"Der Golem" und die Golemlegende


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2005

13 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Legenden um den Golem

3 Die Golemlegende in Gegenüberstellung

4 Die Darstellung der Golemlegende in „Der Golem“
4.1 Meyrinks Golem
4.2 Die Darstellung der Legende in „Der Golem“
4.3 Meyrinks eigene Zusätze zur Legende

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Immer wieder begibt es sich nämlich, daß ein vollkommen fremder Mensch, bartlos, von gelber Gesichtsfarbe und mongolischem Typus, aus der Richtung der Altschulgasse her, in altmodische, verschossene Kleider gehüllt, gleichmäßigen und eigentümlich stolpernden Ganges, so, als wolle er jeden Augenblick vornüber fallen, durch die Judenstadt schreitet und plötzlich – unsichtbar wird.[1]

Diese Begebenheit, erzählt von „Zwakh“ aus Gustav Meyrinks Roman „Der Golem“, beschreibt das Aussehen und Auftreten eines mythischen Geschöpfes, welches durch sein merkwürdiges Erscheinungsbild einerseits Verwunderung und andererseits auch Angst erzeugt – der Golem. In den jüdischen Erzählungen tritt dieses Wesen meist im Zusammenhang mit der Errettung des Judenvolkes auf. Die Legende des Golems ist, wie so viele, sehr vage und verändert sich im Laufe der Jahrhunderte. Zahlreiche Autoren thematisieren diese Legende in ihren Werken, so auch Isaac Bashevis Singer, Eduard Petiška und Gustav Meyrink, die in dieser Arbeit thematisiert werden.

Der Untersuchungsgegenstand meiner Seminararbeit soll die Figur des Golems in Gustav Meyrinks gleichnamigen Werk „Der Golem“ sein.

Ich gehe bei der Ausarbeitung wie folgt vor: Zuerst werde ich eine kurzen Einblick in den Mythos des Golems geben und gehe dann noch kurz vergleichend auf die dargestellten Figuren des Golems in Singers „Der Golem. Eine Legende“ und Petiškas „Der Golem. Jüdische Märchen und Legenden aus dem alten Prag“ ein, um die verschiedenen Varianten der Legende aufzuzeigen. Auf der Basis des erarbeiteten Wissens über den Golem konzentriere ich mich dann insbesondere auf die in Meyrinks Roman verwendeten Merkmale der Figur, die Darstellung der Legende im Roman und die Komponenten, die Gustav Meyrink der Legende hinzugefügt hat. Meine Untersuchungen werde ich mit einer zusammenfassenden Bemerkung abschließen.

2 Die Legenden um den Golem

Aus unerfindlichen Gründen gibt es über den Golem wenige und nur unvollständige Quellen. Jedoch will ich versuchen die Figur und ihre Legende so gut wie möglich darzustellen.

Die Bedeutung des Wortes „Golem“ ist nicht eindeutig definiert. Aus dem Aramäischen stammend, bedeutet es „formlose Masse“, kann aber auch die Bezeichnung „Embryo“ tragen. Später wird es als künstlich erschaffener Mensch charakterisiert. Der Golem ist demnach ein nicht auf natürliche Weise erzeugtes Wesen. Dieses Motiv einer übernatürlich entstandenen Kreatur lässt sich auch in verschiedenen Zeiten und Völkern nachweisen. In den Legenden der Griechen gibt es zum Beispiel die Automaten des Hephäst und Dädalus, Statuen; die von ihrem Sockel herabsteigen und Verbrechen strafen. Auch im steinernen Gast der Don Juangeschichte wird das Motiv eines unnatürlichen Lebewesens deutlich (um nur einige Beispiele zu nennen).[2]

Nicht zuletzt wird auch Frankensteins Geschöpf mit dem Golem in Verbindung gebracht. Jedoch besteht im Vergleich dieser beiden Wesen der Unterschied, dass das Erstere durch naturwissenschaftliche und das Zweite durch religiöse und rituelle Kräfte erweckt wurde.

