Medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern und ihr Einfluss auf die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten


Bachelorarbeit, 2016

79 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Thematische Einführung

2. Grundlagen der medizinischen Versorgung der Krankenhäuser

3. Medizinische Spezialisierung der Krankenhäuser
3.1. Gründe für die medizinische Spezialisierung
3.2. Einschränkungen der medizinischen Spezialisierung
3.3. Folgen und Möglichkeiten der medizinischen Spezialisierung

4. Einfluss auf die regionale Versorgung
4.1. Überblick über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
4.2. Medizinische Spezialisierung und regionale Versorgung in ländlichen Regionen
4.3. Auswirkungen der medizinischen Spezialisierung von Krankenhäusern auf den Rettungsdienst
4.3.1. Grundlagen des Rettungsdienstes – Zahlen, Daten, Fakten
4.3.2. Herausforderungen für den Rettungsdienst
4.3.2.1. Anstieg der Einsatzzahlen
4.3.2.2. Der Faktor „Zeit“
4.3.2.3. Herausforderung Sekundärverlegung
4.3.2.4. Weitere Herausforderungen

5. Lösungsansätze für den Konflikt zwischen medizinischer Spezialisierung von Krankenhäusern und regionaler notfallmedizinscher Versorgung
5.1. Die Tele-Portalklinik
5.2. Telemedizinische Vernetzung von Krankenhäusern
5.3. Veränderungen im Rettungsdienst
5.3.1. Telemedizin und Rettungsdienst
5.3.2. Notfallmediziner und Notfallsanitäter
5.3.3. Veränderungen im Fuhrpark
5.3.4. Zukunftsmodell: Hubschrauberversorgung statt Rettungswagen?

6. Notfallmedizinische Versorgung im Landkreis Bayreuth
6.1. Status Quo und Vergleich zweier Leitstellenbereiche
6.2. Ausblick über zukünftige Entwicklungen

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Thematische Einführung

Der Krankenhaussektor ist einer der Bereiche im deutschen Gesundheitswesen, in dem in den letzten Jahren viele Veränderungen durchgeführt wurden. Eine der bedeutendsten war die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG’s), die seit 2004 verbindlich in deutschen Krankenhäusern angewandt werden.1 Dieses ökonomisch-medizinische Klassifizierungssystem zur Abrechnung der Krankenhaus-Fallpauschalen, nach dem Vorbild des australischen DRG-Systems entwickelte Konzept, begründete die Abkehr von dem vorher herrschenden Selbstkostendeckungsprinzip. Die Folgen für die Krankenhäuser waren gravierend. So sank nicht nur die durchschnittliche Verweildauer der Patienten, auch die Zahl der Krankenhäuser sank von 2.242 im Jahr 2000 auf 1.994 im Jahr 2013. Im gleichen Zeitraum ging folglich auch die Anzahl der Krankenhausbetten von 559.651 (2000) auf 500.671 (2013) zurück.2 Eine weitere Konsequenz ist die Zunahme von Privatisierungen im Zuge des sogenannten Trägerstruktureffekts.3 Den wohl größten Einfluss hatten die DRG’s aber vermutlich auf die wirtschaftliche Performance der Krankenhäuser. Der Druck gewinnbringend und effektiv zu arbeiten ist seitdem für das Krankenhausmanagement von tragender Bedeutung. Die Daten des DKI spiegeln die prekäre Situation wider. Im Jahr 2013 schrieben 42,2% der deutschen Krankenhäuser rote Zahlen, nur 45,6% erzielten einen Gewinn.4

Eine Chance, aus dieser schwierigen Situation zu entkommen, sehen viele Krankenhäuser in der Spezialisierung auf bestimmte medizinische Teilbereiche oder der kompletten Spezialisierung auf ein festes Leistungsangebot. Gründe dafür gibt es einige. Zum einen erhoffen sich die Kliniken Skaleneffekte. Das bedeutet, dass man bei einer höheren Anzahl an durchgeführten Behandlungen einer DRG Kosten senken und folglich auch die Erlöse steigern kann. Zum anderen wollen Krankenhäuser durch die Konzentration auf einen bestimmten medizinischen Bereich auch eine Qualitätsverbesserung erzielen. Denn eine gute Qualität führt bei Veröffentlichung der Daten häufig zu einer erhöhten Nachfrage durch die Patienten.5

