Bausteine eines Laufbahnmodells für weibliche Führungskräfte. Im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie


Livre Spécialisé, 2019

109 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Kurzdarstellung

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

THEORIE

2 Statistische Grunddaten

3 Definitionen
3.1 Führungskraft
3.2 Management
3.3 Laufbahn
3.4 Karriere
3.5 Familie

4 Laufbahn- oder Karrieremodelle
4.1 Alternative Karrieremodelle
4.2 Verändertes Karriereverständnis
4.3 Neue Laufbahnmodelle
4.4 Karriereanker

5 Relevante Voraussetzungen für die erfolgreiche Laufbahnplanung weiblicher Führungskräfte
5.1 Individualisierung der Laufbahnplanung
5.2 Vorbildwirkung
5.3 Veränderung der Vaterrolle
5.4 Potenzialförderung
5.5 Lebensphasenorientierte Personalentwicklung
5.6 Arbeitszeitflexibilisierung
5.7 Kinderbetreuung
5.8 Familienpolitik als Rahmenbedingung

EMPIRIE

6 Forschungsdesign
6.1 Fragestellung und Forschungsziel
6.2 Wissenschaftstheoretischer Standort

7 Forschungsfeld
7.1 Erhebung
7.2 Sample

8 Forschungsmethode
8.1 Die Methodologie der Grounded Theory
8.2 Textauswahl, Datenanalyse und Kodierverfahren
8.3 Methodisches Schema der vorliegenden Arbeit

9 Ergebnisse
9.1 Bausteine zur Laufbahngestaltung
9.2 Beantwortung der Forschungsfrage

10 Diskussion
10.1 Relevanz der Ergebnisse und Limitation der Arbeit
10.2 Vergleich mit der Literatur
10.3 Conclusio mit Management-Empfehlungen

11 Epilog

12 Verzeichnisse
12.1 Literaturverzeichnis

Anhang

Danksagung

Die vorliegende Arbeit möchte theoretische und empirische Bausteine zur Frage liefern, welche Elemente der Laufbahngestaltung für weibliche Führungskräfte Organisationen anstreben sollten, um die Humanressourcen im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie optimal zur Geltung zu bringen.

Die Idee dazu stammt von meinem hochgeschätzten Betreuer Univ.-Prof. Dr. Heinz K. Stahl, der mich in einem Gespräch über aktuelle und zukünftige Herausforderungen von Arbeitgebern für diese Fragestellungen sensibilisiert hat. Meinen außerordentlichen Dank möchte ich daher Herrn Univ.-Prof. Dr. Stahl aussprechen, der mich in einer beruflich wie privat sehr intensiven Zeit beim Verfassen dieser Arbeit überaus unterstützt und meine Freude an diesem Thema immerfort bestärkt hat.

Vielen Dank an meine Interviewpartnerinnen und gleichzeitig Vorbilder; starke Frauen die Karriere mit und nicht trotz Kind meistern, die als Führungskräfte andere Frauen dabei unterstützen, Verantwortung für Beruf und Familie zu übernehmen und so die Gesellschaft aktiv verändern.

Ganz besonderen Tribut möchte ich meinem Arbeitgeber zollen, der familienfreundliche und lebensphasensensible Unternehmenskultur wirklich lebt. Vielen Dank an unseren Geschäftsführer Mag. Oliver Rendel, der mein Engagement im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried nicht nur sieht, sondern auch stets fördert.

Ein großes Dankeschön gilt der Germanistin OStR Mag.a Martina Riepl, die meine Arbeit akribisch Korrektur gelesen hat. Für die Unterstützung bei der Formatierung und Zitation bedanke ich mich herzlich bei Frau Mag. a Susanne Kirchmair, MSc.

Ohne die Unterstützung meiner Eltern, Schwiegereltern und Tante Elfi hätte ich die Zeit für diese Arbeit nicht gefunden. Diese Seiten sind dank euch entstanden.

Liebe Oma, Eltern, Gundula, mein wundervoller Ehemann Thomas und mein kleiner Sohn Gabriel: Ihr seid die Menschen, die mir Kraft geben. Ich danke euch. Für euch arbeite ich weiter daran, zu beweisen, dass Familie und Karriere vereinbar sind.

„Wenn die Frauen endlich das Gefühl haben, dass sie einfach sie selbst sein können und nicht versuchen müssen, wie die Männer zu sein, (…) – dann wurden wirklich Fortschritte erzielt.“

Ruth Anderson

oder

in den Worten einer Interviewpartnerin:

„Wir führen mit Mitteln von gestern die Leute in eine Zukunft von morgen. Frauen sollten gezielt gefördert, aber nicht zu Männern ‚umerzogen‘ werden.“

Die Verfasserin ist sich der Bedeutung geschlechtergerechter Sprache bewusst. Auf eine durchgehende geschlechterneutrale Schreibweise wurde zugunsten der Lesbarkeit des Textes verzichtet. Werden im folgenden Text männliche Schreibweisen verwendet, so ist bei Entsprechung auch die weibliche Form inkludiert.

Kurzdarstellung

Am Arbeitsmarkt steht einem hohen Anteil an sehr gut ausgebildeten Frauen ein niedriger Anteil von Frauen in Führungspositionen gegenüber und zeigt, dass Fachkräfte und Führungspersonal aus einem Pool rekrutiert werden, der nicht unbedingt der Pool der am besten ausgebildeten Kandidaten ist. Einer der Hauptgründe für dieses Dilemma ist die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Oft scheint es, dass eine diesbezügliche Vorbereitung und Planung in der Realität nicht umgesetzt werden kann und – meist weibliche – Führungskräfte, Nachwuchsführungskräfte und Potenzialträger, aber auch das Unternehmen an den Herausforderungen scheitern.

In der vorliegenden Masterarbeit wird daher der Versuch unternommen, methodische, theoretische und empirische Erkenntnisse für die Erforschung der Frage zu liefern, welche Elemente der Laufbahngestaltung Unternehmen anstreben sollten, um die Humanressourcen weiblicher Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie optimal zur Geltung zu bringen.

Mittels der Methodologie der Grounded Theory wurde aus 15 Interviews mit weiblichen HR-Managerinnen mit Kind(ern) oder Kinderwunsch, die sowohl die Perspektive des Arbeitgebers als auch Arbeitnehmers innehatten, ein „Werkzeugkoffer“ mit unterschiedlichsten Instrumenten in Form von Bausteinen für die Gestaltung von Führungslaufbahnen von Frauen abgeleitet.

Die Führung der weiblichen Führungskräfte selbst sollte durch Zielvorgaben und mittels Ergebnisorientierung erfolgen. Chancengleichheit stellt sicher, dass diese trotz ihrer für Unternehmen manchmal „unbequemen“ Lebensphase für Führungspositionen überhaupt berücksichtig werden. Instrumente aus dem Personalmanagement und der Personalentwicklung (z.B. Karenzmanagement oder Karriereprogramme) braucht es hierbei ebenso wie eine darauf ausgerichtete Informations- und Kommunikationspolitik.

Arbeitsortmobilität und Arbeitszeitflexibilisierung stellen wichtige Hygienefaktoren für Führungskräfte generell und für weibliche Führungskräfte im Besonderen bei der Erfüllung ihrer Rolle und Organisation von Arbeits- und Familienleben dar. Die Unterstützung aktiver Vaterschaft fördert – ebenso wie die im theoretischen Teil dieser Arbeit vorgestellte Earner-carer Strategie in der Familienpolitik – ein berufliches wie privates Engagement von Müttern und Vätern gleichermaßen und kann so eine Führungslaufbahn von Müttern aktiv unterstützen. Die Organisation von Arbeit spielt eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung der weiblichen Führungskraft, bedeutet Sicherheit für den Arbeitgeber und reicht von Stellvertreterregelungen bis hin zu gut ausgebauten Assistenz-Strukturen. Kinderbetreuung sollte auf mehrere Säulen (privat, gesellschaftlich, betrieblich) gestützt sein und eine flexiblere Gestaltung von Arbeits- und Familienleben ermöglichen.

Als roter Faden und grundsätzliche Prämisse für die tatsächlich erfolgreiche Umsetzung dieser Bausteine, die mittels eines „Idealtypus“ vorgestellt wurden, wurde die lebensphasensensible Unternehmenskultur identifiziert. Nur mit dieser Haltung und Wertekultur scheint es Unternehmen zu gelingen, nachhaltig weibliche Führungskräfte in ihrer Laufbahn zu fördern und an das Unternehmen zu binden.

