Effektivität von Interventionsmaßnahmen in Bezug auf Schlaf bei kindlicher ADHS


Trabajo Escrito, 2017

30 Páginas, Calificación: 1,4

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. THEORETISCHER UND EMPIRISCHER HINTERGRUND

3. METHODE UND ERGEBNISSE

4. DISKUSSION

LITERATURVERZEICHN

Effektivitätvon Interventionsmaßnahmen in Bezug auf Schlaf bei kindlicher ADHS

I Abstract

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der meist vorkommen- den kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen. Trotz ihrer Häufigkeit besteht in der For- schung kein gemeinsamer Konsens über ihre Entstehungsursache. In diesem Kontext beschäf- tigt sich die vorliegende Arbeit mit der Fragestellung, inwiefern sich Interventionsmaßnahmen bezüglich des Erziehungsverhaltens der Eltern als Teil einer Multimodalbehandlung positiv auf die kindliche ADHS auswirken können. Aufgrund des dargestellten theoretischen und empiri- schen Hintergrunds wird angenommen, dass durch Interventionsmaßnahmen, die auf den kindlichen Schlaf ausgerichtet sind, Eltern als Teil einer Multimodalbehandlung positiv auf die ADHS ihres Kindes einwirken. Im Rahmen der experimentellen Studie wurden 40 ADHS-Kinder randomisiert in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Eine weitere Kontroll- gruppe wurde mit 20 gesunden Kindern gebildet. Die Eltern beider Kontrollgruppen wurden allgemein über Schlafhygiene informiert. Die Eltern der Interventionsgruppe erhielten Anwei- sungen bezüglich der zwölfwöchigen Schlafintervention, um das Schlafverhalten und -muster ihrer Kinder zu verbessern. Die Studie ergab, dass die Schlafintervention den Schlaf von ADHS- Kindern qualitativ und quantitativ verbesserte und sich positiv auf ihre Emotionen und ihr so- ziales Verhalten auswirkte. Die Arbeit wird mit Vorschlägen für zukünftige Studien und der Verknüpfung zur Sozialen Arbeit abgeschlossen.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gilt als eine der häufigsten kin- der- und jugendpsychiatrischen Störungen (vgl. Robert Koch Institut 2014). Als diese ist sie ein sehr umstrittenes Thema in gegenwärtigen Diskussionen, in denen sich zwei gegensätzliche Meinungsstränge herauskristallisieren (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2004).

Die Vertreter/-innen der einen Position schließen auf Umweltfaktoren in Fragen zur Ursachenforschung von der ADHS und plädieren auf eine drogenfreie, das heißt auf eine nicht-medika- mentöse Behandlung der Störung: ADHS-Kinder seien kerngesund und ihre Verhaltensauffäl- ligkeiten würden lediglich auf emotionalen, sozialen und erzieherischen Mängeln basieren. (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2004)

Zu dieser Position äußert sich ebenfalls der Kinder- und Jugendarzt Michael Haucht. In seinem Artikel „Lasst die Kinder in Ruhe!“ betitelt er die zahlreichen Therapiemöglichkeiten als kein „Allheilmittel“ (Haucht 2014), welches die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern „einfach re- parieren“ (Haucht 2014) kann. Therapien führen laut Haucht letztendlich nur zur „Scheinsi- cherheit“ (Haucht 2014) der Eltern und geben den Kindern „das Gefühl, ein Defizit zu haben“ (Haucht 2014). Wie der Titel des Artikels bereits betont, ist Haucht der Meinung, dass Kinder weder in Störungsthematiken einbezogen noch von Therapien belästigt werden sollten, da sich hinter dem, was Eltern und Lehrer/-innen als beispielsweise Konzentrationsschwierigkei- ten verstehen, ein für ihn normal entwickeltes Kind steckt. Haucht ruft dazu auf, den Blick von den kindlichen Verhaltensauffälligkeiten zu lösen und ihn stattdessen auf die Entstehung des Problems zu lenken, die laut ihm keineswegs beim Kind, sondern in der Umwelt des Kindes ihren Ursprung hat. Die Umwelt beziehungsweise die Eltern fördern nach Haucht die Entste- hung von Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes, indem sie es nicht adäquat in seiner indivi- duellen Entwicklung begleiten. Dementsprechend führen laut Haucht Vernachlässigungen im familiären Umfeld und mangelnde Anregungsimpulse zu Verhaltens- und Entwicklungsstörun- gen, wie auch zur ADHS. Der Gang zu Ärzten/-innen stellt für viele Eltern jedoch den „beque- meren Weg“ (Haucht 2014) dar, der sie nicht zur Verantwortung zieht und ihnen kein Schuld- eingeständnis abverlangt. Das Fachpersonal übernimmt im Therapieprozess die eigentliche Aufgabe der Eltern und diese ruhen sich provokant gesagt aus. Anstelle von Therapien schlägt Haucht vor, Kinder auf ihrem Entwicklungsweg liebevoll zu begleiten, ihnen Zuwendung zu schenken und sie angemessen zu fördern. (vgl. Haucht 2014)