Die Spezialisierung hat allerdings auch negative Folgen. Gerade für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten bedeuten mehr spezialisierte Krankenhäuser oft auch längere Wege in eine für die Erkrankung geeignete Klinik. Doch nicht nur die Bevölkerung hat damit zu kämpfen, auch für die Rettungsdienste bedeutet diese Entwicklung eine große Veränderung. Die Transportwege werden länger, folglich auch die Zeitspanne in der die Fahrzeuge nicht für anderweitige Einsätze verfügbar sind. Ebenfalls ist zu erkennen, dass die Zahl an Interhospitaltransfers, also Verlegungen zwischen Krankenhäusern, kontinuierlich in den letzten Jahren angestiegen ist.6

Welche Herausforderungen für die notfallmedizinische Versorgung in ländlichen Gebieten durch die medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern entstehen und wie die Lösungsvorschläge aussehen, soll in dieser Arbeit erörtert werden. Dazu werden zunächst einige rechtliche Grundlagen und Neuerungen der Krankenhausversorgung dargestellt. Danach folgen die Gründe, Folgen und Einschränkungen der medizinischen Spezialisierung. Anschließend wird auf die Auswirkungen für die Bevölkerung und den Rettungsdienst eingegangen. Im fünften Kapitel werden diverse Lösungsansätze vorgestellt. Vor einem abschließendem Fazit wird noch die Situation im Landkreis Bayreuth beleuchtet und mit einem anderen ländlichen Leitstellenbereich, dem der ILS Hochfranken, verglichen, sowie ein Ausblick über zukünftige Entwicklungen gegeben.

2. Grundlagen der medizinischen Versorgung der Krankenhäuser

Das Thema „Gesundheit“ ist im Grundgesetz nicht direkt manifestiert, jedoch fordert Artikel 2 Absatz 2 GG für alle Bürger das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das Krankenhaus ist ein wichtiger Faktor für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Dies lässt sich auch durch Zahlen belegen. Im Jahr 2013 wurden 35% aller Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Krankenhausversorgung getätigt, insgesamt ein Betrag von 64,8 Mrd. €. Hinzu kommen noch 3,7 Mrd. € von der Privaten Krankenversicherung (PKV).7

Die Definition eines Krankenhauses ist in § 2 Nr. 1 KHG festgelegt und besagt, dass ein Krankenhaus eine Einrichtung ist, in der durch ärztliche und pflegerische Tätigkeiten Krankheiten, Leiden und Schädigungen des Körpers diagnostiziert und behandelt werden sollen. Eine stationäre Behandlung darf allerdings nur durchgeführt werden, wenn das Behandlungsziel ambulant, teil-, vor- und nachstationär nicht zu erreichen ist (§ 39 Satz 1 SGB V). Die Behandlung im Krankenhaus ist dann nach § 12 Satz 1 SGB V unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu erbringen, das heißt, „das Maß des Notwendigen“ darf nicht überschritten werden.8 Zur Abrechnung von Leistungen muss das Krankenhaus nach § 108 SGB V zugelassen sein. Dafür bedarf es der Aufnahme in den von einem Bundesland erstellten Landeskrankenhausplan. Der Detaillierungsgrad dieser Krankenhausplanung unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Während Bayern beispielsweise die Bettenzahl auch nach Fachdisziplinen vorgibt, werden in Nordrhein-Westfalen und Sachsen nur Gesamtbettenzahlen vorgegeben.9 Eine bestehende Problematik der Krankenhausplanung ist, dass nicht festgelegt ist, wie engmaschig die flächendeckende Krankenhausversorgung in Deutschland sein soll.10 Ist ein Krankenhaus in den Landeskrankenhausplan aufgenommen besteht für die Krankenkassen ein Kontrahierungszwang, folglich sind sie verpflichtet Krankenhausleistungen abzurechnen.11