Schlüsselbegriffe:

Laufbahnmodelle, Führungskraft, Frauen, Kinder, lebensphasensensible Unternehmenskultur, Arbeitszeitflexibilisierung, Arbeitsortflexibilisierung, Kinderbetreuung

Abstract

In the labor market, a high proportion of highly educated women face a low proportion of female-held management positions, illustrating that professionals and managers are being recruited from a pool which is not necessarily comprised of the best skilled candidates. One of the main reasons for this dilemma is the lack of reconciliation between work and family life. It often seems that in reality, preparation and planning in this regard cannot be implemented, and not only (mostly female) executives, junior executives and high potential individuals, but also organizations, fail at these challenges.

Therefore, this Master's Thesis seeks to provide methodological, theoretical, and empirical findings for exploring which elements of career design companies should pursue in order to maximize the human resources of female leaders in the trade-off between career and family.

With the use of Grounded Theory methodology, 15 interviews were conducted with female HR managers with children, who had both the employer and employee perspective, from which a "toolbox" of various instruments in the form of building blocks for the design of women’s leadership careers stemmed from.

The leadership of the female executives themselves should be based on target specifications and results orientation. Equal opportunities ensure that they are at least considered for managerial positions, despite their sometimes "inconvenient" phase of life. Human resources management and development tools (such as parental leave or career programs) are needed, as well as an information and communication policy geared towards this.

Workplace mobility and working time flexibility are important hygiene factors for executives in general, and in particular for female executives, in fulfilling their role and organizing work and family life. Supporting active paternity, such as the earner-carer strategy in family policy presented in the theoretical part of this paper, promotes a professional and private commitment for mothers and fathers alike, and can actively support a leadership career for mothers. The organization of work also plays an essential role in supporting the female executive, represents security for the employer, and ranges from proxy arrangements to well-developed assistance structures. Childcare should be based on several pillars (private, societal, occupational) and allow for a more flexible organization of work and family life.

As a common thread and basic premise for the actual successful implementation of these building blocks, which were presented by means of an "ideal type", the life-phase-sensitive corporate culture was identified. Only with this attitude and value culture can companies succeed in sustainably promoting and retaining female executives in their careers.

Key Terms:

Career models, managers, women, children, life-cycle sensitive company culture, flexible working time, job flexibility, child care

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Beschäftigungsrate (%) für Frauen (15-64 Jahre alt) mit Kindern (0-14 Jahre alt) nach Bildungsstand. 2014 oder letztes verfügbares Jahr (2016, 4)

Abbildung 2: Alternative Karrieremodelle (2003, 29)

Abbildung 3: Bausteine eines Laufbahnmodells für weibliche Führungskräfte

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Traditionelle und neue Laufbahnmodelle (Gubler 2011, 51)

Tabelle 2: Beispiele für Kodes mit Interviewausschnitten

Tabelle 3: Abstraktionserhöhung

Tabelle 4: Abstraktionserhöhung

Tabelle 5: Abgeleitete Elemente eines Laufbahnmodells für weibliche Führungskräfte inkl. Kodebeispielen

1 Einleitung

Die Anzahl an Arbeitskräften, aus der Unternehmen, Organisationen und Institutionenschöpfen können, wird kleiner. Das Potenzial der Erwerbspersonen geht von heute knapp 45 Millionen schon 2025 auf etwa 41 Millionen zurück, parallel dazu wächst jedoch der Bedarf an gut ausgebildeten und hoch qualifizierten Fachkräften, die für die globale Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar sind (Allmendinger 2012, 12f.). Daraus ergibt sich eine essentielle Frage für Unternehmen: Wie kann sichergestellt werden, dass künftig Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen? Gegenwärtige Personalstrategien sind hier oftmals nicht ausreichend, und vielmehr kurz- als langfristig wird es sich kein Unternehmen mehr leisten können, das volle Leistungsvermögen von Frauen am Arbeitsmarkt nicht auszuschöpfen (ibd.). Der hohe Anteil an sehr gut ausgebildeten Frauen steht einem niedrigen Anteil von Frauen in Führungspositionen gegenüber und zeigt, dass Fachkräfte und Führungspersonal aus einem Pool rekrutiert werden, der nicht der Pool der am besten ausgebildeten Kandidaten ist. Die meisten Frauen ziehen sich nach der Geburt ihrer Kinder längere Zeit aus dem Erwerbsleben zurück oder arbeiten nach der Pause in Teilzeit, da es an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mangelt. Somit zeigt sich ganz klar, dass kompetente, qualifizierte Arbeitskraft nicht genutzt wird und somit verloren geht. Und dies stellt ein volkswirtschaftliches Problem dar, das immer größer wird: Unsere Gesellschaft finanziert somit Bildung, die sie später schlecht nutzt. Allmendinger (2012, 14f.) wagt die These, dass dieses Verhalten sich auch negativ auf Umsatz und Gewinn von Unternehmen auswirken könnte und somit auch ein betriebswirtschaftliches Problem ist. Denn Unternehmen müssen nicht selten auf geeignete Kandidaten verzichten und weniger qualifiziert besetzen.

Einer der Hauptgründe für dieses Dilemma ist die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die in diesem Zusammenhang Arbeitgeber wie Arbeitnehmer mehr und mehr vor große Herausforderungen stellt. Oft scheint es, dass eine diesbezügliche Vorbereitung und Planung in der Realität nicht umgesetzt werden kann und – meist weibliche – Führungskräfte, Nachwuchsführungskräfte und Potenzialträger, aber auch das Unternehmen an den Herausforderungen scheitern. Die immer noch häufigsten Lösungen: Auszeiten, Karenzen, Umstieg in eine andere und zumeist weniger verantwortungsvolle Position oder Beendigung des Dienstverhältnisses. Arbeitgeber reagieren und Arbeitnehmer erwarten in puncto Schwangerschaft zumeist die klassische „baby break“, die aber nicht selten den Ausschluss vom Arbeitsmarkt bedeutet (Gotschall / Bird 2003, 115ff.). Die über Jahrzehnte laufende Institutionalisierung dieser klassischen Exit-Strategien kann in Zeiten wie diesen aber nicht mehr die einzige Lösung sein, mit der Arbeitnehmerinnen mit Kindern begegnet wird.

Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Dilemmas sind nämlich hochproblematisch, Unternehmen verlieren nicht selten hochqualifizierte Fachkräfte, das Frustpotenzial für Arbeitnehmer und vor allem Arbeitnehmerinnen, denen der Blick in dieser Arbeit besonders gilt, ist sehr hoch. Der überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeber ist die Relevanz dieses Themas selbstverständlich bewusst, dennoch gehen Verbesserungen oder gar professionelles Management nur sehr langsam voran. Besonders bei weiblichen Führungskräften sind die Rahmenbedingungen nach wie vor denkbar ungünstig. Die Laufbahnplanung entwickelt sich nicht selten in eine Richtung, die sowohl für Arbeitnehmerin als auch Arbeitgeber nicht zufriedenstellend ist. Besonders HR-Manager sind oftmals regelrecht entnervt ob dieser Thematik, und so drängt sich die Frage auf, ob diese nicht nur Probleme, sondern auch große Chancen im Management birgt, die in einem Laufbahnmodell verankert werden könnten. Ein einziges Laufbahnmodell bzw. den einzig richtigen Weg gibt es nicht, dazu sind Menschen und deren Lebenssituationen, Betriebe und deren Unternehmenspolitik zu unterschiedlich. Doch dazugehörige Bausteine sollen in dieser Arbeit erkannt, herausgefiltert und erörtert werden. Ebendiese können in Unternehmen für individuelle Laufbahnmodelle herangezogen werden.

Diese Elemente sind letztlich die Stellschrauben, die bedient werden können, um die Bedingungen und das Ergebnis von Arbeit zu bestimmen. Trinczek (2010) beispielsweise sieht Betriebe als die gesellschaftliche Sphäre, in der sich die konkrete Nutzung von Arbeitskraft vollzieht, doch welche Arbeitsinhalte zugewiesen würden, an welchem Arbeitsplatz man arbeite, ob man mit einer im- oder gar expliziten Erwartungshaltung überlanger Arbeitszeiten oder mit einer Kultur der klaren Begrenzung betrieblicher Arbeitszeiten konfrontiert sei, ob man einem autoritär-hierarchischen Führungsstils ausgesetzt sei oder unter Bedingungen eines teamförmig-partizipativen Mitgestaltungsmanagements arbeite- all das, was konkretes Arbeiten ausmache, sei Gegenstand betrieblicher Entscheidungen. Dies zieht den Schluss nach sich, dass auch eine Kultur von Förderung weiblicher Führungskräfte letztlich eine betriebliche Entscheidung darstellt, die es zu treffen und anschließend zu leben gilt.