In der Überlieferung kommt es vor, dass der Golem auch mit Adam in Zusammenhang gebracht wird. Da Adam aus Erde geformt ist und Gott ihm das Leben und die Sprache eingehaucht hat, könnte der Golem eine Art Vorstufe darstellen. Denn „Golem“ bezeichnet „seit dem 12. Jahrhundert einen stummen, minderwertigen Menschen, der ‚ohne Zeugungskraft und Trieb zum Weibe’ - allein mit Hilfe eines sprachmagischen Rituals - künstlich aus einer noch unberührten Elementar-Erde, die vor aller organischen Schöpfung vorhanden ist, erschaffen wird“[3].[4]

Diese Schöpfung des Golems wird häufig zusammen mit der Legende um den Rabbi Löw genannt. Nach Chajim Bloch, der im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts verschiedene Fakten der Legende zusammengetragen hat, lautet die Sage wie folgt:

Rabbi Löw, der von 1513 -1609 in Prag lebte, war bei den Juden hoch angesehen und vertrat ihre Meinungen und Belange in der Öffentlichkeit. Immer wieder wurden die Juden des Christenmords angeklagt, da das Gerücht herrschte, dass sie Christenblut für ihre jüdischen Festtage und Rituale verwendeten. „Um die Juden vor den Christen zu schützen, soll Gott dem hohen Rabbi Löw eines Nachts im Jahre 1580 aufgetragen haben, einen Golem zu schaffen“.[5] Er gestaltete mit Hilfe seines Schwiegersohns und seines Jüngers eine Lehmfigur und erweckte sie mit einem Ritual zum Leben, bei dem die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft die primäre Rolle spielten. Ab diesem Tag diente der Golem dem Rabbi und half ihm das Judenvolk vor falschen Verdächtigungen zu schützen. Als der Golem seine Dienste getan hatte, verwandelten ihn der Rabbi und sein Gefolge in die Lehmfigur zurück. Dies vollzogen sie auf dem Dachboden der Altneu-Synagoge, indem sie ihm das Leben mit Hilfe einer Zauberformel und dem Entziehen der Elemente fortnahmen. Der Golem wurde wieder zur leblosen Lehmfigur. Rabbi Löw verbot seither allen Juden den Dachboden zu betreten.[6] Die Art der Zauberformel, die zum Erwecken des Golems führt, variiert in der Geschichte der Legende. Im 13. Jahrhundert heißt es, dass der Golem durch magische Buchstaben und Zahlenkombination erweckt wird. Dabei wird ihm das Wort „tma“ welches „emeth“ ausgesprochen wird auf die Stirn geschrieben. Das hebräische Wort „tma“ bedeutet „wahr“ und besteht aus den Buchstaben „aleph“, „mem“ und „tav“. Der Satz „Gott ist wahr“, im Hebräischen „JHWH elohim emeth“ dient daher zur Erweckung der Lehmfigur. Wird der Buchstabe „aleph“ nun aus dem „emeth“ gelöscht, wird es zu „meth“, was soviel bedeutet wie „tot“. Aus „Gott ist wahr“ wird „Gott ist tot“ und der Golem wird wieder zu Lehm.

Ab dem 17. Jahrhundert wird erzählt, dass der Golem mittels eines Amulettes bzw. eines Zettels, auf dem der Name Gottes steht, erweckt und am Leben erhalten werden kann. Entfernt man das Amulett oder den Zettel, ist der Golem nicht mehr lebensfähig.[7]

Diese Varianten der Legende spiegeln sich auch heute noch in verschiedenen literarischen Werken wieder. Zwei Beispiele in der Literatur will ich nun kurz darstellen, um die verschiedenen Auslegungen der Legende aufzuzeigen.

3 Die Golemlegende in Gegenüberstellung

Da die Legende um die Golemfigur nicht klar definiert ist, wird sie in der Literatur häufig in verschiedenen Versionen dargestellt. Ich möchte nun eine kurze Gegenüberstellung der dargestellten Legenden des Golems zwischen den Geschichten der Autoren Eduard Petiška und Isaac Bashevis Singer vornehmen. In dem Werken von Petiška und Singer geht der Erschaffung des Golems eine Bedrohung für die Sicherheit des Judenvolkes voraus.

Der Rabbi Löw, der im Prager Judenghetto sehr hoch angesehen ist, sucht in beiden Geschichten nun nach einer Lösung.