Die Vertreter/-innen der anderen Position fokussieren im Gegensatz dazu die Genetik in der ADHS-Ursachendiskussion und setzen sich dementsprechend für medikamentöse Therapiean- sätze ein (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2004).

Arzneimittelrichtlinien stimmen mit diesem Ansatz nicht komplett überein und verordnen, dass der Arzneistoff Methylphenidat ADHS-Kindern erst verschrieben werden darf, wenn eine psychosoziale oder psychotherapeutische Behandlungsmaßnahme fehlgeschlagen ist. Diese Verordnung beugt einseitigen Behandlungen vor, die ausnahmslos auf Medikamente zurück- greifen, nachdem die Verschreibungsrate von Methylphenidat in den vergangenen Jahren in Deutschland stark gestiegen ist. (vgl. Thümmler 2015, S. 71 f.)

Der Annahme der genetischen Disposition in Bezug auf die ADHS und den oben genannten Richtlinien nach zählt aktuell die multimodale Behandlung als Standardtherapie für die ADHS (vgl. Gebhardt 2016, S.37). Das multimodale Verfahren setzt sich in erster Linie aus medika- mentöser Therapie und Verhaltenstherapie, wie zum Beispiel Interventionsmaßnahmen, zu- sammen. (vgl. Jans/Kreiker/Warnke 2008, S. 791 ff.)

Diese Arbeit wird sich im Folgenden angesichts der zwei vorgestellten Positionen mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern sich Interventionsmaßnahmen bezüglich des Erziehungsverhal- tens der Eltern als Teil einer Multimodalbehandlung positiv auf die kindliche ADHS auswirken können.

Das zweite Kapitel der Arbeit dient der Darstellung des theoretischen und empirischen Hin- tergrundes der Fragestellung, der weiterführend zu den zwei vorgenannten Positionen Auf- schluss über die Ätiologie der ADHS bringen soll. Anhand empirischer Untersuchungen soll der aktuelle Forschungsstand beleuchtet werden, wobei zuerst auf die Störung im Allgemeinen eingegangen und anschließend über verschiedene Ätiologie-Modelle und Theorien gespro- chen wird. Außerdem wird am Ende des zweiten Kapitels der Zusammenhang zwischen der ADHS und Schlaf aufgezeigt. Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse wird im An- schluss passend zur Fragestellung eine Hypothese aufgestellt. Im dritten Kapitel der Arbeit werden Methoden und Ergebnisse einer experimentellen Studie beschrieben, um die im zwei- ten Kapitel aufgestellte Hypothese zu stützen. Die Diskussion im vierten Kapitel der Arbeit gibt abschließend die Möglichkeit zur Bewertung der Hypothese in Bezug auf den theoretischen und empirischen Hintergrund und die im dritten Kapitel vorgestellte Studie. Abgeschlossen wird die Diskussion, indem Vorschläge für zukünftige Studien gemacht werden und die aus der Arbeit gewonnene Erkenntnis mit der Sozialen Arbeit verknüpft wird.

2. Theoretischer und empirischer Hintergrund

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die ADHS eine der häufigsten kinder- und jugend- psychiatrischen Störungen (vgl. Robert Koch Institut 2014).

