Frauenfragen "Was sollen wir Menschen tun?" - Frauenantworten. Ansätze feministischer Sozialethik


Seminararbeit, 2005

30 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konkrete Frauenfrage aus der sozialen Arbeit

3. Feministische (Sozial)Ethik, Hinführung und Begriffsbestimmung

4. Frauenantworten
4.1 Carol Gilligan
4.2 Frigga Haug
4.3 Beverly Wildung Harrison
4.4 Ruth C. Cohn
4.5 Ina Praetorius

5. Schlussfolgerungen aus den Konzepten feministischer Ethik als Antworten zur konkreten Praxisfrage

6. Fazit und kritischer Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mein persönliches Interesse an diesem Thema erwuchs aus meinen Erfahrungen in der Praxisphase, in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe.

In Gremien und Arbeitskreisen unterschiedlichster Zusammensetzung habe ich erlebt, dass drängende Fragen zur Entwicklung von Konzepten für wohnungslose Frauen kontrovers diskutiert wurden. Der Eindruck, dass sich einerseits die Orientierung an Marktwirtschaftlichkeit, der „PlusSeite“, der Betriebswirtschaftlichkeit, der „HabenSeite“, der Kalkulierbarkeit, andererseits die Orientierung an klientelorientierten Bedürfnislagen, der „defizitären Seite“, der „Verlierer-Seite“, der Unberechenbarkeit, gegenüberstehen und damit ein praktikabler Konsens schwer zu finden ist, setzte sich bei mir fest.

Bei genauerem Hinsehen waren es dann vorwiegend Männer, Leiter, Chefs, bei denen prospektive schwarze Zahlen in der Argumentation im Vordergrund standen. Es wurde betont, dass griffige Konzepte und Angebote, die es für wohnungslose Männer seit vielen Jahren gibt, auch für Frauen offen sind und es zusätzliche kostenverursachende neue Konzepte nicht notwendig braucht: „Frauen sind schließlich auch Menschen, sie sollen gleich behandelt werden“.

Bedürfnisorientiertere, visionsorientiertere, am Individuum Frau orientierte Argumentationen habe ich in Frauengremien gefunden. Hier stand eindeutig die sozialethische Frage im Vordergrund: „Was sollen wir mit diesen Menschen, in ihrem Frau-Sein, heute tun?“ Der weibliche Tenor war, dieser geschlechtsspezifischen Bedürfnislage mit entsprechendem Konzept begegnen, denn das wird sich als Ressourcennutzung in Nachhaltigkeit „bezahlt“ machen.

Es stellt sich in dieser Studienarbeit auch die Grundfrage der Ethik der sozialen Arbeit, „Was sollen wir Menschen tun?“, mit Menschen, die vordergründig nicht zur Gewinnerseite, zu den Starken, den Haben-Menschen gehören.

Durch mein Erleben kam ich zur Erkenntnis, dass Mitarbeitende in der sozialen Arbeit zwar gleiche moralische Grundpositionen, wie Streben nach Gerechtigkeit, Gleichbehandlung, etc. (z.B. in Leitbildern) unterschreiben, geschlechtsspezifische Denkmuster und Handlungsschemata in berufs- und praxisethischen Fragen aber unterschiedliche Positionen in der konkreten Umsetzung schaffen.

Selbst die berufsethischen Prinzipien des DBSH (deutscher Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik) haben zwar für alle Gültigkeit, was die Methodik des Handelns betrifft, können aber nicht das konkrete WAS und / oder WIE? vereinheitlichen.

So stelle ich, im beschränkten Rahmen dieser Arbeit, undiskutiert als allgemeine Aufgabe normativer Ethik für soziale Arbeit mit einer Definition von Schlüter voraus: Sie “hat-ausgehend vom empirischen Befund - die Aufgabe, die Sozialgebilde der Gesellschaft analytisch-kritisch im Hinblick auf die implizierten Axiome, die methodischen Vorraussetzungen und die praktischen Handlungskonsequenzen zu reflektieren und konstruktiv-projektiv ihre Umgestaltung vorzudenken.[1]

Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt beim Aufspüren von Frauenfragen und –Antworten zur (Sozial)Ethik, so zum Beispiel:

Ist „Sozialarbeit ...vergesellschaftete Weiblichkeit[2] “?

Meine konkrete Praxis-Frage werde ich im folgenden Kapitel formulieren und erklären, wie ich gerade dadurch auf die Spur der feministischen Ethik gekommen bin. Das Konkretisieren der aktuellen Situation der Wohnungslosenhilfe soll den Kontextbezug zu Frauen ohne Wohnung ermöglichen. Die Frage von Ökonomie und Ethik, die sich angesichts des Themas Wohnungslosenhilfe heute auch aufdrängt, wird im begrenzten Rahmen dieser Arbeit außen vor bleiben.

Eine nähere Bestimmung des Begriffs „feministische Sozialethik“, welche unterschiedlichen Frauenfragen sich dahinter verbergen, woher die Ansätze kommen und was deren Intentionen sind, schließt sich im dritten Abschnitt an.

