Bindungsstörungen. Präventionsmöglichkeiten am Beispiel der Programme "STEEP" und "SAFE"


Dossier / Travail de Séminaire, 2018

16 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Bindungstheoretische Grundannahmen
2.1 Feinfühligkeit
2.2 Bindungsmuster

3. Bindungsstörungen
3.1 Ätiologie
3.2 Klassifikation

4. Frühprävention
4.1 Ziele bindungsorientierter Frühprävention

5. Präventionsprogramme
5.1 Präventionsprogramm: STEEP
5.2 Präventionsprogramm: SAFE

6. Fazit und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Aus der Säuglingsforschung wissen wir, dass es verschiedene Entwicklungssysteme für das Überleben eines Menschen gibt. „Die psychische Entwicklung von Kindern wird durch die frühe emotionale Bindung, d. h. die enge und dauerhafte emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kind, entscheidend beeinflusst. Die Entwicklung des Bindungssystems beginnt in den ersten Wochen nach der Geburt mit unspezifischen sozialen Reaktionen des Säuglings und positiven Erwiderungen der primären Bezugsperson, meist der Mutter“ (Cierpka, 2014, 14). Nach Brisch ist diese Bindung für das Leben eines Menschen genauso grundlegend wie die Luft zum Atmen, Essen und Schlaf.

Begründet wurde die Bindungstheorie in den 1950-er Jahren von John Bowbly, „um die Entstehung und den Verlauf dieser überlebenswichtigen emotionalen Bindung eines Menschen an einen andere zu erklären und schließlich durch viele Studien wissenschaftlich zu untersuchen“ (Brisch, 2008, 90). Nach Bowbly und der Bindungstheorie entwickelt der Säugling eine starke emotionale Bindung zu seiner Bezugsperson. Gemäß der Bindungstheorie wird das Bindungsverhalten durch Trennung von der Bindungsperson und das Erleben von Angst aktiviert (vgl. Brisch, 2008, 90). Ausgedrückt wird das Bindungsverhalten durch das Suchen der Bindungsperson, das Weinen oder das Nachlaufen und Klammern (ebd.). Wenn die Mutter durch körperliche Nähe in der Lage ist, das Kind zu trösten, ist das Bindungsbedürfnis des Kindes wieder beruhigt.

Bindungsstörungen treten dann auf, wenn „frühe Bedürfnisse nach Nähe und Schutz in Bedrohungssituationen und bei ängstlicher Aktivierung der Bindungsbedürfnisse in einem extremen Ausmaß nicht adäquat, unzureichend oder widersprüchlich beantwortet wurden“ (Brisch, 2008, 97). Bindungsstörungen gehören in der ICD-10 als auch im DSM-IV zu den wenigen Störungen, bei welchen eine bestimmte Ätiologie Teil der Definition ist und sollen nur dann diagnostiziert werden, wenn sicher ist, dass mangelnde Erfahrungen in der frühen Kindheit zur Entstehung der Störung beigetragen haben (vgl. von Klitzing, 2009, 2). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Präventionsmöglichkeiten der Krankheit Bindungsstörungen zu beschreiben und Möglichkeiten der Vorbeugung von Bindungsstörungen anhand von zwei Präventionsprogrammen darzustellen.

2. Bindungstheoretische Grundannahmen

Von Bowbly wurde das Bindungsverhalten als „angeborenes Instinktmuster, das wesentlich biologisch fundierte Reaktionssysteme wie Saugen, Weinen, Lächeln, Anklammern, Nachfolgen bzw. Suchen beinhaltet“ beschrieben (von Kitzling, 2009, 7). Zu nennen ist hier, dass sich die Qualität der Bindung zwischen Kind und Bezugsperson unterscheidet.

2.1 Feinfühligkeit

Säuglinge entwickeln häufiger ein sicheres Bindungsmuster, wenn die Bezugsperson in der Lage ist, feinfühlig auf die Signale des Kindes sicher, prompt und richtig zu reagieren (vgl. Brisch, 2008, 36). Das sichere Bindungsmuster gilt in der Bindungsforschung als ein Resilienzfaktor (vgl. Brisch 2018, 534).

