Über die Verbstellung im Satz. Ein Vergleich zwischen der deutschen und arabischen Schriftsprache


Term Paper, 2018

21 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Satzarten-Typologie
2.2 Klassifikation nach Verbstellungstypen
2.3 Stellungen des finiten Verbs im Deutschen

3. Untersuchungen zur Verbstellung im Arabischen
3.1 Forschungsstand
3.2 Methodik
3.3 Auswertungen
3.3.1 Text
3.3.2 Text

4. Konsequenzen für den DaF-/DaZ-Unterricht?

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das finite Verb bildet in der geschriebenen Sprache den Kern des Satzes. Jeder Satz wird, nicht nur in der deutschen Sprache, vom Verb getragen und über das Verb definiert. Trotz seiner zentralen Bedeutung für den Satz nimmt das finite Verb je nach Satzart und in Abhängigkeit von einigen sprachlichen Faktoren verschiedene Positionen ein. In Hauptsätzen steht das Verb im Deutschen grundsätzlich nach dem Subjekt an zweiter Stelle, es übernimmt damit die Rolle des Prädikats. In Nebensätzen dagegen ist das finite Verb gemeinhin an letzter Position zu finden. Gerade das Deutsche ist in seiner Verbstellung durch diese beiden markanten Merkmale gekennzeichnet: Es weist neben der sogenannten Verbzweitstellung auch die Endstellung des finiten Verbs bei eingeleiteten Nebensätzen auf. Diese beiden Strukturen (SVO und SOV), die das Deutsche auszeichnen, sind in anderen Sprachen völlig untypisch. Das Arabische gehört zu den Sprachen, in der ein anderes Satzmuster vorherrscht. Es wird in der Sprachtypologie gemeinhin als VSO-Sprache klassifiziert.1 In VSO-Sprachen wird das Verb (dem Namen nach) vor das Subjekt und das Objekt gerückt. Das Deutsche dem gegenüber kennt zwar Sätze mit einer Verberstposition, erachtet diese aber nicht als grundlegend.

Die folgende Arbeit hat zum Ziel, die Verbstellung in der arabischen und deutschen Schriftsprache zu vergleichen und aus den Erkenntnissen (mögliche) Rückschlüsse im Hinblick auf den DaF-/DaZ-Unterricht zu ziehen. Dazu wird zunächst in einem theoretischen Diskurs der Unterschied zwischen der Satzarten-Typologie und den Verbstellungstypen im Deutschen erläutert. Noch immer werden beide Klassifikationen, obgleich sie auf verschiedenen Ebenen ansetzen, fälschlicherweise einander gleichgesetzt. In einem weiteren Schritt werden die spezifischen Verbstellungstypen des Deutschen beleuchtet, um Aufschluss darüber zu erlangen, welches Wort- bzw. Verbstellungsschema dem Deutschen zugrunde liegt oder welche Tendenzen festzumachen sind. Die theoretischen Vorüberlegungen ermöglichen es, in die praktische Untersuchung überzugehen, in deren Kontext die Stellungsmöglichkeiten des Verbs in der arabischen Schriftsprache untersucht werden sollen. Anhand von zwei (zufällig) ausgewählten Zeitungsartikeln soll zunächst überprüft werden, inwieweit die These, das Arabische sei eine VSO-Sprache, der Realität des Standardarabischen entspricht. Finden wir in den Texten ausschließlich Verberstsätze? Ist die Verbposition in den Texten eine feste, oder variiert sie? Die Untersuchung und die anschließende Auswertung der beiden Sachtexte sollen Antworten auf diese Fragen liefern. Ohne den Anspruch auf eine repräsentative Untersuchung zu erheben, wird gezeigt, ob die Annahme der VSO-Stellung des Arabischen korrekt ist. Im vierten Kapitel sollen die Ergebnisse in den Kontext des DaF-/DaZ-Unterrichts gerückt werden: Inwieweit kann der Vergleich der beiden Wortstellungsmuster (insbesondere der Verbstellung) Deutschlernern mit Arabisch L1 einen besseren Zugang zur deutschen Sprache verschaffen? Inwieweit kann die Kenntnis über die scheinbar unterschiedlichen Wortstellungstypen DaF-/DaZ-Lehrkräften dazu verhelfen, die deutsche Satzstruktur der erwähnten Zielgruppe besser zu vermitteln? Diese Fragen bilden den Kern des vierten Kapitels, ehe die gesamte Arbeit in einem abschließenden Schlussteil resümiert wird.