In Petiškas Geschichte wird dem Rabbi im Traum bewusst, dass er einen Golem erschaffen muss, um das Volk zu retten. Er vollführt mit seinem Schwiegersohn und seinem Schüler ein lang vorbereitetes Ritual, in dem die magische Zahl Sieben und die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde eine wichtige Rolle spielen. Am Moldauufer formen sie den Golem aus Lehm und erwecken ihn mit religiösen und rituellen Kräften, indem sie ihm den Mund öffnen und das Sch’ma (ein Pergament mit dem jüdischen Hauptgebet und einer geheimen Zauberformel) unter die Zunge legen. Der Rabbi tauft den stummen Golem auf den Namen „Josef“. Im Verlauf der Geschichte muss der Golem nun eine christliche Magd suchen, damit die Juden nicht des Christenmords angeklagt werden. Kurz vor der Urteilsverkündung findet er die Christin und rettet damit das Judenvolk vor der Verleumdung. Als Rabbi Löw eines Tages vergessen hatte dem Golem eine Aufgabe zu geben, wütet dieser im Ghetto. Der Rabbi beschließt den Golem wieder zu Lehm zu machen und vollführt das Ritual der Erweckung, indem er alles rückwärts ausführt, auf dem Dachboden über der Altneu-Synagoge. Daraufhin darf keiner mehr den Dachboden betreten.[8]

Petiška hält sich bei seiner Erzählung sehr nahe an Chajim Blochs Auffassung der Legende. Er verwendet z. B. die Motive der vier Elemente und des Zettels zur Erweckung des Golems.

Im Gegensatz dazu benutzt Singer in seinem Werk Motive aus früheren Legendenerzählungen. In seiner Darstellung bekommt der Rabbi Löw Besuch von einem mysteriösen Mann, der ihm sagt, wie er einen Golem erschaffen kann. Daraufhin lässt der Rabbi seinen Synagogendiener tonnenweise Lehm auf den Dachboden der Synagoge bringen und formt daraus eine menschenähnliche Gestalt. Dieser Lehmfigur ritzt er den Namen Gottes ein, jedoch vorerst nur unvollständig. Er lässt den Buchstaben „aleph“ weg und sein Golem ist noch nicht handlungsfähig. Nachdem er ihn dann vervollständigt hat, dient ihm der Golem und beantwortet des Rabbis Befehle mit einem „Ja“. Auch hier wird der Golem vom Rabbi zu „Josef“ getauft. Die Hauptgeschichte handelt davon, dass der Golem die Tochter eines Christen finden muss. Dieser Christ behauptet vor dem Gericht, dass die Juden sie getötet hätten. Er findet sie und rettet die Juden vor der Verleumdung. Später bekommt der Golem eine Identitätskrise und fängt an im Ghetto zu wüten. Um ihn wieder zu Lehm zu verwandeln, müssen die Buchstaben auf seiner Stirn gelöscht werden.[9]

In beiden Geschichten werden unterschiedliche Verarbeitungen der Legende sichtbar. Petiška richtet sich dabei eher nach der Legende des 20. Jahrhunderts und Singer benutzt Motive aus dem 13. und 17. Jahrhundert. Auffällig ist, dass Singers Golem der menschlichen Sprache mächtig ist, wohingegen Petiška einen stummen Golem beschreibt. Natürlich gehört zu den Geschichten auch die künstlerische Freiheit der Autoren dazu, deswegen gehe ich jetzt nicht weiter auf diese Werke ein und widme mich nun der Darstellung des Golems in Meyrings Roman „Der Golem“.

[...]


[1] Meyrink, Gustav, Der Golem. Frankfurt/ M; Berlin; Wien: Verlag Ullstein GmbH. 1985.S. 48f.

[2] Vgl. Herlitz, Georg und Kirschner, Bruno, Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag, 1987. Band 2. S. 1199f.

[3] Wöll, Alexander, Der Golem. Kommt der erste künstliche Mensch und Roboter aus Prag? http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php?name=golem (24.08.2005)

[4] Vgl. ebd.

[5] Meyrink, Gustav, Der Golem. Hrsg. von Thomas Rietzschel, Leipzig; Weimar: Gustav Kiepenheuer Verlag. 1983. S. 333.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Wöll, Alexander: a.a.O.

[8] Vgl. Petiška, Eduard, Der Golem. Jüdische Märchen und Legenden aus dem alten Prag. 4. Auflage. Berlin: Union Verlag Berlin. 1977. S.77ff.

[9] Vgl. Singer, Isaac Bashevis, Der Golem. Eine Legende. München: Carl Hanser Verlag. 1988. S. 18ff.

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
"Der Golem" und die Golemlegende
Université
University of Rostock  (Germanistik)
Note
2,3
Auteur
Année
2005
Pages
13
N° de catalogue
V45182
ISBN (ebook)
9783638426251
Taille d'un fichier
480 KB
Langue
allemand
Mots clés
Golem, Golemlegende
Citation du texte
Katharina Zillmer (Auteur), 2005, "Der Golem" und die Golemlegende, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45182

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