Kritische Analyse der Finanzkrise aus moralisch-ethischer Perspektive


Bachelor Thesis, 2015

66 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Gang der Arbeit

2 Entwicklung der Finanzkrise
2.1 Überblick zu den Auslösern der Finanzkrise
2.1.1 Lehman Brothers und die Folgen
2.1.2 Motivierung durch minimale Zinsen
2.1.3 Subprime-Kreditnehmer
2.1.4 Vergabekriterien im Subprime-Segment
2.1.5 Verschuldung der US-Amerikaner
2.1.6 Preisboom in der Immobilienbranche
2.1.7 Moral Hazard
2.2 Verhalten relevanter Akteure in der Finanzkrise
2.2.1 Notenbanken FED und EZB
2.2.2 Vorgehensweise der Notenbanken
2.2.3 Rolle der Ratingagenturen

3 Ethische Betrachtung der Finanzkrise
3.1 Vorgehensweise des Club of Rome
3.1.1 Club of Rome
3.1.2 Studie „Die Grenzen des Wachstums“
3.2 Berichte an den Club of Rome
3.2.1 „Jenseits der Grenzen des Wachstums“ (1988)
3.2.2 „Faktor Vier. Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“ (1995)
3.2.3 „2052, eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“ (2012)
3.3 Wirtschaftsethische Ansätze in der Theorie
3.3.1 Josef Wieland
3.3.2 Peter Ulrich
3.3.3 Horst Steinmann
3.3.4 Karl Homann
3.3.5 Peter Koslowski

4 Kritische Betrachtung der Finanzkrise aus wirtschaftsethischer Perspektive
4.1 Handlungsempfehlungen für die Zukunft
4.2 Reformen der Ratingagenturen
4.3 Reformen der Notenbanken
4.4 Corporate Social Responsibility
4.5 Pestel-Analyse

5 Fazit
5.1 Zielerreichung
5.2 Perspektiven

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Verzeichnis sonstiger Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Hauspreisindex der USA

Abbildung 2: Leitzins der Euro- und US-Notenbanken 1999-2013

Abbildung 3: Die Ratingklassen der drei großen Ratingagenturen

Abbildung 4: Ratingagenturen-Marktanteile

Abbildung 5: Pestel-Analyse

1 Einleitung

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Die vergangenen Vorkommnisse auf den internationalen Finanzmärkten seit 2007 sind aus der Sichtweise der weltweiten Wirtschaft einmalig, da binnen weniger Wochen die Spekulationsblase auf dem amerikanischen Immobilienmarkt zum Platzen gebracht wurde, was eine schwerwiegende Finanzkrise auslöste. Obwohl nach der globalen Bör- senregenerierung im Jahre 2001 frühzeitig vor einer solchen Dynamik im Immobilien- bereich gewarnt wurde, wuchs die Spekulationsblase an, ohne dass ihr Platzen vorher- gesehen werden konnte. Die globale Wirtschaft stand vor der Problematik einer sich zügig sowie beständig ausbreitenden Krise. Übliche Verfahrensweisen wie die Zurver- fügungstellung von liquiden Mitteln oder aufeinander abgestimmte Handlungen der Zentralbanken blieben mitunter ohne Effekte. Wird nach einer Begründung für die Fi- nanzkrise gesucht, wird deutlich, dass jene nicht auf eine Ursache zurückzuführen ist. Respektive bildet sie sich durch das Zusammenwirken einer Vielzahl von sich über- schneidenden Bereichen und Akteuren wie Finanzinstituten, Subprime-Kreditnehmern, Ratingagenturen, Versicherungen oder Zentralbanken.1 Die Notlage lässt sich grob in drei Bereiche kategorisieren: Herausbildung und Aufgehen der Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt der USA, eine sich ausbreitende Finanzkrise, beschleunigt durch neuartige Finanzgebilde wie forderungsbesicherte Wertpapiere sowie eine Deregulie- rungspolitik um die Märkte zu liberalisieren.2

1.2 Zielsetzung und Gang der Arbeit

Das Vorhaben der Arbeit ist es, den Werdegang der jüngsten weltweiten Finanzkrise aufzuzeigen. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk insbesondere auf den Vorgehensweisen der wichtigsten Finanzakteure. Neben dem Platzen der Immobilienblase in den USA, das als Hauptgrund für die Finanzmisere gilt, wird auch auf die Jahre vor und nach dem Kollabieren der Finanzmärkte eingegangen: Die Gründe für die Entstehung der Blase, das Handeln zum Zeitpunkt der akuten Krise sowie Maßnahmen zur Prävention einer weiteren Krise werden aufgezeigt.

Eingeleitet wird die Ausarbeitung mit einer Darstellung des finanziellen Zusammen- bruchs des Geldhauses Lehman Brothers aufgrund illiquider internationaler Kreditinsti- tute und des abnehmenden Konsums in den Jahren 2007–2009. Überdies wird das Ver- halten des Federal Reserve System (FED) hinsichtlich der Niedrigzinspolitik vor und nach der Krise betrachtet. Einen weiteren Punkt in der Entwicklung der Finanzkrise, der im Weiteren erläutert werden wird, bildet die Motivierung durch minimale Zinsen, was als Vorteil für Geringverdiener erschien, da sich hierdurch neue Finanzierungsmöglich- keiten ergaben und sich das Kaufverhalten änderte.3 Damit einhergehend wird die Rolle des Subprime-Kreditnehmers in Hinblick auf seine finanzielle Situation und Animation seitens der Geldgeber zu einer Geldaufnahme näher betrachtet. Dabei werden die Fest- stellung der Kreditwürdigkeit und mögliche Manipulationsinstrumente zu einer Aufwer- tung derselben erörtert. Ferner wird auf die hohe Verschuldung der Verbraucher und die diesbezügliche Beratung durch die Banken eingegangen. Des Weiteren wird der Preis- boom in der US-amerikanischen Immobilienbranche erörtert. Anschließend wird das Thema ‚Moral Hazard’ beleuchtet, da Verhaltensweisen mancher Finanzmarktteilneh- mer als moralisch nachlässig einzustufen sind, was zum nächsten größeren Komplex, dem Verhalten der Finanzmarktteilnehmer führt. In diesem Unterkapitel werden die Notenbanken Europäische Zentralbank (EZB) und FED in Hinblick auf ihre Entstehung, ihren Aufbau und ihre Tätigkeiten beschrieben sowie ihr Handeln während und nach der Finanzmisere. Als weiterer Akteur wird die Rolle der Ratingagenturen untersucht, ex- plizit ihre Marktmacht und ihr Vorgehen, Bewertungen auszusprechen.