In der vorliegenden Masterarbeit wird daher der Versuch unternommen, methodische, theoretische und empirische Bausteine für die Erforschung der Frage zu liefern, welche Elemente der Laufbahngestaltung Unternehmen anstreben sollten, um die Humanressourcen weiblicher Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie optimal zur Geltung zu bringen.

Folgender Aufbau liegt dieser Arbeit zugrunde:

1. Statistische Grunddaten in puncto Frauen und Bildung sollen herausgearbeitet sowie Entwicklungen in der österreichischen und deutschen Politik näher betrachtet werden. Die Begriffe und Zusammenhänge von Laufbahnmodellen weiblicher Führungskräfte, Karriere und Familie sollen mittels Literatur und eigener Sichtweise definiert werden. Auch soll kritisch eruiert werden, was aktuelle Probleme laut Forschungsstand sind. Abschließend werden wissenschaftlich begründete sowie persönlich vermutete Voraussetzungen beschrieben, die die Laufbahn weiblicher Führungskräfte unterstützen könnten. All dies dient der theoretischen Sensibilisierung im Rahmen der Grounded Theory und soll gedankenanregende Informationen liefern.
2. Nach einem gehörigen zeitlichen Abstand, um die empirische Annäherung nicht zu beeinflussen, werden nachfolgend 15 leitfadengestützte Interviews mit Arbeitnehmerinnen, die zugleich Führungskraft, HR-Manager und Mutter sind und somit die Thematik aus drei verschiedenen Perspektiven illustrieren können, ausgewertet und diskutiert. Mittels des mehrstufigen Verfahrens der Grounded Theory Methodologie erfolgt die Abduktion von Bausteinen für Laufbahnmodelle für weibliche Führungskräfte. Dieser Zugang kann in der Arbeitssoziologie angesiedelt werden und soll nicht zuletzt professionellem HR-Management in Form von Handlungsempfehlungen dienlich sein.

Die Verfasserin der Arbeit beschreibt abschließend verbal die gefundenen Bausteine in Form eines theoretischen, idealtypischen Modells. Laufbahnen verlaufen in der Praxis vielfältig und verzweigt wie Bäume. Die gefundenen Bausteine von Laufbahnmodellen sollen Unternehmen wie weibliche Führungskräfte bei der Gestaltung eines jeweils individuellen, personalisierten Laufbahnmodells bestmöglich unterstützen.

Der nun nachfolgende theoretische Teil dieser Arbeit hat das Ziel, Bewusstsein für die spätere Forschung zu schaffen.

THEORIE

Ausgewählte theoretische Grundlagen werden in der Master Thesis vorgestellt und als Basis für den empirischen Teil näher erörtert, dazu gehören beispielsweise:

- Statistische Daten (Erwerbstätigkeit, Teilzeit, Geschlechterverteilung in Führungsebenen, Bildungsstand)
- Begriffsdefinitionen und das Verständnis der Autorin
- Laufbahn- / Karrieremodelle (Linien-, Fach-, Projektmanagement)
- Wissenschaftlich untermauerte Voraussetzungen, die zur Unterstützung weiblicher Führungskräfte genutzt werden können, z.B. Arbeitszeitflexibilisierung, Kinderbetreuung, lebensphasenorientierte Personalentwicklung etc.

Diese Themen dienen als theoretischer Hintergrund und werden in der abschließenden Diskussion in Zusammenhang mit den Forschungsergebnissen gebracht.

Zu Beginn sollen einige Zahlen aus der Statistik für die Thematik sensibilisieren.

2 Statistische Grunddaten

Laut Statistik Austria (2017), auf deren Daten folgender Absatz basiert, gibt es in Österreich rund 4,2 Millionen Erwerbstätige. Die Geschlechterverteilung ist hier beinahe homogen: 2,2 Millionen Männer und 1,9 Millionen Frauen gelten mit Stand 2016 als erwerbstätig. Die Erwerbstätigenquote bei Frauen ohne Kinder beträgt 42,3%, davon arbeiten 32,7% in Teilzeit. Bei Frauen mit Kindern unter 25 Jahren, die im elterlichen Haushalt wohnen und entweder Lehrlinge oder nicht erwerbstätig sind, ist die Teilzeitquote wesentlich höher, nämlich 70,1%. Wobei es hier zu differenzieren gilt, denn alleinerziehende Frauen arbeiten nur zu 54,7% in Teilzeit.

Im Hinblick auf weibliche Führungskräfte zeigt der Frauen.Management.Report 2017 der AK Wien (Spitzer / Wieser 2017) folgendes Bild: 46,8% der Erwerbstätigen sind Frauen, davon sind jedoch nur 15,8% im mittleren Management, haben also laut dem Report Prokura, sprich: kaufmännische Vollmacht beim Ausführen von Geschäften und Rechtshandlungen, wie z.B. das Abschließen von Dienstverhältnissen. 7,2% der Frauen sind im Vorstand vertreten, bei den CEOs sind es nur mehr 3,6%. Die Autoren führen weiter aus, dass, obwohl Frauen fast die Hälfte der Erwerbstätigen in Österreich ausmachen, im mittleren Management nur noch jede sechste Frau vertreten ist. Jede Stufe über den Karriereverlauf aufwärts in der Unternehmenshierarchie ist also von einem abnehmenden Anteil von Frauen geprägt. Dies wird als das Phänomen der sogenannten „Leaky Pipeline“, also „undichten Leitung“, bezeichnet.

Folgende Informationen wurden 2017 von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, veröffentlicht: „Knapp 7,3 Millionen Personen haben eine Führungsposition in Unternehmen mit mindestens 10 Beschäftigten in der Europäischen Union (EU) inne: 4,7 Millionen Männer (65% aller Führungskräfte) und 2,6 Millionen Frauen (35%). Mit anderen Worten sind Frauen, obwohl sie ungefähr die Hälfte aller beschäftigten Personen in der EU ausmachen, in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Hinzu kommt, dass jene Frauen in Führungspositionen in der EU im Schnitt 23,4% weniger verdienen als Männer, was bedeutet, dass weibliche Führungskräfte durchschnittlich 77 Cent für jeden Euro verdienen, den männliche Führungskräfte pro Stunde bekommen.“

Laut Eurostat (2017) ist das Land mit dem höchsten Anteil an Frauen in Führungspositionen Lettland, Frauen vertreten hier mit 53% sogar die Mehrheit. Österreich und Deutschland sind mit knapp über 20% im hinteren Drittel vertreten. Von diesen wenigen Frauen in Führungspositionen haben übrigens nur 30% Kinder (Allmendinger, 2012).

Die OECD hat die Faktoren Bildungsstand, Kinder und Erwerbstätigkeit in Zusammenhang gebracht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beschäftigungsrate (%) für Frauen (15-64 Jahre alt) mit Kindern (0-14 Jahre alt) nach Bildungsstand. 2014 oder letztes verfügbares Jahr (2016, 4)

Abbildung 1 zeigt deutlich, dass bei Frauen mit Kindern der Bildungsstand ausschlaggebend für den Grad der Erwerbstätigkeit ist, und lässt die Aussage zu, dass, je höher der Bildungsstand, umso höher auch die Erwerbsquote bei Müttern ist. Je niedriger also die Qualifikation, umso eher sind Frauen geneigt, zuhause zu bleiben.

Laut dem Genderindex des Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (2016, 9) haben Frauen in den letzten Jahrzehnten in puncto Bildungsstand deutlich aufgeholt. Tatsächlich verfügten 1971 noch etwa 70% der Frauen zwischen 25 und 64 lediglich über einen Pflichtschulabschluss; 2014 waren es nur noch rund 23%. Im Wintersemester 2015/16 studierten 280.445 Personen an den öffentlichen Universitäten, davon 148.434 Frauen und 132.011 Männer, also 53% der ordentlich Studierenden waren Frauen. Gemäß Statistik Austria (2017) lag 2014/15 zudem der Anteil der Frauen mit Tertiärabschluss (Universität, FH, Akademie, Kolleg) mit 18,3% über jenem der Männer mit 15,6%.

