Weltrisikogesellschaft. Risiken globalen Ausmaßes


Hausarbeit, 2016

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Die Risikogesellschaft
2.1 Diagnostik neuartiger Risiken
2.2 Die Bedeutung der Risikowahrnehmung

3. Weltrisikogesellschaft
3.1 Abgrenzung zur Risikogesellschaft
3.2 Risikobegriffe
3.3 Umgang mit globalen Risiken

4. Fazit

1. Einleitung

In der Soziologie wird immer wieder versucht die Gesellschaft möglichst präzise zu beschreiben. Dafür analysieren die jeweiligen Soziologen den aktuellen Zustand der Gesellschaft und arbeiten heraus, was besonders charakteristisch zu diesem Zeitpunkt für sie ist. Sie formulieren eine Gesellschaftsdiagnose. Je nachdem welcher Aspekt als besonders prägend angesehen wird, fällt der Name der entsprechenden Diagnose aus. Es wurde beispielsweise in den letzten Jahren eine „Erlebnisgesellschaft“, eine „Beschleunigungsgesellschaft“, eine „Informationsgesellschaft“ oder auch eine „Dienstleistungsgesellschaft“ diagnostiziert.

Die Weltrisikogesellschaft stellt ebenfalls eine Diagnose der letzten Jahre dar. Sie baut auf die im Jahre 1986 vom deutschen Soziologen Ulrich Beck formulierte Idee der Risikogesellschaft auf. Dabei geht es um die Beobachtung, dass die Menschheit sich zunehmend durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt neuen Risiken aussetzt. Beispiele dafür sind nahezu alltäglich in den Medien zu sehen: Zunehmende Trinkwasserverschmutzung, abnehmende Ozonschicht, Klimaerwärmung oder auch der Umgang mit nuklearen Brennstoffen, um nur einige Beispiel zu nennen.

Innerhalb dieser Hausarbeit soll das Konzept der Weltrisikogesellschaft erläutert werden, um dadurch zu zeigen, inwiefern es sich heute bereits um Risiken globalen Ausmaßes handelt. Um eine Aussage darüber treffen zu können, soll zunächst auf die Risikogesellschaft und die für sie typischen Risiken eingegangen werden. In Abgrenzung dazu wird in Kapitel 3 die darauf aufbauende Weltrisikogesellschaft charakterisiert, wodurch die Perspektive globaler wird. Verschiedene Risikobegriffe, die von unterschiedlichen Soziologen verwendet werden, die sich ebenfalls dieser Diagnose widmen, werden in Kapitel 3.2 aufgeführt. Anschließend wendet sich der Blick auf den praktischen Umgang mit den behandelten globalen Risiken. Zum Abschluss wird ein Fazit über die gewonnenen Erkenntnisse gezogen.

2. Die Risikogesellschaft

Der Begriff der Risikogesellschaft wurde in hohem Maß vom deutschen Soziologen Ulrich Beck geprägt. Dieses Konzept bildet die Basis für die darauf aufbauende Weltrisikogesellschaft, von welcher er seit dem Jahr 2001 spricht (vgl. Treibel 2006: 248). Im folgenden Kapitel soll zunächst darauf eingegangen werden, wodurch sich die Risikogesellschaft auszeichnet und welche Risiken sie ausmachen.

2.1 Diagnostik neuartiger Risiken

Menschen sehen sich seit jeher mit Risiken konfrontiert, jedoch hat sich die Art dieser Risiken gewandelt. Im 19. Jahrhundert ging es beispielsweise um Gesundheitsrisiken oder um das Risiko in Armut zu leben, während in der heutigen Zeit viele Risiken nicht mehr unmittelbar sinnlich wahrnehmbar sind. Darunter fallen unter anderem atomare Gefährdungen oder Luftverschmutzungen (vgl. Beck 1986: 29).

Es handelt sich, wie auch in den genannten Beispielen, meist um Nebenfolgen des Modernisierungsprozesses, genauer gesagt, um latente Nebenfolgen, die insbesondere durch die technisch-ökonomische Entwicklung hervorgebracht wurden (vgl. Beck 1986:26). „Der Modernisierungsprozess wird >> reflexiv <<, sich selbst zum Thema und Problem“ (Beck 1986:26). Dies geschieht vor allem auch dadurch, dass die daraus resultierenden Schäden meist irreversibel sind.

