Im Zuge der voranschreitenden Individualisierung definieren sich Menschen zu einem deutlichen Teil über die selbsterwählte Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. «Wir-Gefühle» bilden sich in einer Gemeinde, einem Verein, einer Verbindung und nicht zuletzt auch in Nationsgemeinschaften. Nationale Zugehörigkeit offenbart sich oftmals durch eine überhöhte Idealisierung kennzeichnender Merkmale, die mit dem eigenen Staat abgrenzend von anderen Nationen in Verbindung gebracht werden. Die Basis einer gemeinsamen Sprache, Geschichte, ethnischen Abstammung und einem gemeinsamen Territorium – all diese Aspekte bilden dabei den Kern einer «Nationalistischen Vorstellung». Somit ist es kaum verwunderlich, dass die Förderung eines Zusammengehörigkeitsgefühls im zeitlichen Kontext der Nationalstaatsbildungen während des 18., 19. und 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle einnahm.
Auch beim Aufbau des Schweizer Bundesstaats war die Förderung einer gemeinschaftlichen Nationalidee von großer Bedeutung. Die Schaffung einer Nationalidentität erweist sich im Falle der Schweiz jedoch als besonders eigentümlich, da weder die Sprache, noch weitere traditionelle Identifikationsfaktoren die Vorstellung einer kulturell homogenen Nation unterstreichen. Stattdessen gehört eben diese Heterogenität, die ihren Ausdruck in der Mehrsprachigkeit, der Multikulturalität und dem föderalistischen System findet, zu einem essentiellen Element der «nationalen Kultur» des Landes.
Doch welche Besonderheiten stellen sich in der Schweiz in Bezug auf die nationale Identität ein? Welche Bestandteile gelten dabei als kennzeichnend für die innere Kultur des Landes? Wo liegen die historischen Wurzeln dieser Elemente und in welcher Form wurden diese zum Zwecke des Nationalbewusstseins konstruiert?
Im Hinblick auf diese Leitfragen wird diese Arbeit zunächst die inhaltliche Bedeutung des Begriffes der «Nationalen Identität» genauer erläutern. Dabei wird es vor allem darum gehen, die rezeptionsgeschichtliche Auslegung der Synonyme Nationalismus und Nationalidentität wiederzugeben. Im Hauptteil werden dann die bedeutenden Merkmale der Schweizer Nationalidentität untersucht. Hier wird auf den historischen Ursprung dieser Elemente eingegangen, um darauf aufbauend Rückschlüsse über die gegenwärtige Situation der schweizerischen Nationalitätskonstruktion zu ziehen. In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse zusammengefasst und bewertet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Nationale Identität – Bedeutung und begriffshistorischer Hintergrund
- 3. Die Schweizer Nationalidentität
- 4. Identitätsmerkmale
- 4.1 Mythen und Sagen
- 4.2 Mehrsprachigkeit als Zeichen der eigenen Identität
- 4.3 Neutralität als Element des schweizerischen Selbstverständnisses
- 4.4 Direkte Demokratie als identitätsstiftender Faktor
- 4.5 Symbole und Festakte als Ausdruck der eigenen Identität
- 5. Die Schweiz - ein Modell der Zukunft?
- 6. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Schweizer Nationalidentität. Sie beleuchtet den begriffsgeschichtlichen Hintergrund des Konzepts "Nationale Identität" und analysiert die spezifischen Merkmale der Schweizerischen Nationalitätskonstruktion. Die Arbeit fragt nach den historischen Wurzeln dieser Elemente und deren Bedeutung für das heutige nationale Selbstverständnis der Schweiz.
- Begriffsdefinition von Nationaler Identität und Nationalismus
- Analyse der Heterogenität als konstitutives Element der Schweizer Nationalität
- Untersuchung der Rolle von Mythen und Sagen in der nationalen Identitätsbildung
- Bedeutung von Mehrsprachigkeit, Neutralität und direkter Demokratie für die Schweizer Identität
- Die Schweiz als Modell der Zukunft: Ein Ausblick (ohne detaillierte Schlussfolgerungen)
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der nationalen Identität ein und betont die Bedeutung der selbsterwählten Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, insbesondere in Nationsgemeinschaften. Sie hebt die Besonderheit der Schweiz hervor, deren nationale Identität sich nicht auf homogene Merkmale wie Sprache oder Ethnie stützt, sondern auf der Heterogenität von Sprache, Kultur und föderalistischem System basiert. Die Arbeit stellt die zentralen Leitfragen nach den Besonderheiten der Schweizer Nationalität, ihren kennzeichnenden Merkmalen und den historischen Wurzeln dieser Elemente.
2. Nationale Identität – Bedeutung und begriffshistorischer Hintergrund: Dieses Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen Forschungsansätze zur Definition von Nationaler Identität. Es diskutiert die Ansätze von Ernest Renan, der die gemeinsame Erinnerungskultur als Grundlage betont, und Benedict Anderson, der den konstruktivistischen Aspekt des Nationalismus hervorhebt, indem er den Kapitalismus, die Reformation und die Durchsetzung von Landessprachen als Fundament der kollektiven Identitätsbildung nennt. Jüngere Forschungsansätze erweitern diese Sichtweisen, indem sie die Nationale Identität als ein künstliches Gebilde begreifen, das durch Subsummierung und Standardisierung von Diversität ein kollektiv-institutionalisiertes Werte- und Normensystem schafft.
