1 Aufgaben aus der Sicht des Lehrkörpers
3.3.2 Aufgaben aus der Sicht der Schüler
3.3.3 Aufgaben aus der Sicht der Arbeitgeber
3.4 Resümee

4. Fördermöglichkeiten im und durch den Deutschunterricht
4.1 Voraussetzungen
4.2 Lernbereiche des Faches
4.2.1 Textproduktion
4.2.1.1 Geschichte
4.2.1.2 Aufsatzformen heute / Die kognitive Wende
4.2.1.3 Textproduktion aus der Sicht der Schüler
4.2.1.4 Textproduktion aus der Sicht der Lehrer
4.2.2 Personal-kreatives Schreiben
4.2.2.1 Fördermöglichkeiten durch personal-kreatives Schreiben
4.2.2.2 Therapeutische Aspekte des personalen Schreibens
4.2.2.3 Ansätze zur Durchführung im Unterricht
4.2.2.4 Fazit
4.2.2.5 Personal-kreatives Schreiben aus der Sicht der Lehrer
4.2.3 Umgang mit Texten
4.2.3.1 Formen des Lesens
4.2.3.2 Leseförderung
4.2.3.3 Umgang mit Texten aus Sicht der Schüler
4.2.3.4 Umgang mit Texten aus Sicht der Lehrer
4.2.4 Mündlicher Sprachgebrauch
4.2.4.1 Geschichte
4.2.4.2 Die Kommunikationsaxiome Watzlawicks
4.2.4.3 Lehr- und Lernziele des mündlichen Sprachgebrauchs
4.2.4.4 Mündlicher Sprachgebrauch aus der Sicht der Schüler
4.2.4.5 Mündlicher Sprachgebrauch aus der Sicht der Lehrer
4.2.4.6 Fazit
4.3 Rechtschreibunterricht und die Rechtschreibreform
4.3.1 Rechtschreib- und Grammatikunterricht
4.3.1.1 Rechtschreib- und Grammatikunterricht aus der Sicht der Schüler
4.3.1.2 Rechtschreib- und Grammatikunterricht aus der Sicht der Lehrer
4.3.2 Die Rechtschreibreform
4.3.2.1 Das Ziel der Rechtschreibreform
4.3.2.2 Konsequenzen für den Unterricht
4.3.2.3 Die Rechtschreibreform aus der Sicht der Lehrer
4.3.2.4 Die Rechtschreibreform aus der Sicht der Schüler

5. Gesamtpersonelle Fördermöglichkeiten und besonderer Förderbedarf
5.1 Deutschunterricht mit Kindern nicht-deutscher Muttersprache
5.1.1 Mögliches Förderkonzept für Kinder nicht-deutscher Muttersprache im Deutschunterricht
5.1.2 Die Sicht der Schüler
5.1.3 Die Sicht der Lehrer
5.2 Lese- Rechtschreibschwäche
5.2.1 Legastheniedefinitionen im geschichtlichen Rückblick
5.2.2 Der Legastheniebegriff heute
5.2.3 Mögliche Ursachen für Legasthenie
5.2.4 Verschiedene Modelle der Legastheniker-Förderung

6. Weitere Aspekte des Deutschunterrichts
6.1 Schüler
6.1.1 Mögen Schüler das Fach Deutsch?
6.1.2 Schwierigkeiten aus der Sicht der Schüler
6.1.3 Wie kann der Deutschunterricht interessanter gestaltet werden?
6.1.4 Ist der (Deutsch-)Unterricht in besonderem Maße lehrerabhängig?
6.2 Lehrer
6.2.1 Lehrplanorientierung der Lehrer
6.2.2 Nutzen die Lehrer spezielle Unterrichtsmodelle für den Deutschunterricht?
6.2.3 Lehrerkommentare
6.3. Beobachtungen und Anmerkungen
6.3.1 Unterrichtseinheit vom 5.4.2000
6.3.2 Unterrichtseinheit vom 6.4.2000

7. Nachwort/ Schlussbetrachtung

8. Literaturverzeichnis

Anhang

Danksagung

Mein Dank gilt zunächst den Schülerinnen und Schülern der Herman-Nohl-Schule in Kirchheimbolanden für ihre Geduld und aufschlussreichen Antworten bei den langen und intensiven Interviews, die ich mit ihnen geführt habe. Des Weiteren danke ich dem Lehrerkollegium der Herman-Nohl-Schule für die mir bereitwillig gestatteten Unterrichtsbesuche.

Ganz besonders möchte ich Herrn SL Werner Kirsch danken, der mir stets mit seinem Rat, seiner Geduld, seinem Fachverständnis und mit unbürokratischer Hilfe zur Seite stand.

Letztendlich möchte ich allen Personen danken, die durch ihre bereitwilligen Auskünfte und Hilfe zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Unterricht ist in dem Maße effektiv, in dem er bewirkt, dass:

- die Schüler sich verändern
- und zwar in erwünschter Richtung
- und nicht in unerwünschten Richtungen.

(Mager 1994, 1)

1. Einleitung

1.1 Vorwort

In meiner wissenschaftlichen Prüfungsarbeit beschäftige ich mich mit dem Thema „Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte. Konzepte – Möglichkeiten - Wege“.

Auf dieses Thema kam ich durch mein Blockpraktikum, das ich im September 1998 in der Herman-Nohl-Schule in Kirchheimbolanden abgeleistet habe. Bei verschiedenen eigenen Unterrichtsversuchen und Beobachtungen des Unterrichtsgeschehens konnte ich feststellen, dass die Möglichkeiten, die das Fach Deutsch bietet, meiner Meinung nach nur unzureichend ausgeschöpft wurden. Arbeit mit Lückentexten u.ä. schien mir nicht der rechte Weg zu sein, den Schülern bewusst zu machen, welche Chancen sich für sie aus gerade eben diesem Fach ergeben.

