Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ernährung im Kindes- und Jugendalter
2.1 Empfehlungen der DGE
2.2 Ernährungsbericht 2008 (VELS und EsKiMo)
3. Ernährungserziehung in der Schule
4. Vergleich von Unterrichtsmaterialien
4.1 Materialien für die Grundschule
4.1.1 „5 am Tag“ macht Schule
4.1.2 „Die Kuh“
4.2 Materialien für die Sekundarstufe I und II
4.2.1 „5 am Tag“ macht Schule
4.2.2 Lerneinheit „Verschiedene Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit“
4.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Es gibt keine Maßnahme zur Vorbeugung gegen Krankheiten, die wirkungsvoller und kostengünstiger wäre als richtige Ernährung“1. Diese Tatsache sollte man auch aus folgenden Gründen als Leitfaden und Motivation für die Ernährungserziehung in der Schule übernehmen: Zum einen ist eine gesunde Ernährung für das Wachstum und die Entwicklung von Kindern sehr wichtig, zum anderen werden die im Kindesalter eingeübten Essgewohnheiten größtenteils im Erwachsenenalter beibehalten. Als ein Teil übergeordneter Lernziele muss daher die Ernährungserziehung eine entscheidende Rolle in der Schule spielen. Sie muss dafür sorgen, dass aus gesunden Kindern gesunde Erwachsene werden, denn die Gesundheit ist eine entscheidende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
Das Ziel dieser Hausarbeit ist es, ausgewählte Unterrichtsmaterialien zum Thema Ernährung vorzustellen und Unterschiede zwischen den Altersstufen heraus zu arbeiten. Dabei werde ich zeigen, dass in der Grundschule besonders die praktischen Erfahrungen mit Ernährung im Mittelpunkt stehen, und dass in der Sekundarstufe die Wissens-vermittlung und Reflexion zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Zu Beginn dieser Hausarbeit werde ich jedoch zunächst den heutigen Stand der Ernährung von Kindern und Jugendlichen aufzeigen und anschließend argumentieren, dass die Ernährungserziehung nicht den geforderten Stellenwert in den Curricula der hessischen Schulformen hat. Im letzten Kapitel möchte ich schließlich alle gesammelten Informationen zusammenführen und ein Fazit ziehen.
2. Ernährung im Kindes- und Jugendalter
Im folgenden Kapitel werde ich einen kurzen Überblick über die wichtigsten Fakten zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland geben. Als verlässliche Quellen dienen hierbei die Publikationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Konkret werde ich zunächst auf die Empfehlungen der DGE zur Ernährung eingehen und damit eine Art „Soll-Zustand“ umreißen. Anschließend werde ich die auffälligsten Ergebnisse des Ernährungsberichtes 2008 über Jugendliche zusammenfassen um aufzudecken, welche der Empfehlungen im „Ist-Zustand“ ausreichend erfüllt werden und an welchen Stellen Defizite herrschen.
2.1 Empfehlungen der DGE
Als anschauliche Grundlage für die aktuellen Ernährungsempfehlungen dient zum Beispiel die dreidimensionale Lebensmittelpyramide der DGE, die ein „sehr praxisnahes Modell [ist], das sich in Unterricht, Schulungen und Veranstaltungen von Ernährungsinformationen bewährt hat.“2 Diese Pyramide zeigt sowohl qualitative als auch quantitative Empfehlungen für die einzelnen Lebensmittelgruppen. Dabei werden vier Gruppen unterschieden, nämlich pflanzliche Lebensmittel, tierische Lebensmittel, Fette und Öle sowie Getränke. Die Grundlage der Pyramide stellt der Ernährungskreis dar, in dem der prozentuale Gewichtsanteil der vier Lebensmittelgruppen an der täglichen Nahrung dargestellt wird (In den Unterrichtsmaterialien wird der Ernährungskreis mit 7 Segmenten bevorzugt verwendet, vgl. Kapitel 4). Traditionell sollte der Großteil des täglichen Energiebedarfs aus ballaststoffreichen Getreideprodukten und Obst und Gemüse gedeckt werden. An den vier Pyramidenseiten sieht man qualitative Unterschiede innerhalb der vier Lebensmittelgruppen. Zusätzlich hat die DGE 10 Regeln formuliert, die die wichtigsten Tipps für eine ausgewogene und gesunde Ernährung in prägnanter Form enthalten. (Unter anderem 1: Vielseitig essen; 2: Reichlich Getreideprodukte und Kartoffeln; 3: Gemüse und Obst – nimm „5“ am Tag etc.) Darunter finden sich nicht nur Tipps über empfohlene Lebensmittel, sondern auch Hinweise das Essen zu genießen (etwa Regel 9: „Nehmen sie sich Zeit, genießen sie ihr Essen“3 ). Neben den Angaben zu bestimmten Lebensmittelgruppen und empfohlenen Mengenangaben sind auch noch der Zeitpunkt und die Dauer der täglichen Mahlzeiten bedeutsam. Biesalski