3. Die Schweizer Nationalidentität: Dieses Kapitel charakterisiert die Schweizer Nationalität als Ergebnis eines bewussten Willens zur Einheit aus vielen Minderheiten, im Gegensatz zum idealtypischen Bild eines homogenen Nationalstaates. Die gemeinsame Zugehörigkeit basiert auf dem Zusammenschluss koexistierender Identitätsgemeinschaften, die sich auf verschiedenen Ebenen – Gemeinde, Kanton, Nation, Sprachgruppe – definieren. Diese Mehrdimensionalität und der dezentrale Staatsaufbau festigen sowohl ein regionales als auch nationales Identitätsbewusstsein. Die Kapitel betont das schon immer vorhandene starke Nationalbewusstsein der Alten Eidgenossen und die Kombination aus realer Geschichte und Mythen als wichtige Bestandteile der Schweizer Nationalidentität.
4. Identitätsmerkmale: Dieses Kapitel widmet sich der Analyse wichtiger Elemente der Schweizer Nationalidentität unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung und Wirkungsweise. Es setzt den Fokus auf die Bedeutung der Konstruktion und Wirkung von Mythen und Sagen für die Stärkung von Einigkeit und Zusammenhalt.
4.1 Mythen und Sagen: Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die Rolle von Mythen und Sagen in der schweizerischen Nationalidentität. Er nennt den Rütlischwur als zentralen Mythos der Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft, betont dessen Bedeutung für das nationale Selbstverständnis trotz fehlender historischer Quellen und untersucht dessen rezeptionsgeschichtliche Wirkung.
Schlüsselwörter
Nationale Identität, Schweiz, Nationalismus, Identitätskonstruktion, Heterogenität, Mythen, Sagen, Rütlischwur, Mehrsprachigkeit, Neutralität, Direkte Demokratie, Föderalismus, Nationalbewusstsein, Geschichtskonstruktion.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Schweizer Nationalidentität
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit bietet einen umfassenden Überblick über die Schweizer Nationalidentität. Sie beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der Analyse der spezifischen Merkmale der Schweizer Nationalitätskonstruktion und deren historischen Wurzeln. Die Arbeit untersucht, wie sich die Schweizer Identität trotz ihrer Heterogenität gebildet und erhalten hat.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende zentrale Themen: die begriffsgeschichtliche Entwicklung des Konzepts "Nationale Identität", die Analyse der Schweizer Nationalidentität als Ergebnis eines bewussten Willens zur Einheit aus vielen Minderheiten, die Rolle von Mythen und Sagen (insbesondere der Rütlischwur), die Bedeutung von Mehrsprachigkeit, Neutralität und direkter Demokratie für die Schweizer Identität, sowie die Heterogenität als konstitutives Element der Schweizer Nationalität.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitung, Nationale Identität – Bedeutung und begriffshistorischer Hintergrund, Die Schweizer Nationalidentität, Identitätsmerkmale (mit Unterkapiteln zu Mythen und Sagen, Mehrsprachigkeit, Neutralität, Direkter Demokratie und Symbolen), Die Schweiz - ein Modell der Zukunft?, und Fazit.
Welche Forschungsansätze werden zur Definition von Nationaler Identität diskutiert?
Die Arbeit diskutiert die Ansätze von Ernest Renan (gemeinsame Erinnerungskultur) und Benedict Anderson (konstruktivistischer Ansatz, Betonung von Kapitalismus, Reformation und Landessprachen). Jüngere Forschungsansätze, die die Nationale Identität als künstliches Gebilde durch Subsummierung und Standardisierung von Diversität begreifen, werden ebenfalls berücksichtigt.
Welche Rolle spielen Mythen und Sagen in der Schweizer Nationalidentität?
Der Rütlischwur wird als zentraler Mythos der Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft hervorgehoben. Die Arbeit untersucht dessen Bedeutung für das nationale Selbstverständnis trotz fehlender historischer Quellen und dessen rezeptionsgeschichtliche Wirkung. Allgemein wird die Rolle von Mythen und Sagen in der Stärkung von Einigkeit und Zusammenhalt analysiert.
Welche Bedeutung haben Mehrsprachigkeit, Neutralität und direkte Demokratie für die Schweizer Identität?
Die Arbeit untersucht, wie Mehrsprachigkeit, Neutralität und direkte Demokratie als identitätsstiftende Faktoren zur nationalen Einheit in der Schweiz beitragen. Diese Elemente werden im Kontext der historischen Entwicklung und ihrer aktuellen Bedeutung für das nationale Selbstverständnis analysiert.
Wie wird die Heterogenität der Schweiz im Kontext der Nationalidentität betrachtet?
Die Arbeit betont die Heterogenität (Vielfalt an Sprachen, Kulturen und föderalistischem System) als konstitutives Element der Schweizer Nationalität. Im Gegensatz zu homogenen Nationalstaaten wird die Schweizer Identität als Ergebnis eines bewussten Willens zur Einheit aus vielen Minderheiten dargestellt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Nationale Identität, Schweiz, Nationalismus, Identitätskonstruktion, Heterogenität, Mythen, Sagen, Rütlischwur, Mehrsprachigkeit, Neutralität, Direkte Demokratie, Föderalismus, Nationalbewusstsein, Geschichtskonstruktion.
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- Nico Schmock (Author), 2012, Die Schweiz als "Willensnation"? Die Kernelemente des Schweizer Selbstverständnisses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454871