Die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Französisch- und Russischunterrichts


Term Paper, 2003

24 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Überblick über die Entstehung des schulischen Fremdsprachenunterrichts unter Berücksichtigung der besonderen Situation des geteilten Deutschlands
2.1. Die institutionelle Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts bis 1945
2.2. Neue Perspektiven des Fremdsprachenunterrichts nach 1945
2.2.1. Der Fremdsprachenunterricht in den Jahren der Besatzung
2.2.2. Die Organisation des Fremdsprachenunterrichts auf bundesrepublikanischem Gebiet
2.2.3. Einblicke in den Fremdsprachenunterricht in der DDR

3. Die Geschichte der Unterrichtsfächer Französisch und Russisch in Deutschland
3.1. Der Französischunterricht
3.2. Der Russischunterricht

4. Ausblick

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland seit dem Mittelalter. Zu Beginn soll die institutionelle Entstehung des Fremdsprachenunterrichts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 geschildert werden. Ich möchte eingangs festhalten, dass der Zeitraum von 1933–1945 unter der Herrschaft der Nationalsozialisten kaum bis keinerlei Erwähnung in der Abhandlung finden wird, weil darüber eine eigenständige Arbeit geschrieben werden könnte. Die Darstellung des geschichtlichen Verlaufs bezieht sich auf die Einführung der jeweiligen Fremdsprachen zu einem bestimmten Zeitpunkt unter gleichzeitiger Beachtung der gesellschafts-politischen Umstände. Des Weiteren richtet sich parallel dazu der Blick auf die Ausbildung zum Fremdsprachenlehrer.

Einen Teil des zweiten Kapitels widme ich der Beschreibung des fremdsprachlichen Unterrichts nach 1945, wobei die Besatzungszonen sowie später die BRD und DDR einzeln behandelt werden.

Im letzten Kapitel gehe ich noch mal speziell auf die Geschichte der beiden Unterrichtsfächer Französisch und Russisch an deutschen Schulen ein. Es ist interessant an dieser Stelle bereits einfließen zu lassen, dass Französisch im Mittelalter eine vorrangige Position in der Fremdsprachenfolge einnahm und als Modesprache galt, während das Russische in der ehemaligen DDR ebenfalls erste Fremdsprache war, die jedoch aus politischen Gründen in den Schulunterricht aufgenommen werden musste und zu ideologischen Zwecken missbraucht wurde. Unter diesem Gesichtspunkt kann man nachvollziehen, dass Russisch sich nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Osten nicht etablieren konnte. Es bleibt zu überlegen, warum Französisch seine Stellung als erste Fremdsprache nicht weiter behaupten konnte, oder warum es innerhalb einer Gesellschaft, die sich immer mehr gegenüber ihren europäischen Nachbarländern öffnet, in fortwährender Konkurrenz zum Lateinischen steht.

2. Historischer Überblick über die Entstehung des schulischen Fremdsprachenunterrichts unter Berücksichtigung der besonderen Situation des geteilten Deutschlands

