Lese- Rechtschreib- Schwierigkeiten in der Sekundarstufe I

Ursachen, Diagnostik und Förderung


Trabajo Escrito, 2018

16 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung
2.1 Symptomatik
2.2 Begleiterscheinungen und Folgen
2.3 Ursachen
2.3.1 Genetische Faktoren
2.3.2 Soziale Ursachen

3. Diagnostik

4. Förderung
4.1 Förderung der Automatisierung von Phonem-Graphem-Korrespondenzen.
4.2 Förderung der Leseflüssigkeit
4.3 Förderung des Leseverständnisses
4.4 Förderung der Lesemotivation

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Schriftspracherwerb gilt in der heutigen Gesellschaft als zentrale Bildungsvoraussetzung. Mangelnde Lese- und Rechtschreibfähigkeiten bilden ein nachwachsendes Problem. Unter den Kindern und Jugendlichen wachsen kontinuierlich neue Generationen „potenzieller funktionaler Analphabeten“ heran, denen aufgrund mangelnder Lese- und Schreibfähigkeiten der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt bleibt (vgl. Stiftung Lesen). In diesem Zusammenhang trägt die Schule als Bildungseinrichtung für den Erwerb und für die Verfestigung des korrekten Lesens und der korrekten Rechtschreibung eine hohe Verantwortung. Einige Kinder weisen beim Erlernen dieser Kulturtechniken jedoch große Schwierigkeiten auf. Der Grund dafür sind oft Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (im Folgenden auch „LRS“), die durch ausgeprägte Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens gekennzeichnet sind. Im Sinne einer Chancengerechtigkeit muss LRS durch individuelle Förderung während der ganzen Schullaufbahn des Kindes entgegengewirkt werden. LRS stellen somit eine große Herausforderung für Schulen und Lehrkräfte dar. Nicht immer wird eine LRS zu Beginn der Schulzeit erkannt. Kinder entwickeln Strategien um nicht aufzufallen und vorhandene Probleme zu vertuschen, indem sie zum Beispiel Wörter und Texte auswendig lernen. Häufig fallen die Schwierigkeiten erst bei ungeübten und unangekündigten Diktaten auf (vgl. Warnke 1996: 24). Aber auch dann kann es vorkommen, dass Lehrkräfte die Schwierigkeiten ignorieren oder die schlechten Leistungen auf mangelnde kognitive Fähigkeiten zurückführen (vgl. Schulte-Körne 2004: 66). Als angehende Lehramtsanwärterin erscheint mir die Wahl des Themas „Lese- Rechtschreib- Schwierigkeiten in der Sekundarstufe I. Ursachen, Diagnostik und Förderung“ sinnvoll, da diese Thematik zu den noch minderbeachteten Herausforderungen der Lehre gehört. Da eine umfassende Behandlung aller Dimensionen von LRS den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, werde ich mich bei den Punkten Diagnostik und Förderung nur auf den Teilbereich des Lesens konzentrieren. Ziel der Arbeit ist es, die theoretischen Grundlagen für eine LRS aufzuarbeiten und unterschiedliche evidenzbasierte Diagnose- und Fördermöglichkeiten für verschiedene Teilaspekte des Lesens in der Sekundarstufe I vorzustellen. Dazu wird im ersten Teil der Arbeit zunächst einmal der Begriff LRS definiert, die Symptomatik dargelegt und die Begleiterscheinungen und Folgen veranschaulicht. Anschließend werden zwei wesentliche Ursachen von LRS näher betrachtet. Der zweite Teil der Arbeit umfasst unterschiedliche Diagnoseverfahren zur Ermittlung der Lesefähigkeit in der Sekundarstufe I. In Kapitel 4 werden verschiedene Förderprogramme zu ausgewählten Teilaspekten des Lesens vorgestellt.