Im Anschluss an das Kapitel zur Entwicklung der Krise, folgt im nächsten Kapitel eine Betrachtung der Krise aus ethischer Perspektive. Zentral ist hierbei der ‚Club of Rome’ (CoR) und sein Vorgehen, die Zukunft der Menschheit zu betrachten und seine Vorher- sagen zu veröffentlichen. Dabei wird ein Überblick zur Entstehung des CoR und das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ sowie zu den Berichten über den CoR genommen. Bedingt durch den Werteverfall vor und während der globalen Finanzkrise werden ebenfalls theoretische wirtschaftsethische Ansätze von Josef Wieland, Peter Ulrich, Horst Steinmann, Karl Homann als auch Peter Koslowski dargelegt. Vor dem Hinter- grund dieser Ansätze wird in Kapitel 4 eine kritische Analyse der Finanzkrise aus wirt- schaftsethischer Betrachtungsweise durchgeführt. Es werden Handlungsempfehlungen benannt, künftige Weltwirtschaftskrisen zu vereiteln, wie zum Beispiel eine internatio- nal aufeinander abgestimmte Durchführung von Maßnahmen anstelle nationaler Lö- sungswege. Außerdem wird der Reformationsbedarf und die bisherigen getroffen Maß- nahmen zu einer Neugestaltung der Ratingagenturen und Notenbanken diskutiert sowie die Konzepte der Corporate Social Responsibility (CSR) und die Pestel Analyse im Kontext der Finanzkrise näher erläutert. Die Arbeit schließt mit einem Fazit zu Zieler- reichung und Perspektiven.

2 Entwicklung der Finanzkrise

2.1 Überblick zu den Auslösern der Finanzkrise

2.1.1 Lehman Brothers und die Folgen

Am 15. September 2008 meldete erstmalig mit Lehman Brothers ein Geldinstitut Kon- kurs an, dessen Status als ‚too big to fail’ galt.4 Als Folge waren die Kreditgeber des Geldhauses unmittelbar von ausfallenden Zahlungen betroffen. Aufgrund seiner Ver- bindungen, seiner Größe sowie Komplexität wurde Lehman Brothers eine hohe Bedeu- tung für die Stabilität des Finanzsystems zugeschrieben. Die globale Streuung der här- testen Rezession seit dem Ende des 2. Weltkriegs nahm ihren Lauf, nachdem sich Lehman Brothers unter den Schutz der Geldgeber stellte. Der Niedergang der allgemein als systemrelevante angesehenen Institution war ein Ereignis in der Abfolge von mehre- ren in dem Zeitraum von 2007 bis 2009: International waren Kreditanstalten illiquide, an der Börse brachen die Kurse ein, die Bereitwilligkeit für Investitionen nahm ab, Pro- duktionen waren rückläufig und der Konsum stagnierend. Auch der europäischen Union widerfuhr in diesem Kontext ab dem Winter 2008/2009 die prekärste Wirtschaftskrise seit Bestehen mit fünf aufeinanderfolgenden Quartalen negativer Wachstumsquote. Die Wirtschaft in Deutschland, die besonders auf den Außenhandel ausgerichtet ist, wurde auf Grund des globalen wirtschaftlichen Zusammensturzes mit einem Rückgang von 12 Prozent tangiert, so dass das Bruttoinlandsprodukt um etwa 5 Prozent abnahm.5

Als weitere Auslöser für die Finanzkrise gelten eine expansive Finanzpolitik der FED sowie beträchtliche Kapitalströme in die USA. Begründet durch das Platzen der New Economy Blase im Jahr 2000 und den Anschlägen vom 9. September 2001 wurde trotz Wirtschaftswachstum weiterhin an einer expansiven Geldpolitik festgehalten. Argumen- tiert wurde diese Verfahrensweise mit dem ‚Jobless Recovery’, da die Arbeitslosenzah- len in den USA dato verhältnismäßig hoch waren. Zudem legten China und Länder aus dem Nahen Osten ihre Exporterträge in den USA an und sorgten für viel Liquidität auf dem dortigen Markt.6

In diesem Abschnitt wird anhand der Insolvenz der Bank Lehman Brothers eine allge- meine Kontextualisierung der Finanzkrise und ihres Verlauf gegeben. In den weiteren Kapiteln werden weitere Auslöser der Krise näher betrachtet.

