Elemente der europäischen Sozialunion und deren Stabilisierungswirkung auf die Eurozone


Hausarbeit, 2017

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Debatte
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Antizyklische Wirtschaftspolitik
2.2 Ordoliberale und monetaristische Wirtschaftspolitik

3. Mögliche Bestandteile der Sozialunion
3.1 Die Europäische Arbeitslosenversicherung
3.1.1 Kernidee
3.1.2 Großzügige Variante
3.1.3 Restriktive Variante
3.2 Der Europäische Mindestlohn
3.2.1 Einheitlicher Mindestlohn
3.2.2 Mindestlohnregime
3.3 Weitere Elemente

4. Analyse der Elemente
4.1 Moral Hazard
4.2 Verzögerungseffekt
4.3 Wirksamkeit
4.4 Realisierbarkeit

5. Handlungsempfehlungen und Politikimplikationen

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Elektronische Quellen

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 1: Schema einer europäischen Arbeitslosenversicherung

Darstellung 2: Euroraum reales Bruttoinlandsprodukt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Debatte

Die Frage nach der europäischen Sozialunion ist so alt wie der Europäische Integrationsprozess selbst. Die schrittweise Integration hin zu einer Wirtschafts- und Währungsunion hat in den letzten Jahrzenten immer wieder den Ruf nach einer Vergemeinschaftung der Sozialpolitik hervorgebracht. Die Wirtschafts- und Finanzkrise mit der darauf folgenden Europäischen Staatschuldenkrise stellt für die Diskussion ein einschneidendes Ereignis dar, da sie Befürwortern wie Gegnern einer europäischen Sozialunion im Euroraum neue Argumentationsspielräume liefert. Debattiert wird dabei über die Integrationsrichtung des Euroraums.

Grund für die Debatte ist Zweierlei: Erstens hat die Sozialpolitik, unabhängig ob von supra- oder nationaler Ebene ausgeführt, Einfluss auf die Lebensverhältnisse der Menschen und deren Vertrauen in die europäischen Institutionen. Zweitens hat die Krise deutlich aufgezeigt, dass es dem Euroraum an Instrumenten mangelt, den Staatenverbund aus unterschiedlichen Volkswirtschaften mit einer gemeinsamen Währung zu lenken. Hauptproblem ist, dass die Eurozone mit einer gemeinsamen Geldpolitik und Zinssetzung nur eingeschränkt auf die konjunkturellen Entwicklungen der Mitgliedsländer Rücksicht nehmen kann. Je heterogener die Staaten des Euroraumes, desto schwieriger gestaltet sich die Koordinierung. Mit der europäischen Säule sozialer Rechte liefern die europäischen Institutionen zuletzt wieder neue Denkanstöße in Bezug auf die Europäische Sozialpolitik.1

Bis dato wird die Sozialpolitik in einigen Bereichen wie Arbeitsschutz, Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und Antidiskriminierung zwar koordiniert, von einer Vergemeinschaftung lässt sich jedoch nicht sprechen. Vor allem individuelle Sozialleistungen, im Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter oder Invalidität, werden von den Mitgliedssaaten bereitgestellt.2 Somit ist die Debatte um die Sozialunion ähnlicher Natur wie die um die Fiskalunion. Sollte der Euroraum neue Instrumente entwickeln, um konjunkturelle Schwankungen auszugleichen und makroökonomische Stabilität zu gewährleisten? Und kann die Sozialunion diesen Zielen gerecht werden?