Des Weiteren ist es mir ein Anliegen zu reflektieren wie ich selbst im späteren Berufsleben als Lehrer an einer Schule wirklich „guten“ Deutschunterricht durchführen kann.

Für meine Examensarbeit bot sich die Idee an herauszufinden, welche Möglichkeiten der Deutschunterricht für Schüler mit einer Verhaltensstörung beinhaltet und inwiefern diese vom Lehrkörper umgesetzt werden. Eine besondere Berücksichtigung erfuhren die Meinungen und Ansichten der Schüler, da dieser Unterricht sich auch an ihren Wünschen und Bedürfnissen orientieren sollte.

Bei dieser Arbeit handelt es sich folglich um einen Versuch, Deutschunterricht speziell auf die Schule für Verhaltensbehinderte abzustimmen und mögliche pädagogische Förderelemente praxisorientiert hervorzuheben. Dass dies nicht immer kritiklos geschehen kann, erscheint einsichtig.

Die Probleme, mit denen ich mich im Verlauf der Erstellung dieser Arbeit zu beschäftigen hatte, waren vielfältigster Art.

Im praktischen Bereich konnten Stundenbeobachtungen aufgrund der Gliederung des Unterrichtstages jeweils nur an einem Tag und in einer Klasse durchgeführt werden.

Zudem war es aus verschiedenen Gründen wie z.B. schwierigen Unterrichtssituationen nicht zu jedem Zeitpunkt möglich, Schüler aus dem Unterrichtsprozess herauszunehmen, um mit ihnen die halbstrukturierten Interviews durchzuführen.

Das größte Problem war für mich, dass die im Lehrerkollegium verteilten Fragebögen zum Deutschunterricht spät und nur sehr spärlich zurückflossen. Trotz wiederholter Anrufe und Besuche in der Herman-Nohl-Schule wurde ich immer wieder mit dem Satz vertröstet: „Das ist uns wirklich sehr peinlich. Nächste Woche haben sie die Unterlagen“. Von den insgesamt 15 Fragebögen, die ich im vierzigköpfigen Kollegium verteilt hatte, bekam ich bis heute nur fünf Stück zurück. Aus diesem Grund können die „Lehrerkapitel“ nicht als repräsentativ angesehen werden, gleichwohl ich versucht habe, sämtliche privat geführten Gespräche mit Lehrern mit einfließen zu lassen.

Als letzter Problembereich soll die Sichtung der Literatur angesprochen werden. So war es mir nicht möglich, bereits existierende Konzepte zum Deutschunterricht im Bereich der Pädagogik bei Verhaltensstörungen zu finden, an denen ich mich zumindest hätte orientieren können. Aus diesem Grund handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Übersicht deutschdidaktischer Konzepte, die zwar nicht speziell für den Unterricht an Schulen für Verhaltensbehinderte konzipiert sind, jedoch in besonderem Maße Störungen berücksichtigen.

1.2 Klärung von Begrifflichkeiten

Der Titel dieser Arbeit, „Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte. Konzepte – Möglichkeiten - Wege“, impliziert in all seinen Elementen Vorstellungen, die in Teilen einer weiteren Ausführung bzw. Klärung bedürfen.

Die Frage nach dem Begriff des „Deutschunterrichts“, der nicht nur im Titel durch seine Stellung vor dem Ausdruck „Schule für Verhaltensbehinderte“ eine dominierende Rolle einnimmt, wird in all ihren Bedeutungen in Kapitel 3 hinreichend erörtert.

In der vorliegenden Arbeit soll im Folgenden auch von der „Sonderschule für Verhaltensbehinderte“ die Rede sein, da dies die in Rheinland-Pfalz momentan verwendete Terminologie ist (vgl. Speck 1993, 207). Sicherlich sind Begriffe wie z.B. Schule für Erziehungshilfe weniger stigmatisierend und haben auch in die neuere Fachliteratur Eingang gefunden, doch soll hier eben nicht auf eine „politically correctness“ zurückgegriffen werden, sondern auf das gängige „Amtsdeutsch“, so negativ es auch anmuten mag.

Es ist nun auch zu klären, was unter den Schlagworten „Konzepte – Möglichkeiten – Wege“ zu verstehen sein soll.

Bei den Konzepten im Sinne dieser Arbeit handelt es sich nicht um Unterrichtskonzepte wie z.B. handlungsorientiertem oder offenen Unterricht im Speziellen, sondern um deutschdidaktische Konzeptionen, die auf ihre Eignung für den Unterricht bei Verhaltensstörungen hin untersucht und vorgestellt werden sollen.

Des Weiteren sollen Möglichkeiten einer Umsetzung dieser Konzepte im direkten Unterrichtsgeschehen erörtert und aufgezeigt werden.

Dabei dürfen Wege, wie sie im tagtäglichen Unterricht von den Lehrern begangen werden und einen hohen praxisbezogenen Anteil besitzen, nicht außer Acht gelassen werden. Hierzu sind auch diejenigen Wege zu zählen, welche ein Entgegenkommen im Sinne der Anforderungen und Wünsche der Schüler ermöglichen.

Konzepte, Möglichkeiten und Wege können allerdings nicht immer vollkommen segregiert werden, so dass eine Durchmischung dieser Elemente am sinnvollsten erschien, um einen durchgängigen und logischen Fluss zu erhalten.

Im Verlauf dieser Arbeit wird auf eine politisch korrekte Schreibung wie z.B. der / die LehrerIn oder der / die SchülerIn verzichtet, da dies ein sinnerfassendes Lesen durchaus beinträchtigen kann. Vor allem ein lautes Lesen wird erheblich erschwert. Zudem soll hier auch der Problematik einer Anonymisierung von Schülern und Lehrern Rechnung getragen werden.