2.1.2 Motivierung durch minimale Zinsen

Unter dem damaligen Vorsitzenden der FED, Alan Greenspan, betrieb die US- amerikanische Notenbank eine expansiv orientierte Finanzpolitik, um einer Rezession vorzubeugen. Durch die länger anhaltende Senkung des Leitzinses von 6,5 Prozent auf etwa 1 Prozent in den Jahren 2001-2004 bildete sich eine kostengünstige Finanzie- rungsoption, wodurch sich konkret vor allem neue Finanzierungsmöglichkeiten für Ge- ringverdiener erschlossen.7 Unterstützt durch die staatliche Förderung in Verbindung mit steigenden Immobilienwerten beliehen fernerhin die Kreditnehmer ihr im Wert ge- steigertes Haus mit neuen Hypotheken, um ein weiteres Objekt zu erwerben. Auf Grund dessen die im Kreislauf befindende Geldmenge in den Jahren 2004–2006 reduziert wur- de einhergehend mit höheren Zinsen wurde die Abzahlung der Geldaufnahme auf diese Weise explizit teurer. Überdies wurden die Hypothekenbanken durch Alan Greenspan im Jahre 2004 angeregt, den Kreditinteressenten Wahlmöglichkeiten zu den fest ver- zinsten Hypothekenkrediten zu offerieren.8 Daraufhin stellten die Geldhäuser mit Hilfe ihrer offensiv agierenden Vermittler ‚Adjustable Rate Mortgages’ (ARM) bereit. Hier- bei handelt es sich um einen Kredit mit variablem Zinssatz, der zu Beginn der Laufzeit niedriger ist als bei der fest verzinsten Kreditvariante. Doch während das Zinsniveau zu Beginn der Vertragslaufzeit ‚verlockend’ gering war, passte es sich im Laufe der Zeit an den marktüblichen Zinssatz an.9 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das anfänglich günstige Zinsniveau zur Finanzmisere beigetragen hat. Die Kreditnehmer konnten nach der Zinsanpassung den Ratenzahlungen nicht mehr nachkommen, woraufhin Kreditin- stitute vor der Zahlungsunfähigkeit standen.

2.1.3 Subprime-Kreditnehmer

Bei den Subprime-Kreditnehmern handelt es sich um ‚bedenkliche’, zweitklassige Kre- ditnehmer im Immobiliensektor, die aus Sicht der Geldgeber eine Zielgruppe mit hohem Ertragspotential darstellen – im Gegensatz zu den erstklassigen Prime-Kreditnehmern, deren Kreditmarkt zu jener Zeit übersättigt war. Eine eindeutige Begriffsbestimmung für zweitklassige Kredite bzw. Schuldner ist nicht gegeben. Ferner geht die Benennung auf das Charakterbild des Kreditnehmers in Bezug auf Zahlungsmoral und Vermögens- verhältnissen ein. Subprime-Kreditnehmer zeichnen sich gegenwärtig oder vergangen- heitsbezogen durch eine suboptimale Bonität aus. Kriterien zur Klassifizierung ‚Sub- prime’ können eine vergangene Insolvenz, Zwangsversteigerung oder Kreditratenverzug sein. Zudem sind die Einkommens- sowie Vermögensverhältnisse von Subprime- Kreditnehmern eher gering. In der Gesamtheit lassen demnach alle Subprime- Indikatoren auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls schließen.10 Der An- reiz für den Erwerb von Grundeigentum durch die finanzschwache Bevölkerungsschicht resultierte daraus, dass die Offerte an Mietwohnungen rar und Mietbeiträge recht kos- tenintensiv waren. Außerdem können eingeschränkte Rechte von Mietern, eine geringe bzw. keine staatlich Förderung von Ersparnissen und die Vernachlässigung des Baus von Mietwohnungen seitens der US-amerikanischen Regierung mitunter als Beweg- gründe für einen Hauserwerb verstanden werden. Zudem konnte die Begleichung von Zinsen des Hypothekenkredits steuerlich geltend gemacht werden zuzüglich der Option, dass auch der Privatkonsum in den Kredit einfließen konnte, was den Immobilienerwerb zusätzlich begünstigte.11 Des Weiteren ist zu erwähnen, dass zwischen den Subprime- Krediten und den Prime- Krediten eine weitere Klassifizierung existiert, die sogenannte ‚Alt-A’. Solche Kredite sind optimaler als der Subprime-Bereich, siedeln sich aber unter den erstklassigen Krediten an. Im Jahr 2006 waren etwa 25 Prozent der Hypothekenkre- dite in der Alt-A Kategorie ansässig.12 Abschließend ist zu bemerken, dass die Kredit- vergabe an zweitklassige Kreditnehmer einen Antrieb für die Finanzkrise lieferte. Dabei war durchaus abzusehen, dass Rückzahlungen ausbleiben würden.

2.1.4 Vergabekriterien im Subprime-Segment

Um den Bevölkerungsgruppen, die im Niedriglohnsektor angesiedelt sind, Eigenheime und Konsum zu finanzieren, ermöglichte es die Regierung der USA in Kooperation mit den halbstaatlichen sowie privaten Hypothekenbanken diesen Gruppen, wie oben bereits dargestellt, Kredite zu günstigen Konditionen aufzunehmen.13 Um die Kreditwürde des Interessenten zu beurteilen, wurde ein sogenannter Kreditscore als Leitmerkmal zu- grunde gelegt, der sich aus der Kreditgeschichte des Interessenten ergibt und von Aus- kunfteien kalkuliert wird, dem allgemein so bezeichneten FICO-Score als Branchen- richtwert, welcher sich von 300-850 Punkten erstreckt. Fannie Mae und Freddie Mac etablierten jenen Wert als Norm und klassifizierten Kreditnehmer mit einem geringeren Punktestand als 620 für zweitklassig.14 Ein Manko des FICO-Scores ist die Tatsache, dass auf eine legale Art und Weise der Wert durch sogenannte ‚Score Optimierer’ auf- gewertet werden konnte, auch wenn es nicht der Realität entsprach. Es entstand ein gan- zer Geschäftszweig, der stellenweise kostenpflichtig war und vor allem im Internet zur Verfügung gestellt wurde. Ein Beispiel für eine solche Score Manipulation’ war etwa die Möglichkeit, sich als befugter Nutzer einer Kreditkarte listen zu lassen, die einer anderen Person mit vorbildlicher Zahlungsmoral gehört, um den Wert um etwa 35 Punkte zu verbessern. Angedacht war jenes Verfahren ursprünglich, damit Jugendliche die Karte der Eltern oder Lebenspartner jeweils die Karte des anderen benutzen zu kön- nen.15 Eine andere Möglichkeit der ‚Score Manipulation’ bestand darin, ‚exzellente’ Konten zu erwerben: Dabei wurde der Nutzer mit ungünstiger Zahlungsmoral einem Konto eines Nutzers mit anständiger Zahlungsmoral geringe Zeit vor Schließung des Kontos hinzugefügt, was den FICO-Score um 35-40 Punkte begünstigte.16 Darüber hin- aus bilden die ‚dept-to-income-ratio’ (DTI) und die ‚loan-to-value-ratio’ (LTV) Indika- toren bezüglich der Kreditwürdigkeit: Die dept-to-income-ratio setzt das Bruttoein- kommen in ein Verhältnis zum Schuldendienst, wohingegen die loan-to-value-ratio das Verhältnis zwischen der Summe des Kredits und dem Verkehrswert der erbrachten Si- cherheit bemisst. Liegen die Werte bei der DTI über 55 Prozent und/oder der LTV über 85 Prozent, findet eine Klassifizierung als Subprime-Segment statt.17