Da die Verfasserin im Gesundheitswesen arbeitet, wird an dieser Stelle auch ein Blick auf dieses geworfen: In den letzten Jahren war gemäß Genderindex (2016,11) österreichweit ein deutlicher Anstieg bei den berufsausübenden Ärztinnen und Ärzten zu verzeichnen. Im Verhältnis ist die Zahl der Männer (1999: 19.246; 2014: 23.208) zwar immer noch deutlich höher, aber die der Ärztinnen ist stärker angestiegen (1999: 10.869; 2.1.2014: 19.918). Beim nichtärztlichen Personal in Krankenanstalten übersteigt die Zahl der weiblichen die der männlichen Angestellten wenig überraschend um fast das Fünffache. Im Jahr 2014 waren 73.362 Frauen und 15.505 Männer in diesem Bereich tätig.

Kinderbetreuung ist ebenso vorwiegend Frauensache. Im Juni 2016 bezogen laut Genderindex (2016, 10) insgesamt 120.298 Frauen und 6.218 Männer Kinderbetreuungsgeld. Und die Industriellenvereinigung schreibt in ihrem „Leitfaden für mehr Frauen in Führungspositionen“ (2012, 28): Nach der Geburt unterbrechen im Schnitt 87,3 Prozent der Frauen, aber nur 6,4 Prozent der Männer ihre Erwerbstätigkeit. Ein möglicher Grund könnte sein, dass beispielsweise im Jahr 2010 in Österreich mindestens 44.000 Kinderbetreuungsplätze für unter 15-jährige Kinder fehlten. Weitere 102.400 bestehende Plätze sind schlichtweg nicht adäquat oder zu wenig unterstützend, z.B. in puncto Öffnungszeiten, Ferienbetreuung, Qualität und Preis. Gäbe es mehr Betreuungsangebote, so der Schluss dieses Berichts (ibd.), würden 22,4 Prozent der Nicht-Erwerbstätigen und 13,4 Prozent der Teilzeiterwerbstätigen mehr arbeiten.

Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass dies nicht der einzige Grund einer eingeschränkten Erwerbstätigkeit von Frauen ist. Auch viele weitere Gründe sollen im Laufe dieser Arbeit näher erörtert werden.

Vorab braucht es aber für die weitere Abhandlung einige Begriffsdefinitionen, die anschließend vorgestellt und abgegrenzt werden.

3 Definitionen

In diesem Kapitel sollen jene Begriffe, die diese Arbeit prägen, aus dem Verständnis der Autorin und unter Beiziehung von Literatur definiert werden. Der jeweils fett gedruckte Begriff zeigt die eigene Definition der Verfasserin an.

3.1 Führungskraft

Becker (2015, 8) definiert Führung als zielgerichtete Beeinflussung des Erlebens und des Verhaltens von Einzelpersonen und von Gruppen innerhalb von Organisationen. Darauf aufbauend versteht die Verfasserin unter einer Führungskraft Personen innerhalb von sozialen Systemen vom Typ Organisationen, die auf Über- und Unterordnung aufgebaut sind, die versuchen, Menschen bewusst zu beeinflussen, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen und Ziele zu erreichen. Der bewusste Blick dieser Arbeit gilt weiblichen Führungskräften, aber auch schlichtweg weiblichen Schlüssel- bzw. Spitzenarbeitskräften, die sich theoretisch auch in einer anderen der klassischen drei Laufbahnen befinden können (Führung, Experte, Projekt).

3.2 Management

Management wiederum ist der Versuch, soziale Systeme bewusst zu beeinflussen, um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Warum wird hier dennoch bloß vom Versuch, also von der Anstrengung, etwas zu erreichen, gesprochen? Stahl (2013, 78) bietet hier folgende Erklärung: „Weil jeder, der sich anmaßt zu führen, zugleich auch gewahr sein muss, dass seine Bemühungen, das Verhalten anderer Menschen zu beeinflussen, ins Leere laufen können. Gerade in unserer Zeit, in der die Selbstentfaltungswerte so wichtig geworden sind, muss die bewusste Beeinflussung anderer immer mit ihrem Scheitern rechnen. Führung irritiert, aber wie diese Irritation von den vermeintlich Geführten dann tatsächlich verarbeitet wird, kann niemand vorhersehen.“

3.3 Laufbahn

Als Laufbahn, so Lang und Rattay (2004, 15), ist die von der Organisation geplante Personalentwicklung zu verstehen, die auf Basis von zielgruppenspezifischen Laufbahnkonzepten (z.B. für Führungskräfte) und einer professionellen Potenzialanalyse die Entwicklung von Mitarbeitern und Nachwuchskräften vorsieht. Die Autoren führen weiter aus, dass je nach Mitarbeitervoraussetzungen und den Organisationserfordernissen Mitarbeiter eine bestimmte Laufbahn absolvieren und die dafür angebotenen Entwicklungsmöglichkeiten sowie Positionen in Anspruch nehmen. Die Systematik bzw. Genauigkeit der Struktur scheint jedoch von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich zu sein.

Hentze und Kammel (2001, 351) bezeichnen als Laufbahn die beliebige horizontale und vertikale Stellenfolge eines Mitarbeiters im betrieblichen Stellengefüge. Nach Ansicht der Verfasserin ist diese Definition noch zu starr, sie versteht darunter vielmehr folgendes: Die Laufbahn stellt den Weg eines Arbeitnehmers durch sein Arbeitsleben dar und kann gekennzeichnet durch Schritte, Stufen oder Ziele sein (z.B. Hierarchiestatus, Gehalt…). In der Literatur werden allgemein drei Laufbahnmodelle unterschieden: Führungslaufbahn, Expertenlaufbahn, Projektlaufbahn. Diese werden im nachfolgenden Kapitel näher erörtert. Karriere- und Laufbahnplanung gemäß dem Gabler Wirtschaftslexikon (2018) ist „ein Teil der langfristigen Personalplanung im Bereich des Führungsnachwuchses mit dem Ziel, den zukünftigen Bedarf an Führungskräften durch rechtzeitige personalpolitische Entscheidungen sicherzustellen“.

3.4 Karriere

Der Begriff Karriere bezeichnet wiederum jene individuellen Entwicklungsschritte, die ein Mitarbeiter im Laufe seines Berufslebens erreicht, wobei auch ein Laufbahnwechsel durchaus möglich oder gar erwünscht sein kann. Mit dieser Formulierung arbeiten Lang und Rattay einen klaren Unterschied heraus (ibd.) Denn ein Mitarbeiter, der z.B. als Sacharbeiter seine Berufstätigkeit beginnt, kann in weiterer Folge die Entwicklung zum Projektmanager absolvieren und anschließend eine Führungsfunktion im Linienmanagement übernehmen. So gesehen entsprechen die übernommenen Funktionen den individuellen Karrierestationen. Die Autoren (ibd.) grenzen also folgendermaßen ab und zeigen, dass Laufbahn der organisatorische Entwicklungsrahmen ist, der seitens des Personalmanagements zur Verfügung gestellt wird, Karriere jedoch der individuelle Entwicklungsweg eines Mitarbeiters ist, den er in seinem Arbeitsleben beschreitet und absolviert.

Die Begriffe Karriere und Laufbahn werden in der betrieblichen Praxis zumeist synonym verwendet, aus diesem Grund ist dies auch in dieser Arbeit der Fall. Allerdings zieht die Verfasserin den Begriff Laufbahn an sich vor, da Karriere alltagssprachlich immer noch vor allem vertikal verstanden wird. Dass dies nicht (mehr) der Fall ist, zeigen nachfolgende Kapitel (vgl. dazu 4.1 und 4.2).

3.5 Familie

Da in dieser Arbeit der besondere Blick weiblichen Führungskräften mit Familie gilt, hat sich die Verfasserin diverse Definitionen von Familie angesehen. Danach umfasst die Familie in der Statistik alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, das heißt Ehepaare, nichteheliche (gemischtgeschlechtliche) und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie Alleinerziehende mit Kindern im Haushalt (e.g. Statistisches Bundesamt 2018). Dazu gehören neben leiblichen Kindern auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder ohne Altersbegrenzung. Somit besteht eine Familie immer aus zwei Generationen: Eltern/-teile sowie im Haushalt lebende ledige Kinder.