Auf eine Diskussion der verschiedenen Bedeutungsakzente der Begriffe Verhaltensauffälligkeit und Verhaltensstörung soll verzichtet werden, gleichwohl diese Frage in der gängigen Literatur auftaucht. Ich habe mich der Einfachheit halber für den Begriff Verhaltensstörung entschieden, obwohl ich mir der Unterschiedlichkeit der Bedeutung der oben genannten Begriffe, wie sie z.B. bei Bach oder Seitz diskutiert wird, vollkommen bewusst bin.

2. Beschulung bei Verhaltensstörungen

In diesem Kapitel sollen zuerst die Aufgaben des Unterrichts bei Verhaltenstörungen vorgestellt werden, um im weiteren Verlauf die Schulformen anzureißen, in denen Unterricht bei Verhaltensstörungen stattfinden kann, im Speziellen wird auf die Herman-Nohl-Schule im Heilpädagogium Schillerhain eingegangen, in der alle Unterrichtsbeobachtungen und Interviews stattfanden, die diese Arbeit beeinflusst haben.

2.1 Aufgaben und Ziele

„Ziele des Unterrichts der Schulen für Erziehungshilfe sind neben der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten vor allem der Abbau der aus dem gestörten Lern- und Sozialverhalten resultierenden Lerndefizite sowie die Vermittlung eines angemessenen Verhältnisses zur eigenen Leistungsfähigkeit. Der Unterricht soll den Schülern das Erkennen und Erweitern ihrer Fähigkeiten ermöglichen sowie deren gezielten Einsatz fördern. Neben der Verstärkung von positivem sowie dem Abbau von negativem Verhalten wird es als notwendig erachtet, dazu beizutragen, dass den Schülern die Verhaltensweisen, die den Unterricht beeinflussen bewusst werden“ (Kultusministerium Rheinland-Pfalz, zitiert bei Stein / Faas 1999, 54).

Als weitere Aufgaben sind auch die Rückschulung in die Regelschule und die Integration in bestehende Formen des schulischen und außerschulischen Lebens anzusehen.

2.2 Schulformen

Zuerst einmal muss vorausgeschickt werden, dass in der Praxis weniger als 1% der Gesamtschülerzahl als „erheblich verhaltensgestört“ in entsprechenden Sonderschulen aufgenommen wird (vgl. Speck 1993, 206). Es handelt sich also um einen verschwindend geringen Prozentsatz.

Unterricht für verhaltensgestörte Schüler kann in vielen staatlichen und privaten Einrichtungen stattfinden, „[...] in Sonderklassen an Berufsschulen, in eigenständigen Sonderschulen, in Heimen und Heimschulen, in Anstalten und Schulen für den Jugendstrafvollzug sowie in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und in Klinikklassen/-schulen“ (Myschker 1995, 131).

Je nach Bundesland tragen oder trugen die Sonderschulen im Rahmen der Pädagogik bei Verhaltensstörungen verschiedene Namen:

- Sozialpädagogische Sonderschule
- Sonderschule für entwicklungsgestörte Kinder
- Sonderschule für Verhaltensgestörte
- Sonderschule für schwererziehbare und gemeinschaftsschwierige Kinder
- Schule für / zur Erziehungshilfe
- Sonderschule für Verhaltensbehinderte
- Sonderschule für Kinder mit gemeinschaftsschwierigem Verhalten

Hinzu kommen in Berlin sogenannte „Beobachtungsklassen“ als Klassen für schwierige Schüler.

(vgl. Speck 1993, 206f)

Auffallend ist die Uneinigkeit in der Namensgebung einer Schulform, die im ganzen Bundesgebiet vorzufinden ist und prinzipiell auf das selbe Ziel zuarbeitet, nämlich Kinder und Jugendliche zu erziehen und zu unterrichten, die „infolge erheblicher psychischer Störungen und sozialer Auffälligkeiten in der allgemeinen Schule nicht entsprechend gefördert werden können“ (Kultusministerium Rheinland-Pfalz, zitiert bei Stein / Faas 1999, 53). Welcher dieser vielen verwendeten Namen allerdings der passendere ist, mag im Auge des Betrachters liegen.

Als Sonderschulen im Bereich der Pädagogik bei Verhaltensstörungen nennt Speck vier verschiedene Typen, die jeweils eine spezifizierte Aufgabenstellung beinhalten und zwar

- die Tagesschulen (öffentliche Schulen)
- die Heimschulen
- die Klinikschulen
- die Schulen für Lernbehinderte / Lernbeeinträchtigte

(vgl. Speck 1993, 207)

Für diese Arbeit kann allerdings nur die Heimschule als bedeutsam angesehen werden, da sich sämtliche Unterrichtsbesuche und Beobachtungen auf diese Schulform beziehen.

2.3 Die Herman-Nohl-Schule

Bei der Herman-Nohl-Schule im Heilpädagogium Schillerhain handelt es sich um eine Heimschule, in der Heimschüler (interne Schüler) zusammen mit Tageschülern (externe Schüler) unterrichtet werden.

Das Einzugsgebiet dieser Schule umfasst eigentlich die gesamte Westpfalz; allerdings sind auch Schüler aus anderen Bundesländern und dem benachbarten Ausland anzutreffen.

Die Zielsetzung der aktuellen Konzeption, mit dem Stand vom Frühjahr 1997, beruht auf fünf Konzepten:

1. Das pädagogische Konzept:

- Konfliktvermeidung durch den Erwerb verschiedener Strategien.
- Orientierung an vorhandenen Talenten, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler.

