Die Interpretation "Die Wichtigkeit der Wichtigkeit" von Stanley Cavell und der Film "Die Nacht vor der Hochzeit"

Eine kritische Auseinandersetzung


Term Paper, 2008

15 Pages, Grade: 2,3

Anonymous


Excerpt


Inhalt

Einblick

Filmschau

Das Spiel mit der Wichtigkeit

Quellenverweis:

Einblick

Die Nacht vor der Hochzeit ist ein klassischer Film, der sich mit dem Genre der Wiederverheiratung befasst. Von Regisseur George Cukor und mit den großen Stars Hollywoods der 30er und 40er Jahren besetzt, liefert dieser Film die Grundlage für Stanley Cavells Interpretation „Die Nacht vor der Hochzeit oder: Die Wichtigkeit der Wichtigkeit“.

Was ist überhaupt unter dem Begriff der Wiederverheiratung zu verstehen?

Im Folgenden wird es nicht allein um eine Aufbereitung der Interpretation Cavells und eine Klärung des Begriffs gehen. Die wesentlichen Punkte seiner interpretatorischen Arbeit sollen herausgefiltert und kritisch analysiert werden. Betrachten wir es als eine Art Spiel dessen Thema die Wiederverheiratung ist, ein Spiel mit dem Schauspiel sowie mit dem Film und eine Umgangsweise mit einem Spielplan, den Cavell vorgelegt hat.

Filmschau

Die 1940 in Starbesetzung gedrehte Wiederverheiratungskomödie Die Nacht vor der Hochzeit, lässt uns am Leben und Lieben der Tracy Lord (Katharine Hepburn) teilhaben. Die Tochter aus reichem Hause hat ihre erste Ehe mit C.K. Dexter Haven (Cary Grant) bereits hinter sich. Nun ist Tracy im Begriff den aufstrebenden Direktor George Kittredge (John Howard) zu heiraten, der mit ihrer Welt jedoch noch wenig vertraut ist.

Die bevorstehende Hochzeit, ein Großereignis in Philadelphias High Society soll einen angemessenen Bericht in der Klatschzeitung Spymagazin bekommen. Um Tracy, der dies nicht willkommen ist, zu umgehen will der Chef des Spymagazin, Sidney Kidd, den Journalisten Mike Macauly Connor (James Steward) samt Fotografin Liz Imbrie (Ruth Hussey) mit Hilfe des Exmannes Dexter in das Haus der Familie Lord und somit auch auf das Fest schleusen. Beide geben sich dort als Freunde von Tracys Bruder aus.

Im Verlauf des Films wird deutlich das Kidd, der für eine gute Story alles tun würde, Dexter, der noch Ambitionen bezüglich Tracy hegt, erpresst. Er droht, eine Story über Tracys Vater und dessen Affäre mit einer Tänzerin zu veröffentlichen.

Da Tracy schnell durchschaut, welches Spiel Dexter vorführt und sie alles von Dexter erfährt, duldet sie Mike und Liz in ihrem Haus, jedoch nicht ohne ihnen eine glückliche, überdrehte Familie vorzugaukeln.

Als sie jedoch von Mikes schriftstellerischen Ambitionen erfährt und dessen Buch liest, wendet sich das Blatt und sie nähern sich, freunden sich an. Dadurch dass ihr Vater, der der Hochzeit fernbleiben sollte, plötzlich auftaucht und er ihr einen anklagenden Vortrag über ihre Unnahbarkeit und Intoleranz hält, verliert Tracy ihre gewohnte Haltung und betrinkt sich. Dies führt dazu, dass sie das Ende des Abends mit Mike, der ebenso betrunken ist, verbringt, sie küssen sich und gehen gemeinsam schwimmen. Dexter arbeitet währenddessen mit Liz, die eigentlich den Platz an Mikes Seite erobert hat, an einer Gegenerpressung gegen Sidney Kidd.

Als Dexter und George später auf der Veranda zusammen treffen, taucht Mike singend mit Tracy im Arm auf, die sich an ihn schmiegt und Dexter und George gar nicht richtig wahrnimmt. Nachdem Mike sie ins Bett gebracht hat, versetzt Dexter ihm einen ordentlichen Schlag, bevor George dies tun kann.