2.1. Die institutionelle Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts bis 1945

Der schulische Fremdsprachenunterricht beginnt im Mittelalter mit der systemati­schen Einführung des Lateinischen. Im Jahre 793 beauftragt Karl der Große Al­kuin aus York, den gesamten Klerus mit der Gründung von Schulen.[1] Damit wird bereits festgelegt, dass zwei wichtige kirchliche Institutionen als Lehranstalten fungieren sollen: Bistümer und Klöster. Nach dem Untergang des Römischen Rei­ches und der damit einhergehenden Auflösung der staatlichen und städtischen Ordnung scheint lediglich die Kirche tauglich für den Neuaufbau eines Bildungswesens. Latein hat in den kirchlichen Schulen den Status des mündlichen sowie schriftlichen Kommunikationsmittels, das den Schülern mit Lehr- und Lesebüchern, Gespräch- und Grammatikbüchern vermittelt wird, erreicht. Dennoch lässt sich keine Aussage über den didaktischen Wert der Bücher sowie die unterrichtliche Vorgehensweise mit ihnen treffen. Diese Entwicklung setzt sich bis in die spätmittelalterlichen, staatlich geführten Stadtschulen und der Kirche zugehörigen Universitäten, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zur wis­senschaftlichen Bildung des Klerus eingerichtet werden, fort.[2] Latein avanciert zur internationalen Bildungssprache und lingua franca, während für das Griechische als Bestandteil der spätantiken Bildungstradition kein praktischer Anwendungsbe­darf mehr vorliegt.[3] Obwohl das Mittelalter sein geistiges Leben ausschließlich auf Werken griechischer Dichter und Denker stützt, gelten Kenntnisse des Griechischen als eine gelehrte Seltenheit. Erst im Zeitalter des Humanismus und der Reformation nimmt die Bedeutung des Griechischen trotz anhaltender Vorherrschaft des Lateinischen zu. Da die Humanisten ihr Interesse für die römische Literatur wieder entdecken, beschäftigen sie sich ebenfalls mit den von den Römern geschätzten griechischen Autoren. Am Ende des 15. Jahrhunderts und nach der Reformation wird in vielen protestantischen Landesteilen teils auf Luthers Anregung in christlichen Schulen Griechischunterricht abgehalten, um in den Disziplinen Philosophie, Naturwissenschaften, Moral, Geschichte und natürlich Grammatik auf Originaltexte zurückgreifen zu können.

In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts gewinnen die Landessprachen bedingt durch die Entstehung der Nationalstaaten an Bedeutung: der Unterricht in der Muttersprache gelangt in den Mittelpunkt, zuerst gefolgt von den neueren und schließlich den alten Sprachen. Als erste lebende Fremdsprache kristallisiert sich das Französische heraus, das aufgrund von Flüchtlingsströmen zur Zeit der Refor­mation und der Religionskriege immer häufiger auch in Deutschland gesprochen wird und Sprecher erfordert. Im 17. Jahrhundert haben die Ritterakademien, an denen die adligen Heranwachsenden für ihre weltlichen Aufgaben vorbereitet wer­den sollen, maßgeblichen Anteil an der Verbreitung des neueren Fremdsprachenunterrichts. Da der Adel mit den traditionellen Bildungsinhalten und den nicht pragmatischen Erziehungszielen des tradierten Bildungswesens unzufrieden ist, stehen hier neben praktischen Fächern, die Sprachen Französisch, Italienisch, Spanisch, sowie später Englisch an erster Stelle. In diesem Jahrhundert hat die politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung Frankreichs so großen Einfluss auf Europa, dass es zur lingua franca wird.[4] Frankreich beginnt auf allen Gebieten Vorbild für die Adligen, Gelehrten und das Bürgertum zu werden. Die französische Literatur und Kunst sowie die Sitten und Anschauungen nehmen ei­nen hohen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft ein; sogar die französische Staatseinrichtung und Hofhaltung, Zivil- und Militärverwaltung werden auf deut­schem Territorium kopiert.[5] Französisch breitet sich allmählich auch auf alle Schulformen aus und ist im ausgehenden 18. Jahrhundert überall in Deutschland reguläres Unterrichtsfach an Gymnasien. Der neusprachliche Unterricht legt besonderen Wert auf die utilitaristischen Ziele: die Beherrschung der Fremdsprache in Schrift und Wort ist vorrangig. Der Unterricht wird von ausländischen Lehrkräften erteilt und orientiert sich an bereits vorhandene Lehrbücher aus der vorneuhumanistischen Epoche. Diese Bücher sind durch eine kommunikative Vorgehensweise gekennzeichnet, indem sie eine hohe Zahl konkreter Sprechintentionen aufweisen. In der neuhumanistischen Phase geben die neueren Sprachen Zeitgeist entsprechend ihre kommunikative Ausrichtung zugunsten einer zweckfreien Allgemeinbildung auf. Fortan liegt der Schwerpunkt auf der geistesbildenden Klassikerlektüre. In Anlehnung an die altsprachlichen Fächer beherrscht die Grammatik-Übersetzungsmethode, auf die ich aber nicht weiter eingehen werde, fortan den fremdsprachlichen Unterricht. Die praktische Sprachanwendung wird dabei immer mehr zurückgedrängt, wichtig wird die Stilübung, d.h. die Nachahmung großer Vorbilder, die Lektüre und die Auslegung der behandelten Schriftsteller.[6]