Nach der KIGGS-Basisdatenerhebung von 2008 liegt die Prävalenzrate der von Ärzten/-innen und Psychologen/-innen diagnostizierten ADHS bei 4,8 Prozent, wobei weitere 4,9 Prozent als zusätzliche ADHS-Verdachtsfälle gelten. Im Kindergarten- bzw. Vorschulalter (drei bis sechs Jahre) sind 1,5 Prozent der Kinder von der ADHS betroffen. Dagegen liegt die diagnostizierte Rate im Grundschulalter (sieben bis zehn Jahre) bereits bei 5,3 Prozent. (vgl. Robert Koch Insti- tut 2008) Diesbezüglich verzeichnen die Daten einen starken Anstieg vom Vor- zum Grund- schulalter, der erschließen lässt, dass die ADHS mit Beginn der Grundschulzeit öfter diagnos- tiziert wird (vgl. Gawrilow 2016, S. 47). Im Alter von elf bis dreizehn Jahren liegt die Prozent- zahl der von einer ADHS betroffenen Kinder bei 7,1 Prozent, während die Prävalenzrate im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren lediglich 5,6 Prozent beträgt.

Weiterhin wird die ADHS laut der KIGGS-Studie 4,3-mal häufiger bei Jungen im Vergleich zu Mädchen diagnostiziert. Doppelt so oft sind Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus von der ADHS betroffen als Kinder aus Familien mit mittlerem oder hohem Sozialstatus. Au- ßerdem zeigt die Datenerhebung, dass 1,6-mal häufiger Kinder und Jugendliche ohne Migra- tionshintergrund an der ADHS leiden als Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. (vgl. Robert Koch Institut 2008) Dabei ist der Anteil der ADHS-Verdachtsfälle bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund höher als bei Kindern aus Familien ohne Migrationshin- tergrund, was darauf schließen lässt, dass Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrati- onshintergrund häufiger in Bezug auf die ADHS-Kernsymptome auffällig werden, jedoch nicht umgehend professionelle Hilfe in Anspruch nehmen (vgl. Gawrilow 2016, S. 48). Die KIGGS- Basisdatenerhebung konnte keine prägnanten Unterschiede bezüglich der Häufigkeit von ADHS-Diagnosen und den Wohnorten der Betroffenen feststellen (vgl. Robert Koch Institut 2008).

Durch die KIGGS Welle 1, die sechs Jahre später veröffentlicht wurde, konnte belegt werden, dass die Prävalenzrate der ADHS seit der KIGGS-Basisdatenerhebung konstant hoch geblieben ist und die ADHS damit weiterhin eine der meist diagnostizierten Verhaltensstörungen im Kin- des- und Jugendalter ist (vgl. Robert Koch Institut 2014).

Aktuell findet im Rahmen der KIGGS Welle 2 eine neue umfassende Datenerhebung in der Laufzeit von 2014 bis 2017 statt, die Aufschluss über die zukünftige Prävalenzrate der ADHS bei Kindern und Jugendlichen bringen wird (vgl. Robert Koch Institut o.J.).

Das ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation und das DSM-IV, die zwei üblichen internationa- len Klassifikationssysteme für psychische Störungen, definieren die Kernsymptome der ADHS größtenteils gleich (vgl. Döpfner, S. 672): Alle möglichen zu diagnostizierenden ADHS-Subty- pen sind durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet. Diesbe- züglich wurde mehrfach empirisch festgestellt, dass Unaufmerksamkeit abgrenzbar von der Hyperaktivität und Impulsivität ist. (vgl. Gawrilow 2016, S. 21) Beispielweise zeigt die Studie von Görtz-Dorten und Döpfner, dass die ADHS sowohl eine dreifaktorielle Struktur (Hyperak- tivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit) aufweisen kann, bei der alle Merkmale voneinan- der trennbar sind, als auch eine zweifaktorielle Struktur (Hyperaktivität-Impulsivität und Un- aufmerksamkeit), die die Trennung von Impulsivität und Hyperaktivität zu Unaufmerksamkeit möglich macht. (vgl. Görtz-Dorten/Döpfner 2009, S. 431 ff.). Trotz dieser Erkenntnisse hat sich die klinische Forschung und die Wissenschaft, auch in Deutschland, auf die Bezeichnung ADHS geeinigt (vgl. Neuhaus 2016, S. 32).

