Freundschaften als etwas Erstrebenswertes und sehr Essentielles sind in jeder Epoche, in jeder Kultur und auch in jeder literarischen Gattung bekannt. Der Freundschaftsbegriff soll in der folgenden Arbeit genauer betrachtet werden, zum einen in Hinblick erster Belege des Wortes Freund im Mittelalter in deutschsprachigen Gebieten und zum anderen in Hinsicht auf Begriffsgeschichte und Bedeutung im Mittelalter. In dem Kurzroman Engelhard hat Konrad von Würzburg (*um 1230, †1287) das Freundschaftsmotiv zum Thema gemacht. Es geht um eine Männerfreundschaft, die über allen anderen weltlichen Dingen steht, die Berge versetzen kann und die sich sowohl im Glück als auch im Leid bewährt. Obwohl die Forschung zum Engelhard sich lange Zeit mit der Datierung, Lokalisierung und Einordnung in das Gesamtwerk Konrads aufgehalten hat, gibt es mittlerweile einen Konsens darüber, dass es ein Werk ist, mit dessen Inhalt und Thematik sich zu beschäftigen lohnt. Die Themen dieser Dichtung sind zwar überschaubar, doch ist es trotzdem kein einfach zu interpretierender Text (siehe Brandt, S. 140), zu dem es viele unterschiedliche Interpretationen gibt. Hartmut Kokott hat unter anderen (Kokott 1989) zum Beispiel die Dichtung nicht als Freundschaftserzählung, sondern als Aufsteigergeschichte um Engelhard gedeutet. Es soll hier nur daraufhingewiesen werden, dass unterschiedliche Interpretationen möglich sind, die im Rahmen dieser Arbeit nicht alle wiedergegeben werden können. Die Ursache dieser Polyvalenz, nämlich die Widersprüche und Ambivalenzen, bleiben im Text stehen, denn Konrad von Würzburg scheint nicht um eine Auflösung bemüht zu sein, wozu er mit Sicherheit imstande gewesen wäre. (siehe Brandt 2000, S. 141) Es wird sich nicht mehr klären lassen, inwieweit dies der Intention des Autors entspricht. Jedoch ist festzuhalten, dass der Text allerlei Interpretationsmöglichkeiten birgt, die ein unterschiedliches Licht auf den Engelhard werfen. Und gerade das ist es, was meiner Meinung nach ein Werk so interessant macht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Freundschaft im Mittelalter
2.1 Zur Etymologie
2.1.1 Sprachliche Belege und ihre Bedeutungen
2.1.2 Begriffsgeschichte
2.2 Freundschaften im Mittelalter
2.2.1 Die Bedeutung im Mittelalter
2.2.2 Freundschaft in der mittelalterlichen Literatur
3. Konrad von Würzburg
3.1 Biographisches
3.2 Sein Werk
4. Engelhard
4.1 Inhalt
4.2 Gattung – ein Roman mit legendenhaften Zügen
4.3 Forschung
4.4 Themen im Engelhard
4.4.1 Freundschaftliche triuwe
4.4.2 Die Minnehandlung
4.4.3 Das Gottesurteil und der Zweikampf im Mittelalter
4.4.4 Das Gottesurteil im Engelhard – eine Frage von Wahrheit und Schuld
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Freundschaften als etwas Erstrebenswertes und sehr Essentielles sind in jeder Epoche, in jeder Kultur und auch in jeder literarischen Gattung bekannt. Der Freundschaftsbegriff soll in der folgenden Arbeit genauer betrachtet werden, zum einen in Hinblick erster Belege des Wortes Freund im Mittelalter in deutschsprachigen Gebieten und zum anderen in Hinsicht auf Begriffsgeschichte und Bedeutung im Mittelalter. In dem Kurzroman Engelhard hat Konrad von Würzburg (*um 1230, †1287) das Freundschaftsmotiv zum Thema gemacht. Es geht um eine Männerfreundschaft, die über allen anderen weltlichen Dingen steht, die Berge versetzen kann und die sich sowohl im Glück als auch im Leid bewährt. Obwohl die Forschung zum Engelhard sich lange Zeit mit der Datierung, Lokalisierung und Einordnung in das Gesamtwerk Konrads aufgehalten hat, gibt es mittlerweile einen Konsens darüber, dass es ein Werk ist, mit dessen Inhalt und Thematik sich zu beschäftigen lohnt. Die Themen dieser Dichtung sind zwar überschaubar, doch ist es trotzdem kein einfach zu interpretierender Text (siehe Brandt, S. 140), zu dem es viele unterschiedliche Interpretationen gibt. Hartmut Kokott hat unter anderen (Kokott 1989) zum Beispiel die Dichtung nicht als Freundschaftserzählung, sondern als Aufsteigergeschichte um Engelhard gedeutet. Es soll hier nur daraufhingewiesen werden, dass unterschiedliche Interpretationen möglich sind, die im Rahmen dieser Arbeit nicht alle wiedergegeben werden können. Die Ursache dieser Polyvalenz, nämlich die Widersprüche und Ambivalenzen, bleiben im Text stehen, denn Konrad von Würzburg scheint nicht um eine Auflösung bemüht zu sein, wozu er mit Sicherheit imstande gewesen wäre. (siehe Brandt 2000, S. 141) Es wird sich nicht mehr klären lassen, inwieweit dies der Intention des Autors entspricht. Jedoch ist festzuhalten, dass der Text allerlei Interpretationsmöglichkeiten birgt, die ein unterschiedliches Licht auf den Engelhard werfen. Und gerade das ist es, was meiner Meinung nach ein Werk so interessant macht.
