Die rechtliche Situation der Muslime in Großbritannien


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2018

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Muslime in Großbritannien
1.1. Historischer Abriss
1.2. Bürgerrechtsthematik

2. Integration und Rassismus

3. Schulbildung

4. Politik und Recht
4.1. Politische Beteiligung
4.2. Shari´a vs Zivilrecht
4.3. Eherecht und Ehescheidung

5. Multikulturalismus - Islamismus

Resümee

Bibliographie

Literatur

Medienberichte

Einleitung

Die Immigration von Muslimen nach Europa ist seit 9/11, und erneut seit den vom Syrienkonflikt und dem Aufstieg des ISIS ausgelösten Fluchtbewegungen, ein wichtiges Thema in der Innenpolitik europäischer Länder. Dabei ist zu beachten, dass die Situation von muslimischen Immigranten in Europa von Land zu Land unterschiedlich ist.

Dies liegt primär an den unterschiedlichen historischen Entwicklungen. Diese Unterschiede sind nicht nur in den Herkunftsländern der Muslimen fassbar, sondern auch in Details der gesellschaftlichen und rechtlichen Umstände unter denen muslimische Immigranten zu leben haben. So war z.B. Österreich, aufgrund der Annexion Bosnien-Herzegowinas in der Monarchie, lange der einzige europäische Staat der über ein spezielles Islamgesetz verfügt hatte. Dieses schrieb unter anderem auch eine Interessensvertretung für die Muslime vor, wodurch dem Staat ein Ansprechpartner und der muslimischen Bevölkerung ein Vermittler gegeben wurde. Natürlich ist diese rechtliche Bestimmung eines Vertreters nicht problemfrei, aber in den meisten europäischen Ländern sucht man vergeblich nach einer ähnlichen Vertretung.

Großbritannien wiederum hatte, aufgrund der Umwandlung des Britisch Empire in das (bis 1947 British) Commonwealth of Nations, bereits früh nach dem Zweiten Weltkrieg einen relativ hohen muslimischen Bevölkerungsanteil. Da diese zumeist aus den ehemaligen Kolonien stammten, besaßen diese das britische Bürger- und somit auch das aktive und passive Wahlrecht, wodurch sie zumindest auf Lokalebene einen politischen Fußabdruck hinterlassen konnten. Der Umstand der rechtlichen Gleichwertigkeit und der seit den 70ern von der britischen Politik propagierte Multikulturalismus führten dazu, dass Großbritannien oft als ein Vorbild für die muslimische Integration in Europa angeführt wurde.

Dass diese Annahme aber nicht von allen Muslimen und Briten geteilt wird zeigt sich immer wieder. Für die muslimische Seite sei hier nur auf die Proteste im Zuge der Salman-Rushdie -Affäre von 1989, die Jugendkrawalle von 2011 und die Terrorfahrten in London von 2017 erinnert. Für die Ängste der Briten sei hier stellvertretend auf den Schulskandal in Birmingham von 2014,1 und die ICM Studie “What Muslims really think” von 2015 verwiesen.2 Um daran zur erinnern, dass es auch rassistisch-religiös motivierte Übergriffe durch Briten gibt sei auch noch die Amokfahrt beim Finsbury Park von 2017 erwähnt.3 Trotz, oder gerade wegen, dieser offenkundigen Probleme lohnt es sich die rechtliche Situation der Muslime in Großbritannien zu untersuchen.

1. Muslime in Großbritannien

1.1. Historischer Abriss

Im Laufe des 17. Jahrhunderts kam es zu ersten längeren Aufenthalten von Muslimen in Großbritannien. Diese waren entweder Botschafter, Händler oder Kriegsgefangene aus muslimischen Ländern.4 Diese zeitlich befristeten Aufenthalte führten allerdings nicht zu Entstehung „religiöser Infrastruktur“, sprich Moscheen oder Halal-Nahrungsmitteln. Nichts desto trotz inspirierte ihre Anwesenheit John Locke zur Ansicht, dass der Glaube einer Person nicht für ihren Status als Staatsbürger relevant sei.5