In diesem Abschnitt wurde erneut aufgezeigt, inwiefern die Kreditpolitik in den USA ihren Beitrag zur Finanzkrise leistete: Da seitens der Kreditnehmer die Möglichkeit be- stand, eine Aufwertung der Kreditwürdigkeit durchzuführen, waren die Rückzahlungen bereits im Vorfeld anzuzweifeln. Im folgenden Kapitel wird hieran anknüpfend das all- gemeinere Konsumverhalten der US-Amerikaner und die hiermit einhergehende Ver- schuldung vieler US-Amerikaner als Ursachenfaktor in den Blick genommen.

2.1.5 Verschuldung der US-Amerikaner

Der Wunsch nach Prestige und nach einem angesehenen Status ist in den USA weit verbreitet. Meist wird der Status über den Konsum repräsentiert und der finanzielle Wohlstand der Gesellschaft vorgeführt.18 Steht bei der Anschaffung eines Statussym- bols keine ausreichende Liquidität zur Verfügung, wird ein Kredit in Anspruch genom- men. Die US-Amerikaner stehen der Zukunft hinsichtlich ihrer Gehälter und der Wert- steigerung vom Grundbesitz und Aktien optimistisch gegenüber. Diese Einstellung lässt sich aus positiven Erkenntnissen der Vergangenheit herleiten. Demgemäß ist eine posi- tive Einstellung gegeben, was sich in einem konsumfreudigen Verhalten äußert. Etwa 70 Prozent des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts wird durch Konsumenten- ausgaben erwirtschaftet.19 Der Konsum in den USA setzt sich aus Ausgaben von Ver- brauchsgütern, Weiterbildung, Altersvorsorge und Krankheitsfällen zusammen. Auf- grund fehlender Krankenhausversicherungspflicht werden bei Erkrankungen Kredite aufgenommen. Dasselbe gilt gleichfalls für eine gute Schulbildung.20 Überdies ist das Sparverhalten nicht ausgeprägt, ein US-amerikanischer Haushalt gibt eher mehr aus als er erwirtschaftet.21 Die Verschuldung führte zur Unfähigkeit, Hypothekenkredite zu- rückzuzahlen, was für die Banken ebenfalls zur Zahlungsunfähigkeit führte.

2.1.6 Preisboom in der Immobilienbranche

Nach dem Irak-Konflikt im Jahre 1991 geriet die USA in eine Rezession, da das Ver- trauen der Konsumenten sowie die Wirtschaftsaktivität abnahmen. Die Verbraucher waren in ihrem Konsum gehemmt, insbesondere da die Einkommenshöhe sank und Ar- beitsplätze reduziert wurden; die Arbeitslosenquote lag dato bei etwa 7 Prozent.22 Die Kreditinteressenten und -nehmer hatten Mühe, Kredite bewilligt zu bekommen oder ihren Rückzahlungen nachzukommen. Um der eigenen Zahlungsunfähigkeit entgegen- zuwirken, veräußerten Hypothekenbanken Immobilien übermäßig unter dem Verkehrs- wert. Höhere Einkünfte, Steuerminderungen der Regierung von George W. Bush im Jahre 2001–2002 als auch die niedrige Zinspolitik der FED waren mitunter für steigen- de Preise im Immobiliensektor verantwortlich. Neben dem Immobilienmarkt wurde auch der Konsum angekurbelt, vielfach beglichen durch Kreditkarten mit Niedrigzins oder zeitweise ohne Zins. Wie bereits erwähnt, gab es keine Anhaltspunkte für die Bil- dung einer Immobilienblase, da der Grat zwischen einer herkömmlichen preislichen Aufwertung im Immobilienbereich und einer Blase schmal ist. Weiterhin herrscht in den USA ein Mangel an Mietwohnungen, was die Nachfrage nach Eigenheimen, insbe- sondere in den Ballungsgebieten, intensivierte und daraus resultierend die Verkehrswer- te der Häuser steigerte. Exemplarisch stieg der Wert eines 3-Zimmer Appartements in Manhattan von 15.000 $ im Jahr 1991 auf 400.000 $ im Jahre 2006.23 Die Abbildung verdeutlicht, dass die Immobilienkurse im Zeitraum von 1996–2006 kontinuierlich stie- gen, im Schnitt um 10 Prozent pro Jahr.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Hauspreisindex der USA24

Wie bereits in Kapitel 2.1.2 erwähnt, beliehen die Hauseigentümer ihre im Wert gestie- genen Immobilien mit neuen Hypotheken, nachdem die Immobilienpreise erneut san- ken, blieben die Rückzahlungen aus.