und Grimm geben im Taschenatlas Ernährung folgende Hinweise: So werden heute etwa 5-6 Mahlzeiten empfohlen, die man regelmäßig über den Tag verteilen sollte. Für den Kontext der Schule sind besonders die Angaben zum Frühstück interessant: So sollte zwischen 7 und 8 Uhr morgens ein erstes Frühstück eingenommen werden, dass etwa 25% der täglich aufgenommenen Energie enthält. Gegen 11 Uhr werde im Allgemeinen die Leistungsspitze für den Tag erreicht, zu diesem Zeitpunkt sei ein zweites Frühstück zu empfehlen. Auffallend an der Grafik ist der Zeitpunkt des Abendessens, der, nach einem Imbiss um 18h, zwischen 22 und 23 Uhr angegeben wird. Umso erstaunlicher ist für mich, dass zu diesem späten Zeitpunkt nochmals 25% der Tagesmenge aufgenommen werden sollte. In diesem Fall muss man feststellen, dass das Modell für Schüler nicht geeignet ist, denn im Allgemeinen wird das Abendessen in Deutschland viel früher eingenommen, insbesondere in Familien mit jüngeren Schülern.
2.2 Ernährungsbericht 2008 (VELS und EsKiMo)
Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird alle vier Jahre ein Ernährungsbericht von der DGE veröffentlicht, der neben ausgewählten Themen vor allem den aktuellen Ernährungszustand der deutschen Bevölkerung beschreibt. Im ersten Teil des Ernährungsberichtes 2008 gibt es ein Unterkapitel mit der Überschrift „Lebensmittelverzehr und Nährstoffzufuhr im Kindes- und Jugendalter“. Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Punkte dieses Kapitels, mit den relevanten Informationen aus den vorgestellten Studien, zusammenfassen.
Eine der beiden Studien, welche im Ernährungsbericht ausführlich erwähnt werden ist die „Verzehrstudie zur Ermittlung der Lebensmittelaufnahme von Säuglingen und Kleinkindern (VELS)“ (vgl. DGE 2008: 49ff). Diese untersuchte den Lebensmittelverzehr und die Nährstoffzufuhr von Kleinkindern im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren. Als Richtlinie für eine Interpretation der gewonnenen Daten wurden hierbei die Empfehlungen vom Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund übernommen, die mit dem Konzept zur optimierten Mischkost (optimix®) eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur gesunden Ernährung bei Kindern erstellt haben. Die wichtigste Erkenntnis aus der VELS-Studie ist der für Kleinkinder unzureichende Konsum wichtiger Lebens-mittelgruppen. Festgestellt wurde etwa, dass der Obst- und Gemüseverzehr in allen Altersgruppen zu niedrig ist. So wird zum Beispiel nur im Alter von 1-2 Jahren die empfohlene Menge an Obst verzehrt. Ebenfalls gibt es ein Defizit bei der Versorgung mit pflanzlichen Lebensmitteln. Die empfohlene Menge für den Kartoffel- und Nährmittelverzehr (Nudeln, Reis etc.) wurde nur zu 60% erreicht. Beim Verzehr von Milchprodukten und Fleisch zeigt sich ein differenzierteres Bild und eine große Streuung der festgestellten Werte: Zwar wird der Großteil der Kinder relativ ausreichend mit Milchprodukten und Fleisch versorgt, allerdings bekommen etwa 19% der Kinder weniger als die Hälfte der empfohlenen Fleischmenge und etwa genauso viel bekommen mehr als das Doppelte des Richtwertes. Bei den Milchprodukten zeigt sich ein ähnliches Bild. Auffallend ist hierbei, dass 30% der Mädchen und 22% der Jungen nicht einmal die Hälfte der empfohlenen Menge an Milch bekommen (vgl. DGE 2008: 54ff.)
Bezüglich der Ernährung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6-18 Jahren gibt die EsKiMo-Studie detaillierte Auskunft. Die Studie differenziert noch einmal zwischen Kindern von 6-12 Jahren und Jugendlichen zwischen 13-18 Jahren, aufgrund der unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse setzen im Wesentlichen die Tendenzen aus der VELS-Studie fort und decken unter anderem auf, dass der Konsum von Gemüse und Obst viel zu gering ist. Lediglich 6% der Kinder (6-12 Jahre) verzehren die empfohlene Menge an Gemüse, und 19% die für Obst. Die Werte verbessern sich in der Gruppe der Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren, sind dort aber dennoch zu niedrig: nur 19% der Jungen und 30% der Mädchen verzehren die empfohlene Gemüsemenge. Während die Zufuhr von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln durchweg zu gering ist, übersteigt der Fleischkonsum signifikant das Mittelmaß: Jugendliche von 13-18 Jahren verzehren im Durchschnitt doppelt soviel Fleisch als durch das optimix® -Konzept empfohlen wird (vgl. DGE 2008: 60 ff.).