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Inder und Yemeniten als billige Arbeitskräfte in die Hafenstädte, wie z. B. nach Cardiff und Liverpool. Diese Gemeinschaften errichteten in einigen Gebieten religiöse Zentren. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. überstieg ihre Zahl die Fünfzehntausendergrenze allerdings nicht. Die Errichtung von islamischen Institutionen in dieser Zeit wurde vor allem von britischen Konvertiten vorangetrieben. So gründete 1887 William Henry Quilliam die Moschee und das islamische Institut in Liverpool. Lord Headley und M. M. Pickthall waren an der „ Woking Mosque and Mission “, welche 1890 in Surrey errichtet wurde, mitbeteiligt.6

Nach dem zweiten Weltkrieg und der Errichtung des Commonwealth kam es zu einem massiven Zuzug von Arbeitskräften aus den ehemaligen Kolonien. Jedoch unterlagen die Herkunft der Einwanderer einem Wandel. Kamen 1948 zunächst Christen von den Westindischen Inseln, so stammten die meisten Einwanderer in den 50er Jahren aus Indien und den beiden Pakistan. Die Einwanderer waren hauptsächlich Muslime, Hindus oder Sikhs, junge Männer die als Arbeitskräfte in der Stahl- und Textilindustrie tätig waren. In den 80ern und 90ern gab es des Weiteren Flüchtlingsschübe aus Südost- und Ostasien7 Ab Mitte der 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es außerdem zu einem starken Zuzug von asiatischen Muslimen, die Ostafrika verlassen mussten, und seit den 70er Jahren steigt auch die Anzahl an ausländischen muslimischen Studenten in Großbritannien.8

1.2. Bürgerrechtsthematik

Die rechtliche Konzeption der Staatsbürgerschaft entwickelte sich in Großbritannien erst nach 1948. Der British Nationality Act zielte darauf ab im gesamten Commonwealth die britische Staatsbürgerschaft, bei gleichzeitiger Beibehaltung der nationalen Autonomie der Kolonien, zu verankern.

Der Commonwealth Immigrants Act von 1962 schuf dann die ersten bürokratischen Hürden bei der Immigration nach Großbritannien. Dieser Akt wurde 1968 und 1971 überarbeitet und erweitert. Die Version von 1971 ist zum großen Teil bis heute in Kraft, wurde jedoch 1981 durch den British Nationality Act um die Unterscheidung von drei Kategorien von Bürgern erweitert: Britische Bürger (British Citizen), Bürger von Großbritannien abhängigen Gebieten (British Overseas Territories citizen) und britische Überseebürger (British Overseas citizen).9

Durch den 2002 eingeführten British Overseas Territories Act erhielten schließlich auch die British Overseas Territories citizen die selben Rechte wie die British Citizen, wenn sie in Großbritannien verweilten.

Die bereits erwähnten Commonwealth Immigrants Acts von 1962 und 1968 limitierten außerdem die Einreisemöglichkeiten nach Großbritannien und ließen primär nur mehr Familienvereinigungen zu.10

Über alle obigen Gesetze ist kritisch anzumerken, dass sie die Einreise und den Erhalt des britischen Bürgerrechtes auf Basis rassistischer Argumente einschränkten.11

2. Integration und Rassismus

Die seit den 50ern erfolgte und seit 1962 nur bedingt eingeschränkte Zuwanderung hatte aber in der Zwischenzeit zu einem massiven Anstieg an muslimischer Bevölkerung geführt. Dadurch entstand in den muslimischen Gemeinden eine religiöse Infrastruktur, die nicht nur Moscheen und Halal-Nahrungsmittel, sondern auch Einrichtungen für die religiöse Erziehung der Kinder beinhalteten, um gewährleisten zu können, dass die eigenen Traditionen auch in der Fremde aufrecht erhalten werden können.12