Damit schaffe ich die Zugangsvoraussetzung zu verschiedenen Positionen von Frauen zur ethischen Frage im sozialen Feld, die im vierten Abschnitt mit „persönlichen“ Antworten „gehört“ werden.

Zu weiterführenden praktischen Schlussfolgerungen bezüglich meiner konkreten Praxis-Frage, basierend auf diesen feministisch sozialethischen Reflexionen, komme ich im fünften Abschnitt.

In mein abschließendes, persönliches Fazit zu feministischer Ethik heute, fließen auch meine zukunftskritischen und hoffenden Fragen mit ein.

In der Literaturliste am Schluss führe ich alle gelesenen und zitierten Materialien und Literatur auf.

2. Konkrete Frauenfrage aus der sozialen Arbeit

Die auslösende Fragestellung von mir als Frau, mitarbeitend in einer Arbeitsgruppe von SozialarbeiterInnen , zum Thema:

Frauen ohne Wohnung – Was sollen wir tun?, lautet:

„Braucht es spezielle Angebote in der Wohnungslosenhilfe für Frauen?“

Wie kam es dazu:

Aufgrund aktueller Erhebungen und Statistiken der BAG Wohnungslosenhilfe basierend auf konkreten Erfahrungen der Wohnungslosenhilfe-Einrichtungen ergibt sich, dass die Zahl der Frauen ohne Wohnung stetig steigt: „im vergangenen Jahr von 19,6 % auf 20,7% der Wohnungslosen [3] “.

Empirisch gesichert ist auch die Erkenntnis, dass diese Zahlen nur die Spitze eines Eisberges erfassen. Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten und ohne Wohnung haben die Tendenz, eine offensichtlich geschlechtsspezifische Lösungsstrategie lebend, „unter zu schlüpfen“.

Eine sozialwissenschaftliche Frauenforschungsstudie ergab, dass Wohnung und damit auch Wohnungslosigkeit für Frauen eine besondere Bedeutung haben. Die Autorinnen bezeichnen Wohnung haben als die „dritte Haut“ von Frauen. Der Polarisierung der Geschlechterrollen im 19. Jahrhundert. entspricht das Verständnis „Drinnen“, als Sicherheit, Behaglichkeit, als „Frauenraum“ und „Draußen“ als Unbekanntes, Fremdes zu sehen.

Ein Teil der Männlichkeitskonzepte beinhaltet noch heute, Frauen vor den Gefahren der Welt, dem „Draußen“ zu beschützen und abzuschirmen. Weiblichkeitskonzepte basieren auch auf der Annahme, dass Frauenalltag an den häuslichen Reproduktionsbereich gebunden ist. „Die Untersuchungen beschreiben Einschränkungen bei Frauen, was räumliche Aneignungsstrategien und territoriale Kontrolle in öffentlichen Bereichen angeht. Das Grundbedürfnis „Wohnung“ ist ein historisches, kulturelles Produkt, verbunden mit der Geschichte des privaten Lebens. so auch historisches, kulturelles Produkt:.. die Einteilung der Welt in ein „Drinnen und Draußen“, des Privaten und des Öffentlichen, Bereiche von Heimlichkeit und ...öffentlicher Sichtbarkeit, ...Sphären des Intimen und des Formal-Funktionalen ...“[4] . Dies heißt ganz plastisch, dass viele Frauen nicht auf der „Männerdomäne Strasse [5] auftauchen und damit nicht in „Straßenbezogenen“ Wohnungslosen Statistiken zu erfassen sind.

Selbst gewalterfahren, aus Abhängigkeitsbeziehungen kommend, wollen sie sich vor Gewalt schützen, wollen schamhaft nicht gesehen werden, wollen durch Anpassung Bleibe und Unterschlupf finden, häufig wieder durch Eingehen von Abhängigkeitsbeziehungen, auch zu Männern.

FrauenFragen wie: „Was bringt diese Frauen zu einem scham-, schuldhaften Selbstverständnis?“ und: „Wie kommt es zu ihrer müden Sprachlosigkeit und Anpassung ?“ drängen sich auf, um zu ergründen, was ihrer Bedürfnislage entsprechende not-wendige angemessene Unterstützungsangebote sein könnten.

„Wie also können mehr dieser Frauen überhaupt noch Zugriffsmöglichkeit zum Wohnungslosen - Hilfesystem erhalten, wenn der Zugang direkt über Strasse nicht oder nur bedingt möglich ist?“

Die Tatsache, dass in der Wohnungslosenhilfe in BaWü lediglich „16 von 250 Einrichtungen frauenspezifische Angebote haben“ [6] ,. ist somit eine Herausforderung weiter zu fragen.

Das gängige, männlich tradierte Verständnis von Wohnungslosigkeit geht an den Lebensverhältnissen, Bewältigungsstrategien, (Ressourcen und Wünschen) von Frauen (in dieser Situation) vorbei, es diskriminiert sie und bietet kaum entsprechende Angebote im Hilfesystem“ [7] .

