Oskar Roehler erklärt in einem Interview, dass er das Drehbuch über seine Mutter Gisela Elsner sehr schnell und mehr anhand von Anekdoten als recherchierten Fakten geschrieben hat. Er hat sich seine Mutter bildhaft vorgestellt: „eine Frau, Ende 50, die nur mit Tabletten einschlafen und sich am nächsten Morgen nur mit Aufputschmitteln aufwecken kann, aber ganz streng nach einem strikten Prinzip von Arbeit und Ökonomie, völlig ohne Liebe existiert“. Das „desaströs[e]“ Scheitern des Wiederfußfassens hat ihn besonders fasziniert: „In dieser absurden Verzweiflungssituation lag so eine Komik“.
Genau mit diesem Zusammenspiel zwischen Scheitern, Verzweiflung und Komik wird sich die vorliegende Arbeit befassen. Besonders im deutschen Film der letzten Jahre sieht man immer wieder Figuren, die auf die eine oder andere Weise scheitern. Ob es Freundschaften oder Liebesbeziehungen sind, die zerbrechen, oder die Eingrenzung der eigenen Freiheit und Selbstbestimmung. Die Einsamkeit und die daraus resultierenden Folgen werden häufig thematisiert, was im Hinblick auf die demographische Entwicklung zum Individualstaat natürlich auch mehr als aktuell ist.
Anhand von der Komödie Sommer vorm Balkon und dem Melodram Die Unberührbare sollen hier tragische Elemente untersucht und analysiert werden. Ausgehend von den Motiven der Verzweiflung und Ausweglosigkeit entwickeln beide Filme ihre Geschichte über Einsamkeit und Liebe, Distanz und Freundschaft in vollkommen gegensätzliche Richtungen. Maßgebend dafür ist der im Film vorhandene Grade an Tragik. Diese wird der Analyse vorangestellt vorab definiert und in einen geschichtlichen Kontext gesetzt. Nach diesem Überblick über die Entwicklung des Tragödienbegriffs werden die beiden Filme genauer beleuchtet. Die Analyse behandelt sowohl den Einfluss des gesellschaftlichen Umfelds auf das Scheitern der Protagonisten, wie auch den Verlauf des persönlichen Scheiterns. Den Prozess der Veränderung, den die Figuren im Film erleben, definiert neben den tragischen Elementen auch komische. Diese werden auch Gegenstand der Analyse sein.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Faszination des Scheiterns seit der Antike
- 3. Das Scheitern als gesellschaftliches Phänomen
- 3.1 Die Unberührbare im ideologischen Konflikt
- 3.2 Sommer vorm Balkon als Wirklichkeitsabbild einer zukunftslosen Generation
- 4. Die Vereinsamung als Auslöser des Scheiterns
- 4.1 "So ist das Leben. Aber wirklich!"
- 4.2 Eine gegen Alle: Die Unberührbare im Kampf gegen Ekel, Schwermut und Ausweglosigkeit
- 5. Fazit
- 6. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung gescheiterter Existenzen im neuen deutschen Film anhand der beiden Filme "Sommer vorm Balkon" von Andreas Dresen und "Die Unberührbare" von Oskar Roehler. Sie analysiert, wie die Filme die Themen Verzweiflung, Ausweglosigkeit, Einsamkeit und Liebe vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen und individueller Erfahrungen behandeln.
- Das Scheitern als zentrales Motiv in der deutschen Filmlandschaft
- Die Rolle des gesellschaftlichen Umfelds und individueller Entscheidungen beim Scheitern
- Die Bedeutung von Einsamkeit und Distanz in den Filmen
- Die Verbindung von Tragik und Komik als Ausdruck des Scheiterns
- Die Entwicklung des Tragödienbegriffs und seine Relevanz für die Filmsprache
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die These auf, dass das Scheitern eine zentrale Rolle im deutschen Film der letzten Jahre spielt und dass die Filme "Sommer vorm Balkon" und "Die Unberührbare" exemplarisch für diese Tendenz stehen.
Kapitel 2 beleuchtet die Faszination des Scheiterns in der Geschichte, insbesondere in der antiken Tragödie. Es erläutert den klassischen Tragödienbegriff nach Aristoteles und zeigt die Veränderungen in der Darstellung tragischer Konflikte in der Moderne auf.
Kapitel 3 untersucht das Scheitern als gesellschaftliches Phänomen im Kontext der beiden Filme. Es analysiert "Die Unberührbare" hinsichtlich des ideologischen Konflikts, der zum Scheitern der Protagonistin führt. Weiterhin wird "Sommer vorm Balkon" als Abbild einer zukunftslosen Generation interpretiert.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Thema der Vereinsamung als Auslöser des Scheiterns. Es beleuchtet den Umgang mit der Lebensrealität in "Sommer vorm Balkon" und die Isolation der Protagonistin in "Die Unberührbare" im Kontext der gesellschaftlichen Situation.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Scheitern, Tragik, Komik, Einsamkeit, gesellschaftliches Umfeld, Verzweiflung, Ausweglosigkeit, Liebe, Distanz, Freundschaft und dem Einfluss der modernen Gesellschaft auf die Darstellung von tragischen Konflikten im Film.
- Quote paper
- Marina Küffner (Author), 2010, Gescheiterte Existenzen im neuen deutschen Film anhand von Andreas Dresens "Sommer vorm Balkon" und Oskar Roehlers "Die Unberührbare", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454830