Unter anderem werden zu diesem Zwecke bis heute, Imame aus dem jeweiligen Heimatland der Gemeinde geholt. Das Problem dabei ist, dass die meisten dieser Imame kein Englisch sprechen und auch kaum Bereitschaft zeigen am interreligiösen Dialog teilzunehmen. Von Seiten der intellektuellen britischen Muslime gibt es zwar Initiativen um dies zu verändern, wie etwa das 1990 eröffnete Muslim College des Dr. Zaki Badawi, doch konnten sie bisher kaum etwas verändern.13 Die größte Hoffnung in diesem Bereich liegt darin, dass die in Großbritannien ausgebildeten Imame von den Gemeinden akzeptiert werden und dadurch der “Imamimport“ unnötig wird. Mittlerweile gibt es in England insgesamt 10 Zentren zur Imamausbildung, von denen sechs mit öffentlichen Universitäten kooperieren.14

Allgemein ist zu sagen, dass die Muslime in einzelnen Stadtvierteln massieren und die jeweiligen muslimische Viertel, dann auch noch ethnisch getrennt sind (Leute aus Pakistan, Bangladesh, ...).15 Diese Viertel liegen meistens um eine Moschee herum.16

Neben dieser räumlichen Isolierung tendieren manche muslimischen Gemeinschaften auch zu einer privaten. Mitchell führt als Beispiel dafür an, dass in südasiatischen Vierteln die verschiedenen Familien, biradari genannt, primär untereinander heiraten und gesellschaftliche Beziehungen eingehen, sodass jede intensive Kontaktaufnahme außerhalb der biradaris als Verrat an der Familie betrachtet wird und somit auch zur sozialen Ächtung führen kann.17

Da in Bezug auf Muslime also ein signifikanter Zusammenhang zwischen ethnischer Herkunft, sprich race, und religiöser Überzeugung, sprich faith, besteht schien man in Britannien lange Zeit geglaubt zu haben über Antirassismusgesetze der Diskrimination von Muslimen entgegenwirken zu können.18 Gleichzeitig war die race- Thematik lange Zeit ein politisches Tabuthema.19

Das erste Antidiskriminierungsgesetz, das Race Relations Bill von 1965, stellte die Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Ethnie sowie Anstiftung zu Rassenhass auf allen öffentlichen Plätzen mit einer Buße von bis zu 1000 Pfund und bis zu zwei Jahren Haft unter Strafe. Aufgrund der Proteste der Tory Partei wurde das Race Relations Board (RRB) als Anlauf- und Schlichtungsstelle bei Beschwerden eingeführt. Aufgrund zu eng gefasster Bestimmungen und mangelnder politischer Unterstützung erwies es sich aber als ineffektiv. Daher wurde 1968 der Race Relations Act erlassen, der nun auch Diskriminierung im Wohn- und Arbeitsmarkt erfasste. Für die Durchsetzung wurde die Community Relations Commission (CRC) geschaffen, blieb aber im Bereich der unqualifizierten Arbeit wirkungslos.

Die CRC wurde durch den Race Relations Act von 1976 durch die Commission for Racial Equality (CRE) ersetzt. Erstmals wurde der Tatbestand der indirekten Diskriminierung erfasst und die CRE sollte Betroffenen während ihrer Verfahren zur Seite stehen. Allerdings hatten auch diese Maßnahmen nur bedingten Erfolg, was wahrscheinlich zum Teil am gesellschaftlichen Rechtsruck lag.20 Das Versagen der antirassistischen Gesetzgebung liegt aber auch zu einem Gutteil an der ausländerfeindlichen Haltung der britischen Gewerkschaften.21

Die Auswirkung dieses Fokus auf race war das 1981 in Anschluss an die Brixton Unruhen südasiatische Aktivisten das Konzept der political blackness auch auf Muslime zu übertragen versuchten. Daher erschufen die Antidiskriminierungsmaßnahmen bis in die 1990er Jahre hinein das Bild, dass die Hautfarbe das Hauptproblem bei Diskriminierung sei. Trotz aller Bemühungen kommen Muslime aber nicht unter den Schutz dieser Gesetze. So entschied zwar 1983 das Haus of Lord, dass Juden und Sikhs eine ethnische Gruppe und somit unter den Race Relations Act fallen, in Falle Nyazi versus Rymans von 1988 entschied das selbe Gremium, dass dies aber nicht für Muslime zutreffe.22 Ebenfalls nicht unter das Gesetz fallen Hindus und Afrokariben.23 In Nordirland hingegen ist religiöse Diskriminierung seit dem Fair Employment Act von 1989 verboten.24

[...]