Die Finanzierung von Krankenhäusern erfolgt in Deutschland über das duale System, das heißt, die laufenden Betriebskosten für Behandlungen erstatten die Krankenkassen, während Investitionskosten durch öffentliche Förderungen der Bundesländer bereitgestellt werden. Gerade bei den Investitionskosten bestehen in Deutschland jedoch große Defizite. So erfüllt aktuell kaum ein Bundesland die gesetzliche Investitionspflicht und die Tendenz der Investitionen ist seit Jahren sinkend, von 3,4 Mrd. € im Jahr 2000 auf 2,7 Mrd. € im Jahr 2013.12 Die Folge ist ein bestehender Investitionsstau bei deutschen Krankenhäusern, der sehr unterschiedlich beziffert wird, von 12 Mrd. €13 über 50 Mrd. €14 bis hin zu 102,3 Mrd. €15. Die direkte Auswirkung der fehlenden Investitionen sind veraltete Infrastrukturen der Krankenhäuser, vor allem zum Teil unvorteilhafte, marode Gebäude und veraltete Medizintechnik.16 Als Konsequenz daraus müssen Krankenhäuser selbst die Investitionskosten tragen, Voraussetzung dafür sind Gewinne bei den Betriebskosten.17 Die Betriebskosten werden nach DRG’s erstattet. Es existieren derzeit 1220 Fallpauschalen und 179 Zusatzentgelte.18 Die DRG’s werden zunächst nach Hauptdiagnosegruppen klassifiziert und anschließend nach Art der Behandlung und Berücksichtigung von Komplikationen und Nebenerkrankungen eingestuft. Jeder DRG wird ein Kostengewicht zugeordnet, welches dann mit dem Landesbasisfallwert multipliziert wird. Der endgültige DRG-Erlös ist anschließend weiterhin abhängig von diversen Faktoren, unter anderem der Verweildauer oder einer Krankenhausverlegung. Das InEK überarbeitet jährlich den Landesbasisfallwert, sodass es regelmäßig zu Abänderungen der finanziellen Vergütung und der Klassifizierung kommen kann.19

Eine weitere wichtige gesetzliche Vorgabe für Krankenhäuser ist die am 20.12.2005 in Kraft getretene Mindestmengenregelung. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Qualität bei gewissen operativen Eingriffen zu steigern. Erfüllt ein Krankenhaus die vorgegebene Menge an Operationen nicht, darf es die betreffende Leistung nicht mehr im Leistungskatalog führen.

Nachdem zunächst bei zwei Eingriffen, die unter die Mindestmengenregelung fallen, durch das LSG Berlin-Brandenburg der Zusammenhang zwischen Menge und Qualität als „wissenschaftlich nicht erwiesen“ eingestuft wurde, wurde 2011 für die betroffenen Eingriffe die Mindestmenge außer Kraft gesetzt.20 Seit dem 24.12.2015 gelten jedoch wieder für folgende Operationen nach §137 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 SGB V die Mindestmengenvorgaben: Lebertransplantationen, Nierentransplantationen, komplexe Eingriffe am Ösophagus, komplexe Eingriffe an der Pankreas, Stammzellentransplantation, Kniegelenk-TEP, Koronarchirurgische Eingriffe sowie die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 g. Um die Forderung nach hoher Qualität beim Outcome einer Krankenhausbehandlung zu unterstreichen, wurde zum 01.01.2016 das Krankenhausstrukturgesetz in die Wege geleitet. Zum einen wurde im Zuge des KHSG die Mindestmengenregelung rechtssicher gestaltet, zum anderen beschlossen, dass Krankenhäuser mit dauerhaft schlechter Qualität vom Landeskrankenhausplan ausgeschlossen werden sollen.21 Auch wird es zukünftig Zuschläge bei den Entgelten für Krankenhäuser mit hoher Ergebnisqualität geben und im Gegenzug Abschläge für Krankenhäuser mit niedriger Qualität. Der G-BA ist dazu angehalten, bis zum 31.12.2016 Qualitätskriterien festzulegen, anhand derer dann die Ergebnisse gemessen werden können (§ 136c Abs.1 SGB V – E). Die Krankenkassen haben durch das KHSG ebenfalls eine Möglichkeit erhalten Anreize für eine höhere Qualität zu schaffen. Der neu eingeführte Paragraph §110a SGB V erlaubt es ihnen, mit den Krankenhäusern Verträge über bestimmte Leistungen abzuschließen und Leistungsanreize zu setzen.