2. Freundschaft im Mittelalter
Freundschaft bezeichnet heute eine Form der sozialen Beziehung zwischen zwei oder mehreren Partnern, die besonders durch gegenseitige Anziehung (Sympathie) und ein Verhältnis persönlichen Vertrauens bestimmt ist. (siehe Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7, S. 2280: Freundschaft) In der heutigen Gesellschaft gehören Freundschaften zur Privatsphäre und können ganz unterschiedlichen Lebensbereichen zugeordnet werden. (siehe Nolte 1990, S. 126) So wird der Begriff oft undifferenziert benutzt und meint allgemein Personen im unmittelbaren Umkreis, mit denen man Zeit gemeinsam verbringt. Im engeren Sinn beinhaltet Freundschaft Hilfs- und Opferbereitschaft und freiwillige Verantwortung für die andere Person, jedoch hat sie „keinen gesellschaftlich sanktionierten oder gar institutionellen Charakter.“ (Nolte 1990, S. 126) Die Bedeutung von Freundschaft im Mittelalter geht über die heutige Belegung des Begriffes hinaus und soll im folgenden näher betrachtet werden.
2.1 Zur Etymologie
2.1.1 Sprachliche Belege und ihre Bedeutungen
Das Wort Freund hat seinen frühesten überlieferten Ursprung in der gotischen Form frijōnds, welches ursprünglich ein Partizip Präsens des Verbs frijōn = lieben ist. Demzufolge bedeutet frijōnds „der Liebende, der in der Liebe Verbundene“. (Nolte 1990, S. 126/127) und meint damit auch den Freund. (Reallexikon, S. 575) Im Althochdeutschen findet sich die Form friunt, die „in der ahd. Überlieferung weit überwiegend“ (Reallexikon, S. 575) mit der Bedeutung ‚Freund‛ gedeutet wird. Der Begriff umfasst aber auch Nahestehende allgemein und kann damit Verwandte mit einschließen. (siehe Reallexikon, S. 575) Die Bedeutung Verwandter tritt in dem mhd. friunt noch weiter in den Vordergrund. (siehe Nolte 1990, S. 131) Des weiteren bezeichnet friunt freundliche, wohlgesinnte Menschen, den Genossen, Gesellen, Kumpan, politische Anhänger und Schutzbefohlene. (siehe Reallexikon, S. 575) Lateinisches Lemma ist „hier fast ausschließlich“ (Reallexikon, S. 575) amicus (lat.: Freund), aber auch sodalis (lat.: Kamerad, Geselle).