2.2 Bindungsmuster

M. Ainsworth arbeitete über mehrere Jahre mit Bowbly an der Londoner Tavistock Clinic zusammen und entwickelte Ende der 1960er Jahre eine standardisierte Situation („Fremde Situation“), bei der 1-jährige Säuglinge mit fremden Situationen, Personen und kurzen Trennungen von ihren Eltern konfrontiert werden (vgl. von Kitzling, 2009, 7). Anhand der Beobachtungen und dem Verhalten der Kinder während der Trennung von den Eltern und der Anwesenheit einer ihnen fremden Person wurden typische Muster des Bindungsverhaltens identifiziert: die „sichere Bindung“ (B-Typ), wo das Kind die Nähe zur Mutter sucht, sich von der Mutter trösten lässt und sie als sichere Basis für Exploration sieht; die „unsicher­vermeidende Bindung“ (A-Typ), wo das Kind keine Reaktion während der Trennung von der Mutter zeigt, diese bei dessen Rückkehr ignoriert und auch Nähe zu ihr vermeidet und die „unsicher-ambivalente Bindung“ (Typ-C), bei der das Kind sehr ängstlich ist, starke Trennungsreaktion zeigt und bei der Rückkehr der Mutter kaum zu beruhigen ist. Später kam noch ein vierter Bindungstyp dazu, „die desorganisierte Bindung“ (Typ-D/oder auch: hochunsichere Bindung), wo die Kinder starre, stark auffällige Verhaltensweisen zeigen. Unsichere Bindungen hingegen zeichnen sich durch unzureichende oder inkonsistente Beantwortung der Bedürfnisse in der Interaktion mit der Bezugsperson aus (ebd.). Der Säugling kann sich mit einer unsicher-ambivalentes Bindungshaltung an die Bezugsperson binden, wenn der Säugling die Erfahrung gemacht hat, dass zuverlässig und feinfühlig, jedoch auch mit Zurückweisung auf die Signale geantwortet wurde. Wenn der Säugling die Erfahrung macht, dass die Bezugsperson zurückweisend und ignorant den Signalen gegenüber ist, ist die

Wahrscheinlich groß, dass sich eine unsicher-vermeidende Bindung entwickelt. Bei Kindern mit einem desorganisiertem/desorientiertem Bindungsmuster lässt sich ein „verwirrtes“ Verhalten beobachten, indem sie widersprüchliche Verhaltensweisen haben, wie z.B. zur Bindungsperson hinlaufen, stehen bleiben, umkehren oder Einfrieren der Bewegung. „Dieses Verhalten wird einerseits bei kindlichem Risiko (z.B. bei Frühgeborenen oder bei Kindern mit einzelnen traumatischen Erfahrungen) sowie andererseits bei elterlichem Risiko (etwa bei ungelöstem Trauma oder ungelöstem Verlust der Eltern) beobachtet“ (Brisch u.a., 2018, 535). Nach Brisch ist das desorganisierte/desorientierte Bindungsverhalten schon keine adaptive Strategie mehr, noch keine Bindungsstörung, jedoch führen lang andauernde häufige Traumatisierungen des Kindes durch seine Bindungspersonen häufig zu Bindungsstörungen (vgl. Brisch, 2018, 353).

3. Bindungsstörungen

Wenn Kinder von den Mustern der Bindungssicherheit und -unsicherheit abweichen und dieses Störungsverhalten über längere Zeit (mindestens für sechs Monate) in verschiedenen Situationen beobachtet und beschrieben werden kann, wird deren Bindungsverhalten als krankhaftes, behandlungsbedürftiges Störungsmuster der emotionalen Entwicklung gesehen, jedoch wegen der bekannten Fremdenangst nicht vor dem achten Lebensmonat diagnostiziert werden (vgl. Brisch, 2002, 142).

3.1 Ätiologie

Zurückzuführen ist die Entstehung von Bindungsstörungen auf unzureichende oder widersprüchliche Beantwortung früher Bedürfnisse nach Nähe und Schutz zugrunde (vgl. Brisch, 2008, 835). Aber auch Traumata, wie z.B. die frühen Erfahrungen des Kindes von Misshandlung, Missbrauch, Gewalt und extremer Vernachlässigung durch Bindungspersonen werden als Ursache der Störung gesehen (vgl. Brisch, 2018, 535).