Im Hinblick auf die erhobenen Daten über das Essverhalten Jugendlicher schlussfolgert die DGE: „Eine Steigerung des Verzehrs von Gemüse und anderen pflanzlichen Lebensmitteln ist aus präventiv-medizinischer Sicht schon im frühen Kindesalter zu empfehlen.“4 Wenn die Jugendlichen von heute wie eingangs erwähnt, ihr durch die Studien VELS und EsKiMo dargestelltes Ernährungsverhalten im Erwachsenenalter beibehalten, werden Adipositas, Herz- Kreislauferkrankungen und weitere gesundheitliche Schäden die Folge sein. Dem gilt es mit entsprechender Ernährungserziehung in der Schule entgegenzuwirken um den Jugendlichen die Grundlagen gesunder Ernährung zu vermitteln. Die Ernährungserziehung muss daher einen besonderen Rang in der schulischen Erziehung einnehmen, weil eine gesunde und ausgewogene Ernährung unerlässlich ist für geistige und körperliche Fitness.
Im folgenden Kapitel geht es um die Bedeutung der Ernährungserziehung in der Schule.
3. Ernährungserziehung in der Schule
Das Thema Ernährung hat in der Schule leider nicht den nötigen Stellenwert, sondern fristet sein Dasein lediglich als marginaler Bestandteil in den Lehr- und Rahmenplänen der hessischen Schulformen. So wird Ernährung als Unterrichtsthema z.B. im hessischen Rahmenplan für Grundschulen lediglich unter dem Aspekt der Gesundheitserziehung aufgeführt. Als eines der „Fächerübergreifende[n] Aufgabengebiete“5 soll die Gesundheitserziehung flexibel und „mehrperspektivisch“ in den Schulalltag integriert werden sollen. Das Ziel ist es „die Kinder zu zielgerichtetem, gesundheitsorientiertem Handeln zu befähigen“6. Wie in den vorigen Kapiteln deutlich wurde, spielt für ein gesundes Leben die Ernährung eine entscheidende Rolle. Daher ist es unverständlich, dass Ernährung nur als ein Teil eines Schwerpunktthemas erwähnt wird (vgl. S. 267 des Rahmenplans). Umso überraschender ist, dass „ausgewogene Ernährung“ anscheinend gleichbedeutend mit Themen wie „Den Jahreszeiten […] angemessene Kleidung“ und „Umweltgifte“ aufgelistet wird (Ebd.). Lobenswert ist zwar der Vorschlag, ein gemeinsames Frühstück stattfinden zu lassen, allerdings werden zu keinem Zeitpunkt verbindliche Unterrichtsvorschläge gemacht. In meinen Augen ist das Thema Ernährung im Rahmenplan Grundschule daher stark unterrepräsentiert und wird als wichtiges Lernziel für Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren in seiner Bedeutung unterschätzt.
Im Lehrplan Biologie für Gymnasien ist in der fünften Klasse das Thema Ernährung vorgeschrieben. Es sollen hier 30 Stunden verwendet werden um das Themengebiet „Mensch“ zu bearbeiten. Das Ziel dieser Unterrichtseinheit ist aber in erster Linie die Einsicht „in Bau und Funktion einzelner Organe“7 des menschlichen Körpers. Die Ernährung wird hier ebenfalls nur als ein Teil eines größeren Themengebietes angesehen und steht nicht im Mittelpunkt.
Diese beiden Beispiele aus den offiziellen Vorgaben des Kultusministeriums lassen wenig konkretes Lernpotential erkennen. Es scheint, als stünde das Thema Ernährung also nur der „Vollständigkeit halber“ auf dem Stundenplan. In Hinblick auf die ernüchternden Ergebnisse der EsKiMo-Studie könnte man provokativ sagen, dass die Schüler anscheinend in der Schule nicht ausreichend lernen, was eine gesunde Ernährung ist.
[...]
1 K.H. Bässler im Geleitwort zum Taschenatlas Ernährung von Biesalski und Grimm (2007)
2 Biesalski und Grimm (2007): 6
3 Ebd.
4 DGE 2008: 386
5 Hessisches Kultusministerium 1995: 265
6 Hessisches Kultusministerium 1995: 266
7 Hessisches Kultusministerium (): 10