Komorbiditäten, das heißt Störungen, die neben der ADHS als Doppel- beziehungsweise Mehrfachdiagnose vorkommen, gehören bei ADHS-Patienten/-innen meistens zur Regel und stellen keine Ausnahme dar. Ungefähr zwei Drittel der betroffenen Kinder haben neben der ADHS noch zusätzliche Störungen. Diese komorbiden Störungen erschweren die klare Diagnose der ADHS maßgeblich. (vgl. Gawrilow 2016, S. 31 f.) Zusammenfassend lässt sich darstellen, dass rund 85 Prozent der ADHS-Patienten/-innen von mindestens einer oder mehreren Begleitstö- rungen beeinträchtigt sind, wozu unter anderem Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten, gestei- gerte Aggressivität, Fehlverhalten, soziale Isolation und Schlafprobleme zählen. (vgl. Gebhardt 2016, S. 28)

Für die Erklärung der ADHS und in Bezug auf die Fragestellung ist das rezente biopsychosoziale Modell von Döpfner, Banaschewski und Sonuga-Barke von zentraler Bedeutung. Bei diesem Modell handelt es sich um ein integratives Modell, welches, wie der Name schon sagt, biolo- gische und psychosoziale Faktoren in Bezug auf die Ursache der ADHS in den Blick nimmt. Im Vergleich zu früheren Forschungen bezüglich der ADHS-Ursachenfindung, basiert das Modell nicht auf der Annahme, dass psychosoziale Faktoren die alleinige Grundlage für die ADHS bil- den. Im Hinblick auf die biologischen Faktoren geht das Modell davon aus, dass eine geneti- sche Disposition zu einem gestörten Neurotransmitterstoffwechsel führt, der bei den von der ADHS betroffenen Personen auf der Verhaltensebene durch die Hauptsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität zum Ausdruck kommt. Diese genetische Disposition wird, wie in anderen Modellen und Theorien, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit einge- gangen wird, als hauptursächliche Variable der ADHS gesehen. Das durch die ADHS ausgelöste hyperkinetische Verhalten kann Interaktionsstörungen zwischen den Betroffenen und ihren Bezugspersonen auslösen, was in Verknüpfung mit ungünstigen psychosozialen Gegebenhei- ten den Verlauf und die Dimension der ADHS verschlimmern kann. Das heißt, bezogen auf Kinder, dass die ADHS-Symptomatik Interaktionsstörungen mit Eltern, Geschwistern, Leh- rern/-innen und Freunden erzeugen kann, die wiederum zur Verstärkung der ADHS-Sympto- matik führen. Diese ungünstigen Bedingungen in Familie, Freundeskreis und Schule können daraufhin neben den Kernsymptomen auch Komorbiditäten, herbeiführen, die bereits zu Be- ginn dieses Kapitels näher erläutert wurden. Gleichzeitig kann jedoch ein vorteilhaftes soziales Umfeld positiv auf die Störungssymptomatik wirken. (vgl. Gawrilow 2016, S. 62 ff.)

Die Ergebnisse der Studie von Schreyer und Hampel stützen die Aussage des biopsychosozialen Modells. Vor dem Hintergrund, dass bereits mehrere Studien im Vorfeld belegen konnten, dass die ADHS nicht nur eine Entwicklungsstörung ist, sondern auch die psychosoziale Situa- tion unmittelbarer Bezugspersonen verändert, führten Schreyer und Hampel ihre Untersu- chung unter der Fragestellung durch, ob die ADHS die Lebensqualität der betroffenen Kinder und deren Bezugspersonen im Vergleich zu gesunden Kindern und deren Bezugspersonen be- einträchtigt. Die Ergebnisse zeigten, dass Mütter von ADHS-Kindern im Vergleich zu Müttern gesunder Kinder sowohl ihre Lebensqualität als auch die ihrer Kinder weniger positiv beschrie- ben. Außerdem brachte die Studie ein schlechteres Erziehungsverhalten der Mütter von ADHS-Kindern verglichen mit dem der Mütter von gesunden Kindern zum Vorschein. Diese Resultate heben laut Schreyer und Hampel das Erfordernis familienorientierter Interventions- maßnahmen als multimodale Behandlung der ADHS hervor, die die psychosoziale Situation der Bezugspersonen in Hinsicht auf Anpassungskriterien berücksichtigen sollte. (vgl. Schreyer/Hampel 2009, S. 69 ff.)

Auch das Robert Koch Institut bestätigt bezogen auf das biopsychosoziale Modell, dass Familie, besonders die Beziehung zu den primären Bezugspersonen, einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit des Kindes haben (vgl. Robert Koch Institut 2016).