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Im Folgenden soll die Frage diskutiert werden, welche Elemente eine Sozialunion umfassen könnte und, inwiefern diese zur Stabilität der Eurozone beitragen könnten. Um die theoretische Dimension verschiedener Argumente und Vorschläge einordnen zu können, werden in Abschnitt 2.1 und 2.2 die Prämissen der antizyklischen, ordoliberalen und monetaristischen Wirtschaftspolitik herausgestellt. Mögliche Bestandteile der Sozialunion, wie die europäische Arbeitslosenversicherung in Abschnitt 3.1, eine Mindestlohnregelungen in Abschnitt 3.2 und weitere Elemente werden unter Abschnitt 3.3 aufgezeigt und von Abschnitt 4.1 bis 4.4 nach bestimmten Kriterien eingeordnet. Abschließend werden unter Punkt 5 Handlungsempfehlungen und Implikationen für politisches Handeln formuliert und in Abschnitt 6 wird ein Fazit gezogen. Anzumerken bleibt, dass sich einige Vorschläge, kritische Anmerkungen oder Modelle nicht nur auf den Euroraum beziehen, sondern alle EU-Staaten einschließen.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Antizyklische Wirtschaftspolitik

Kern der Antizyklischen Wirtschaftspolitik ist die Theorie des Ökonomen John Maynard Keynes. Nach seiner Argumentation müsse der Staat im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs die Konjunktur durch Expansive Fiskalpolitik ankurbeln, um zu verhindern, dass sich die Rezession verschlimmert. Im wirtschaftlichen Aufschwung hingegen müsse der Staat durch Restriktive Fiskalpolitik die Überhitzung der Konjunktur verhindern und Rücklagen bilden. Die Staatlichen Interventionen sollen entgegen dem wirtschaftlichen Zyklus agieren und somit die Konjunktur glätten. Entscheidend für die wirtschaftliche Prosperität ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.3

2.2 Ordoliberale und monetaristische Wirtschaftspolitik

Die Ordoliberale Variante schreibt dem Staat als Akteur andere Funktionen zu. Anstatt antizyklisch ins Wirtschaftsleben einzugreifen, soll der Staat als unabhängige Instanz Machtkonzentrationen entgegenwirken und den freien Wettbewerb schützen.4 Dazu passt auch die monetaristische Argumentation: Auch hier soll davon abgesehen werden, mit Staatsausgaben konjunkturglättend einzugreifen, da dies nur zu einer weiteren Destabilisierung, Staatsverschuldung und Aufschiebung von Strukturreformen führe.5

3. Mögliche Bestandteile der Sozialunion

3.1 Die Europäische Arbeitslosenversicherung

3.1.1 Kernidee

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 1 : Schema einer Europäischen Arbeitslosenversicherung

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dullien (2014 S. 3) und und Fichter, Haan (2014 S. 846-850).

Die Fragestellung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung im Euroraum wird angeführt von dem Ökonomen Sebastian Dullien, der sein Modell für die Europäische Kommission und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung darstellt und simuliert. Das Modell umfasst eine Kernidee, die sich wiederrum in die Annahmen A und B aufteilen lässt. Im besagten Prototyp zahlen alle Beschäftigten einen Teil ihres Lohns in die Arbeitslosenversicherung ein und erhalten im Falle der Erwerbslosigkeit zeitlich begrenzte Kompensationszahlungen. „Die Bezugsdauer sollte so festgelegt werden, dass nur kurzfristige Arbeitslosigkeit erfasst wird, könnte zum Beispiel auf ein Jahr begrenzt werden. Auch die Höhe der europäischen Versicherungsleistungen kann unter dem Absicherungsniveau bleiben.“6

Wie Darstellung 1 verdeutlicht, haben die Einzelstaaten trotzdem die Möglichkeit, über das Basisniveau hinausgehende Absicherungen bereitzustellen. Das Absicherungsniveau im Verhältnis zum letzten Einkommen variiert je nach Annahme, ist jedoch begrenzt durch das Medianeinkommen des jeweiligen Mitgliedstaates. Zweck des Versicherungssystems ist der Transfer von finanziellen Mitteln an Länder mit schwacher Konjunktur. Dullien spricht von einem „automatischen Stabilisator“7, der dadurch entstehe, dass Menschen ohne Beschäftigungsverhältnis kurzfristig Gelder erhalten und diese konsumtiv einsetzen. Dies hätte einen positiven Einfluss auf die Produktion und Beschäftigung konjunkturschwacher Länder und würde durch den Kaufkraftentzug konjunkturstarke Länder vor einer Überhitzung der Wirtschaft bewahren.8 Die erhoffte Stabilisierung und Synchronisierung der Konjunktur käme wiederum der Europäischen Zentralbank in ihrem Bestreben nach angemessener Geldpolitik für alle Eurostaaten zu Gute.9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 2: Euroraum reales Bruttoinlandsprodukt