2. Theoretische Grundlagen

Die deutsche Sprache kennt verschiedene Satzarten und Verbstellungstypen, die miteinander korrespondieren können. Wenngleich sie häufig als identisch erachtet werden, unterscheiden sie sich voneinander. Eine wesentliche Differenz betrifft die Reichweite: Während eine Satzarten-Typologie in jeder Sprache dargestellt werden kann, ist eine Unterscheidung nach der Verbstellung im Satz nicht universal (also sprachübergreifend) möglich.2 In seinem „Grundriss der deutschen Grammatik“ differenziert Eisenberg zwischen Satzarten und -typen. Er spricht von Satzarten, „wenn von Sätzen bestimmter Form unter funktionalem Aspekt die Rede ist.“3 Um eine mögliche Verwechslung der beiden Klassifikationen zu vermeiden, wird im Folgenden von Satzarten und Verbstellungstypen gesprochen.

2.1 Satzarten-Typologie

Eine Satzarten-Typologie beschreibt die kommunikative Grundhaltung eines Satzes. Im Gegensatz zu den Verbstellungstypen werden Satzarten nicht nach formalen Gesichtspunkten analysiert. Vielmehr stehen kommunikativ-funktionale Aspekte im Vordergrund.4 Es herrscht kein Konsens darüber, wie viele Satzarten es im Deutschen gibt und wie sie lauten. Bei einigen Sprachwissenschaftlern werden fünf Satzarten aufgezählt, die sich wie folgt tabellarisch darstellen lassen5:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit diesen Satzarten sind jedoch nicht alle Varianten des deutschen Satzes erfasst. Es ließen sich noch mehr Unterscheidungen treffen, wenn andere Aspekte als unterscheidungsrelevant gälten. Ähnlich sieht es auch Eisenberg, wenn er erklärt: „Mit vier Satzarten gemäß 3 sind nicht alle Vorkommen von Stirnsatz und Kernsatz erfaßt. Insbesondere wenn man neben der Stellung des Finitums andere Formcharakteristika berücksichtigt, lassen sich die Satztypen auf weitere Satzmodi beziehen. Für das Gesprochene gehört dazu vor allem auch die von uns gar nicht berücksichtigte Intonation…“ Allgemein lässt sich sagen, dass Satzarten ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Satz und dem Sprechakt darstellen.6 Mit der Verwendung einer bestimmten Satzart vollzieht man logischerweise auch einen spezifischen Sprechakt. Sprechakte ihrerseits basieren auf Intentionen, die den kommunikativen Gehalt einer jeden Äußerung festlegen. Wenn man Äußerungen von Sätzen als Ausdruck von kommunikativen Absichten bewertet, kann man Satzarten also auch nach der Art der kommunikativen Intention unterscheiden. Da die Unterscheidung nach der Intonation nicht Thema der Arbeit ist, wird auf einen weiteren Bezug zum Thema „Intonation und Satzarten“ verzichtet. Von Relevanz für die Arbeit ist die Tatsache, dass die Klassifikation von Satzarten von der Klassifikation nach Verbstellungstypen abweicht, obgleich sie miteinander korrespondieren. Die oben aufgelisteten Satzarten verteilen sich auf die drei im deutschen möglichen Verbstellungstypen, die nach der Stellung des finiten Verbs voneinander unterschieden werden.