Der Duden (2018) sieht Familie zum einen als „aus einem Elternpaar oder einem Elternteil und mindestens einem Kind bestehende (Lebens-)gemeinschaft“, zum anderen als „Gruppe aller miteinander (bluts)verwandten Personen“. Juristisch gesehen werden unter Familie „die Stammältern mit allen ihren Nachkommen verstanden. Die Verbindung zwischen diesen Personen wird Verwandtschaft; die Verbindung aber, welche zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des andern Ehegatten entsteht, Schwägerschaft genannt (ABGB 2011).“ All diese Definitionen scheinen der Verfasserin dieser Arbeit zwar nachvollziehbar, die eigene und für die vorliegende Arbeit passende Definition von Familie lautet jedoch folgendermaßen: Als Familie wird im Zusammenhang mit dieser Master Thesis ein Verbund zumindest einer oder mehrerer Personen(en) mit einem oder mehreren Kind(ern) verstanden, für das/die Verantwortung zu tragen ist. Hinzufügen könnte man noch, dass das tägliche Leben zu einem Teil gemeinsam verbracht wird.

Im nächsten Kapitel werden nun klassische und neue Modelle von Laufbahnen vorgestellt und kritisch diskutiert.

4 Laufbahn- oder Karrieremodelle

Die nachfolgend vorgestellten Laufbahnmodelle sind einem stetigen Wandel unterzogen, was nicht zuletzt einem sich verändernden Verständnis von Karriere geschuldet ist. Zuallererst wendet sich die Autorin den klassischen Karrieremodellen zu.

4.1 Alternative Karrieremodelle

Trotz des irreführenden Namens ist bei alternativen Karrieremodellen von den typischen, klassischen und allgemein bekannten Laufbahnen die Rede. Der Begriff „alternativ“ wird deshalb verwendet, da die drei nachfolgend vorgestellten Karrierewege gleichwertig nebeneinanderstehen. Friedli hat die wichtigsten Charakteristika der alternativen Karrieremodelle grafisch dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Alternative Karrieremodelle (2003, 29)

Pola (2010, 17) zufolge werden alternative Laufbahnmodelle von Organisationen entwickelt, um Mitarbeitern Entwicklungsperspektiven zu geben und damit ihre Motivation und Zufriedenheit zu fördern. Ebenso sollen sie dazu dienen, die Attraktivität des Arbeitgebers zu erhalten und zu steigern sowie den Know-how-Verlust zu vermindern, indem sie dazu beitragen, dass die Mitarbeiter länger im Unternehmen verweilen und somit Abgänge von Schlüsselpersonen begrenzt werden. Auch müssen sie transparent, eindeutig und sichtbar gestaltet sein. Und Wolf (2016, 2) beschreibt in seinem Artikel, dass es unbedingt eine Gleichwertigkeit zwischen den Karrieren brauche. Die Voraussetzungen dafür seien:

- Parallelität zwischen den Laufbahnen
- Definition sowie transparente Kommunikation der Erwartungen an die Arbeit auf den jeweiligen Karrierewegen
- Vertragliche Regelung der Gleichwertigkeit (z.B. Gehalt, Titel…)
- Auf- und Umstiegsmöglichkeiten ohne Verlust an Ansehen oder materieller Ausstattung

Nachfolgend soll näher auf die drei klassischen Laufbahnmodelle eingegangen werden.

4.1.1 Führungslaufbahn

Versetzungen innerhalb der Linienorganisation sind (Berthel / Becker, 2010, 457f.) zufolge die traditionelle Karriereform, ihre Abfolge wird auch Führungslaufbahn genannt.

Die klassische Managementkarriere verläuft auch laut Blessin (2017, 149) nach oben. Die Definition einer Führungskarriere könnte folgendermaßen erfolgen (Friedli 2004, 2): Versetzung innerhalb einer Linienorganisation bzw. Hierarchie, in der Regel mit der Richtung „nach oben“. Die Hierarchie dient sozusagen als Strukturprinzip, das für eine Gesamtheit von Elementen systematische Beziehungen der Unter- und Überordnung schafft. Gemäß Breisig und Kubicek (1987, 1064) erzeugt Hierarchie in sozialen Systemen über die bloße Funktionsteilung hinaus eine Differenzierung nach Rang, Status, Autorität, Befehlsgewalt, Entscheidungsbefugnissen etc. Mit jeder Stufe der Führungslaubahn seien höhere materielle und immaterielle Anreize sowie mehr Verantwortung, ggf. auch Budgets, Zugang zu Informationen und damit mehr Macht verbunden, so Blessin (2017, 149). Karriere sei in diesem Sinne der Wandel vom Spezialisten mit Fach- und Methodenkompetenz zum Generalisten mit Führungs- und Personalverantwortung sowie entsprechende Vollmachten. Dies ist nach Ansicht der Autorin in unserem Kulturkreis zwar zumeist der Fall, in den USA ist Fachkompetenz im Allgemeinen nicht der Zugang zur Managementfunktion (vgl. dazu auch den Exkurs in 4.1.2).

Folgende Merkmale sieht die Verfasserin als zentral für eine Führungskraft:

- Zielorientierung: Ausrichtung auf selbst- oder von außen gestellte Aufgaben.
- Risikobereitschaft: Entscheidungen zu treffen, obwohl deren Ausgang höchst unsicher ist.
- Intrapersonale Kompetenz: Führungskräfte brauchen diese Fähigkeit, um mit sich selbst, den eigenen Gefühlen, aber auch Stress konstruktiv umzugehen und sich erfolgreich selbst zu führen (Stahl / Lechner 2018, 76).
- Hohe Frustrationstoleranz: die Fähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen, ohne eine Aufgabe rasch abzubrechen, aus der Fassung zu geraten, oder entmutigt zu reagieren.
- Vorbildwirkung: Die Fähigkeit, das Verhalten einer anderen Person durch Imitation über die Spiegelneuronen in deren Gehirn zu beeinflussen.

In jedem Fall steht die Führungslaufbahn vielfach im Zusammenhang mit Personalentwicklungsmaßnahmen und soll den Beschäftigten den Aufstieg in eine hierarchisch übergeordnete Organisationsstufe ermöglichen. Versetzungen hierarchieabwärts sind in der Praxis eher Ausnahmen, nicht selten verlässt der „Abstiegs-Bedrohte“, so Berthel und Becker (ibd.), den Betrieb. Karriereangebote in Führungslaufbahnen würden zudem tendenziell mit Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, auch mit dem betrieblichen Wandel und Schaffung flacherer Hierarchien geringer.

Da dieser Arbeit im Besonderen der Blick auf die Führungskarriere weiblicher Mitarbeiter gilt, soll der Karriereverlauf der Führungskraft auch in den weiteren Kapiteln als thematischer Hintergrund dienen.

Berthel und Becker (ibd.) erwähnen in diesem Zusammenhang auch das sogenannte „Dual Career Couple“, auch genannt „professional couple“ oder „two paycheck marriage“. Darauf soll an anderen Stellen dieser Arbeit noch näher eingegangen, hier allerdings kurz der Begriff vorgestellt werden. Darunter wird insbesondere im angelsächsischen Sprachraum ein Paar verstanden, bei dem beide Partner – mit oder ohne Kinder – karriereorientiert berufstätig sind und zugleich Wert auf Partnerschaft bzw. Familie legen. Diese Definition möchte die Verfasserin ganz bewusst kritisch reflektieren, denn die bewusste Betonung, dass in einer Familie sowohl der eine als auch der andere Partner karriereorientiert ist, also in diesem Zusammenhang beruflich aufsteigt, ist schlichtweg veraltet und braucht keine gesonderte Bezeichnung mehr. Es ist vielmehr ein Familienmodell, das keinen Seltenheitswert mehr hat und beispielsweise in anderen Kulturräumen wie Skandinavien ohnehin das gängige Gesellschaftsmodell ist, wie an anderer Stelle dieser Arbeit beschrieben wird (vid. 5.8). Karriereorientiert kann zudem auch bedeuten, dass eine andere Laufbahn als die der Führung gewählt wird, diese weiteren Laufbahnen werden nachfolgend beschrieben.

4.1.2 Fachlaufbahn

Die Fachkarriere baut ähnlich der Führungskarriere auf dem Aufstiegsgedanken auf, allerdings ist für sie ein hoher Teil an reinen Fachaufgaben und ein möglichst geringer Umfang an administrativen und Personalführungsaufgaben typisch (Friedli 2004, 2). Adressaten dieser Laufbahn sind Mitarbeiter, bei denen die Motivation der Arbeit sich insbesondere auf die Sachaufgabe bezieht. Die Förderung von Fachkarrieren dient vor allem der Erhaltung hochqualifizierter Spezialisten (Experten).