2.1.7 Moral Hazard

Das Konzept des ‚Moral Hazard’, der ‚moralischen Versuchung’, fußt auf der Annah- me, dass beide Parteien eines Vertrages nach Abschluss desselben motiviert sind, im eigenen Interesse zu agieren, auch wenn dieses Handeln nicht vertragsgemäß und im Sinne des Vertragspartners ist. Beispielhaft kann hierfür die verringerte Achtsamkeit bei Bestehen einer Versicherung genannt werden, aus der eine höhere Wahrscheinlichkeit eines Schadenfalleintritts resultiert.25 Die Moral Hazard-Problematik hat in Bezug auf die Finanzkrise aus der Perspektive der Finanzinstitute Relevanz: Für die Geldhäuser als Geldgeber bestand die Möglichkeit, das Risiko des Zahlungsausfalls zu streuen, indem Kredite an Schuldner mit mangelhafter Bonität, Subprime-Mortgages, verbrieft wurden, um als Collateralized Debt Obligations (CDO) oder Mortgage Backed Securities (MBS) an Investoren veräußert zu werden. Bei den CDOs handelt es sich um Portfolios von zinsträchtigen Anleihen als auch besicherten Darlehen. MBS sind Wertpapiere, die durch einen Pool von Hypothekendarlehen besichert sind.26 Um einen Kreditausfall zu vermeiden und den Sachverhalt noch attraktiver zu gestalten, versicherte American In- ternational Group, Inc. (AIG) nach Absprache mit den Banken die Wertpapiere für die Käufer. Ein Anreiz für Investoren wie Hedge Fonds, Investmentfonds, Pensionskassen oder Versicherungen war vor allem der hohe Effektivzinssatz.27 Daneben war denen auf Immobiliengeschäfte spezialisierten Institutionen bewusst, dass sie relevant für das Fi- nanzsystem sind und im Falle einer Kollabierung als ‚too big to fail’ gelten würden. Folglich würde der Staat bei einer Zahlungsunfähigkeit finanziell unterstützend wir- ken.28 Das Moral Hazard Problem tritt auch bei der Kreditvergabe auf. Da der Kredit- nehmer dem Kreditgeber nicht weisungsgebunden ist, besteht für erstgenannten die Möglichkeit riskanter Investitionen.29

In diesem Abschnitt wird ein weiterer Zusammenhang zur jüngsten Finanzkrise aufge- zeigt. Strukturierte Finanzprodukte wurden an Investoren weiterverkauft, womit weitere Akteure durch den Zahlungsausfall der Subprime-Kreditnehmer betroffen waren.

2.2 Verhalten relevanter Akteure in der Finanzkrise

2.2.1 Notenbanken FED und EZB

Nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA, der von 1861–1865 andauerte, begann die Industrialisierung voranzuschreiten und die landwirtschaftlich orientierte Gesell- schaft transformierte in eine städtische und industrielle Gesellschaft. Jene Entwicklung war mit Schwierigkeiten wie Korruption, Kartellen oder Monopolen verbunden sowie prekären Arbeitsbedingungen. Gegen 1900 sorgte der Progressivismus für beginnende Änderungen bezüglich der Kartellmächte und setzte sich für mehr staatliche Lenkung der Wirtschaft ein. Nachdem in den USA Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts eine Bankenkrise herrschte, mündeten diese Forderungen in der Schaffung von Kartell- gesetzen und der Verabschiedung des ‚Federal Reserve Act’ durch den Kongress im Jahre 1913, in deren Zuge die US-Notenbank Federal Reserve (FED) hervorgebracht wurde. Die FED begann ihre Dienste am 16. November 1914, die Kernaufgabe besteht in der Geldpolitik; sie soll Zinsbewegungen unterbinden sowie die Geldmenge festigen. Fernerhin erfüllt sie die Aufgabe, das Wachstum und die Beschäftigung aufrechtzuer- halten, was sie etwa von der EZB unterscheidet.30 Die FED mit ihrem Sitz in Washing- ton setzt sich zusammen aus zwölf landesweit ansässigen regionalen Zentralbanken (Federal Reserve Banks), dem Board of Governors, dem Federal Open Market Com- mitee, angehörenden Geschäftsbanken sowie diversen Beratungsräten. Die Notenbank ist in einen privaten und einen staatlichen Teil gruppiert, da im Aufsichtsrat der regiona- len Zentralbanken private Geldhäuser präsent sind. Das Konglomerat durch staatliche und private Kreditanstalten kann als Teilung der Gewalt zwischen Politik und Finanz- segment gedeutet werden.31 Die rechtlich eigenständige europäische Zentralbank (EZB) samt den ebenfalls rechtlich eigenständigen nationalen Zentralbanken (NZBen) der EU- Staaten machen das Europäische System der Zentralbanken aus (ESZB). Gegründet wurde die EZB mit Sitz in Frankfurt am 1. Juni 1998 als gemeinschaftliches Tochter- institut der nationalen Zentralbanken. Damit trat sie die Folge des Europäischen Wäh- rungsinstituts (EWI) an. Fernerhin existiert das Eurosystem, das sich durch die EZB und die NZBen jener Nationen bildet, die sich dem Währungsraum des Euros angeschlossen haben. Die EZB gilt als Kernstück des Eurosystems, da sie dafür Sorge trägt, dass die Berufungen des Systems durch die nationalen Zentralbanken oder sie selbst durchge- führt werden, wobei die NZBen der EZB untergestellt sind. Durch die Leitfunktion der EZB wird gewährleistet, dass das Eurosystem in Bezug auf die Realisierung der Vorga- ben des EG-Vertrages als Ganzheit handeln kann. Sie ist eine Rechtspersönlichkeit und nach den entsprechenden nationalen Vorschriften des Rechtes vorwiegend rechts- als auch geschäftsfähig. Die EZB weist Eigenschaften des öffentlichen und des privaten Sektors auf, die Rechtsgrundlagen geben ihr das Auftreten einer öffentlichen Anstalt und das Geschäftsgebaren weist eher Züge einer Privatbank auf. Demgemäß ist sie eine öffentliche Anstalt mit unternehmenskennzeichnenden Eigenschaften und damit einzig- artig in ihrer Charakteristik.32 Die EZB setzt sich zusammen aus einem Direktorium, dass die Tagesgeschäfte beaufsichtigt, dem EZB-Rat, der die Zinssätze und die Wäh- rungspolitik bestimmt, sowie dem erweiterten Rat, welcher beratend wirkt. Ihr Leitziel besteht darin, die Stabilität der Preise zu garantieren und den Wert der Gemeinschafts- währung Euro aufrechtzuerhalten.33 In diesem Textabschnitt wurden die Zentralbanken EZB und FED vorgestellt. Beide Geldinstitute waren Akteure, die in der Verantwortung standen, der Finanzkrise entgegenzuwirken. Ihr diesbezügliches Handeln wird im fol- genden Kapitel beschrieben.