Ab 1750 lässt sich eine gewisse Bedeutung für den Englischunterricht belegen, der jedoch erst ein Jahrhundert später zum Durchbruch gelangt. Der früheste Be­leg für Englischunterricht an deutschen Bildungsinstitutionen stammt aus dem Jahre 1686. Englisch wird zunächst an der Universität Greifswald angeboten, be­vor es sich in Jena und Leipzig etabliert. Auch die ersten Englischlehrbücher und Grammatiken erscheinen in dieser Region.[7]

Mit der Vereinheitlichung der Gymnasialbildung als Vorbereitung für die Universität wird den klassischen Sprachen wieder mehr Priorität gewährt. Der Französischunterricht verschwindet in der nach-napoleonischen Ära gänzlich aus den städtischen Schulen. Das Lateinische tritt abermals an die erste Stelle der Sprachenfolge, während Französisch lediglich an Real- und höheren Bürgerschulen und Lehranstalten für Schüler, die keinen akademischen Beruf anstreben, unterrichtet wird. Im Zuge einer Neuorganisation des staatlichen Realschulwesens in Preußen wird 1859 Englisch als dritte Fremdsprache nach Latein und Französisch eingeführt und ab 1882 in der neuen lateinlosen Oberrealschule unterrichtet. Der Aufschwung der neueren Sprachen erklärt sich ebenfalls durch die Institutionalisierung der neueren Philologien an den Universitäten. In den 1860er Jahren sind die Professoren zeitgleich für Französisch und Englisch zuständig, was erst zehn Jahre danach mit der Einrichtung rein anglistischer Lehrstühle ein Ende findet.

Im Jahre 1882 wird eine neusprachliche Reform diskutiert, deren oberste Forde­rung in der aktiven Beherrschung der fremden Sprache anstelle des vorher vermit­telten Sprachwissens liegt.[8] Der Unterricht soll stärker die Phonetik berücksichti­gen und Übersetzungen und Grammatik möglichst vermeiden. Jedoch nur wenige Schulen setzen diese Reform durch. Der gesellschaftliche Hintergrund der Re­formbestrebungen liegt in der wirtschaftlichen Entwicklung des Deutschen Rei­ches begründet: die Sprachkenntnisse der wichtigsten Handelsrivalen sind unerlässlich im Kampf um eine Großmachtstellung des neu gegründeten Reiches. Auch die inhaltliche Ausrichtung ist von den Diskussionen um die tatsächlichen Gegebenheiten in Frankreich und England geprägt. Man spricht in diesem Zusam­menhang von Realienkunde für den Fremdsprachenunterricht. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wird die Frage aufgeworfen, ob die Feindessprachen über­haupt an deutschen Schulen gelehrt werden sollen. Ab 1917 stellt sich erneut die Frage nach dem Sinn des neusprachlichen Fremdsprachenunterrichts. Es setzt sich unterdessen die Meinung durch, dass nur ein reformierter Fremdsprachenunter­richt eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit den Rivalen garantieren kann. An­dere Vertreter beharren darauf, dass eine Berührung junger Deutscher mit Sprache und Kultur der Hauptkriegsgegner Frankreich und England nicht glimpflich ausgehen kann.