2. Das didaktische Konzept:

- Senkung der Konfliktbereitschaft der Schüler und Erhöhung der Schulfreude.
- Verwendung von handlungsorientierten Unterrichtskonzepten
- Keine Verbindlichkeit gegenüber vorgegebenen Wochenstundentafeln

3. Das Organisationskonzept:

- Erleichterung der schulischen Arbeit der Lehrkräfte durch innovative Organisationsstrukturen

4. Das Führungskonzept

5. Das Evaluationskonzept:

3. Aufgaben des Deutschunterrichts

In diesem Kapitel soll die Frage nach den Aufgaben des Deutschunterrichts im Vordergrund stehen bzw. die Frage nach der Wichtigkeit desselben. Doch welcher Maßstab soll bei der Frage nach der Definition der Ziele oder genauer der Aufgaben des Deutschunterrichts angelegt werden?

Prinzipiell lassen sich drei Stufen von Aufgabenstellungen, ähnlich den drei Lernzielebenen (vgl. Memmert 1991, 21), formulieren:

- Die Metaaufgabe/ Richtziel: „Der Schüler soll durch den Deutschunterricht zu einem mündigen und verantwortungsbewussten Staatsbürger erzogen werden“ (vgl. Schuster 1995, 19).
- Die spezifische Aufgabe/ Grobziel: Mit der Formulierung dieser Aufgabe wird sich das folgende Kapitel beschäftigen.
- Die Detailaufgabe/ Feinziel: „z.B. Der Schüler soll die Zeitform des Partizip Perfekts anwenden können.“

Während die Metaaufgabe in der Fachliteratur so allgemein formuliert wird, dass sie dem generellen Bildungsauftrag entspricht, der natürlich eine gewisse Allgemeingültigkeit für alle Unterrichtsfächer beinhaltet, sind die Detailaufgaben so spezifisch formuliert, dass sie zu umfangreich wären um sie hier darlegen zu können. Der interessierte Betrachter würde sich in Details verlieren.

Dieses Kapitel soll sich nun, abgegrenzt von Meta- und Detailaufgabe, mit den spezifischen Aufgaben auseinandersetzen, die genau das definieren, was den Deutschunterricht ausmacht bzw. was er selbst letztendlich vermitteln soll.

Hierbei spielt die Fachliteratur eine gewichtige Rolle, denn in ihr wird der derzeitige Erkenntnis- und Wissensstand der Forschung dargelegt. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass Bildung und Unterricht Ländersache sind und die Bundesländer bzw. deren Kultusministerien schließlich bestimmen, worin die Aufgaben des Unterrichts liegen sollen (vgl. Glöckel 1996, 217f). Dies gilt für den Deutschunterricht ebenso wie für jedwedes anderes Fach. Im Hinblick auf eine von der breiten Masse getragenen Meinung zur Aufgabe des Deutschunterrichts muss hier darauf verwiesen werden, dass diese Frage oftmals milieubedingt variiert beantwortet werden wird. Ein Akademiker wird bestimmt anders gewichten als ein Angestellter oder ein Handwerker. Doch lässt sich ein einstimmiger Grundtenor, wenn auch in stark vereinfachter Form, durchaus erkennen. Polemisch formuliert und so auch im Gedankengut vieler Menschen verankert, liegt die Pflicht des Deutschunterrichts und somit auch des Deutschlehrers bzw. der Deutschlehrerin darin, dem Schüler die essentiellen Kulturtechniken des Lesens und Schreibens nahe zu bringen.

Daher scheint es sinnvoll, die Aufgaben des Deutschunterrichts im Folgenden dreigleisig zu definieren, um möglicherweise zu einem Grundkonsens zu kommen:

- Die allgemeinen Aufgaben des Deutschunterrichts, wie sie in der gegenwärtigen Fachliteratur nachzulesen sind.
- Die Aufgaben des Deutschunterrichts laut rheinland-pfälzischem Lehrplan.
- Wie und wo sehen die Schulen für Verhaltensbehinderte bzw. die Lehrer, die letztlich diesen Unterricht durchführen aber auch die Schüler ihre Schwerpunkte.

3.1 Aufgaben aus der Sicht der Fachliteratur

Die allgemeine Fachliteratur gibt nur wenige und unbefriedigende Antworten bezüglich der Aufgabe des Deutschunterrichts. Fast alle Autoren der zur Verfügung stehenden Literatur nehmen eine Einteilung in die Disziplinen Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft vor (vgl. Schuster 1995, 19ff; Beisbart/ Marenbach 1994, 35ff; Lange/ Neumann/ Ziesenis 1998).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Krejci, bei Schuster 1998, 11)

Ihre grundsätzliche Diskussion beschränkt sich auf die Definition dieser Begriffe und in welche Hierarchie sie einzuordnen sind (vgl. Glöckel 1996, 230). Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass die in diesem Falle verwendete Literatur stark fachwissenschaftlich orientiert ist und somit die Aufgaben des Deutschunterrichts im Allgemeinen durch die kommunikative Wende definiert werden und somit eine weitere Ausführung unnötig erscheint. Dagegen spricht aber die Aussage Schusters, weshalb solche Leitvorstellungen, sprich Aufgabenstellungen, wie sie für den Deutschunterricht gesucht werden, gesamtgesellschaftlich getragen werden müssen. Nur ein Grundkonsens unserer pluralistischen Gesellschaft kann zum gewünschten Ziel beitragen. Selbstverständlich dürften solche Ziele nicht autoritär verordnet werden. Dies würde folglich bedeuten, dass die Aufgaben des Deutschunterrichts nicht von Fachwissenschaftlern definiert werden, sondern von der breiten Öffentlichkeit. Eben diese Öffentlichkeit nimmt Einfluss durch die Lehrpläne, die sie, neben den zuständigen Kultusministerien, durch Elternbeiräte und Lehrerfachverbände beeinflusst.