2.2.2 Vorgehensweise der Notenbanken

Zu den Berufungen der EZB gehören die Festlegung der Leitzinsätze in der Eurozone, die Kontrolle der Geldmenge, die Verwaltung der Währungsreserven und der Handel von Währungen um den Wechselkurs im Gleichgewicht zu halten. Überdies ist sie dafür zuständig, dass nationale Verwaltungen die Finanzmärkte samt den Finanzinstitutionen überwachen und die Zahlungssysteme ungehindert funktionieren können. Daneben ge- stattet die EZB den nationalen Zentralbanken der Länder die Vergabe von Banknoten und achtet auf die preisliche Entwicklung und kann somit das daraus resultierende Wagnis für die Preisstabilität einschätzen.34 Während der Finanzkrise kam der EZB eine tragende Rolle zu: Am 9. August 2007 sorgte die dafür, bedingt durch die Folgeerschei- nungen der ‚Subprime-Krise’ in den USA, dass den Geschäftsbanken im Euro-Raum eine Summe in Höhe von 94,8 Milliarden Euro als Tagesgeld bereitgestellt wurde, da die liquiden Mittel am Euro-Geldmarkt knapp waren. Der finanzielle Spannungszustand kam dadurch zustande, dass die Zuversicht unter den Marktteilnehmern abnahm sowie aufkommende Ungewissheit bezüglich finanzieller Solidität und der Bonität der Ge- schäftsteilhaber. Des Weiteren vollzog die EZB in den anschließenden Monaten weitere Geschäfte zur Refinanzierung mit einer Gültigkeitsdauer von 3–4 Monaten, damit die Geldhäuser animiert werden, die Wirtschaft weiterhin mit Krediten zu versorgen. Dar- über hinaus wurde das Angebot der Liquidität während der Mindestreserve- Erfüllungsphase so hergerichtet, dass die Geldinstitute in dem ersten Teil der Phase der Mindestreserveverpflichtung verfrüht nachkommen und in der zweiten Phase gegensätz- lich handeln konnten.35 Ferner wurden Operationen zur Feinsteuerung vollzogen, damit die Geldmarktsätze am knappen Ende künftig in der Reichweite des Hauptrefinanzie- rungssatzes der EZB lagen. Bedingt durch die Gespanntheit am Markt für Devisen samt der Basis einer Swap-Absprache mit der FED hielt die EZB finanzielle Mittel in US- Dollar gegen auf dem Euro lautende Deckungen bereit. Daneben wurden zum Jahresen- de 2007 gesonderte Tendenzverfahren durchgeführt, damit den Refinanzierungssorgen der Geldinstitute entgegengewirkt werden konnte. Der Leitzins während der Finanzkrise verlief wie Abbildung 2 beschreibt in den Stufen 4,00 %, 4,25 %, 3,75 %, 3,25 % bis zu 2,50 % am 4. Dezember 2008. Im weiteren Verlauf sank der Zinssatz weiterhin stetig bis zu einem gegenwärtigen Wert von 0,05 %. Jene genannten Maßnahmen waren alle- samt erforderlich, um die ursprüngliche Systemstabilität auf den Interbankenmärkten zu generieren.36

Die Aufgaben der FED liegen in einer größtmöglichen Beschäftigungsquote, in der Si- cherstellung von stabilen Preisen und der Gewährleistung dauerhaft gemäßigter Zinsen. Ferner hat sie stets das Ziel des Wirtschaftswachstums im Fokus. Zudem ist sie für die Beaufsichtigung des Bankenwesens, die Erhaltung der Finanzstabilität, als auch die Zurverfügungstellung von finanziellen Dienstleistungen zuständig. Sie ist in ihrem Sta- tus prinzipiell eigenständig und nicht an staatliche Weisungen gebunden, verfolgt je- doch in der Realität die Ziele in den von der Regierung vorgegebenen Bereichen.37 Während der Finanzmarktturbulenzen führte die FED Gegenmaßnahmen durch, um der Krise Einhalt zu gebieten. Im Dezember 2007 wurden neuartige geldpolitische Mittel eingeführt, um den Finanzinstituten den Erwerb von liquiden Mitteln zu vereinfachen. Dabei wurden die Konditionen zur Inanspruchnahme eines Diskontfensters gesenkt und durch die Einführung eines Term Auction Facility (TAF) die Möglichkeit geschaffen, dass sich Geschäftsbanken unmittelbar mit dem Geld der Zentralbank versorgen kön- nen. Das Volumen diesbezüglich wurde von 30 auf 50 Milliarden US-Dollar angeho- ben. Überdies wurde vermehrt eine Zusammensetzung von Wertpapieren als Sicherheit legitimiert und die Gültigkeitsdauer von Krediten erhöht. Zusätzlich wurden Devisens- wap-Linien mit verschiedenen Banken eingeführt, damit der Zugriff auf die Dollar- Finanzmittel für ausländische Märkte vereinfacht war. Eine zusätzliche Maßnahme war die Herabsenkung des Leitzinssatzes ab dem 18. September 2007 von ursprünglich 5,25 % auf 4,75 %, wie es in Abbildung 2 dargestellt wird. Bis zum Jahresende 2008 beweg- te sich der Satz hin zu 0–0,25 % und verweilt bis dato dort.38 Hauptansatzpunkt der No- tenbanken EZB und FED, um die Finanzkrise abzuwenden, war entsprechend die Sen- kung des Leitzinssatzes und die Bereitstellung von Geldern für zahlungsunfähige Ban- ken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Leitzins der Euro- und US-Notenbanken 1999-201339