Mögliche Anforderungen an Experten sind beispielsweise:

- Rares Fachwissen: ein spezielles Wissen, das als knappe Ressource einen besonderen Wert genießt.
- Hohes Anspruchsniveau an das eigene Wissen: die persönliche Messlatte für die Bewertung des eigenen Wissens wird sehr hochgelegt.
- Offenheit für Neues: ist eine der fünf Hauptdimensionen der Big Five (Fünf-Faktoren-Modell) und stellt die Aufgeschlossenheit, neue Erfahrungen zu machen, im Gegensatz zum Konservativismus dar (e.g. Stahl 2014, 147)
- Analytisches Denken: die Fähigkeit, aus dem Zerlegen von Ganzheiten Rückschlüsse auf deren Wesen, Funktion etc. zu ziehen; Gegensatz zum synthetischen Denken.
- Kooperationsbereitschaft: die Bereitschaft, eigene kurzfristige Ziele einem gemeinschaftlichen längerfristigen Ziel unterzuordnen.

Primäre Motivationsmöglichkeit der Fachkarriere ist, dieser Mitarbeitergruppe ein über die Fachaufgabe definiertes alternatives Aufstiegssystem anzubieten. Thom und Ritz (2008, 369) sehen die Fachlaufbahn „heute als vollwertige Karrieremöglichkeit mit vergleichbaren Motivationswirkungen wie die Führungslaufbahn.“ Regnet (2012, 82) zufolge kann – hierarchisch betrachtet – bei Fachkarrieren zum Beispiel in folgenden Stufen gedacht werden: Spezialist, Berater, Experte, Führender Experte. Es empfiehlt sich, bei Fachkarrieren insbesondere auf die Förderung des Erwerbs von Spezialwissen zu achten. Die Besonderheit in diesem Karriereverlauf ist jedoch, dass theoretisch zwischen den Stufen einer Führungs- und Fachkarriere gewechselt werden kann, was in der Praxis oftmals auch passiert. Dazu die folgenden Überlegungen.

Klar ist, auch die Führungskraft stellt eine besondere Art des Experten dar. Dennoch gilt es, den Unterschied in den ausgeprägten Eigenschaften zu finden. Beim Experten kann dies z.B. rares Wissen oder Detailorientierung sein, bei der Führungskraft beispielsweise Fingerspitzengefühl oder Vorbildwirkung. Dabei gilt es zu differenzieren: Der beste Experte ist (meistens) nicht die beste Führungskraft. Noch immer wird im deutschsprachigen (ganz im Gegensatz zum angelsächsischen) Kulturraum die Annahme gepflegt, dass fachliche Kompetenz die wichtigste Voraussetzung für den Aufstieg in eine Führungsposition ist, so Stahl (2013, 81). Doch eigentlich sei es unerlässlich, Führung endlich als Profession, aus dem Lateinischen „Bekenntnis“, zu betreiben.

Wolf (2016, 3) schreibt dazu plakativ, dass eine Expertenlaufbahn „schlechte Chefs“ verhindere, betont aber, dass diese ebenso von Unternehmen genutzt werde, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen. Objektiv gesehen, sollte der Hauptgrund aber sein, dass es schlichtweg der Sache (also dem Unternehmenszweck) an sich dienlich sein sollte, verstärkt Experten mit großem Spezialwissen zu beschäftigen. Doch auch Blessin (2017, 151) zufolge erkennen jedenfalls immer mehr Unternehmen, dass sie Alternativen brauchen, um wettbewerbsentscheidende Mitarbeiter und Potenziale zu gewinnen und zu halten. Die Fachlaufbahn ist eine Alternative, um für Schlüsselpersonen ein Signal der Wertschätzung und Anerkennung zu setzen mit dem Ziel, Wissensträger zu motivieren und sie weiterhin an das Unternehmen zu binden. Dabei sollte sie nicht als Karriere zweiter Wahl, sondern vielmehr als eine attraktive Alternative für hochgeschätzte und erfahrende Know-how-Träger gesehen werden.

Tendenziell könnte bei einer Fachlaufbahn jedoch auch eine einseitige und sehr betriebsspezifische Spezialisierung erfolgen, die einen Unternehmenswechsel für den jeweiligen Mitarbeiter erschweren könnte (Berthel / Becker, 2010, 459). Auch der Konkurrenzkampf innerhalb von Fachlaufbahnen sei nicht selten größer, da hier Beförderungen aufgrund individueller Leistungen erfolgen, hingegen bei einer Führungskraft auch die Leistung des geführten Teams berücksichtigt werden sollte. Ergänzend möchte die Verfasserin anmerken, dass es sich hier letztlich auch um eine individuelle Führungsleistung handelt, die beurteilt werden kann.

Auch bei Becker (2009, 522ff) finden sich Nachteile bei der Fachlaufbahn an sich, denn bei selbstständig arbeitenden Spezialisten könnte sich sowohl die Personalführung als auch die Messung und Beurteilung von Leistung schwierig gestalten. Becker (ibd.) würde eine Fachlaufbahn nur dann empfehlen, wenn sich die interne Organisation flexibel und mit der Fähigkeit zur Selbstorganisation entwickle. Die Verfasserin dieser Arbeit folgt jedoch der Meinung von Becker nicht, denn die Messung ist durch diverse Instrumente möglich. Als Beispiel seien die Balanced Scorecard oder das 360-Grad-Feedback genannt.

4.1.3 Projektlaufbahn

Das Arbeiten in Projekten ist gemäß Pola (2010, 14) für viele Mitarbeiter, ebenso wie das Eingebundensein in eine Projektorganisation, zu einem festen Bestandteil des Arbeitslebens geworden. In diesem Laufbahnmodell wird die Entwicklung aufgegriffen, dass in vielen Unternehmen zunehmend in Projekten gearbeitet wird (Regnet 2012, 80). Lang und Rattay (2004, 15) zufolge umfasst Projektmanagement alle Managementaufgaben bezüglich des Systems Einzelprojekt und ist sogar vergleichbar mit dem Unternehmensmanagement, denn dazu gehören die Planung eines Projekts, die Organisation und Kommunikation sowie die Teamführung und das Controlling. Projekte stellen komplexe, neuartige und zumeist umfangreiche Aufgabenstellungen dar, deren häufig interdisziplinäre Bewältigung zeitlich befristet ist (Friedli 2004, 2).

Unternehmen tendieren nach Lang und Rattay (2004, 30) mehr und mehr dazu, Projektmanagement-Laufbahnmodelle als Entwicklungspfade für die in Projekten tätigen Mitarbeiter und Führungskräfte einzuführen. Ursachen dafür seien flachere Hierarchien, verstärkte abteilungsübergreifende, interdisziplinäre Teamarbeit und flexible Ad-hoc-Organisationen, die Managementebenen reduzieren, so die Autoren. Durch eine geringere Anzahl an Hierarchiestufen und eine Vielzahl an gleichzeitigen Projekten seien somit die üblichen Karriereschritte, das Erklimmen der Hierarchiestufen in der Linienorganisation, einer sehr kleinen Personenanzahl vorbehalten. In projektorientierten Unternehmen würden daher zusätzlich zu den üblichen Laufbahnmodellen auch eine sogenannte Projektmanagement-Laufbahn angeboten. Wichtigste Grundlage seien hierbei klar definierte Entwicklungsschritte mit dazugehörigen Anforderungen sowie Qualifikations- und Erfahrungsnachweisen für ein projektbezogenes Entwicklungsmodell mit mittel- und langfristigen Perspektiven.

Ausgeprägte Kompetenzen für maßgebliche Aufgaben in Projektlaufbahnen sollten sein:

- Synthetisches Denken: die Fähigkeit der gedanklichen Zusammenführung; Gegensatz zum analytischen Denken.
- Methodenkompetenz: die Beherrschung von Verfahrensweisen zur Lösung komplizierter Sachverhalte.
- Teamorientierung: die Neigung, gemeinsam arbeiten zu wollen, um das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu befriedigen.
- Fähigkeit, mit Argumenten zu überzeugen: statt mit Drohungen oder Sanktionen als Form der Machtausübung.
- Gewissenhaftigkeit: ebenso eine Dimension aus den Big Five, zu sehen als Genauigkeit beim Arbeiten und Fähigkeit zur Selbstkontrolle im Gegensatz zur Nachlässigkeit (e.g. Stahl 2014, 147)

Regnet (2012, 80) zufolge empfiehlt es sich personalpolitisch, die Mitarbeiter nicht nach Verfügbarkeit in Projekte einzuteilen, sondern vielmehr je nach Kompetenz und Qualifikation. Projektleiter, die über Führungskompetenz verfügen müssen, werden nach und nach in immer größeren Projekten eingesetzt und so weiterentwickelt. Viele Personalmanagementinstrumente lassen sich insbesondere mit dieser Laufbahn verbinden: Auszeiten, Arbeitszeiterhöhungen oder -verkürzungen gleichermaßen wie z.B. von der Projektmitarbeit zur Projektleitung zu wechseln und umgekehrt. Auch hier sei es relativ einfach möglich, auf eine Führungskarriere umzusteigen, vor allem, wenn ein Projekt zu leiten als Personalentwicklung oder Potenzialförderung begriffen wird. Das ergänzt Friedli (2004, 2) und sieht darin eine horizontal orientierte dritte, praxisrelevante Karrierestruktur. Dabei handle es sich nicht nur um den üblichen Einsatz der Mitarbeiter in der Projektarbeit, sondern um eine systematische Einbindung der Projektarbeit in das Personalentwicklungskonzept. Denn die oft in Ergänzung zur hierarchischen Organisationsstruktur von Unternehmen verwendete Projektorganisation bietet aufgrund ihrer zeitlichen Befristung die Möglichkeit der Potenzialerkennung und je nach Stellung des Mitarbeiters in der Projektorganisation sowie je nach Gewicht des Projektes innerhalb der Unternehmensaufgaben ergeben sich durch den Einsatz im Projekt alternative Karrierepfade.