2. Begriffsbestimmung

Schon seit über 100 Jahren beschäftigt sich die Forschung mit Lese-Rechtschreib- Schwierigkeiten. Seither existieren Diskussionen um fachgerechte und eindeutige Begriffsdefinitionen. Trotz der Bestrebungen seit den 1970er Jahren, den von Rauschburg geprägten Terminus Legasthenie durch LRS zu ersetzen, hat der Begriff Legasthenie in der Literatur bis heute Bestand (vgl. Günther 2007: 64). In der Gesellschaft wird LRS als eine schwächere Form der Legasthenie angesehen. Jedoch stehen die Begriffe Legasthenie und LRS für ein und dieselbe Problematik und werden oft synonym verwendet. Der Unterschied besteht in den Ursachen und hat Einfluss auf die Gewährung des Nachteilsausgleichs. Bei der Diagnose von Legasthenie wird er bis zum Schulabschluss gewährt, bei LRS-Betroffenen wird alle zwei Jahre neu überprüft. Im deutschsprachigen Raum werden zudem Begriffe wie Lese-Rechtschreib- Schw ä che oder Lese-Rechtschreib-St ö rung verwendet. Im englischsprachigen Raum hingegen hat sich der Begriff Dyslexie etabliert (vgl. Schipperges 2015: 8). Nach den diagnostischen Kriterien des Diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM-IV) und des Internationalen Klassifikationsschemas (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation wird bei einer LRS „eine deutliche Abweichung des Entwicklungsstandes in der Lesegenauigkeit, dem Leseverständnis und/oder im Rechtschreiben von dem nach Alter und der allgemeinen Intelligenz erwarteten gefordert. (Diskrepanz von zwei Standardabweichungen).“ (Klicpera et al. 2017: 136). Die Standardabweichung ist ein Maß für die Schwankung eines Wertes um den Durchschnittswert. Da dieses Kriterium häufig kritisiert wurde, weil bereits eine Standardabweichung erhebliche Beeinträchtigungen der Lese- Rechtschreibleistung bedeute, wurde im DSM-V das Kriterium für eine LRS auf eine Standardabweichung von 1,5 heruntergesetzt. Ebenfalls wurde der Schwerpunkt auf die Altersdiskrepanz gelegt und die Diskrepanz in Bezug auf die Intelligenz abgeschwächt. Legt man diese Kriterien zugrunde, haben im deutschen Sprachraum 2 bis 4 % aller Kinder spezifische Lese- und Rechtschreibentwicklungsstörungen, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen (vgl. ebd.: 136f).

2.1 Symptomatik

Es existieren verschiedene Anzeichen für eine Lese-Rechtschreib-Störung. Probleme beim Verschriftlichen von Wörtern und Lesen von einzelnen Buchstaben und Wörtern stehen dabei im Vordergrund. So weisen Kinder in den ersten drei Jahren der Grundschule erhebliche Schwierigkeiten beim Unterscheiden und Schreiben einzelner Buchstaben auf. Trotz Hilfestellungen fällt es ihnen schwer, die richtigen Buchstaben für ein gehörtes Wort zu finden. Oft werden einzelne Buchstaben weggelassen oder auch zusätzlich eingefügt, wie z. B. »Has« anstatt »Haus« oder »Sne« anstatt »Sonne«. Auch beim bloßen Abschreiben von Texten ist eine hohe Fehlerquote keine Seltenheit. Hinzu kommt, dass die Handschrift unleserlich ist (vgl. Schulte-Körne 2004: 65f.). Relativ zu Beginn des Leselernprozesses haben die betroffenen Kinder Schwierigkeiten, das Alphabet aufzusagen und Laute akustisch voneinander zu unterscheiden wie zum Beispiel das „O“ und „U“ (vgl. Warnke u.a. 2002: 19). Beim Lesen haben sie Schwierigkeiten einzelne Laute zu verbinden. So wird beispielsweise bei dem Wort Sonne nur der Anfang »So« lautiert aber das Zusammenfügen mit den nachfolgenden Lauten gelingt ihnen oft nicht. Einzelne Wörter werden nur mit großer Mühe diskontinuierlich gelesen und der Sinn des Satzes wird häufig nicht verstanden. Folglich ist auch die Lesegeschwindigkeit deutlich herabgesetzt. Die Rechtschreibprobleme bei einigen Kindern fallen erst auf, wenn ungeübte Diktate geschrieben werden (vgl. Schulte-Körne 2004: 66). Ein weiteres Merkmal von LRS ist die Fehlerinkonstanz, bei der ein und dasselbe Wort mal richtig, mal falsch geschrieben wird (vgl. Warnke u.a. 2002: 20). In den letzten zwei Jahren der Grundschule treten zusätzlich Schwierigkeiten in anderen Fächern auf, da das Lesen als Grundlage für den Wissenserwerb fungiert. So sind betroffene Schülerinnen und Schüler (im Folgenden kurz „SuS“) in allen Schulfächern benachteiligt. Bis eine Diagnose von LRS erfolgt, werden die schlechten Leistungen auf mangelnde kognitive Fähigkeiten zurückgeführt (vgl. Schulte-Körne 2004: 66).