3.2 Klassifikation

Im ICD-10 werden zwei spezifische Formen von reaktiven Bindungsstörungen diagnostiziert: Eine Form mit Hemmung („reaktive Bindungsstörung im Kindesalter“ - F.94.1), die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kinder in Gefahrensituationen mit Furchtsamkeit und Ambivalenz reagieren und niemanden als Bindungsperson nutzen können; und eine mit Enthemmung des Bindungsverhaltens („Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung“ - F 94.2), die dadurch gekennzeichnet ist, dass Personen von den betroffenen Kindern nicht differenziert werden und diese schlussfolgernd als Bindungsperson, die von den Kindern beliebig ausgetauscht werden kann, nutzen, ohne dass eine tiefe Bindungsbeziehung besteht. Beschrieben werden beide Formen, wenn Kinder Erfahrungen mit frühkindlichen Traumata und Erlebnissen von Misshandlung, Missbrauch, sexueller Gewalt, Deprivation und Vernachlässigung sowie nach wiederholtem Wechsel der Bezugspersonen hatten (vgl. Brisch, 2002, 144). Im DSM-IV (313.89) finden sich zwei mit dem ICD-10 vergleichbare Diagnosekategorien für reaktive Bindungsstörungen.

4. Frühprävention

Für die klinische Arbeit ist es wichtig, dass sich Pädiater der Bedeutung von Bindungsentwicklung bewusst sind, Störungsbilder diagnostisch einordnen und von anderen Krankheitsbildern abgrenzen können (vgl. Brisch, 2002, 158). Die Möglichkeit der Entwicklung einer Bindungsstörung ist möglich, wenn Kinder von traumatischen Erfahrungen wie Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung, Erkrankungen der Eltern, Angststörungen, depressiven oder psychologischen Erkrankungen, chronischen lebensbedrohlichen Erkrankungen oder unerwarteter Verlust der Hauptbindungsperson betroffen sind. Hierbei spielen Pädiater eine wichtige und entscheidende Rolle, da sie in der Lage sind anhand der richtigen Diagnostik eine frühzeitig psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung einzuleiten und somit eine Chronifizierung der Störung verhindern können (ebd.). Bestenfalls kann es gelingen dem bindungsgestörtem Kind und dem Therapeuten mithilfe neuer und sicherer Bindungserlebnissen alte destruktive Bindungserfahrungen aufzulösen und durch eine neu erworbene, sichere Bindung einen gesünderen seelischen Entwicklungsweg einschreiten (ebd.).

4.1 Ziele bindungsorientierter Frühprävention

Bindungsstörungen stellen ein sehr komplexes Krankheitsbild dar, dessen Ursache in der frühen Kindheit zurückliegt. Interventionen zur Verhinderung der Entwicklung einer Bindungsstörung sind deshalb so wichtig, weil eine diagnostizierte Bindungsstörung sich zu einer Persönlichkeitsstörung entwickeln kann.

Die Prävention bezeichnet „alle Eingriffshandlungen, die dem Vermeiden des Eintretens oder des Auftretens einer Krankheit dienen. Das Eingreifen (Intervenieren) richtet sich auf das Verhindern und Abwenden von Risiken für Eintreten und Ausbreitung von Krankheiten“ (Hurrelmann u.a., 2014, 14). Wenn die Voraussetzungen für das Eintreten der Krankheiten früh erkannt werden und der Krankheitsverlauf bekannt ist, kann anhand gezielter Interventionen

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Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Bindungsstörungen. Präventionsmöglichkeiten am Beispiel der Programme "STEEP" und "SAFE"
Université
Hamburg University of Applied Sciences
Note
2,3
Auteur
Année
2018
Pages
16
N° de catalogue
V455025
ISBN (ebook)
9783668864627
ISBN (Livre)
9783668864634
Langue
allemand
Mots clés
Bindung, frühe Kindheit, Bindungsstörung, Familienpsychologie, Brisch
Citation du texte
Selin Erdogan-Kilinc (Auteur), 2018, Bindungsstörungen. Präventionsmöglichkeiten am Beispiel der Programme "STEEP" und "SAFE", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455025

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