Doch nicht nur bei der Qualität wurden gesetzliche Vorgaben erlassen, auch bei der Finanzierung gibt es Neuerungen. So soll es nach § 5 Abs. 2 KHEntG – E Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser geben, die finanzielle Verluste erwirtschaften. Die Höhe dieser Zuschläge ist krankenhausindividuell verhandelbar. Ziel ist es, weiterhin eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.22 § 136 Abs. 5 SGB V – E lässt auch die Aussetzung der Mindestmengenregelung zu, sollte die flächendeckende Versorgung durch die Streichung eines Eingriffs aus dem Leistungskatalog gefährdet sein.

Des Weiteren soll dem Investitionsstau entgegengewirkt werden. Zum Abbau werden einmalig 1. Mrd. € nach § 12 Abs. 1 KHG – E zur Verfügung gestellt.

Allerdings gibt es auch Kritik an den eingeführten Maßnahmen. Zum einen haben Krankenhäuser ein Jahr Zeit die Qualitätsmängel zu beheben, bevor es Abschläge gibt. Es wird folglich für lange Zeit eine schlechte Ergebnisqualität zu Lasten des Patienten geduldet. Zudem verringern Abschläge die Chance der Krankenhäuser in Verbesserungen zu investieren. In ländlichen Regionen ist es durchaus möglich, dass die schlechtere Qualität nur an den geringeren Fallzahlen gegenüber städtischen Krankenhäusern liegt. Letztendlich werden diese Krankenhäuser damit für ihre ländliche Lage bestraft und ihnen werden wichtige Investitionsmöglichkeiten entzogen.23 Dieser Aspekt könnte ein weiterer Grund für ländliche Krankenhäuser werden, die medizinische Spezialisierung voran zu treiben.

3. Medizinische Spezialisierung der Krankenhäuser

3.1. Gründe für die medizinische Spezialisierung

Die Beweggründe für die medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist der wirtschaftliche Druck, der mit Einführung der DRG’s größer wurde. Während in den Jahren seit der Einführung die Kosten jährlich anstiegen, stagnieren die Erlöse, die abhängig von der Anpassung des jeweiligen Landesbasisfallwertes sind. Grund hierfür waren zum Teil die erfolgreichen Tarifverhandlungen der Personalvertreter. Die Folge ist eine immer weiter auseinander gehende Schere zwischen Kosten und Erlösen.24 Der erhoffte Effekt, den Krankenhäuser durch die medizinische Spezialisierung erzielen wollen, ist, dass durch häufiges Durchführen einer bestimmen Behandlung durch Lernkurveneffekte die Kosten gesenkt und somit der Gewinn pro Patient gesteigert werden kann.25 Um diese Kostenvorteile zu erreichen, kann nicht das gesamte Leistungsspektrum angeboten werden.

Folglich konzentriert man sich auf ein Kerngebiet, das bisher schon angeboten wurde und auch finanziell ansprechend ist und versucht in diesem Teilbereich durch effizientes und wirtschaftliches Arbeiten Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Die Spezialisierung ermöglicht in diesem Fall ein besseres Kalkulationsschema für Aufwendungen und Erträge zu erstellen, da man weiß, welche Leistungen angeboten und welche Ressourcen dafür benötigt werden.26 Des Weiteren können teure Gerätschaften, die sonst eine niedrigere Auslastung hätten, ökonomischer genutzt werden, auch bei Krankheiten, die ansonsten eher selten auftreten.27 Die dadurch erzielten möglichen Gewinne sind für die Krankenhäuser vor allem zu Investitionszwecken wichtig. Da, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, vom Staat nur noch wenige Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden, müssen die Krankenhäuser selbst in Infrastruktur und moderne technische Gerätschaften investieren. Aktuell werden schon 36% der Investitionen durch Eigenmittel der Krankenhäuser getätigt, mit steigender Tendenz.28 Diese Eigenmittel reichen jedoch häufig nicht aus, sodass Krankenhäuser für ihre Investitionen Kredite aufnehmen müssen. Hier zeigt sich wiederum ein großer Vorteil der Spezialisierung. Krankenhäuser mit hohem Spezialisierungsgrad stehen beim Rating ihrer Bonität signifikant besser da, als ihre Mitkonkurrenten die nicht spezialisiert sind.29

Neben den finanziellen Aspekten ist ein weiterer Grund für die medizinische Spezialisierung der erhöhte Qualitätsdruck durch den Gesetzgeber und die Kostenträger. Eine erhöhte Eingriffszahl führt nach Meinung vieler Experten zu einer gewissen Behandlungsroutine und ermöglicht den Ärzten so, auf Probleme bei der Behandlung zu reagieren und bei unvorhergesehenen Komplikationen zu intervenieren.30 Das war unter anderem auch der Grund für die Einführung der Mindestmengenregelung, die durch das KHSG jetzt noch einmal verschärft wurde. Erreicht ein Krankenhaus nicht die vorgegebenen Qualitätsstandards wird es künftig geschlossen. Die Einführung der Mindestmengen führte zu weitreichenden Konsequenzen. Viele Krankenhäuser schieden bei gewissen medizinischen Eingriffen aus dem Versorgungsplan aus.