2.2 Begleiterscheinungen und Folgen

LRS können schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. In einer Langzeitstudie wurden 8-Jährige Kinder mit und ohne LRS bis zum 25. Lebensjahr begleitet und ihre berufliche Entwicklung dokumentiert. Die Ergebnisse weisen große Unterschiede auf: 23,3 % der Probanden mit LRS konnten keinen Schulabschluss erlangen. Bei der Kontrollgruppe ohne LRS hingegen lag der Anteil bei 14,9 %. Einen Fachhochschulabschluss konnten 8,5 % der Probanden ohne LRS absolvieren. Von den Personen, bei denen mit acht Jahren eine LRS diagnostiziert wurde, konnte keine das Studium erfolgreich beenden. Außerdem war die Arbeitslosenquote unter den Personen mit einer LRS 4-mal höher als bei der Kontrollgruppe ohne LRS (vgl. Schipperges 2015: 18).

Neben beruflichen Auswirkungen gibt es in den meisten Fällen auch psychische Begleiterscheinungen einer LRS. Zentral sind hier vor allem Verhaltenssauffälligkeiten. Etwa ein Drittel der SuS mit Leseschwierigkeiten fällt durch dissoziales Verhalten auf (vgl. Klicpera et al. 2017: 208). Die häufigste Störung, die sich in Kombination mit einer LRS zeigt, ist mit etwa 20 Prozent die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivit ä ts-St ö rung (vgl. Schipperges 2015: 19). Es wird davon ausgegangen, dass diese Schülergruppe bereits beim Schuleintritt aggressive bzw. hyperaktive Verhaltensmuster aufweisen. Diese werden jedoch im schulischen Kontext durch Überforderungen beim Lesen und Schreiben weiter verstärkt (vgl. Klicpera et al. 2017: 209). Wenn ein Kind sich selbst für das Leistungsversagen verantwortlich macht, entwickelt es Attributionsmuster, die sich negativ auf das Selbstkonzept auswirken. Infolgedessen entsteht die Gefahr, dass SuS nicht mehr an ihre Fähigkeiten glauben und im Unterricht unaufmerksam sind. Diese Einstellung verfestigt sich und wird nicht nur auf das Lesen und Schreiben bezogen, sondern auf alle schulischen Fähigkeiten übertragen. Oft wird dieses negative Bild von Lehrkräften und Peers übernommen, sodass das betroffene Kind immer öfter ausgeschlossen wird. Diese negativen Annahmen können sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen (vgl. ebd.: 211).

2.3 Ursachen

Die Entwicklung von LRS kann verschiedene Ursachen haben. Häufig sind es mehrere Faktoren, die Kindern das Lesen und Schreiben erschweren. Es wird angenommen, dass sowohl individuelle Faktoren als auch mangelnde familiäre Unterstützung und ein für das Kind unzureichender Unterricht zusammenwirken und in Wechselbeziehung stehen (vgl. Klicpera et al. 2017: 178). Im Folgenden sollen zwei wesentliche Ursachen näher betrachtet werden.

2.3.1 Genetische Faktoren

Beeinträchtigte Lern- bzw. Informationsverarbeitungsprozesse sind als unmittelbare Erklärung für LRS zu nennen. Die Grundlage für diese Beeinträchtigungen sind genetische Einflüsse, die die Entwicklung des Nervensystems beeinflussen. Ab den späten 1970er Jahren konnten umfassende Untersuchungen an Familien und betroffenen Kindern und vor allem Zwillingsstudien die erbliche Bedingtheit von LRS belegen. Dabei können Teilaspekte von Lese- und Schreibprozessen in unterschiedlichen Ausmaßen von genetischen Faktoren beeinflusst werden. Ferner konnten Studien belegen, dass das Ausmaß des genetischen Einflusses vom Alter und Entwicklungsstand des Kindes abhängt.