2.2.3 Rolle der Ratingagenturen

Der Begriff ‚Rating’ kommt aus dem Englischen und kann mit ‚Bewertung’, ‚Beurtei- lung’ übersetzt werden.40 Ein Rating im gegebenen Kontext meint, eine Auskunft hin- sichtlich der Bonität von Unternehmen oder Wertpapieren bereitzustellen. Geldgeber haben damit Gelegenheit, sowohl diverse Anlageformen als auch Kreditnehmer zu prü- fen. Ein Rating entscheidet ebenfalls darüber, zu welchem Zinssatz sich Unternehmen am Finanzmarkt Geld entleihen können. Differenziert wird zwischen internen und ex- ternen Ratings: Internes Rating besagt, dass die Banken im Rahmen der Vorgaben von Basel II eigenständig eine Bonitätsprüfung des Kreditinteressenten vollziehen und das Resultat unveröffentlicht bleibt. Externes Rating bedeutet, dass der Prozess von unab- hängigen Agenturen durchgeführt und publiziert wird.41 Überdies sind Emittenten- ratings und Emissionsratings zu unterscheiden. Erstere geben Hinweise auf die Bonität des Wertpapierherausgebers und die Zweiten geben Auskunft über den genau bestimm- ten Finanztitel eines Emittenten. Bei der Bewertung der Bonität liegt das Hauptaugen- merk darauf, dass sogenannte ‚Triple A’ zu erlangen, eine Klassifizierung, die von den drei mächtigsten Ratingagenturen Fitch Ratings, Moody’s Investor Service und Stan- dard & Poor’s vergeben wird. Die Ratingklassen werden in Abbildung 3 näher be- schrieben. Die Marktstellung jenes Oligopols sorgt des Öfteren für Kontroversen, da solche unabhängigen Unternehmen dafür sorgen sollen, Informationsasymmetrien in dem Kreditnehmer und -geberverhältnis zu reduzieren, was durch die Vergabe von ob- jektiven Urteilen hinsichtlich der Bonität geschehen soll. Den Agenturen wird jedoch unterstellt, dass durch gegenwärtige Interessenskonflikte die objektive Urteilskraft ein- geschränkt sowie keine vollständig Neutralität gegeben seien.42 Ein entscheidender Ur- sachenfaktor hinsichtlich der globalen Finanzkrise war der Sachverhalt, dass mit Sub- prime-Hypotheken gesicherte Kreditforderungen ausgiebig in CDOs verbrieft und auf den Finanzmärkten weiterveräußert wurden. International ansässige Banken erwarben CDOs und begaben sich somit in die Abhängigkeit vom US-amerikanischen Immobili- enmarkt, was zur Folge hatte, dass bedingt durch die Zahlungsausfälle eine weltweite Kettenreaktion mit realwirtschaftlichen Konsequenzen zustande kam. Das Hauptmerk- mal bei den CDOs war es, nicht handelbare Finanzforderungen in handelbare Finanzin- strumente zu transformieren. Für die Emittenten waren es Mittel zur Refinanzierung und für die Käufer Objekte zur Anlage. Bedingt durch die Mixtur von Krediten mit subop- timaler Bonität und Titeln mit vorbildlicher Bonität war ein Handeln damit möglich.43

Die drei zuvor genannten Ratingagenturen stehen durch vorher genanntes im Zusam- menhang mit der jüngsten Finanzmarktkrise, da solche das Wagnis von strukturierten Finanzprodukten suboptimal bewertet und verspätet auf die Nachwirkungen hingewie- sen hatten. „Ratingagenturen sind die größte unkontrollierte Marktstruktur im Weltfi- nanzsystem.“44 Mit diesen Worten übte Jochen Sanio, der damalige Chef der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) Kritik an den Ratingagenturen. Ferner sieht er sie als Hauptschuldner der Finanzkrise, denn sie hätten ihre Bewertungen aus Profitgier vollzogen. Die unzutreffende Einschätzung des Risikos von strukturierten Finanzinstrumenten durch die Ratingagenturen war zumindest ein beachtlicher Be- schleuniger der Finanzkrise, der ihr vor allem zur globalen Ausdehnung verholfen hat. Die mitunter ‚toxischen’ (giftigen) Wertpapiere sind durch die Ratingagenturen über einen langen Zeitraum zu positiv bewertet worden. Hierdurch wurde der Anschein von optimaler Qualität vermittelt, das eigentliche Risiko aber blieb verborgen. Des Weiteren wurde keine adäquate Bewertung der Bonität von den umfangreichen Finanzprodukten durch die Investoren durchgeführt. Es wurde den Zertifikaten seitens der Agenturen umfassendes Vertrauen geschenkt. Zu erwähnen ist, dass bei strukturierten Finanzpro- dukten keine Informationszufuhr für den Investor besteht, weiterhin wären die Ausga- ben bei einer eigenständigen Analyse zu einer Informationsgewinnung zu hoch. Vor diesem Hintergrund werden die Erwartungen bezüglich Transparenz und Achtsamkeit an die Agenturen gestellt. Mehr als 80 % der Finanzprodukte im Subprime-Bereich sind von den maßgebenden Agenturen mit Bestnoten versehen worden, so dass das Risiko der strukturierten Finanzprodukte unterschätzt wurde.45 Ein bedeutsames Argument in diesem Kontext lautet, dass für die neuartigen CDOs keine vergangenheitsbezogenen Daten vorlagen. Ferner lag eine deutliche Begründung der Krise darin, dass eine Aktua- lisierung der Ratings nicht zeitnah durchgeführt wurde, somit Veränderungen am Markt zu spät einkalkuliert wurden. Etwa ein Jahr vor Inkrafttreten der Krise waren Indikato- ren gegenwärtig, die Ausfälle von Krediten im zweitklassigen Segment andeuteten. Obwohl es dann zu Kreditausfällen kam, wurde erst im Sommer 2007 eine Anpassung durchgeführt. In jenem Zeitraum wurde transparent, dass die Ratings die Wahrschein-lichkeiten zu Kreditausfällen falsch widerspiegelten. Zwischen dem 10. und dem 12. Juli 2007 war es an der Zeit, dass die Ratingagenturen eine Warnung vor risikoreichen Hypothekenkrediten aussprachen und Wertpapiere mit Bestnoten stellenweise um meh-rere Noten herunterstufte. Darüber hinaus wird die Relation von den Agenturen und den zu bewerteten Unternehmen, als Auftraggeber und -nehmer, für die fehlgeschlagenen Bewertungen verantwortlich gemacht. Die Ratingagenturen wurden für ihre Dienstleis-tung bezahlt und standen den Banken für die Schaffung unübersichtlicher Finanzpro-dukte beratend zur Seite. Zusätzlich konnten die drei Agenturen für ihre Fehlurteile nicht haftbar gemacht werden. Trotz der Tatsache, dass die Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2007 zahlungsunfähig wurde, wurde eine Herabstufung innerhalb des ‚Investment Grade’ seitens der Agenturen erst im Juni 2008 vollzogen. In der Gesamt-heit bilden die drei Ratingagenturen eine Hauptrolle in der Finanzkrise, da ihre Beurtei-lungen eine Grundlage für ‚falsche’ Investitionsentscheidungen waren.46

