Am 01.07.2005 erreicht mich eine Presseerklärung vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein mit der Schlagzeile „Ausländeramt holt traumatisierten Kurden zur Abschiebung aus Psychiatrie- Segeberger Ausländerbehörde bleibt sich treu“. „In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni holte ein Greiftrupp der Segeberger Ausländerbehörde den nach Folter in türkischer Haft schwer traumatisierten Kurden Murat Savas aus dem Bett in der Ricklinger Psychiatrie, wo er sich zur Therapie in stationärer Behandlung befunden hatte. Der schwer kranke Mann wurde am Mittag des 28. Juni von seiner Familie getrennt und allein in die Türkei abgeschoben. Die Abteilung für Aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Segeberger Kreisverwaltung war schon Ende Mai durch ihre restriktive, gegen kranke ausreisepflichtige Menschen gezielte Vollstreckungspraxis aufgefallen.
Murat Savas lebte schon seit 1990 in Deutschland, seine Ehefrau Nurten folgte vor ca. 6 Jahren, seine Kinder Nurullah und Rojhat sind hier geboren. Savas′ Asylgesuche waren abgelehnt worden. Die später offenbar gewordene und fachärztlich attestierte schwere posttraumatische Belastungsstörung hatte weder asylendscheidende Behörden und Gerichte noch die Härtefallkommission überzeugen und schon gar nicht die zuständige Ausländerbehörde erweichen können, ihren rechtlichen Spielraum für die Aufenthaltsverlängerung aus humanitären Gründen zu nutzen. (…)“1 In zunehmenden Maße werden körperlich oder psychisch kranke Migranten, deren Aufenthaltstatus erloschen ist, gegen den Protest der behandelnden Ärzte während einer notwendigen stationären psychiatrischen Behandlung zwangsweise aus Krankenhäusern geholt und abgeschoben.2
Die therapeutische Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen ist im Kontext der bundesdeutschen Asylpolitik problematisch, wie der Fall Savas eindrücklich aufzeigt. Manche abgelehnten traumatisierten Flüchtlinge erhalten aufgrund ihres Gesundheitszustandes eine Duldung, das heißt ihre Abschiebung wird zeitweise nicht vollzogen. Bei erfolgreicher therapeutischer Arbeit ist, mit Behandlungsabschluss, aus Sicht der Behörden das „Abschiebungshindernis“ weg, die Duldung des Flüchtlings erlischt. Dies bedeutet für den Flüchtling, so er denn nicht freiwillig ausreisen will, dass er eigentlich nicht gesund werden „darf“ oder kann. Jede Tendenz zur Genesung führt möglicherweise durch die damit wieder aktuell drohende Abschiebung zur Reaktualisierung des Traumas. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entwicklung von Traumatisierung
- Definition Traumatisierung
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Rechtliche Rahmenbedingungen
- Allgemeine Voraussetzungen für Abschiebehindernisse gemäß § 60 Abs. 7 AufthG
- Lebenssituation der Flüchtlinge in Deutschland
- Traumatisierte Flüchtlinge zwischen Psychiatrie und Ausländerbehörde - Konfliktdarstellung
- Interventions- und Konfliktlösungsmöglichkeiten anhand eines Forderungskataloges
- Herausforderungen der Flüchtlingssozialarbeit - Coping-Strategien am Beispiel von Refugio
- Kritische Auseinandersetzung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die komplexen Herausforderungen, die sich für die Flüchtlingssozialarbeit aus der Traumatisierung von Flüchtlingen ergeben. Sie analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und beleuchtet die Lebenssituation traumatisierter Flüchtlinge in Deutschland. Dabei wird der Konflikt zwischen der Notwendigkeit von therapeutischer Unterstützung und den Anforderungen der Asylgesetzgebung untersucht. Die Hausarbeit stellt die verschiedenen Interventions- und Konfliktlösungsmöglichkeiten vor und erörtert die Bedeutung von Coping-Strategien für Sozialpädagogen in der Flüchtlingssozialarbeit am Beispiel von Refugio.
- Traumatisierung von Flüchtlingen und ihre Auswirkungen auf die psychische Gesundheit
- Rechtliche Rahmenbedingungen der Flüchtlingshilfe in Deutschland
- Der Konflikt zwischen Asylrecht und Genesungsprozess
- Interventions- und Konfliktlösungsmöglichkeiten in der Flüchtlingssozialarbeit
- Coping-Strategien für Sozialpädagogen in der Flüchtlingssozialarbeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Problem der Traumatisierung von Flüchtlingen in Deutschland dar und veranschaulicht die Herausforderungen, die sich für die Flüchtlingssozialarbeit ergeben.
- Entwicklung von Traumatisierung: Dieses Kapitel erläutert die Definition von Traumatisierung und geht auf die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ein. Es wird erläutert, wie traumatisierende Erlebnisse die psychische Gesundheit beeinflussen können.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Der Fokus dieses Kapitels liegt auf den rechtlichen Bedingungen, die die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge in Deutschland beeinflussen. Es werden die Voraussetzungen für Abschiebehindernisse gemäß § 60 Abs. 7 AufthG näher beleuchtet.
- Lebenssituation der Flüchtlinge in Deutschland: Dieses Kapitel beleuchtet die schwierige Lebenssituation traumatisierter Flüchtlinge in Deutschland und die Herausforderungen, die sie beim Aufbau eines neuen Lebens bewältigen müssen.
- Traumatisierte Flüchtlinge zwischen Psychiatrie und Ausländerbehörde - Konfliktdarstellung: Dieses Kapitel analysiert den Konflikt, der zwischen dem Bedürfnis traumatisierter Flüchtlinge nach therapeutischer Unterstützung und den Anforderungen der Asylgesetzgebung entsteht.
- Interventions- und Konfliktlösungsmöglichkeiten anhand eines Forderungskataloges: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Möglichkeiten, um mit den Herausforderungen im Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen umzugehen. Es werden Lösungsansätze und ein Forderungskatalog vorgestellt, der die Bedürfnisse der Flüchtlinge und die Anforderungen der Sozialarbeit in Einklang bringen soll.
- Herausforderungen der Flüchtlingssozialarbeit - Coping-Strategien am Beispiel von Refugio: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Flüchtlingssozialarbeit und erörtert die Bedeutung von Coping-Strategien für Sozialpädagogen. Es werden die Erfahrungen von Refugio, einer Organisation, die sich für die Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge einsetzt, aufgezeigt.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit befasst sich mit den Themen Traumatisierung, Flüchtlinge, Asylrecht, Genesungsprozess, Coping-Strategien, Flüchtlingssozialarbeit, Rechtliche Rahmenbedingungen, Interventionsmöglichkeiten, Konfliktlösung, und Refugio.
- Citation du texte
- Melanie Gemballa (Auteur), 2005, Traumatisierte Flüchtlinge im Spannungsfeld von Asylrecht und Genesungsprozess. Coping-Strategien für Sozialpädagogen in der Flüchtlingssozialarbeit am Beispiel von Refugio, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45027