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dullien u.a. (2014 S. 75)

Dullien und andere Autoren gehen davon aus, dass sich für die Annahme A in den Jahren 2008/2009 ein maximaler Stabilisierungseffekt von rund 0,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Euroraums ergeben hätte. Annahme B würde mit 0,06 Prozent ähnliche, aber deutlich schwächere Stabilisierungsresultate hervorbringen.10 Der Numerische Stabilisierungseffekt beider Annahmen lässt sich durch Darstellung 2 veranschaulichen. Der gemessene Stabilisierungseffekt der Jahre 2008/2009 ergibt sich durch die Summe aus der jeweiligen Differenz zwischen der Simulation und der Basislinie.

Folge der geringeren Konjunkturvolatilität wären bessere Wachstumsperspektiven für den gesamten Euroraum, aufgrund der größeren Planungssicherheit für Unternehmen. Weitere Konsequenz des Systems wäre eine progressive Verteilungswirkung, da einkommensschwache Haushalte stärker von der europäischen Arbeitslosenversicherung profitieren würden als einkommensstarke Haushalte.11 Sebastian Dullien und Ferdinand Fichtner stellen heraus:

„Durch die ausschließliche Versicherung kurzfristiger Arbeitslosigkeit wird verhindert, dass die nationalen Regierungen notwendige Maßnahmen zum Abbau struktureller Arbeitslosigkeit unterlassen. […] Zum einen kann kurzfristiger Arbeitslosigkeit ohnehin nicht mit den politisch unpopulären Strukturreformen entgegengewirkt werden. Zum anderen sind die politischen Kosten steigender Arbeitslosigkeit aus Sicht der Nationalregierungen so hoch, dass ein starkes Eigeninteresse an einer Lösung des Problems besteht.“12

Auch in Hinblick auf den Staatshaushalt zeichnen sich einige Vorteile ab. So wird argumentiert, dass die Transferzahlungen in Krisenzeiten den Staatshaushalt entlasten würden.13

3.1.2 Großzügige Variante

Die Annahme A des Modells wird als „großzügige Variante“14 bezeichnet. Wie auch Darstellung 1 zu sehen, bietet es Beschäftigungslosen eine Lohnersatzleistung von 70 Prozent des letzten Nettolohns und garantiert eine Bezugsdauer von zwölf Monaten. Der Beitragssatz läge in diesem Fall bei 1,3 Prozent des Bruttolohns. Unter dieser Annahme ergäbe sich für die einzelnen Mitgliedstaaten aktuell folgende Situation: Länder wie Spanien, Griechenland und Frankreich wären Nettoempfänger, während aus Ländern wie Deutschland, Österreich und Finnland Gelder abfließen würden. Ausnahme wäre das Jahr 2005: Auch hier hätte Deutschland mehr Gelder erhalten als eingezahlt.15

Anhand des Beispiel Spanien wird die Stabilitätswirkung der Annahme A erklärt: Die EAV hätte, so die Autoren die spanische Rezession zwischen 2008 und 2010 deutlich abgefedert, da im genannten Zeitraum das verfügbare Einkommen eingebrochen und somit die Konsumnachfrage gesunken ist. Weiterhin hätten auch die öffentlichen Ausgaben, entlastet durch die Arbeitslosenversicherung, eine stabilisierende Wirkung gehabt. Der Rückgang des spanischen Bruttoinlandsproduktes hätte im Jahre 2009 von 3.8 auf 3.1 Prozent abgemildert werden können.16

3.1.3 Restriktive Variante

Als Pendant wird eine „restriktive Variante“17 der europäischen Arbeitslosenversicherung vorgeschlagen. Die Ersatzquote für Beschäftigungslose beträgt in diesem Fall nur 30 Prozent, während sich die Bezugsdauer auf sechs Monate und der Beitragssatz auf 0,4 Prozent verkürzten. Auch unter dieser Annahme stünden oben genannte Mitgliedstaaten als Netto-Empfänger und –Zahler dar.