Zusammenfassend hinsichtlich der Fragstellung kann gesagt werden, dass das Modell von Döpfner, Banaschewski und Sonuga-Barke zwar genetische Dispositionen als Hauptursache der ADHS betrachtet, zusätzlich jedoch das soziale Umfeld ins Visier nimmt. Ein gutes Erzie- hungsverhalten und eine liebevolle Eltern-Kind-Beziehung wirken sich positiv auf die ADHS-Symptomatik des Kindes aus und lindern das Risiko von Komorbiditäten. Dementsprechendscheinen laut dem Modell Interventionsmaßnahmen bezüglich des Erziehungsverhaltens der Eltern als effektiver Bestandteil einer Multimodalbehandlung zu gelten.

Wie bereits erwähnt, beschäftigen sich auch andere Modelle und Theorien mit genetischen Dispositionen als Ursache für die Entstehung der ADHS. In vieler Literatur besteht Einigung darüber, dass die ADHS eine genetische, das heißt erbliche, Störung ist. Diese These des pri- mären Einflusses der Genetik auf die ADHS wird durch zahlreiche Belege gestützt. Eine hohe Rate von ADHS-Symptomen in der Verwandtschaft von betroffenen Kindern bietet beispiels- weise Grund zu dieser Annahme (vgl. Gawrilow 2016, S. 66). Auch die Erkenntnis, dass zehn bis fünfzehn Prozent der direkten Familienangehörigen von ADHS-Kindern ebenfalls diagnos- tizierte ADHS-Patienten/-innen sind, lässt auf diese Vermutung schließen (vgl. Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. 2016). Zudem weisen Adoptionsstudien diesbezüglich auf eine auffallende Rate der ADHS bei biologisch verwandten Personen hin (vgl. Gawrilow 2016, S. 66), genauso wie Zwillings-, Familien- und molekulargenetische Studien, deren Ergebnisse übereinstimmend präsentieren, dass 70 bis 80 Prozent der Betroffenen die ADHS vererbt be- kommen haben (vgl. Renner et. al 2008). Eine dieser molekulargenetischen Studien, die die Erblichkeitshypothese untermauert, ist die Rare chromosomal deletions and duplications in attention-deficit hyperactivity disorder: a genome-wide analysis von Williams et al.. Williams et al. analysierten die Genome von 366 Kindern, die alle eine klinische Diagnose der ADHS hatten, verglichen sie mit 1047 Proben von gesunden Kindern als Kontrolle und stellte fest, dass bei an der ADHS erkrankten Kindern bestimmte kurze DNA-Abschnitte häufiger dupliziert sind oder fehlen als bei gesunden Kindern. Außerdem zeigt die Studie eine deutliche Überlap- pung dieser Abschnitte, die als Kopiezahlvarianten bezeichnet werden, mit Genvarianten, die bereits mit Autismus und Schizophrenie in Verbindung gebracht worden sind. Die Daten lassen darauf schließen, die ADHS nicht nur als ein soziales Konstrukt, sondern als Krankheit, anzu- sehen. (vgl. Williams et. al 2010, S. 1401 ff.) Dr. Shaw formuliert dazu, dass diese aus der Studie gewonnenen Daten ein überzeugender Beweis sind, dass die ADHS eine neurologische Ent- wicklungsstörung ist und dass Gehirne von Kindern mit dieser Störung anders als die der ge- sunden Kinder sind (vgl. Shaw 2010). Auch Arnsten ist der Meinung, dass Hirnregionen im präfrontalen Cortex eine zentrale Rolle bei der Entstehung der ADHS spielen. In ihrem Artikel beschreibt sie, dass sich viele neuropsychologische Auffälligkeiten von Kindern mit der ADHS mit Funktionen des präfrontalen Cortex in Verbindung bringen lassen, so etwa Defizite in der Regulierung der Aufmerksamkeit, des Verhaltens, der Emotionen und Impulse. Auch die Strukturfähigkeit hängt laut Arnsten von dem präfrontalen Cortex ab. (vgl. Arnsten 2009, S. 33 ff.)