[...]


1 Vgl. Zeise, L. (2009), S. 30 ff.

2 Vgl. Kessler, O. (2011), S. 7.

3 Vgl. Stiglitz, J. (2010), S. 30 ff.

4 Vgl. Brunner, J. (2009), S. 48.

5 Vgl. Quiring, O. u.a. (2013), S. 13.

6 Vgl. http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/finanzmaerkte/135463/ursachen-der-finanzkrise?p=all, (Abruf am 11.07.2015).

7 Vgl. http://www.federalreserve.gov/monetarypolicy/openmarket.htm, (Abruf am 11.07.2015).

8 Vgl. Geisler, M. (2014), S. 31.

9 Vgl. Bloss, M. u.a. (2009), S. 58.

10 Vgl. Kofner, S. (2009), S. 5 ff.

11 Vgl. Todev, T. u.a. (2013), S. 122 ff.

12 Vgl. Bleser, S. (2009), S. 15–18.

13 Vgl. Rudolf, B. (2008), S. 715 f.

14 Vgl. Kofner, S. (2009), S. 5 f.

15 Vgl. http://www.sozmog.uni-jena.de/sozjpmedia/Publikationen/Schufa+2008+flyer_subprimestudie-p- 84.pdf, (Abruf am 14.07.2015).

16 Vgl. Böhm, C. (2010), S. 31 ff.

17 Vgl. Rabak, R. (2010), S.71 ff.

18 Vgl. Rickens, C. (2005), S. 134–142.

19 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), Nr. 98.

20 Vgl. Rickens, C. (2005), S. 138.

21 Vgl. Bardt, H., Grömling, M. (2003), S. 30–34.

22 Vgl. Hradil, S., Immerfall, S. (1997), S. 293.

23 Vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/us-immobilienblase-alle-ballons-kommen-runter-a-405785.html, (Abruf am 12.07.2015).

24 Quelle: Entnommen aus: http://b-i.forbesimg.com/rickferri/files/2013/05/Housing-Fig11.jpg, (Abruf am 12.07.2015).

25 Vgl. Schwoppe, S. (2015), S. 3 ff.

26 Vgl. Bloss, M. u.a. (2009), S. 74–79.

27 Vgl. Conrad, C. A. (2015), S. 31 ff.

28 Vgl. Todev. T. u.a. (2013), S. 308 f.

29 Vgl. Buschmeier, A. (2011), S. 26.

30 Vgl. Schönfelder, I. A. (2015), S. 21–26.

31 Vgl. Görgens, E. u.a. (2004), S. 64–67.

32 Vgl. Görgens, E. u.a. (2004), S. 5 ff.

33 Vgl. Görgens, E. u.a. (2004), S. 62 ff..

34 Vgl. Görgens, E. u.a. (2004), S. 62 f.

35 Vgl. https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Aufgaben/Geldpolitik/reaktion_ezb_finanzkrise.p df?

blob=publicationFile, (Abruf am 12.07.2015).

36 Vgl. Kessler, O. (2011), S. 170 ff.

37 Vgl. Schönfelder, I. A. (2015), S. 21 f.

38 Vgl. Vieten, T. (2013), S. 26 ff.

39 Quelle: Entnommen aus: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/05/17/europaische-zombiebanken- verhindern-aufschwung_6074, (Abruf am 12.07.2015).

40 Vgl. Cengiz, S. (2014), S. 8.

41 Vgl. Elschen, R., Lieven, T. (2009), S. 100 ff.

42 Vgl. Cengiz, S. (2014), S. 8 ff.

43 Vgl. Koegler, J. (2014), S. 2 ff.

44 Cengiz, S. (2014), zitiert nach Balzi, B. u.a. (2009), S. 20.

45 Vgl. Cengiz, S. (2014), S. 12 ff.

46 Vgl. Zeise, L. (2012), S. 77 ff.

Excerpt out of 66 pages

Details

Title
Kritische Analyse der Finanzkrise aus moralisch-ethischer Perspektive
College
University of Applied Sciences Essen
Grade
2,0
Author
Year
2015
Pages
66
Catalog Number
V453081
ISBN (eBook)
9783668879430
ISBN (Book)
9783668879447
Language
German
Keywords
Club of Rome, Finanzkrise, Wirtschaftskrise, FED, EZB, Subprime, Ratingagenturen, Pestel Analyse
Quote paper
Marco Hogeweg (Author), 2015, Kritische Analyse der Finanzkrise aus moralisch-ethischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/453081

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