Im Hinblick auf die Vererbbarkeit ist Folgendes festzuhalten: für Kinder mit einem Verwandten ersten Grades mit LRS, beträgt die Wahrscheinlichkeit selbst eine LRS zu entwickeln 50 %. Wenn Geschwister und ein Elternteil betroffen sind, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 54-63 %. Wenn beide Eltern betroffen sind, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind eine LRS entwickelt bei 78 %. Bei Mädchen ist das Übertragungsrisiko jedoch geringer als bei Jungen. Diese Nachweise genetischer Faktoren ermöglichen eine frühe Prävention durch die Identifikation von Risikogruppen (vgl. Klicpera et al. 2017: 179ff).

2.3.2 Soziale Ursachen

Einen weiteren wesentlichen Einfluss auf die Lese- und Rechtschreibentwicklung der Kinder hat der soziale Hintergrund der Familie. Zu differenzieren sind dabei allgemeine Einflussfaktoren, wie der sozioökonomische Hintergrund, spezifische Lebensbedingungen und Interaktionen innerhalb der Familie.

Studien belegen, dass in Armut lebende Familien weniger intelligent sind und viel häufiger Lese- Rechtschreib-Schwierigkeiten aufweisen. Ein wichtiger Einflussfaktor ist dabei die Dauer der Armut. Es lässt sich ein linearer Zusammenhang zwischen der Dauer und der kognitiven Leistungen der Kinder nachweisen. Auch das Ausmaß an Armut ist von Bedeutung. Je schlechter die ökonomischen Bedingungen sind, desto höher ist der negative Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten. Umgekehrt können wenige Verbesserungen im Einkommen zu einer deutlichen Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten führen. Es ist jedoch zu erwähnen, dass nicht Armut per se zu LRS führt, sondern die damit zusammenhängenden Faktoren. Dazu zählen neben der Begrenzung von zeitlichen und personellen Ressourcen, auch die Schulbildung der Eltern sowie der Gebrauch von Büchern. Außerdem konnte belegt werden, dass die Geschwisteranzahl negativ mit der Lese- und Schreibfähigkeit korreliert. Je später ein Kind in der Geschwisterreihe geboren wird, desto höher ist sein Risiko eine LRS zu entwickeln. Weitere relevante Faktoren sind die Lebensbedingungen und die Interaktionen innerhalb der Familie. Ein Arbeitsplatz für das Kind, an dem es ungestört seine Hausaufgaben machen kann, geht einher mit guten Schulleistungen (vgl. Klicpera 2017: 200). Da sprachliche Grundlagen eine signifikante Rolle beim Schuleintritt spielen, nehmen sprachliche Interaktionen in der Familie einen hohen Stellenwert ein. Die Vielfalt der Sprache innerhalb der Familie hat einen großen Einfluss auf den Wortschatz der Kinder. Zudem wirken sich abwechslungsreiche Gesprächsthemen und die Verwendung von besonderer, nicht alltäglicher Wörter positiv auf die verbalen Fähigkeiten des Kindes aus (vgl. ebd. 2017: 124).

[...]

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Lese- Rechtschreib- Schwierigkeiten in der Sekundarstufe I
Subtítulo
Ursachen, Diagnostik und Förderung
Universidad
University of Duisburg-Essen
Calificación
1,7
Autor
Año
2018
Páginas
16
No. de catálogo
V452077
ISBN (Ebook)
9783668863132
ISBN (Libro)
9783668863149
Idioma
Alemán
Palabras clave
lese-, rechtschreib-, schwierigkeiten, sekundarstufe, ursachen, diagnostik, förderung
Citar trabajo
Esra Soycan (Autor), 2018, Lese- Rechtschreib- Schwierigkeiten in der Sekundarstufe I, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452077

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