Wie zuvor geschildert, geht der Begriff des friunt über die Bedeutung “Freund“ hinaus und kann Verwandtschaft miteinbeziehen. Theodor Nolte weist in diesem Kontext darauf hin, dass friunt im Gegensatz zu māg, das nur die Blutsverwandten bezeichnet, einen weiteren Kreis von Individuen umfasst:
„(...) ahd. friunt [umfasst] einen weiteren Kreis von Individuen, nämlich die Gesamtheit derer, die in der Lage und dazu verpflichtet sind, für einen Stammesgenossen rechtlich einzutreten (etwa als Eidhelfer, bei der Blutrache, bei der Zahlung des Wergeldes), die für ihn Schutz- und Hilfsfunktionen ausüben, also 1) die Bluts- und Heiratsverwandten, 2) die Gildengenossen, Kriegsgefährten, Schwurfreunde, Blutsbrüder usw.“
(Nolte 1990, S. 129)
Ein friunt in diesem Sinne übernimmt somit bestimmte Funktionen des Sippenverbandes und kann als eine „übertragene Verwandtschaft“ bezeichnet werden. (siehe Nolte 1990, S. 129)
Im 16. und 17. Jahrhundert tritt eine Veränderung der Verwendungsbereiche von Verwandter und Freund ein. (siehe Nolte 1990, S. 133) Während das Lexem māg für Verwandter langsam verschwindet, tritt an diese Stelle das Adjektiv verwandt und nähert sich in der Bedeutung immer mehr unserem heutigen verwandt als Familienzugehörigkeit an. In diesem Zusammenhang stößt friunt die Bedeutung Verwandter ab und wird nur noch als amicus belegt. (siehe Nolte 1990, S 135)
2.1.2 Begriffsgeschichte
„Freundschaft ist ein Phänomen, das alle Epochen und Kulturen kennen.“ (Reallexikon, S. 577) Schon in der Bibel findet die Freundschaftsthematik ihren Niederschlag, wie zum Beispiel bei David und Jonathan (1. Samuel. 18ff). Beide bekräftigen ihren Freundschaftsbund durch gegenseitige Treueschwüre, was im Mittelalter der Schwurfreundschaft[1] gleichkommt. Im Evangelium nach Johannes heißt es, dass niemand größere Liebe erfährt als der, der für seine Freunde sein Leben lässt (Johannes 15, 13). Zum Umgang mit Freunden weist Jesus Sirach auf die Treue hin, die erprobt sein will (Sirach. 6,7). Denn hat man einmal einen treuen Freund, ist dies ein starker Schutz und kommt damit einem großen Schatz gleich, der mit Geld nicht zu bezahlen ist (Sirach. 6,14-15). Im weitgehend christlich geprägten Mittelalter hat Glaube noch einen höheren Stellenwert als heute. Die Geschichten in der Bibel waren somit für die Menschen weitaus präsenter, so dass man deren Inhalte durchaus als bekannt voraussetzen kann.
Auch in der griechischen Antike kannte man die Freundschaft zwischen Heroen (bei Homer zwischen Patroklos und Achill) und den Verband von Freunden (Hetairia), der „Hilfe und Unterstützung in allen Lebensbereichen leistete.“ (Reallexikon, S. 577) Derartige Netzwerke waren für politische Wirksamkeit unumgänglich und sind ebenfalls aus der römischen Antike überliefert. (siehe Reallexikon, S. 577) Der Frage nach der wahren Freundschaft ging Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik (Buch 8 und 9) nach, wobei der Begriff eher einen ideellen bzw. emotionalen Wert hat. Die Freundschaft der Tugendhaften wird hier als Ideal angesehen, an dem sich alle anderen Freundschaften messen lassen müssen. Gerade im Mittelalter, da man antike Autoren wie Aristoteles und Cicero („De amicitia“) wiederentdeckte, sind diese als Einflussfaktoren auf die Prägung des Begriffs zu sehen.