Tracy, die sich am nächsten Morgen an nichts erinnern kann, wird von ihrer kleinen Schwester Dinah aufgeklärt und ist sehr erschrocken darüber. George will die Hochzeit platzen lassen, als jedoch deutlich wird, dass zwischen Tracy und Mike nichts gewesen ist, gibt es für ihn keinen Grund mehr die Hochzeit abzusagen. Ihr wird klar, dass George nicht der richtige Mann für sie ist und verabschiedet sich von ihm. Daraufhin macht Mike ihr einen Heiratsantrag, den Tracy jedoch dankend ablehnt. Sie will das selber in den Griff bekommen und den Gästen bescheid geben. Als ihr die Worte ausgehen und sie Dexter um Hilfe bittet, diktiert er ihr einen Heiratsantrag mitsamt einer Entschuldigung für den schief gelaufenen ersten Versuch. Tracy nimmt freudestrahlend an und das frische Eheglück kann am Ende nicht einmal mehr durch die Berichterstattung des Spymagazins durch Sidney Kidd getrübt werden.

Das Spiel mit der Wichtigkeit

Gleich zu Beginn leitet Stanley Cavell das Augenmerk des Lesers auf drei wichtige Punkte seiner Interpretation des Films . Nicht nur die Rolle des Genres, der Wiederverheiratungskomödie, steht deutlich in seinem Blickfeld, auch die beiden männlichen Hauptrollen C.K. Dexter Haven und Mike Macauley Connor, deren Herkunft aus unterschiedlichen Schichten und die daraus resultierenden Folgen für den gesamten Verlauf der Geschichte klingen hier schon an.

Eine Besonderheit dieses Films und vor allem auch der Interpretation ist, dass die fast ebenbürtigen, männlichen Hauptrollen, von zwei so hochkarätigen Schauspielern wie Cary Grant und James Steward gespielt werden. Cavell betrachtet immer wieder bewusst eben diese Schauspieler hinter den Rollen. Für Cavell ist Dexter der machtvollere der beiden, Mike jedoch ein exakt initiierter Gegenspieler, der eine klare Funktion in der Struktur des Films besitzt. Beide ziehen sofort die Sympathien des Zuschauers auf sich, der damit direkt zwei mögliche Heiratskandidaten für Tracy serviert bekommt. Dass es doch noch George sein könnte, der Tracy zur Frau bekommt, scheint hier von Anfang an ausgeschlossen. Das Spiel und der Kampf um Tracy wird hier laut Cavell ganz klar und deutlich von Dexter und Mike ausgetragen, wobei ich hier einwenden würde, dass die Protagonistin und ihre Autoritäre Macht, der Dexters sehr ähnlich ist, von Cavell nicht ausreichend bedacht wird, worauf ich aber später nochmals zu sprechen komme.

Die Macht der Rolle des Dexters ist für Cavell gegenwärtig, jedoch schwer für ihn und den Zuschauer zu lokalisieren (Cavell; S.117 Abs. 2). Er schreibt ihm hier die Macht des attraktiven Schauspielers Cary Grant, sowie eine Art väterliche Autorität zu, die ich, wie gesagt nicht ihm allein zusprechen würde. Für mich besteht eben in dieser Macht, die sowohl Dexter als auch Tracy besitzen ein wesentlicher Konflikt des Films. Beide müssen ausloten, inwieweit sie ihre Macht ausüben können und wo sie diese ihrem Gegenüber zugestehen müssen, um einen Zugang zueinander zu finden. Diese ungezügelte Kraft tritt schon in der ersten Szene des Films zutage, als Tracy wütend Dexters Golfschläger zerbricht und er sie daraufhin zu Boden stößt. Diese Szene zeigt die Eskalation ihrer ersten Ehe. Man erkennt die Unzufriedenheit beider und die Unfähigkeit sich auf die Autorität des anderen einzulassen.

Doch zunächst kommt Cavell auf einen weiteren elementaren Punkt seines Interpretationsmodells zusprechen, die Vater-Tochter-Beziehung.

„Ich habe an anderen Orten davon gesprochen, wie sehr dieses Genre die Vater-Tochter-Beziehung hervorhebt, …“ (Cavell; S. 117; Zeile 31-32).

Nicht nur ihre Beziehung zu ihrem Vater wird dadurch als wichtiger Teil im Verständnis des Films angefügt, gleichzeitig auch das Verhältnis zur Mutter. Der Vater, der Tracy einen langen Vortrag über ihre Unfähigkeit zwischenmenschliche Beziehungen zuzulassen, ihre Intoleranz, sucht nach Cavell eine Kraftprobe, da Tracy in seiner Abwesenheit den Haushaltsvorstand übernommen hat. Auch ist für Cavell wesentlich das alles in der Anwesenheit der Mutter geschieht und hier ein Kern auch im Mutter-Tochter-Verhältnis liegt, dem ich so nicht zustimmen würde. Für Cavell wird hier die Beziehung zwischen Mutter und Tochter elementar gestört, indem die Mutter sich auf die Seite des Vaters schlägt und dadurch:

„… verliert die Mutter ihre geistige Kompetenz, …“ (Cavell; S.118; Z. 24).