Schusters Ansicht scheint allerdings eher atypisch zu sein, denn Fachliteratur zu anderen Unterrichtsfächern nimmt oftmals für sich in Anspruch genau festzulegen, welche Aufgaben der Unterricht nun zu erfüllen hat und welche nicht. Der Geschichtsunterricht hat sich zum Beispiel als Ziel gesetzt, Vorstellungen von der Vergangenheit zu schaffen, ein erweitertes Weltverständnis zu bilden und aus der Vergangenheit Orientierungshilfen und Lebenserfahrungen zu gewinnen (vgl. Gies 1981, 22). Etwas Vergleichbares scheint für den Deutschunterricht zu fehlen. Natürlich gibt es die fachübergreifende, also allgemeingültige Aufgabe des Unterrichts, nämlich diejenige, die Schüler zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen, doch kann darin nicht die alleinige Aufgabe des Deutschunterrichts liegen, da es sich hierbei um eine prinzipielle Bildungsaufgabe handelt.

Nur in einer neueren Auflage zitiert Schuster in seinem fachdidaktischen Werk eine Definition im Sinne der angestrebten Fragestellung. Er stellt die Entwicklung einer kommunikativen Kompetenz als Aufgabe des Deutschunterrichts in den Vordergrund: „Der Deutschunterricht will die Schüler befähigen, mittels deutscher Sprache mündlich und schriftlich, produktiv wie rezeptiv bestmöglich zu kommunizieren“ (Krejci, zitiert bei Schuster 1998, 13).

3.2 Der Lehrplan

Wie oben bereits erwähnt, sind Bildung und Unterricht Angelegenheiten der jeweiligen Bundesländer. Im Folgenden soll daher weitestgehend auf den rheinland-pfälzischen Lehrplan eingegangen werden, da in dieser Arbeit nur Schulen eben dieses Bundeslandes berücksichtigt werden und es sich unter anderem als äußerst aufwendig erweisen würde, marginale Unterschiede in den jeweiligen Lehrplänen für das Fach Deutsch festzustellen. Des Weiteren gilt zu beachten, dass es für die Schule für Verhaltensbehinderte keinen eigenen Lehrplan gibt, wie dies z.B. bei Schulen für Lernbeeinträchtigte der Fall ist.

Der rheinland-pfälzische Lehrplan für die Klassen 5 – 9/10 spricht in seinen einleitenden Kapiteln von veränderten Rahmenbedingungen, die sich auf die Aufgaben und Ziele und somit die Umsetzung des Deutschunterrichts auswirken. Diese Bedingungen gelten zum Teil im erhöhtem Maße für die Klientel an der Schule für Verhaltensbehinderte. Hierzu einige Ausschnitte:

- Bei vielen Jugendlichen lässt sich ein Verlust an unmittelbarer Erfahrung, verminderte Erlebnis- und Verarbeitungsfähigkeit und eine geringere Bereitschaft zu persönlicher Verantwortung und sozialem Handeln feststellen.
- Bestimmte Erscheinungsformen von Gewalt in der Gesellschaft sind ein Signal dafür, dass Konflikte weniger auf der sprachlichen Ebene gelöst werden.
- Der Erfahrungshorizont von Schülerinnen und Schülern wird durch unterschiedliche Familienstrukturen geprägt und spiegelt sich u.a. in ihrem Umgang mit Texten wider.

(vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, 1998, 10)

Zu beachten gilt es auch, dass es für den Deutschunterricht mehrere Lehrpläne zu berücksichtigen gibt; zum einen den Lehrplan Deutsch für die Grundschule und zum anderen den Lehrplan Deutsch für die Klassen 5 – 9/10. Bei einem direkten Vergleich der dort niedergeschriebenen Aufgaben des Deutschunterrichts unterscheiden sich beide Lehrpläne nur insofern, dass die Ziele im Lehrplan für die Grundschule knapper ausformuliert sind (vgl. Kultusministerium Rheinland-Pfalz 1984, 6f).

Letztendlich liegt daher das Zentrum der Aufgaben des Deutschunterrichts darin, eine altersgemäße und vielseitige Gesprächs- und Ausdrucksfähigkeit zu fördern, ein adäquates Sprach- und Textverständnis zu schaffen sowie eine sprachlich-kreative Betätigung herauszubilden. Neben diesen Hauptzielen finden sich weitere Ziele, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, wie z.B. Einblicke in Aufbau und Funktion der Sprache, den bewussten und kreativen Umgang mit Medien, Aufbau einer kulturellen Bildung und Hinführung zu einem eigenständigen Lernen durch eine ganzheitliche und werteorientierte Erziehung.

Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Lehrplan für das Fach Deutsch des Landes Schleswig-Holstein. Dort wird in einer sehr übersichtlichen und beispielhaften Form auf die Aufgaben des Deutschunterrichts eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellungssystematik des Schleswig-Holsteinischen Deutsch-Lehrplanes (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, 1998, 16)

Ausgehend von den sprachlich-kommunikativen Basisfähigkeiten, sprich Kulturtechniken, welche die spezifischen Aufgaben des Deutschunterrichts beinhalten, erfolgt eine Zuordnung der einzelnen thematischen Bereiche unter die Oberbegriffe Kompetenzen und Gegenstandsfelder. Somit wird dem Leser auf eindringliche Art und Weise vermittelt, was der Deutschunterricht leisten soll, wie und wo er es leisten kann und wie sich die einzelnen fachlichen und sozialen Elemente interaktiv bedingen.