Aus diesen Tatsachen und der Feststellung, dass die „Wohnungslosenhilfe eine klar männliche Hilfeangebots Tradition hat, sowohl das Klientel als auch die (leitenden) Mitarbeiter [8] betreffend, ergibt sich für mich die praktische Fragestellung:

„Was sollen wir Frauen heute in der sozialen Arbeit mit Frauen ohne Wohnung tun?“, „Braucht es neue Angebote in der Wohnungslosenhilfe,

Frauen mit Frauen / Frauen für Frauen ?“

Offensichtlich ist es not-wendig, geschlechtsspezifische Konzepte zu entwickeln, neue Verständnis Zugänge zu erarbeiten, offensichtlich sind jetzt Frauen zu fragen. Offensichtlich braucht es jetzt neue Ideen, um diese „stummen“ Frauen überhaupt zu erreichen, sie wirklich „gleich“ zu behandeln und ihnen „gerecht“ zu werden, ihnen ergreifbare Chancen zu geben. Offensichtlich gibt es unterschiedliche Bedeutungsinhalte in Wertebegriffen ...,

Was sollen wir Frauen also tun, wie ist das zu verstehen?

Mit diesen Fragen suchte ich unter dem Überbegriff „Ethik“ nach Antworten und handlungsleitenden Ideen.

Ich habe so die feministische Ethik entdeckt, denn da kamen dezidiert Frauenanliegen vor und wurde praktisch Stellung bezogen zu konkreten Frauenfragen.

3. Feministische (Sozial)Ethik, Hinführung und Begriffsbestimmung

Die angewandte Ethik oder auch praktische Ethik in der praktischen Philosophie beschäftigt sich mit der praktischen Anwendung moralischer Prinzipien der normativen, universalistischen Ethik auf konkrete moralische Konfliktsituationen. Erst seit den 70er Jahren wird dieses Teilgebiet so benannt. Die ersten Veröffentlichungen waren im Bereich der Medizinethik und Bioethik. Sozialethik, sowie Berufsethik, Technikethik und andere spezielle Gebiete entwickelten ihre Eigenständigkeit durch praktische konkrete Fragestellungen aus den entsprechenden Bereichen und sind traditionell klar getrennte Disziplinen.

Feministische Ethik kann an dieses Selbstverständnis, das die grundsätzliche Interdisziplinarität der Ethik bejaht, anschließen. Sie greift in vielfältiger Weise auf Forschungsprozesse außerhalb der eigentlichen philosophischen

bzw. theologischen Disziplin Ethik zurück. Was feministische Ethikerinnen sicher nicht übernehmen können, ist die eingespielte Aufteilung der Ethik in Teilgebiete wie Sexualethik, Wirtschaftsethik, politische Ethik, Sozialethik, Umweltethik,

Arbeitsethik, Bioethik etc. Denn diese Unterteilung spiegelt genau die patriarchale Ordnung. Wer ohne Bedenken das Gegenüber von Sexualethik und Wirtschafts- oder politischer Ethik akzeptiert, nimmt die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre als gegeben hin, die feministische Ethik

gerade überwinden will.

Sozialethik nach der Definition aus dem deutschen Wörterbuch ist:

„das sittliche Wollen auf der Grundlage des Gemeinschaftsbewusstseins, Lehre von den ethischen Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft.“ [9]

[...]


[1] W. Schlüter Sozialphilosophie in: Stimmer, F., Lexikon der Sozpäd und Sozarb, München 2000b, S.683-687

[2] Ina Praetorius, Skizzen zur feministischen Ethik, Grünewald, Mainz, 1995, S. 172

[3] LIGA BaWü Stichtagserhebung 2004, Stgt

[4] C. Helfferich, A. Hägele, A. Heneka, Wohnen ohne „dritte Haut“, in Zeitschrift für Frauenforschung

und Geschlechterstudien, Freiburg, 2000, H. 3, Jg. 18, S. 74-95

[5] BAG Wohnungslosenhilfe in: Wohnungsnot-Die Bedeutung für Frauen-Eine Darstellung der Situation, Bielefeld,1993

[6] LIGA BaWü Stichtagserhebung 2004, Stgt

[7] Cornelia Seitz, in Referat zu Gendermainstreaming Projektgruppe Frauen der Erlacher Höhe 2005

[8] nach Kiebel, Felis, Huber in .. und führet sie in die Gesellschaft, 1991, Eigenverlag Erlacher Höhe, Großerlach, S.55 ff

[9] Wahrig, deutsches Wörterbuch, Bertelsmann Verlag 1991, S. 1195

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Frauenfragen "Was sollen wir Menschen tun?" - Frauenantworten. Ansätze feministischer Sozialethik
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart
Veranstaltung
Ethik
Note
1,9
Autor
Jahr
2005
Seiten
30
Katalognummer
V45696
ISBN (eBook)
9783638430531
ISBN (Buch)
9783638684644
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenfragen, Menschen, Frauenantworten, Ansätze, Sozialethik, Ethik
Arbeit zitieren
Gisela Jung (Autor:in), 2005, Frauenfragen "Was sollen wir Menschen tun?" - Frauenantworten. Ansätze feministischer Sozialethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45696

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