Um seine Gedanken zur Mutter-Tochter-Beziehung zu verdeutlichen, führt er hier Sigmund Freud („Über die weibliche Sexualität“) an, worin besagt wird, das die tiefe, innige, in vielen Fällen auch schlechte Beziehung zur Mutter gelöst werden muss, um ein gutes Eheleben führen zu können. Für Cavell folgt aus der Betrachtung folgender Vergleich:

„Hier steht die Idee im Hintergrund, dass die schlechte Beziehung zur Mutter gemeinsam mit der ersten schlechten Ehe zertrümmert werden kann.“ (Cavell; S. 119; Z. 11-13)

Für mich hat die gesamte Szene aber eher einen Schlüsseleffekt. Der Vater verachtet seine Tochter nicht, viel eher hat man das Gefühl, das er wieder zu ihr durchdringen möchte, seine Rolle als Vater wieder einnehmen will und sich für diesen Moment lange vorbereitet hat und im vollen Bewusstsein handelt, um Tracy wachzurütteln. Er sagt dass er viel darüber nachgedacht hat warum eine Tochter für den Vater so wichtig ist. Und in diesem Satz erkennt man das er nicht spricht um sie zu verletzten, sondern weil er sie liebt. Dass die Mutter sich hier zurückzieht, geschieht für mein Dafürhalten aus ihrem Feingefühl heraus und nicht, weil sie sich von Tracy abwendet. Sie gibt Vater und Tochter den Freiraum sich anzunähern, da sie die Wichtigkeit darin verstanden hat. Eine Glückliche Familie kann nur dann existieren, wenn alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind. So hat die Mutter ihrerseits ihr Hindernis, das Misstrauen in ihren abtrünnigen Ehemann aus dem Weg geräumt und ist bereit neu anzufangen. Dass sie selber nicht in der Lage ist, dies vor Tracy zu formulieren macht sie jedoch durch eine klare Positionierung an der Seite ihres Mannes deutlich.

Bevor Cavell genauer auf das Thema der Ehe zu sprechen kommt, widmet er sich Tracy Lord, Katharine Hepburn, der unnahbaren Königin, Göttin. Für Cavell ist das Zweifelhafte was Tracy anhaftet für diesen Film sehr bezeichnend:

„ …, ob die Protagonistin eine steinerne oder bronzene Göttin ist oder eine Frau aus Fleisch und Blut; …“ (Cavell; S. 121; Z. 22-23).

Das Genre selbst erschafft hier eine neue Frau. Eine Frau, die auf einer neuen Art und Weise auf der Leinwand präsentiert wird, wobei auch die physische Präsenz eine wichtige Rolle spielt, die Darstellung der Nacktheit (Cavell; S. 121, Abs.1). Cavell betont hier zum einen die erste Darstellung ihres Körpers als sie in den Pool springt und ihre ganze Schönheit präsentiert, zum anderen in der wichtigen Szene als sie Nachts von Mike, nur im Bademantel bekleidet zum Haus getragen wird, wo sie auf Dexter und George treffen. In dieser Haltung des Tragens will Cavell ein Symbol für den Tod der Göttin Tracy erkennen und eine Wiedergeburt ihrer selbst als Mensch, als Frau (Cavell; S. 122). Des Weiteren spricht Cavell das Thema der Jungfräulichkeit an. Nicht nur die sexuelle Jungfräulichkeit, sondern auch die spirituelle, schreibt er Tracy zu, was auch mit ihrer Angst vor einer Bloßstellung zusammenspielt.

Jedoch kommt mir die gesamte Betrachtung der Protagonistin etwas kurz gehaltnen vor. Ist es nicht auch sie selbst, die sich versucht zu öffnen? Betrachtet man Tracy von dem Augenblick an, wo sie ins Wasser gesprungen ist, in der Anwesenheit ihres Verlobten George, so könnte man dies als ihren letzten Versuch sich ihm hinzugeben verstehen. Sie möchte, dass er mit ihr ins Wasser kommt, einen Ort an dem sie sich wohl fühlt, sie ganz sie selbst sein kann. George hat jedoch kein Verständnis für sie, folgt ihr nicht und hüllt ihren dargebotenen Körper schnell in ein Handtuch, sobald sie aus dem Wasser steigt, als wolle er ihre Unnahbarkeit als Göttin bewahren. Der Eindruck wird noch verstärkt, in dem er sagt, er wolle ihr ein Märchenschloss bauen. Er ist nicht in der Lage auf ihre Unzufriedenheit einzugehen, obwohl sie diese direkt formuliert.