Aufgrund dieser nicht direkten Wahrnehmung bieten die Modernisierungsrisiken Interpretations- und Definitionsmöglichkeiten, welcher sich häufig in den Medien in unterschiedlichem Ausmaß bedient wird (Beck 1986: 30) . Sie können Risiken dramatisieren und sie als eine akute Bedrohung darstellen o der ihnen wenig Aufmerksamkeit widmen und den Menschen so das Gefühl verleihen, es handle sich nicht um einen Sachverhalt, der Eingriffe erfordert. Nicht nur im medialen Bereich, auch in der Wirtschaft spielen sie oft eine Rolle, denn „Modernisierungsrisiken sind big business. Sie sind die von den Ökonomen gesuchten unabschließbaren Bedürfnisse. Hunger kann man stillen, Bedürfnisse befriedigen. Zivilisationsrisiken sind ein Bedürfnis-Faß ohne Boden, unabschließbar, unendlich, selbstherstellbar“ (Beck 1986: 30). Viele wirtschaftliche Akteure legen also die selbst hergestellten Risiken wiederum zu ihrem Nutzen aus. So zum Beispiel Hersteller der Automobilbranche oder verschiedene Stromanbieter, die in den letzten Jahren zunehmend mit umweltschonenden Alternativen werben.1

Ein zentraler Unterschied zwischen den neuartigen Modernisierungsrisiken und den vorherigen alten Risiken besteht in der Risikoverteilung. Der Produzent von Risiken, beispielsweise der Betreiber eines Atomkraftwerkes, wird auch zum Opfer derselben, wenn ein Zwischenfall zu einer unkontrollierten Kernschmelze führt. Risiken treffen somit nicht nur auf wenige Personengruppen zu, sondern auf alle Menschen, auch auf die Produzenten. Beck spricht daher von einem „ Bumerang-Effekt “ (Beck 1986: 30) oder der „Einheit von Täter und Opfer“ (Beck 1986: 50) . Mit der Modernisierung geht folglich eine Universalisierung der Risiken einher, die wiederum die starren Klassenverhältnisse, in denen Armut beispielsweise nur die untere Klasse betrifft, hinter sich lässt. Die in der Risikogesellschaft herrschende Verteilungslogik schafft somit klassenübergreifende Gefährdungslagen, denen Wohlhabende ebenso wie Arme denselben Risiken ausgesetzt sind (vgl. Beck 1986: 48).

Bisher unerwähnt ist der politische Aspekt bezüglich der Modernisierungsrisiken geblieben. Innerhalb der Risikogesellschaft beschäftigen sich politische Akteure zunehmend mit Problembereichen, die bisher nicht in ihrem Aufgabenfeld lagen. Sie greifen zur Minderung der neu entstehenden Risiken in betriebliche Prozesse ein (vgl. Beck 1986: 31). Beispielhaft ist die EU-Verordnung zur Verminderung der CO²- Emissionen von Personenkraftwagen zu nennen. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung im Jahre 2009 greift die EU insofern in die Wirtschaft ein, als dass sie Grenzwerte für Emissionen von Personenkraftwagen festlegt (vgl. Bmub 2009: 2).

2.3 Die Bedeutung der Risikowahrnehmung

Aufgrund des bereits genannten Merkmals der beschränkten unmittelbaren Wahrnehmbarkeit von Modernisierungsrisiken eröffnen sich definitorische Spielräume in Bezug auf das Ausmaß der möglichen Folgen. Die Bestimmung einer Gefährdungslage durch ein entsprechendes Risiko ist somit grundsätzlich schwierig. Sie kann durch die Medien interpretiert oder abgeschätzt, aber auch durch Fachwissen konkret ermittelt werden. Vielfach lassen sich Risiken ausschließlich durch fachliches Wissen erschließen (vgl. Dörre 2002: 62). Modernisierungsrisiken beziehungsweise ihre Feststellung sind demnach wissensabhängig. Entsprechend formuliert Beck, dass in Klassen- und Schichtlagen das Bewusstsein durch das Sein, während in Gefährdungslagen das Sein durch das Bewusstsein bestimmt wird (Beck 1986: 31). Ohne das notwendige Wissen ist es zum Beispiel nicht möglich diejenigen Risiken zu erkennen, die durch die Atomenergiegewinnung und die damit einhergehende Notwendigkeit der Lagerung von Brennstäben entstehen. Ähnliches trifft auf den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung und Lebensmittelproduktion zu.