2.2. Freundschaften im Mittelalter
2.2.1 Die Bedeutung im Mittelalter
Im Mittelalter gab es ein Idealbild von Freundschaft, die Gottesfreundschaft, an dem sich alle menschlichen Beziehungen orientieren sollten. Es muss zwischen zwei Grundtypen von Freundschaft unterschieden werden, den institutionalisierten und den emotionalen Freundschaften. (siehe Reallexikon, S. 577) Denn im Gegensatz zum heutigen Verständnis von Freundschaft hatte diese im Mittelalter meist Vertragscharakter und war mit Rechten und Pflichten verbunden. Somit hatte das Eingehen eines Freundschaftsbundes oft die Form eines rechtsförmigen Aktes, der gegenseitige Treueverpflichtung beinhaltete und durch Eide bekräftigt wurde. (siehe Nolte 1990, S. 129) Freundschaft zielte auf die Gewährleistung von Hilfe und Unterstützung in allen Lebenslagen ab, wie man es von Verwandten erwartete, und sollte diesen „Kreis der Personen über die Verwandten hinaus vergrößern“. (Reallexikon, S. 578) Da die Sippe „in einer Zeit fehlender Sicherung der Rechte des Einzelnen durch den Staatsapparat“ (Reallexikon, S. 576) den wichtigsten rechtlichen Schutzverband für das Individuum darstellt, muss dem Besitz von Freunden als Erweiterung dieses Schutzverbandes eine viel höhere Gewichtung gegeben werden als es heute der Fall ist. Freunde unterstützten sich nicht nur durch Waffenhilfe, sondern auch durch Fürsprache, Interventionen und durch Vermittlung zwischen sich gegenüberstehenden Parteien (siehe Reallexikon, S. 578), was für die damalige Zeit als ungemein wichtig galt. Grundlegend für eine Freundschaft war die Verpflichtung, Freunden die Treue zu halten. Eine „Individualbezeichnung mit deutlich emotionaler Bindung“ (Reallexikon, S. 577) ist im Mittelalter „vor allem im kirchlich-monastischen Bereich als Freundschaft unter Mönchen oder Klerikern“ (Reallexikon, S. 577) erkennbar. Dies lässt sich durch die hier stärker entwickelte Schriftlichkeit bezeugen. So liefern zum Beispiel die Briefe des Bonifatius Zeugnisse von „persönlich geprägte[n] Freundschaftsbeziehungen“ (Reallexikon, S. 581) und veranschaulichen den Stellenwert von Freundschaft frühmittelalterlicher Kleriker. Derartige „geistlich-geistige“ (Reallexikon, S. 581) Freundschaften werden gespeist mit Gedanken aus Ciceros De amicitia sowie aus Aurelius Augustinus und anderen Kirchenvätern (siehe Reallexikon, S. 581). Bei der Analyse von Freundschaft im Mittelalter sind die damals herrschenden Gesellschaftsstrukturen durchaus ein wichtiges Kriterium. In der strikt geordneten Gesellschaft nach Ständen wird es kaum zu einer Freundschaft eines Bauern zu einem Edelmann gekommen sein. Freundschaften wird es hier nur im Rahmen des ordo gegeben haben, wobei z.B. in den Briefen des Bonifatius durchaus Kontakte zu Nonnen, die im Rang unter ihm stehen, überliefert sind. Doch bewegen sich derartige Kontakte auch stets noch im Rahmen des ordo. Ein wichtiger Faktor hier scheint der Prestigegedanke – man pflegte Kontakte, die nützlich sein könnten. Des weiteren können Freundschaften zwischen Familien, (politischen) Gruppen, Ländern und Städten sowie einzelnen Personen geschlossen werden. Der Gedanken des Nutzens spielt in jeder Hinsicht eine wichtige Rolle, zum Beispiel, wenn man den Sohn in die Lehre eines Freundes gab oder einfach Ansehen durch eine Freundschaft genoss. Der Zweck einer Freundschaft steht im Mittelalter durchaus im Vordergrund, ganz im Gegensatz zur emotionalen Prägung des Begriffs der heutigen Zeit. Gerade in politischer Hinsicht wird dies deutlich, wenn „Krisen zu meistern oder Verhältnisse neu zu ordnen waren“ (Reallexikon, S. 580). Ein Beispiel hierfür ist in der Zeit Heinrichs I. (*um 875, †936, Heiliges Römisches Reich 919-936) zu verzeichnen, wo Freundschaft ein „viel genutztes Mittel polit. Ausgleichs gerade mit den mächtigsten Kronvasallen“ (Reallexikon, S. 580) war. Dies lässt sich auch im Volk beobachten, wenn „Bedrohungen der Menschen durch Katastrophen, Seuchen und Eindringlinge entstanden“ (Nolte 1990, S. 130):
„Wie kulturanthropologische und ethnologische Untersuchungen gezeigt haben, springen derartige institutionalisierte Freundschaftsbeziehungen jeweils dann in die Bresche, wenn die soziale Struktur die innere und äußere Sicherung des Daseins der Individuen nicht vollständig leisten kann.“ (Nolte 1990, S. 130)
Besondere Ausdrucksformen, mit denen der Beginn einer Freundschaft bekräftigt werden sollte, durch die aber auch bestehende Beziehungen bestärkt wurden, sind der Handschlag, Geschenke und vor allem Eide und Schwüre.
[...]
[1] Eine Schwurfreundschaft wurde im Mittelalter mit Eiden bekräftigt und hatte den Charakter eines rechtsförmigen Aktes. (siehe Nolte, S. 129)
- Arbeit zitieren
- Daphne Bruland (Autor:in), 2005, Freundschaft im Mittelalter in Konrad von Würzburg: "Engelhard", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45184
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