Dass dies nicht in allen Fällen so gesehen werden kann, liegt auf der Hand, da diese Aussagen beinahe indizieren, dass Projekte vor allem zum „Austesten“ oder „Probieren“ dienen, und dem kann aufgrund der Größe und des nicht selten sehr hohen finanziellen Einsatzes nicht zugestimmt werden. Nichtsdestotrotz bietet Projektarbeit zahlreiche Flexibilisierungs- und insbesondere Veränderungsmöglichkeiten. Zugespitzt formuliert, besteht der wesentliche Unterschied zwischen den drei Laufbahntypen darin, dass eine Führungskraft immer auf bestimmte Machtressourcen zurückgreifen kann, dass ein Experte dazu fähig sein muss, knappes Spezialwissen zum Wohl der ganzen Organisation zu nutzen, und dass ein Projektverantwortlicher verschachtelte Aufgaben ohne besondere Machtressourcen zeitgenau zu erfüllen hat.

Im nächsten Kapitel soll die Veränderung dieser traditionellen Laufbahnen erörtert und begründet werden.

4.2 Verändertes Karriereverständnis

Derzeit findet ein Wandel innerhalb klassischer Karriereverläufe statt, wie z.B. Managementkarriere, Aufstieg in Unternehmenshierarchien etc. (JESCHKE et. al. 2015, 106). POLA (2010, 11) zufolge erfüllen Hierarchien insbesondere zwei Funktionen. Zum einen geben sie Führungs- und Entscheidungsstrukturen wieder, zum anderen markieren sie den Orientierungsrahmen für das berufliche Fortkommen von Arbeitnehmern. Dennoch sind traditionelle Laufbahnen nicht mehr der einzige Weg durch das Arbeitsleben, dies soll auch dieses Kapitel näher erläutern. Insbesondere durch Enthierarchisierung steht nicht mehr nur der vertikale Aufstieg im Vordergrund, vielmehr entwickeln sich die Karrierepfade in Unternehmen in alle Richtungen (KLING 2000, 87). Ein verändertes Karriereverständnis betrifft gemäß REGNET (2012, 64f.) zum Beispiel vorherrschende Meinungen wie „ununterbrochene Berufstätigkeit“, „es darf nur aufwärts gehen“, „Weiterbildung ist vor allem in jungen Jahren wichtig“, „vorzeitiger Berufsausstieg oder Altersteilzeit als Ziel“…

Diese Aussagen führen aber auch zu einemfalschen sowie nicht den tatsächlichen Bedarfen und Bedürfnissen angepassten Personalmanagement inkl. Personalentwicklung. Nicht selten werden die demographische Entwicklung, veränderte Altersstrukturen, der Fachkräftemangel, der Wettbewerb um Talente oder gar Lebensziele der Mitarbeiter nicht berücksichtigt. Die Zunahme und Flexibilisierung von Karrieremodellen führt zu Führungs-, Fach-, Projektkarrieren, aber auch zu sogenannten Übergangskarrieren. Aus diesem Grund wird einer systematischeren Karriereplanung immer mehr Aufmerksamkeit zuteil. Dabei werden beispielsweise folgende Fragen berücksichtigt:

- Wo liegen die Stärken oder gar Interessen der Mitarbeiter, welche Diversität an Tätigkeiten ist vorhanden usw.
- Wie könnten diese nicht nur entwickelt oder genutzt werden, sondern vielmehr:
- Wie können diese optimal eingesetzt und auf keinen Fall verloren werden?

Nicht zuletzt gewinnen Werte wie Familie und Freizeit größere Bedeutung, was auf der anderen Seite den Zuwachs an Prestige, Ruhm, Macht, aber auch Unternehmensloyalität relativieren könnte (POLA 2010, 11). REGNET (2012, 65f.) formuliert: Frauen wollen Beruf und Familie, Männer eine gelingende Work-Life-Balance, und der „War for talents“ und Fachkräftemangel machen eine flexible Karriereplanung seitens Arbeitnehmer und -geber erforderlich. Dies hat auch dazu geführt, dass sich insbesondere neben der klassischen Führungslaufbahn auch weitere Laufbahnformen entwickelt haben, die nachfolgend vorgestellt werden.

4.3 Neue Laufbahnmodelle

Bis dato wurde unter dem Begriff Laufbahnmodell ein theoretisches Modell verstanden, bei dem für eine Laufbahn relevante Themen wissenschaftlich beschrieben wurden (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 21). Doch SULLIVAN und BARUCH (2009) sind davon überzeugt, dass sich durch externe Faktoren wie z.B. die technologische Entwicklung, Globalisierung, häufige Teilzeit- und Temporäranstellungen nicht nur Organisationsstrukturen, sondern auch berufliche Laufbahnen verändert haben. Daher muss an dieser Stelle die Unterscheidung zwischen „traditionellen“ und „neuen“ Laufbahnmodellen (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 21) stattfinden: Traditionelle Laufbahnmodelle gehen von einer hohen Planbarkeit sowie Stabilität individueller Laufbahnen aus, diese zeichnen sich zudem durch hohe Loyalität seitens der Mitarbeiter und entsprechende Arbeitsplatzsicherheit durch Unternehmen aus. Die Karrieren Einzelner werden typischerweise durch die Organisation und die Vorgesetzten festgelegt und verlaufen tendenziell hierarchisch aufwärts. Neue Laufbahnmodelle hingegen sind charakterisiert durch wesentlich mehr Dynamik, Mobilität und Flexibilität seitens der Arbeitnehmer zwischen verschiedenen Stellen und auch Firmen. Hier lässt sich eine interessante Änderung feststellen: Das Individuum trägt die Verantwortung für die Entwicklung der eigenen Karriere, die statt ausschließlich aufwärts durchaus auch horizontal oder gar „abwärts“ in vermeintlich „tiefere“ hierarchische Funktionen verlaufen kann. Zur näheren Betrachtung werden die einzelnen Merkmale in nachfolgender Tabelle aufgeschlüsselt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Traditionelle und neue Laufbahnmodelle (GUBLER 2011, 51)

Der Arbeitnehmer verantwortet nun also seine Laufbahn vorwiegend selbst, so könnte man die Annahme treffen, dass der Arbeitgeber wiederum nun einmal mehr für die Rahmenbedingungen verantwortlich ist, sodass die Laufbahn insbesondere in seinem Unternehmen stattfinden kann. Der HR-Report 2018, durchgeführt vom Institut für Beschäftigung und Employability, zeigt nämlich eines ganz deutlich: Mitarbeiterbindung ist trotz agilen Organisationen, digitalem Wandel etc. das wichtigste Thema für Arbeitgeber (EILERS et. al. 2018, 3): „Binden lassen sich Mitarbeiter zuallererst durch ein gutes Betriebsklima. Arbeitszeiten weiter zu flexibilisieren, ist das zweitwichtigste Instrument, gefolgt von marktgerechter Entlohnung. Dass auch die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter erstmals unter den Top-drei-Themen ist, offenbart: Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel sowie das hohe Veränderungstempo in Organisationen zeigen Wirkung. Mitarbeiter stehen an erster Stelle.“

Dem kann die Autorin dieser Arbeit nicht zur Gänze zustimmen, denn Mitarbeiter lassen sich durch direkte Einflussnahme weder binden noch motivieren. Dies kann nur intrinsisch erfolgen. Das Unternehmen kann höchstens Anreize hierfür setzen. Nichtsdestotrotz zeigt sich deutlich: Laufbahngestaltung ist ein Prozess, in den das Individuum und die Organisation involviert sind, und wofür es auch passende Rahmenbedingungen für Weiterentwicklung braucht.