3.3 Aufgaben des Deutschunterrichts in der Praxis

In diesem Abschnitt sollen Meinungen und Ansichten von Lehrern, Lehramtsstudenten, Schülern aber auch Arbeitgebern über ihre Vorstellungen zu den Aufgaben des Deutschunterrichts berücksichtigt werden. Letztendlich sind sie die Personen, die der Deutschunterricht unmittelbar betrifft und zwar in Ausführung, Erleben und Nutzen desselben. Die Auswertung der Gespräche, die mit den einzelnen Gruppierungen und Institutionen geführt wurden, kann keinesfalls als repräsentativ angesehen werden, doch ließen sich zumindest einige Trends feststellen, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen.

3.3.1 Aufgaben aus der Sicht des Lehrkörpers

Eine Einteilung der Lehrer in Unter-, Mittel- und Oberstufe, wie sie bei den Schüler erfolgte, scheint in diesem Zusammenhang aus verschiedenen Gründen wenig sinnvoll. Zum einen ist z.B. aus der Unterstufe nur eine unzureichende Anzahl von Fragebögen zurückgeflossen, zum anderen kommt es gelegentlich zu einer Durchmischung der Lehrkräfte in den einzelnen Klassenstufen. Daher soll in den folgenden Ausführungen auf eine Unterteilung verzichtet werden.

Die Lehrer der Herman-Nohl-Schule sahen die Aufgaben des Deutschunterrichts hauptsächlich darin, den Schülern einen möglichst fehlerfreien Sprachgebrauch zu ermöglichen, vor allem im Hinblick auf die Rechtschreibung, die ihrer Meinung nach ein besonderes Problemfeld bei den Kindern und Jugendlichen darstellt. Sie versuchen nach eigenem Bekunden die Vermittlung eines Gespürs bzw. eine Verbesserung der Wahrnehmung der Schönheit der Sprache.

Als weitere, detailliertere Ziele des Deutschunterrichts wurden genannt:

- Das Kennenlernen von Literatur (alte und moderne Dichter und Romanautoren, sowie deren Werke)
- Die Vermittlung von Sprachanwendung in Bereichen der Schriftsprache
- Befähigung zum verbalsprachlichen Ausdruck
- Befähigung zum sinnerfassenden Lesen sowohl auf der Sachebene als auch auf der Sinnebene

Bemerkenswert ist es festzustellen, dass alle diese vom Lehrkörper formulierten Ziele auf kognitiven und motorischen Fertigkeiten fußen und der emotionale Aspekt vollkommen vernachlässigt wird. Deutschunterricht wird anscheinend nur sekundär als eine Möglichkeit zur Verbesserung der emotionalen Stabilität und der Lebensqualität angesehen. Dass dem nicht immer so ist, zeigt Kapitel 6.3 dieser Arbeit.

Erst die direkte Frage nach einer gesamtpersonellen Fördermöglichkeit durch den Deutschunterricht konnte zur Klärung dieses Sachverhaltes beitragen.

Die Lehrer waren durchweg der Meinung, dass der Deutschunterricht gesamtpersonell fördern kann, indem er die oftmals begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten erweitert und somit auch die gesamte Schülerpersönlichkeit. Das Fach Deutsch kann durchaus dem Selbstausdruck von Kindern und Jugendlichen zuträglich sein.

3.3.2 Aufgaben aus der Sicht der Schüler

Gespräche mit Schülern aller Klassenstufen des Heilpädagogiums Schillerhain ergaben ein interessantes und recht differenziertes Bild. Nachfolgend sollen zuerst die einzelnen Stufen (vgl. Herman-Nohl-Schule 1997, 4) zu Wort kommen, bevor eine Zusammenfassung der Meinungen und Ansichten wiedergegeben wird. Befragt wurden die Schüler nach ihren Ansichten zu den Aufgaben des Deutschunterrichts.

Unterstufe: Die Schüler der Unterstufe sahen in den mit ihnen geführten Interviews die Aufgabe des Deutschunterrichts prinzipiell in der Förderung der kommunikativen Kompetenz. Dies belegen Antworten wie zum Beispiel: „Deutsch muss man lernen, damit andere verstehen, was ich ihnen sagen will“ (gemeint war dies nicht im akustischen Sinn wie Nachfragen ergaben) oder „Deutsch braucht man um gut sprechen zu können“. Solche Erwiderungen auf die gestellte Frage lassen aber auch vermuten, dass bei den Schülern die orale Sprachfähigkeit gemeint war, und in ihrem Denken noch kein oder wenig Raum für Schrift sprache vorhanden ist. Allerdings kann hier wirklich nur spekuliert werden, da die Schüler trotz weiterer Nachfragen nicht tiefergehend erklären konnten, was sie mit ihren Äußerungen zu beschreiben versuchten. Insgesamt waren die Antworten zwar recht aufschlussreich und einstimmig, aber eben doch nur auf den mündlichen Sprachgebrauch bezogen.

Als weiterer interessanter Aspekt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass kein einziger der Schüler auf die gestellte Frage antwortete, dass er Deutsch lernen müsse, nur weil es von ihm verlangt würde. Dies zeigt auf eindringliche Art und Weise, welche Importanz die Kinder diesem Fach beimessen und dass sie sich seiner Bedeutung durchaus bewusst sind.

Auf die Frage hin, was die Schüler nun im Unterrichtsgeschehen lernen würden, legten sie ihren Schwerpunkt eindeutig auf das Erlernen der Rechtschreibung, die in der Frage nach der Aufgabe des Deutschunterrichts mit keinem Wort erwähnt worden war. Das Lesen selbst wurde nur von einem einzigen Schüler genannt.

Hier besteht offenkundig eine Diskrepanz zwischen dem Denken der Schüler und der alltäglichen Realität im Unterrichtsgeschehen.

Wie diese Diskrepanz entstanden ist, ließ sich leider nicht aufklären.