2.2 Klassifikation nach Verbstellungstypen

Grundsätzlich bestehen im Deutschen drei Möglichkeiten, das finite Verb im Satz zu positionieren. Das Finitum kann an erster, zweiter oder letzter Position im Satz stehen und bildet in der Satztypologie demnach eine positionsfeste Größe im Deutschen. Damit werden drei Verbstellungstypen (bzw. Satzstrukturen) unterschieden, die als Verberst-, Verbzweit- und Verbletztsatz bekannt sind. In den gängigen Grammatiken lassen sich auch die Bezeichnungen „Stirnsatz“, „Kernsatz“ und „Spannsatz“ wiederfinden.7 Sie sind jedoch insofern problematisch, als dass sie eine bestimmte Grundabfolge festlegen. Dürscheid plädiert deshalb dafür, den verbstrukturellen Bezeichnungen Vorrang vor den satzstrukturellen Bezeichnungen zu geben.8 Die Klassifikation nach Verbstellungstypen bezieht sich lediglich auf die Stellung des finiten Verbs. Außen vor bleibt bei dieser Beschreibung die Position des infiniten Verbs, das in komplexeren Sätzen zusammen mit dem finiten Verb das Prädikat des Satzes darstellt. Im Deutschen sind damit drei Verbstellungstypen denkbar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dass die Verbstellungstypen mit den im letzten Kapitel behandelten Satzarten zusammenfallen, sich aber dennoch voneinander unterscheiden können, kann an allen drei Typen illustriert werden. Beginnen wir mit den Verberstsätzen:

(1) Verberstsätze (Stirnsätze)

a.) Kommt Uwe heute noch?
b.) Käme Uwe nur.
c.) Komm Peter, dann fahre ich.

Die Beispiele legen dar, dass Verberstsätze sowohl Entscheidungsfragesätze (1a), irreale Wunschsätze (1b) als auch Aufforderungssätze implizieren können (1c). Blicken wir auf die Verbzweitsätze: Die Verbzweitstellung ist besonders für den Aussagesatz charakteristisch. Jedoch kann auch dieser zweite Typ mit mehreren Satzarten einhergehen, bei denen das finite Verb an zweiter Stelle steht, wie folgende Beispiele zeigen:

(2) Verbzweitsätze (Kernsatz)

a.) Uwe trinkt Wasser.
b.) Wer trinkt Wasser?
c.) Du bist zu spät!

Während (2a) ein gewöhnlicher Aussagesatz ist, handelt es sich bei (2b) um einen Fragesatz. (2c) entspricht einem Ausrufesatz. Für den Verbletzttyp ließe sich das gleiche Prozedere durchexerzieren. Es offenbart sich also, dass bei mehr als einer Satzart das finite Verb an letzter Stelle stehen kann. Aus Gründen des Umfangs soll jedoch darauf verzichtet werden, dies detailliert darzulegen. Zusammenfassend verdeutlichen die obigen Ausführungen, dass das Deutsche drei Verbstellungstypen kennt, denen wir viele Satzarten zuordnen können. Die Zuordnungen und Beispiele aus diesem und dem letzten Kapitel zeigen zum einen auf, dass es einen Unterschied zwischen den Verbstellungstypen und den Satzarten gibt. Außerdem wird ersichtlich, dass das finite Verb im Deutschen an drei verschiedenen Positionen stehen kann – an erster, zweiter und letzter.