Risiken werden außerdem in einem gewissen Maße erst durch Medien konstruiert. Über viele würden die Menschen nicht Bescheid wissen, würde nicht über sie berichtet. Welche Risiken also für die breite Öffentlichkeit als solche anerkannt werden, und in welchem Maße sie als gefährlich gewertet werden, hängt oftmals von ihrer konkreten Darstellung ab. Risiken mit hoher medialer Präsenz werden in der Regel höher eingeschätzt. Dies lässt sich gut daran zeigen, dass die meisten Menschen mehr Angst davor haben von einem Hai gebissen, als von einer Wespe gestochen zu werden, obwohl jährlich mehr Menschen durch Wespenstiche ums Leben kommen (vgl. König 2010: 217). In den Industrieländern kommt beispielsweise die armutsbedingte ökologische Zerstörung der Regenwälder zur Sprache, die ansonsten womöglich nicht in den Blick der Bevölkerung gekommen wären . Genauso wie die Medien, schaffen auch nicht-staatliche transnationale Organisationen ein Problembewusstsein in den Ländern der Ersten Welt (vgl. Zürn 1997: 220).

Teilweise werden Differenzierungen zwischen realer und medialer Risikoproduktion getroffen. Richard Münch behauptet, dass die Risikogesellschaft vor allem in den Köpfen der Menschen vorherrscht. Die Konstruktion der Risiken durch die Medien würde den tatsächlichen Risiken vorauseilen (vgl. Münch 2004: 509). Die größte Aufmerksamkeit erlangen vor allem Risiken, die durch Wissen und Technik verursacht werden: „Öffentliche Aufmerksamkeit kann nur die Spitze der Technik erreichen, bei der ein Unfall die schrecklichsten Konsequenzen mit sich bringt. Dagegen interessiert sich die Öffentlichkeit für das Funktionieren der breiten Masse eingesetzter Alltagstechniken nicht, selbst dann, wenn von ihnen viele kleine Schäden ausgehen, die sich am Ende zu einem beträchtlichen Schaden summieren können“ (Münch 2004: 509).

Die medial erzeugte Wahrnehmung führt letztlich dazu, dass sich die Menschen heute vor mehr Risiken fürchten, als jemals zuvor. Die Furcht zu Sterben aufgrund des Risikoreichtums der Moderne scheint jedoch im Widerspruch mit der gestiegenen Lebenserwartung zu stehen. Menschen werden heute deutlich älter als vor fünfzig oder hundert Jahren. Ihre Lebenserwartung ist dabei parallel zur oder trotz der risikoreichen Modernisierung gestiegen. In der Folge wäre zu erwarten, dass die Menschen nicht mehr Angst vor dem Tod haben, als es vor der Diagnose der Risikogesellschaft der Fall war ( vgl. Münch 2004: 509).

3. Die Weltrisikogesellschaft

In der Risikogesellschaft stießen potenzielle Gefährdungen an keine Grenzen mehr, wie sie zuvor in der Klassengesellschaft bestanden. Dabei scheinen sie in der Moderne nicht nur soziale, sondern auch nationalstaatliche Grenzen zu überwinden. Ihr globales Ausmaß spricht für die Weltrisikogesellschaft, die im folgenden beschrieben wird.

3.1 Abgrenzung zur Risikogesellschaft

Für Anette Treibel handelt es sich bei der Risikogesellschaft per se um eine Weltgesellschaft. Die Risikogesellschaft als solche versteht sie als einen neuzeitlichen Typ der Industriegesellschaft, der im Vergleich zur klassischen Industriegesellschaft, seine Probleme nicht mehr allein im nationalstaatlichen Rahmen lösen kann. Die Globalität von Risiken ließ auch Beck den Begriff der Weltrisikogesellschaft prägen, den er seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center verwendet (vgl. Treibel 2006: 248). In der Folge des Terroraktes verstärkte sich das Bewusstsein für globale Risiken.

Transnationale Risiken ergeben sich aus dem engen Zusammenhang wachsender Interdependenzen der verschiedenen Ländern der Welt. Ihr weltumspannendes Ausmaß erreichen sie also durch den Globalisierungsprozess. Für Zürn bedeuten globale Gefährdungen entsprechend, dass sie die „Mehrzahl der aktuell lebenden Menschen sowie nachfolgender Generationen in mindestens zwei Regionen der Erde gleichzeitig [bedrohen]“ (Zürn 1997: 207). Sie konzentrieren sich daher nicht nur oder nicht mehr im nationalen Kontext, sondern bedrohen Menschen in grenzüberschreitender Weise. Die globalen Gefährdungen stellen daher den „Kern der Weltrisikogesellschaft“ (Zürn 1997: 207) dar.

[...]


1 Siehe :https://www.naturstrom.de

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Weltrisikogesellschaft. Risiken globalen Ausmaßes
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V454794
ISBN (eBook)
9783668862517
ISBN (Buch)
9783668862524
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weltrisikogesellschaft, risiken, ausmaßes
Arbeit zitieren
Maximiliane Lechtenberg (Autor:in), 2016, Weltrisikogesellschaft. Risiken globalen Ausmaßes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454794

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