Mittelstufe: Bei den Schülern der Mittelstufe zeigte sich ein ähnliche Gewichtung des Deutschunterrichts wie bei den Schülern der Unterstufe. Sie erklärten einstimmig, dass im Deutschunterricht zumindest Grundkenntnisse in den Kulturtechniken erworben werden würden: „In Deutsch lernt man Lesen und Schreiben“. Einstimmigkeit herrschte auch darüber, dass sich niemand ohne diese Kenntnisse für andere verständlich ausdrücken kann, ohne bei ihnen gegebenenfalls Missverständnisse hervorzurufen. Ein Schüler brachte in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel: „Ich lerne Deutsch weil ich Fernfahrer werden will und als Fernfahrer muss ich Frachtbriefe lesen können, sonst weiß ich nicht wohin ich fahren soll.“ Diese Antwort beinhaltet nicht nur die Erkenntnis bezüglich der Wichtigkeit des Faches Deutsch als allgemein-kommunikative Basisfähigkeit, sondern auch als Vorbereitung auf das Berufsleben. Einige wenige Schüler sahen Deutschunterricht als wichtiges oder gar wichtigstes Element des Fächerkanons an, gerade weil er sie auf das Berufsleben vorbereitet, bzw. ihnen den Erwerb von Schlüsselqualifikationen für spätere Berufe ermöglicht.

Die Schüler dieser Stufe nannten Lesen- und Schreibenlernen als Elemente des täglichen Unterrichtsgeschehens, denen sie eine große Bedeutung beimaßen. Auch Rechtschreibung und Grammatik sowie Aufsatzunterricht wurden häufiger genannt.

Oberstufe: Die Tendenz, die sich in der Mittelstufe schon herauskristallisierte, dass Deutschunterricht als Vorbereitung auf das Berufsleben dient, zeigte sich in besonderem Maße in der Oberstufe. Begriffe wie Lesen und Schreiben lernen waren hier kaum mehr zu vernehmen. Stattdessen machten sich die Schüler nur noch Gedanken über die Aufgabe des Faches Deutsch als Qualifikation für das spätere Berufsleben: „Ich muss gut in Deutsch sein um später Arbeit zu bekommen und um meinen Arbeitsplatz auch sicher behalten zu können“. Sie sahen eine gute Sprachbeherrschung als grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufsausbildung.

Fazit: Werden die Ansichten der jeweiligen Klassenstufen als aufeinander aufbauend verstanden, so ergibt sich folgendes Bild: Deutschunterricht dient aus der Sicht der Schüler zur Schaffung einer kommunikativen Basisfähigkeit und somit einer Qualifikation für das spätere Berufsleben, aus der sich wiederum eine gesteigerte Lebensqualität ergibt. Die Schüler haben eindeutig erkannt, dass Deutschunterricht in erster Linie die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens beinhaltet. Die besondere Rolle, die sie allerdings der Rechtschreibung zumaßen, lässt sich nur schwer erklären. Sicherlich haben die Schüler einige Mängel in ihrer orthografischen Kompetenz, schließlich sind besondere Rechtschreibprobleme keine Merkmale für eine Verhaltensstörung, sondern eher einer Lernbeeinträchtigung. Trotzdem soll dieser Frage im weiteren Verlauf nachgegangen werden, da die Rechtschreibung im Unterrichtsgeschehen, an den Schulen für Verhaltensbehinderte, anscheinend eine besondere Stellung einnimmt.

3.3.3 Aufgaben aus der Sicht der Arbeitgeber

Viele Arbeitgeber bemängeln heutzutage eine gewisse Inkompetenz der Schüler bei der Ausübung der grundlegenden Kulturtechniken wie Rechnen, Lesen und (Recht-)Schreiben. Dies führte in der Vergangenheit nicht selten zu heftiger Kritik am Bildungswesen in Deutschland (vgl. Thüringer Lehrerverband e.V. 1997; Bünting / Timmler 1997, 26).

Die Klientel der Sonderschule für Verhaltensbehinderte steht genau so im Kreuzfeuer dieser Diskussion wie die jeder anderen Schule. Trotzdem soll hier nicht auf die Situation von verhaltensgestörten Schülern auf dem Arbeitsmarkt eingegangen werden, sondern welche Bedeutung das Fach Deutsch für verhaltensgestörte Jugendliche aus der Sicht von Arbeitgebern haben kann.

Dass gute Kenntnisse der deutschen Sprache erwünscht bzw. als Einstellungskriterien relevant sind, lässt folgende Umfrage der Zeitung Die Rheinpfalz vermuten:

Wie Bewerbungen beurteilt werden

Umfrage in der deutschen Wirtschaft, Mehrfachnennungen in Prozent

- Vollständigkeit: 73%
- Rechtschreibung: 62%
- Formaler Gesamteindruck: 60%
- Abschlussnote: 54%
- Schriftlicher Ausdruck: 52%
- [...]

(vgl. Die Rheinpfalz 2000)

Diese Umfrage zeigt, dass viele Techniken und Kenntnisse, die im Deutschunterricht erworben werden oder erworben werden sollen, für Bewerbungen von essentieller Wichtigkeit sind. Zudem lernen die Schüler nur im Deutschunterricht eine korrekte Bewerbung zu schreiben.

Interviews mit Arbeitgebern bzw. Personalstellen verschiedener Betriebe ergaben eine berufsspartenabhängige Einteilung für die Bedeutung des Faches Deutsch. Selbstverständlich können diese Gespräche nicht als repräsentativ angesehen werden, da sich der Umfang der durchgeführten Befragung nur auf Stichproben beschränkt.