Für das Beispiel Spanien gilt unter Annahme B folgendes: Im Vergleich zu Modell A hätte das Stabilisierungssystem einen geringeren und zeitverzögerten Effekt zu Folge. Unter dieser Annahme hätte der Rückgang des spanischen Wirtschaftswachstums 2009 von 3,8 auf 3,6 Prozent abgemildert werden können. Außerdem wird betont, dass die Arbeitslosenversicherung den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts vor der Krise gedämpft und auf diese Weise einer Überhitzung, Blasenbildung und dem Platzen der Immobilienblase entgegengewirkt hätte.18

3.2 Der Europäische Mindestlohn

3.2.1 Einheitlicher Mindestlohn

Zwar verfügen alle Länder der Eurozone über nationale Arbeitslosenversicherungen, ein gesetzlicher Mindestlohn – sprich: eine Lohnuntergrenze - lässt sich aber noch nicht überall finden. Wenn vorhanden gibt es in ihrer Ausführung Unterschiede: Nicht nur die Höhe des Mindestlohns divergiert, sondern auch dessen Wirkung in allen Wirtschaftssektoren. Frankreich zum Beispiel verfügt schon seit einiger Zeit über ein ausgeprägtes Mindestlohnregime, während Estland das Schlusslicht im Euroraum ist.19 Ein einheitlicher Mindestlohn, der allen Beschäftigten in den Staaten des Euroraums einen Mindestlohn garantiert, ist ein in der Literatur selten erwähntes, aber denkbares Element der europäischen Sozialunion. Artikuliert wird die Forderung von der französischen Partei Socialiste und der französischen Gewerkschaft Confédération générale du travail, die sich einen gemeinsamen europäischen Mindestlohn vorstellen.20

[...]


1 Vgl. Tajani, Ratas, Junker (2017 S. 4-9).

2 Vgl. Becker (2015 S. 6).

3 Vgl. Conway (2011 S. 38-40).

4 Vgl. Young (2013 S. 41).

5 Vgl. Young (2013 S.43).

6 Dullien, Fichtner (2012 S. 11).

7 Dullien, Fichtner (2012 S. 11).

8 Vgl. Fichtner, Haan (2014 S. 846).

9 Vgl. Dullien, Fichtner (2014 S. 10).

10 Vgl. Dullien u.a.(2014 S. 75).

11 Vgl. Fichtner, Haan (2014 S. 851-854).

12 Dullien, Fichtner (2012 S. 12).

13 Vgl. Claeys, Darvas, Wolff (2014 S. 4).

14 Fichtner, Haan (2014 S. 846).

15 Vgl. Fichtner, Haan (2014 S. 846-847).

16 Vgl. Fichtner, Haan (2014 S. 849-854).

17 Fichtner, Haan (2014 S. 846).

18 Vgl. Fichter, Haan (2014 S. 850).

19 Vgl. Schulten (2014 S. 4.7).

20 Vgl. Schulten (2007 S. 83).

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Elemente der europäischen Sozialunion und deren Stabilisierungswirkung auf die Eurozone
Hochschule
Universität Bayreuth  (Rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Europäische Geldpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
23
Katalognummer
V454965
ISBN (eBook)
9783668864542
ISBN (Buch)
9783668864559
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geldpolitik, Sozialunion, Europäische Arbeitslosenversicherung, Stabilisierungswirkung, Europäischer Mindestlohn, Europäische Integration
Arbeit zitieren
Jonathan Lehrer (Autor:in), 2017, Elemente der europäischen Sozialunion und deren Stabilisierungswirkung auf die Eurozone, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454965

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