2.3 Stellungsvarianten des finiten Verbs im Deutschen

Welche der oben vorgestellten Verbstellungstypen ist für das Deutsche typisch und gilt als grundlegend? Welche Position bildet den Regelfall ab, und welcher Fall/welche Fälle sind als Ausnahme/n zu deklarieren? Bevor der Frage nachgegangen werden kann, muss zunächst bestimmt werden, welche Kriterien über die Festlegung eines Grundtypus oder einer Grundwortfolge entscheiden. Nach Greenberg sind es die Merkmale Häufigkeit und Markiertheit. Betrachten wir das finite Verb als Ausgangspunkt des deutschen Satz, würde die V2-Position als Grundstellung gelten. Sie kommt in etlichen Kontexten zum Einsatz und bildet letztlich die Form, in der Antworten geliefert werden.9 Trotzdem herrscht keine Einigkeit darüber, welche Verbstellung für das Deutsche typisch ist. Zwar wird in der typologischen Literatur das Deutsche meist als SVO-Sprache klassifiziert, womit die Verbzweitstellung typisch wäre; zu einer wissenschaftlichen Einigung ist es jedoch nie gekommen. Der Dissens in Bezug auf die Grundreihenfolge resultiert mitunter aus der Tatsache, dass die deutsche Sprache eine „Split-language“ ist, insofern, als dass sowohl Verberst- als auch Verbzweitstellung im Hauptsatz möglich sind, ebenso die Verbendstellung im eingeleiteten Nebensatz.10 Das finite Verb hat damit eine feste Position im Satz inne, wenngleich drei Stellungen möglich sind. Wir sprechen bei solchen Sprachen von Mischtypen, da mehr als eine Verbstellungsoption gegeben ist. Die Möglichkeit, Sätze nach SVO, SOV oder anderen Wortstellungsmöglichkeiten zu bilden, lässt keinen einheitlichen Schluss über die Grundreihenfolge im Deutschen und damit auch die Grundstellung des finiten Verbs zu. Sprachen wie das Deutsche, in denen das Verb je nach Sprechsituation und Kommunikationsabsicht an verschiedenen Stellen im Satz stehen kann, sind rar gesät, wenngleich es Sprachen gibt, die hinsichtlich der Stellungsmöglichkeiten des Verbes eine größere Freiheit genießen.11 Die Differenzierung zwischen finitem und infinitem Verb erschwert eine Klassifizierung zusätzlich. Das deutsche Verb wird nach Person, Numerus, Tempus, Modul und Genus Verbi konjugiert, die freilich nicht immer in gleicher Weise ausgedrückt werden. Betrachtet man das folgende Beispiel, wird deutlich, warum es so schwer fällt, die Grundabfolge der deutschen Wortstellung zu benennen oder einen bestimmten Verbstellungstyp für das Deutsche festzulegen:

[...]


1 Vgl. THE WORLD ATLAS OF LANGUAGE STRUCTURES ONLINE: http://wals.info/feature/81A#2/18.0/153.1. (19.06.2018)

2 Vgl. Dürscheid, Christa. Syntax: Grundlagen und Theorien. 4. Auflage. Vandenhoeck und Ruprecht Verlag. Göttingen, 2007. S. 76.

3 Eisenberg, Peter. Grundriss der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. J. B. Metzler Verlag Stuttgart. S. 384.

4 Vgl. Dürscheid. S. 74.

5 Eisenberg unterscheidet die folgenden vier Satzarten: 1. Entscheidungsfragesatz 2. Aufforderungssatz 3. Aussagesatz 4. Ergänzungsfragesatz. Die vier Satzarten verteilen sich auf drei Satztypen, die nach der Stellung des finiten Verbs unterschieden werden. Vgl. ebd. S. 385-386.

6 Vgl. Pafel, Jürgen. Satztyp und kommunikative Intention. In: Satztypen und Konstruktionen. Rita Finkbeiner; Jörg Meibauer (Hrsg:). Band 65. Walter de Gruyter Verlag. Berlin, 2015. S. 407-408.

7 Vgl. Eisenberg, S. 384 ff.

8 Vgl. Dürscheid, S. 74.

9 Vgl. Jabnoun, Latifa. Der Erwerb des Deutschen durch arabischsprachige Kinder. Eine Studie zur Verbstellung. Heidelberg, 2006. http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/7283/. S. 12. (26.06.2018).

10 Vgl. Dürscheid, S. 76.

11 Die Chinesische Sprache gehört zum Beispiel zu den Sprachen, die eine freiere Verbstellung erlauben. Anders als das Deutsche, bei der das finite Verb ausschließlich an drei Positionen im Satz stehen kann, die Verbstellung also auf drei mögliche Varianten eingeschränkt wird, weist das Chinesische einer viel größere Vielfalt an Stellungsmöglichkeiten des Verbs auf. Es gibt keine feste Verbstellungsregularität und kein finites Verb im Chinesischen. Damit kennt das Chinesische im Unterschied zum Deutschen auch keine Verbstellungstypen.

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Details

Title
Über die Verbstellung im Satz. Ein Vergleich zwischen der deutschen und arabischen Schriftsprache
College
Carl von Ossietzky University of Oldenburg
Grade
1,3
Author
Year
2018
Pages
21
Catalog Number
V452530
ISBN (eBook)
9783668850668
ISBN (Book)
9783668850675
Language
German
Keywords
über, verbstellung, satz, vergleich, schriftsprache
Quote paper
Ahmad Abbas (Author), 2018, Über die Verbstellung im Satz. Ein Vergleich zwischen der deutschen und arabischen Schriftsprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452530

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