Dieser Aussage übereinstimmend, jedoch detaillierter dargestellt, ist das rezente Ätiologie- Modell von Barkley. Gawrilow erklärt nach Barkleys Modell, dass das eben genannte Regulie- rungsdefizit mit einem mangelhaft entwickelten Hemmungsmechanismus zusammenhängt. Laut diesem mehrfach zitierten neuropsychologischen Modell lässt eine Störung des vom präf- rontalen Cortex gesteuerten Hemmungsmechanismus weitere, sekundären Defizite entste- hen. Diese Defizite tauchen in den Bereichen Arbeitsgedächtnis, Selbstregulation, Motivation, Erregung, Sprachverinnerlichung und Informationsverarbeitung auf und machen ein ange- messenes Verhalten durch ADHS-typische Auffälligkeiten unmöglich. (vgl. Gawrilow 2016, S. 61)

Die Studie von Bekker et al. stützt die Aussage des Modells nach Barkley. Bei 24 Erwachsenen mit der ADHS und 24 Erwachsenen ohne die ADHS (Kontrollgruppe) im durchschnittlichen Al- ter von 34 Jahren wurde im Rahmen der Studie durch die Stop-signal-task die Fähigkeit ge- prüft, Beschäftigungen auf Befehl zu unterbrechen. Während die Studienteilnehmer visuellen Aufgaben mit wechselnden Bildern am Bildschirm Aufmerksamkeit schenkten, wurden sie mithilfe eines lauten Tons (Go-Signal) aufgefordert, die Eingabe der Antwort zurückzuhalten. Verglichen mit den Ergebnissen der Kontrollgruppe, fanden sich keine Unterschiede in der Reaktionszeit nach dem Go-Signal, jedoch ergab sich ein signifikanter Unterschied in der Re- aktionsverzögerung im Stopp-Versuch bei den ADHS-Patienten/-innen, was für einen Mangel des Hemmungsmechanismus spricht. Bekker et al. führen den Gedankengang auf, der eben- falls aus dem Modell von Barkley hervorgeht, dass die ADHS-Kernsymptome als sekundäre Phänomene betrachtet werden könnten, wenn sich die beeinträchtigte Hemmungskontrolle tatsächlich als Kerndefizit der ADHS entpuppen sollte. (vgl. Bekker et al. 2005, S. 1129 ff.)

Ein weiteres rezentes Ätiologie-Modell, das Dual-Pathway-Modell von Sonuga-Barke, zeigt neben der verringerten inhibitorischen Kontrolle, einen weiteren Entstehungsweg auf, der die Rolle motivationaler Faktoren betont. Laut dem Modell kann die Impulsivität, eines der ADHS- Kernsymptome, durch eine sogenannte Verzögerungsaversion verursacht sein. Unter dieser Verzögerungsaversion wird im Rahmen des Modells ein Motivationsstil verstanden, der es, abgesehen von dem mangelhaften Hemmungsmechanismus, für den/die ADHS-Patienten/-in unmöglich macht, abzuwarten und ihn Verzögerungen vermeiden lässt. Bezogen auf Kinder löst der Warteprozess negative Emotionen aus, denen sie aus den Weg gehen wollen. Wenn Kinder die Wahl haben, sich zwischen unmittelbaren und verzögerten Belohnungen zu entscheiden, entscheiden sie sich immer für die Belohnung, die sofort erfolgt. In Situationen, in denen für sie jedoch keine Wahlmöglichkeit besteht und sie gegen ihren Willen warten müs- sen, versuchen sie, ihre Wartezeit durch das erleben verschiedener Reize zu füllen. Diese Si- tuation ist bei ADHS-Kindern öfters gegeben als bei gesunden Kindern. (vgl. Gawrilow 2016, S.62)

[...]

Final del extracto de 30 páginas

Detalles

Título
Effektivität von Interventionsmaßnahmen in Bezug auf Schlaf bei kindlicher ADHS
Universidad
Baden-Wuerttemberg Cooperative State University (DHBW)
Calificación
1,4
Año
2017
Páginas
30
No. de catálogo
V454641
ISBN (Ebook)
9783668877184
ISBN (Libro)
9783668877191
Idioma
Alemán
Palabras clave
effektivität, interventionsmaßnahmen, bezug, schlaf, adhs
Citar trabajo
Anónimo, 2017, Effektivität von Interventionsmaßnahmen in Bezug auf Schlaf bei kindlicher ADHS, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454641

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