Da sich die Höheren Realschulen sehr schnell ausbreiten und der neusprachliche Unterricht eine immer weitere Verbreitung findet, beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts eine Auseinandersetzung um die neusprachliche Sprachenfolge. In Bayern, Braunschweig und Hamburg, wo man bereits seit 1870 Englisch als Pflichtfach an Volksschulen belegen kann, ist Englisch die erste Fremdsprache. In den 20er Jahren muss sich der Französischunterricht an höheren Schulen vor allem gegen die Ausweitung des Spanischunterrichts als Wahlpflichtfach behaupten. 1931 fasst Preußen den Beschluss, dass Französisch einheitlich als erste Fremdsprache an höheren Schulen unterrichtet wird. Die Nationalsozialisten setzen diesen Erlass bereits 1937/38 außer Kraft und entscheiden im Rahmen einer reichseinheitlichen Sprachenfolge, dass Englisch Erst- und Hauptfremdsprache an deutschen Schulen wird. Die Reichsrichtlinien aus dem Jahr 1938 setzen voraus, dass der Englischunterricht zu fremdsprachlicher Gesprächsfertigkeit führt. Latein ist die zweite Fremdsprache, Französisch gelangt in den Wahlbereich und kann ebenso gegen Spanisch oder Italienisch ausgetauscht werden. Eigens für diese Fächer ausgearbeitete Lehrpläne werden allerdings nicht erstellt. Altsprachliche Gymnasien, die nur noch als Ausnahme gewährt werden, unterrichten traditionell die Sprachenfolge Latein, Griechisch, Englisch. Die Priorität des Englischunterrichts basiert auf den Bündnisbestrebungen mit England und den wirtschaftlichen Expansionsvorstellungen des NS-Staates. Unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ersuchen führende neuphilologische Vertreter, die nationalistisch verengte Kulturkunde durch eine Rassentheorie zu fundieren und den Wert des Fremdsprachenunterrichts für die propagierte nationalpolitische Erziehung vorzuweisen. Während des Krieges muss der neusprachliche Unterricht jedoch zugunsten wehrpolitisch relevanter Fächer stark eingeschränkt werden.[9]

[...]


[1] Lehberger, Reiner: Geschichte des Fremdsprachenunterrichts bis 1945. In: Bausch, Christ, Krumm (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen u.a.O., ³1995, S. 561.

[2] Paulsen, Friedrich: Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, Bd. I., Leipzig, ³1919, S. 14, S. 18f, S. 28ff, S. 47.

[3] Vgl. Christ, Herbert; Rang, Hans-Joachim: Fremdsprachenunterricht unter staatlicher Verwaltung 1700 bis 1945. Eine Dokumentation amtlicher Richtlinien und Verordnungen. Bd. I, Tübingen, 1985, S. 39: „Der Lateinunterricht verfolgte bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts hinein auch das Ziel, die Sprache aktiv zu gebrauchen.“

[4] Lehberger, Reiner, 1995, S. 561.

[5] Paulsen, Friedrich, 1919, S. 503.

[6] Christ, H.; Rang, H., 1985, S. 40.

[7] Strauß, Wolfgang: Über die Anfänge des neusprachlichen Unterrichts in Deutschland. In : Fin­kenstaedt, Thomas; Schröder, Konrad (Hrsg.): Zu Grundfragen des Fremdsprachenunterrichts und seiner Didaktik in aktueller und historischer Sicht. Augsburg, 1991, S. 46f.

[8] Vgl. Zapp, Franz-Josef: Geschichte des neusprachlichen Unterrichts im Spiegelbild des Fachverbandes der Fremdsprachenlehrer: 1880-1980. In: Neusprachliche Mitteilungen, Jg. 33, 1980, S. 2f: 1880 wird der „Verein für Neuere Sprachen zu Hannover“ gegründet, der sich für die Pflege der neueren Sprache wie Deutsch, Englisch und Französisch einsetzt und Vorträge über den schulischen Fremdsprachenunterricht und literarisch-landeskundliche Themen abhalten lässt. Der Zeitpunkt der Gründung fällt insofern günstig, dass aufgrund geänderter wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse, den Neueren Sprachen eine größere Berücksichtigung zukommt.

[9] Lehberger, Reiner, 1995, S. 562-564.

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Details

Title
Die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Französisch- und Russischunterrichts
College
Ruhr-University of Bochum
Grade
1,0
Author
Year
2003
Pages
24
Catalog Number
V45234
ISBN (eBook)
9783638426695
File size
556 KB
Language
German
Keywords
Geschichte, Fremdsprachenunterrichts, Deutschland, Berücksichtigung, Französisch-, Russischunterrichts
Quote paper
Daniela Weingartz (Author), 2003, Die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Französisch- und Russischunterrichts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45234

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