In den folgenden Szenen tritt Tracy in ihrem fließenden Badekleid auf, welches ihr das Aussehen einer griechischen Göttin verleiht. Erst mit dem trinken von Alkohol beginnt sie sich von ihrem Dasein als Göttin zu lösen, sie folgt dem „Durst“ den auch Dexter immer verspürt hat, weil sie etwas verändern muss. Hier wird bereits der Wendepunkt eingeleitet, der dann später in den Armen von Mike seinen Abschluss findet.

Das nächtliche Treffen auf der Veranda, in der alle drei Verehrer, mitsamt Tracy auftreten, ist für Cavell eine der wichtigsten Szenen des gesamten Films. Hier wird die Notwendigkeit einer Entscheidung Tracys für die nahende Hochzeit angedeutet. Ein Wandel wird angezeigt, der für die Beteiligten und vor allem für Tracy sehr schmerzvoll sein wird:

„…, so schmerzvoll wie das Erschaffenwerden, wie das Werden zu dem, der man ist, und zu einem in der Ehe vereinten Paar.“ (Cavell; S. 122; Z. 35-36).

Hier stellt sich die Frage nach der Ehe, nach einer Form der Ehe und wohl auch der Scheidung, die gesellschaftlich verstanden oder anerkannt wird. Cavell versteht das Thema der Wiederverheiratung als eine Art der Legitimation der Ehe, die wiederkehrende Bestätigung des Partners ist wohl das ausschlaggebende, um eine gute, anerkannte Ehe zu führen. Doch dieses Zusammenfinden als Ehepaar geht mit einer Isolation von der restlichen Welt einher, einer Traumwelt, so Cavell. Hier findet sich ein kleiner Verweis auf Cavells Genre-Begriff, der darin liegt, dass ein typisches Merkmal in jedem Film mit gleichem Thema gefunden werden muss. Typisch wäre also ein Ehepaar, was sich in die Kleine Welt der Ehe zurückzieht, was hier jedoch nicht geschieht, da Tracy und Dexter, so scheint es, ihr Glück grade in der Teilnahme der Öffentlichkeit finden, in einem „Ereignis von nationaler Wichtigkeit“.

Durch diese bereits gewonnenen Erkenntnisse lässt sich der Kern der Cavellschen Interpretation herausfiltern. Mir scheint, hier lägen zwei Hauptkerne vor: zum einen das Thema der Macht, zum anderen die Gesellschaft. Auch wenn Cavell dies nie direkt so formuliert, so kann man doch alle weiteren Punkte darunter gliedern. Durch das entstehende Geflecht erhält der Leser einen Eindruck des Modells, welches Cavell an den Film anlegt.

Wenn man das Thema der Macht betrachtet, so darf man auch das Gegenteil nicht außer Acht lassen, die machtlose Position. Unter diesen ersten Bereich fallen sowohl die Betrachtungen der männlichen Hauptrollen, als auch die Analyse Tracys und damit auch die Vater-Tochter-Beziehung. Auch das Cavell ein besonderes Augenmerk auf die Schauspieler hinter den Rollen legt, hat hier eine Bedeutung.

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Details

Title
Die Interpretation "Die Wichtigkeit der Wichtigkeit" von Stanley Cavell und der Film "Die Nacht vor der Hochzeit"
Subtitle
Eine kritische Auseinandersetzung
College
Brandenburg Technical University Cottbus
Course
Philosophische Interpretation von Film, Lieratur und Kunst
Grade
2,3
Year
2008
Pages
15
Catalog Number
V455663
ISBN (eBook)
9783668921559
ISBN (Book)
9783668921566
Language
German
Keywords
Filminterpretation, Ästhetik, Kulturphilosophie, Stanley Cavell, Die Nacht vor der Hochzeit, Die Wichtigkeit der Wichtigkeit
Quote paper
Anonymous, 2008, Die Interpretation "Die Wichtigkeit der Wichtigkeit" von Stanley Cavell und der Film "Die Nacht vor der Hochzeit", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455663

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