4.3.1 Boundaryless Career

An dieser Stelle sei noch die grenzenlose Laufbahn, als „Boundaryless Career“ bezeichnetes Modell von ARTHUR und ROUSSEAU (1996), vorgestellt. Es ist sozusagen das Paradebeispiel „neuer“ Karrieren und versucht, den zunehmend globalisierten Arbeitsmarkt (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 27) abzubilden. Es postuliert dynamische Laufbahnen, in denen vernetzte Arbeitnehmer örtlich und beruflich mobil sind, und zwar jenseits organisatorischer Grenzen. Denn die Art, wie Arbeitnehmer heute ihre Laufbahnen gestalten, hat sich enorm gewandelt. Beispielsweise warten viele nicht mehr einfach auf eine Beförderung, sondern peilen aus eigenem Antrieb ein nächstes Karriereziel an. Oftmals wird gar auf Beförderungen verzichtet, um persönliche und familiäre Bedürfnisse besser miteinander in Einklang bringen zu können. Genau durch diese Entwicklungen können die beruflichen Wege vieler Menschen einen nicht linearen, unregelmäßigen Verlauf nehmen. Mobilität an sich kann sowohl physisch (geographische Wechsel oder Stellen- und Berufswechsel innerhalb und zwischen Organisationen) als auch psychisch (individuelle Vorstellung von Karrieremöglichkeiten, die persönliche Einschätzung der eigenen Grenzen und die Offenheit für Veränderung, Lernen und Netzwerken) sein, wie SULLIVAN und ARTHUR (2006, 20ff.) beschreiben.

Kritisch angemerkt sei jedoch, dass die gesamte Laufbahn eines Individuums nicht grenzenlos ist, sondern vermutlich im Laufe des Berufslebens aus stabilen, „traditionellen“, aber auch turbulenten, „neuen“ Phasen besteht (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 33) sowie sowohl vom Mitarbeiter als auch vom Unternehmen und der darin vorherrschenden Kultur abhängig ist.

4.3.2 Protean Career

Die „Protean Career“ ist in der Literatur neben der „Boundaryless Career“ als das wohl einflussreichste Laufbahnmodell angeführt (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 35). Zentral sind hier das kontinuierliche Lernen des Individuums und die eigene persönliche Entwicklung, diese sind nicht als linear anzusehen, sondern zeichnen sich durch wiederkehrende Lernphasen aus, die nicht unbedingt an bestimmte Lebensphasen gebunden sein müssen. Dies indiziert, dass Entwicklung zu jedem Zeitpunkt des Berufslebens möglich oder gar notwendig ist und dass jeder Einzelne seine Laufbahn selbstverantwortlich „managen“ kann.

Dieses Modell ist gekennzeichnet durch zwei Elemente: erstens Lernzyklen, die die berufliche Entwicklung in heutigen Laufbahnen beschreiben, zweitens Metakompetenzen, die die zentralen Fähigkeiten darstellen, mit denen berufliche Laufbahnen erfolgreich gestaltet werden. Freiheit und Wachstum werden über den beruflichen Aufstieg gestellt (SCHÄRER 2014, 8). Erfolg wird an psychologischen Kriterien wie beispielsweise Zufriedenheit und nicht an Einkommen oder Position gemessen. Dieses Modell kann als die Laufbahn des 21. Jahrhunderts bezeichnet und an dieser Stelle auch mit den unterschiedlichen Arbeitsgenerationen (Baby Boomer, Generation X, Generation Y, Generation Z etc.) in Beziehung gebracht werden, dies auszuführen würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen.

Was braucht es aber, um nach diesem Modell seine Karriere zu gestalten. SCHÄRER (2014, 9) hat in der Literatur diverse Eigenschaften gesammelt: Offenheit für neue Möglichkeiten, einen starken inneren Kompass, um nach den eigenen persönlichen Werten zu agieren; und wesentlich wichtiger als das „Know-how“ sei das „Learn-how“. Weiter genannte Eigenschaften sind Anpassungsfähigkeit und Verständnis für sich selbst. In der Literatur zeigt sich sogar, dass diese Einstellung zum Beruf im Sinne der „Protean Career“ hilfreich in Zeiten von Berufspause oder Arbeitslosigkeit sein kann (WATERS / BRISCOE / HALL 2013, 19ff.) Lebenslanges Lernen bekommt somit eine ganz neue Bedeutung und könnte auch auf die Thematik dieser Arbeit umgedeutet werden: Zeiten von Karenz, privaten Prioritäten etc. ermöglichen den Erwerb von – für das (Arbeits-)Leben nützlichen – Metakompetenzen.

SCHÄRER (2014, 10) sieht sich auch wesentliche Einschränkungen des Modells an: Dass die Eigenschaften in der proteischen Laufbahnorientierung durch und durch amerikanischer Provenienz sind, ist eine große Hürde für die kulturelle Übertragbarkeit. Auch ist das Zusammenspiel zwischen Einzelperson und Organisation regelrecht außen vor. In dieselbe Kerbe schlägt auch folgende Bewertung. Ein großer Kritikpunkt von MENSE-PETERMANN (2014, 5), dem sich auch die Autorin dieser Arbeit anschließen kann, ist, dass in den beiden vorgestellten Modellen der „Boundaryless“ und „Protean Career“ die Rolle der Organisation für Karrieren zu stark heruntergespielt und zu wenig nach dem Verhältnis von organisationalem und individuellem Karrieremanagement gefragt wird. Denn gerade in den westliche Industriegesellschaften herrscht nicht selten noch das typische institutionalisierte Karrieremuster „Kaminkarriere“ vor, und auch wenn die Umstellung auf den einzelnen Erwerbstätigen und seine individuellen Strukturierungs- und Selbst-Management¬leistungen vonstattengeht, kann das Unternehmen als Arbeitgeber sehr wohl Anreize schaffen, um berufliche Entwicklung und den Erwerb von Metakompetenzen im eigenen Unternehmen zu ermöglichen, und so vom Mitarbeiter gesteuerte Laufbahnen nicht nur zulassen, sondern auch fördern. Das heißt ein aktives Unterstützen und Einwirken der Organisation, nicht zuletzt, wie bereits erörtert, im eigenen Interesse der Mitarbeiterbindung.

Trotz dieser sehr offenen und grenzenlos scheinenden neuen Laufbahnmodelle nimmt die Forscherin an, dass jeder Arbeitnehmer im Verlauf seines beruflichen Weges eine mehr oder weniger klar umrissene Vorstellung seiner eigenen Persönlichkeit insbesondere in Bezug auf die Arbeit annimmt. Dies führt zum nächsten Kapitel.1

4.4 Karriereanker

Die Verfasserin möchte in diesem Zusammenhang eine Studie von SCHEIN (1996, 80-88) vorstellen, die ebenfalls individualisiertes Laufbahnmanagement unterstützt. Trotz des bereits beträchtlichen Alters der Forschungsarbeit des Organisationspsychologen Edgar H. SCHEIN zeugen die Ergebnisse zum Teil auch heutzutage von beeindruckender Aktualität.

Seit vielen Jahren erforscht dieser, was Menschen in ihrer Arbeit wichtig ist, was sie zu Leistung motiviert und was zu ihrer beruflichen Zufriedenheit beiträgt (BARMETTLER / GUBLER / ZILTENER 2015, 47).

[...]


1 Entnommen und ergänzt aus: Wenger-Haargassner, C. (2014, 24ff.)

Fin de l'extrait de 109 pages

Résumé des informations

Titre
Bausteine eines Laufbahnmodells für weibliche Führungskräfte. Im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie
Auteur
Année
2019
Pages
109
N° de catalogue
V453528
ISBN (ebook)
9783960955009
ISBN (Livre)
9783960955016
Langue
allemand
Annotations
Beurteilung mit Auszeichnung
Mots clés
Laufbahnmodelle, Führungskraft, Frauen, Kinder, lebensphasensensible Unternehmenskultur, Arbeitszeitflexibilisierung, Arbeitsortflexibilisierung, Kinderbetreuung, HR, Human Ressources, Personalmanagement, Karriereplanung, Gleichberechtigung, Familienpolitik
Citation du texte
Clara Wenger-Stockhammer (Auteur), 2019, Bausteine eines Laufbahnmodells für weibliche Führungskräfte. Im Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/453528

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