Handwerk: Eine Umfrage bei diversen Handwerksbetrieben, wie z.B. Schreinereien, Friseursalons und Kfz-Werkstätten, ergab folgendes Bild: Grundsätzlich werde den Deutschkenntnissen eine gewisse Bedeutung beigemessen, jedoch nur in elementarem Sinne. Die Auszubildenden sollten zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügen, Tests, die z.B. die sprachliche Kompetenz abfragen, wurden durchgehend nicht verwendet. Lediglich ein Blick auf die Deutschnote im Abschlusszeugnis wurde von einigen Arbeitgebern genannt. Größere Gewichtung erhielten Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Teamfähigkeit.

Unberücksichtigt sollte allerdings nicht bleiben, dass neben der Lehre selbst die Jugendlichen auch eine Berufsschule verpflichtend besuchen. Sie müssen den Anforderungen einer Berufsschule im Fach Deutsch gewachsen sein, die sich meistens auf der Ebene des Realschulniveaus bewegen.

Dienstleistung: Im Dienstleistungsbereich zeigte sich ein vollkommen anderes Bild. Prüfungsunterlagen auf Hauptschulniveau für Berufsanfänger der Deutsche Post AG z.B. waren in folgende vier Testgebiete unterteilt:

1. Allgemeinbildung
2. Wirtschaftliche Fragen
3. Umgang mit Zahlen und Tabellen
4. Rechtschreibung und Zeichensetzung/ Wortschatz

(Test für Berufsanfänger 1997, 1)

Alleine die Unterteilung in diese Segmente zeigt, dass den Deutschkenntnissen der Bewerber eine hohe Stellung beigemessen wird; machte doch der Anteil zur Kenntnis der deutschen Sprache immerhin ein Drittel des gesamten Tests aus. Geprüft wurde bei diesem Test der „[...] Umgang mit der Sprache in unterschiedlichen Formen, das Verständnis von Texten und die produktive Sprache. Wichtig ist, dass trotzdem der Bereich der Grundfertigkeiten nicht verlassen wird. Obwohl eine differenzierte Beurteilung der Sprachleistung möglich wäre wird hier darauf verzichtet“ (Horn 1985, 3). Der oben genannte Test prüft folglich die Mindestanforderungen der Bewerber in allgemeinen Bereichen der deutschen Sprache, doch sind Allgemeinbildung, logisches Denken und Mathematikkenntnisse von gleich starker Bedeutung.

Einblicke in testvorbereitende Lehrgangsunterlagen eines Unternehmens offenbarten allerdings ein anderes Bild. Hier wurden größtenteils kognitive Fähigkeiten wie Assoziation, Motivation oder Konzentration neben Bereichen aus dem Deutschunterricht, wie „sinnvoll Lesen“ und „Umgang mit Worten und Texten“ (vgl. Hoberg / Vollmer 1996) sehr gezielt geschult. Dies lässt vermuten, dass den Deutschkenntnissen der Berufsanfänger weitaus mehr Beachtung entgegengebracht wird, als allgemein zugegeben.

Auch hier fanden sich wieder „psychologische“ Kriterien, wie z.B. Motivation, Auftreten und Persönlichkeit, die als vorrangig eingestuft wurden.

Auf Anfrage erklärte eine Schule für Erzieher, sie würde grundsätzlich verhaltensgestörte Jugendliche ausbilden, schließlich sei sie gesetzlich dazu verpflichtet. Voraussetzung wäre lediglich, dass der betreffende Auszubildende über einen Realschulabschluss verfüge und sich auch sonst in einem persönlichen Gespräch bewähren müsse. Die Deutschnote sei von keiner besonderen Relevanz, dürfe allerdings nicht schlechter als eine „Drei“ sein. Allerdings gäbe es auch Ausnahmen, bei denen Bewerber mit schlechteren Noten eine Deutschprüfung ablegen könnten.

Fazit: Abschließend kann gesagt werden, dass eine besondere Kompetenz im Fach Deutsch für die meisten handwerklichen Ausbildungsberufe nicht zwingend nötig ist. Dem gegenüber stehen die Dienstleistungsberufe, bei denen sich die erwarteten Grundkenntnisse oftmals auf dem Niveau der Realschule bewegen, welches in der Praxis nur von wenigen Abgängern einer Sonderschule für Verhaltensbehinderte erreicht wird.

Andererseits kann oder muss der Deutschunterricht an Schulen für Verhaltensbehinderte an anderen wichtigen Punkten ansetzen, wie z.B. der Förderung von sicherem Auftreten und Selbstbewusstsein durch sprachliche Kompetenz, um so eine Anerkennung der Schüler im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld sicherzustellen.

3.4 Resümee

In den vorherigen Abschnitten wurde bereits deutlich gemacht, dass es „die“ Aufgabe des Deutschunterrichts nicht gibt. Lediglich eine Art Trend lässt sich festhalten in dem die Kommunikationsfähigkeit des Schülers eine starke Gewichtung erhält.

[...]

Fin de l'extrait de 127 pages

Résumé des informations

Titre
Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte
Sous-titre
Konzepte - Möglichkeiten - Wege
Université
University of Koblenz-Landau  (Institut für Sonderpädagogik)
Note
2,3
Auteur
Année
2000
Pages
127
N° de catalogue
V44
ISBN (ebook)
9783638100274
ISBN (Livre)
9783640129362
Taille d'un fichier
1326 KB
Langue
allemand
Annotations
Bei dieser Arbeit handelt es sich um einen Versuch, Deutschunterricht speziell auf die Schule für Verhaltensbehinderte abzustimmen und mögliche pädagogische Förderelemente praxisorientiert hervorzuheben.
Mots clés
Deutschunterricht, Schule, Verhaltensbehinderte
Citation du texte
Frank Reinhard Kienzler (Auteur), 2000, Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44

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Titre: Deutschunterricht in der Schule für Verhaltensbehinderte



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