1 Thomas Kielinger: Islamisten unterwandern Schulen in Großbritannien. in: Die Welt (10.06.2014) https://www.welt.de/politik/ausland/article128873613/Islamisten-unterwandern-Schulen-in-Grossbritannien.html [abgerufen am 27.10.2017].

2 ICM Unlimited: Juniper Survey of Muslims 2015: https://www.icmunlimited.com/wp-content/uploads/2016/04/Mulims-full-suite-data-plus-topline.pdf [abgerufen am 27.10.2017].

3 Bettina Schulz: Islamophobie in Großbritannien: Hass ist gesellschaftsfähig geworden ( 29. Juni 2017) , in: Zeit online: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-06/muslime-grossbritannien-islamfeindlichkeit-bbc-finsbury-park [abgerufen am 27.10.2017].

4 Barbara Mitchell: The Church of England and Islam: Muslim-Christian relations in contemporary Britain, in: One in Christ, Bd. 41, 2006, 3, S. 64.

5 Mitchell, 2006 S. 64.

6 Jørgen Nielsen: Religion im Vereinigten Königreich vom britisch Empire zum Commonwealth, in: Karlies Abmeier, Micahel Borchard, Matthiahs Riemenschneider (Hrsgg .): Religion im öffentlichen Raum. Paderborn, 2003, S. 216-223; Mitchell, 2006 S. 65; Muhammad Anwar: Muslims in Western States: The British Experience and the Way Forward, in: Journal of Muslim Minority Affairs, 04/2008, Vol.28(1), S 129.

7 Christa Schwab: Integration von Moslems in Großbritannien und Frankreich. Wien, 1997, S. 161; Nielsen, 2003 S. 220-221.

8 Mitchell, 2006 S. 66.

9 Eren Tatari; Renat Shaykhutdinov: Muslims and Minority Politics in Great Britain, in: Journal of Muslim Minority Affairs, Bd. 34, 2014, S. 23-25.

10 Mitchell, 2006 S. 66.

11 Schwab, 1997 S. 134-135.

12 Mitchell, 2006 S. 66.

13 Mitchell, 2006 S. 70-71.

14 Damian Howard: The Shifting Context of Christian-Muslim Relations in Contemporary Britain (2008), in: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwif_KKBsd3aAhXGJlAKHdHdBwkQFggtMAA&url=http%3A%2F%2Fpublications.heythrop.ac.uk%2F1095%2F1%2FCIBEDO_final.doc&usg=AOvVaw2KUKon4aO0bTGP8TeD40Ya [abgerufen am 27. 10. 2017], S. 2.

15 Mitchell, 2006 S. 66; Howard, 2008 S. 2.

16 Mitchell, 2006 S. 71.

17 Mitchell, 2006 S. 72.

18 Tatari, 2014 S. 28.

19 Tatari, 2014 S. 25.

20 Schwab, 1997 S. 116-119; Anwar, 2008 S. 132-133; Tatari, 2014 S. 28.

21 Schwab, 1997 S. 136-38.

22 Tatari, 2014 S. 28.

23 Samia Bano: Islamic Family Arbitration, Justice and Human Rights in Britain, in Law, Social Justice & Global Development Journa, 2007 S. 6-7: in: https://warwick.ac.uk/fac/soc/law/elj/lgd/2007_1/bano/bano.pdf [abgerufen am 30. 4. 2018].

24 Anwar, 2008 S. 133.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Die rechtliche Situation der Muslime in Großbritannien
Université
University of Graz  (Religionswissenschaft)
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
20
N° de catalogue
V455131
ISBN (ebook)
9783668860636
ISBN (Livre)
9783668860643
Langue
allemand
Mots clés
Großbritannien, Integration, Muslime im Westen, Muslime, Islam im Westen, Islam, Muslime in Großbritannien, Islam in Großbritannien, Vereinigtes Königreich, England, Scharia, Scharia im Westen, Rassismus, Multikulturalismus, Islamismus, Shari´a, Shari´a im Westen
Citation du texte
Winfried Kumpitsch (Auteur), 2018, Die rechtliche Situation der Muslime in Großbritannien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455131

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