Eine Umfrage unter Kliniken 2007 zeigte, dass beispielsweise 11,1% weniger Krankenhäuser Knie-TEP‘s anboten, 9.3% weniger Ösophagus-Eingriffe und 4,8% weniger Pankreas-Eingriffe.31 Die Folgen, die die befragten Krankenhäuser in der Umfrage nannten, waren gravierend. 38,5% gaben an, eine schlechtere Außendarstellung gegenüber vorher zu haben. 46% monierten eine deutliche Verschlechterung der Wettbewerbsposition gegenüber Einweisern und 30,5% eine verschlechterte Wettbewerbsposition gegenüber den Patienten.32

Bei den Patienten setzt ein weiterer Grund für die medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern an. Krankenhäuser sind mittlerweile in den Medien omnipräsent. So veröffentlicht beispielsweise die Zeitschrift „Focus“ regelmäßig eine Klinikliste, in der die besten Krankenhäuser sowie auch die besten Ärzte Deutschlands nach Meinung der Zeitschrift aufgelistet sind. Diese Ranglisten stehen auf der Interessenliste der Bürger ganz weit oben, da gerade bei elektiven Behandlungen die Chance besteht, sich über die optimale Klinikwahl Gedanken zu machen.33 Die Berichterstattung wirkt sich auf die Meinungsbildung der potentiellen Patienten aus und so müssen Krankenhäuser versuchen, ein positives Bild in der Öffentlichkeit zu wahren. Der Zugriff auf solche Listen ist in Zeiten des Internets und Smartphones problemlos jederzeit möglich. Viele Krankenhäuser reagieren auf diese Tatsache und stellen ihren Leistungskatalog, die Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten sowie den Qualitätsbericht online.34 Eine Teilnahme an internationalen klinischen Anwendungsstudien ist da beispielsweise ein positiver Werbeeffekt, mit dem hochgradig spezialisierte Krankenhäuser punkten können.35 Diese Transparenz war durch die Einführung der DRG’s erhofft wurden und verschärft den Wettbewerb der Krankenhäuser um ihre potentiellen Patienten. Krankenhäuser, die ihre Daten publizieren, werden stärker nachgefragt als solche, die nichts dergleichen tun.36 Ein gewisser Teil der Patienten ist auch bereit, weitere Strecken auf sich zu nehmen, um in einem Krankenhaus behandelt zu werden, das eine hohe Behandlungsqualität anbieten kann; ein Zustand, der in spezialisierten Krankenhäusern zumeist der Fall ist.37

3.2. Einschränkungen der medizinischen Spezialisierung

Es gibt jedoch auch Grenzen bei der medizinischen Spezialisierung von Krankenhäusern. Sie müssen sich mit dem Leistungsspektrum innerhalb des vom jeweiligen Bundesland vorgegebenen Versorgungsauftrags bewegen.38 Ansonsten könnte eine Über- oder Unterversorgung der Bevölkerung entstehen. Eine Überversorgung liegt vor, wenn das Angebot an Leistungen über die individuelle Bedarfsdeckung hinaus geht. Eine Unterversorgung ist definiert als Zustand, bei dem eine Versorgung der Bevölkerung nicht zumutbar oder unzureichend erreichbar zur Verfügung gestellt wird.39 Die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung muss sichergestellt sein, da es in Notfällen sehr häufig auf eine schnelle Diagnostik und Therapie bei den Patienten ankommt.40 Auch bei den sogenannten elektiven Fällen, also Eingriffen, die nicht notfallmäßig notwendig sind, sondern eher planbar, gibt es Einschränkungen. Zum einen muss die Krankenhausführung über das bestehende Angebot und Nachfrageverhalten der Region Bescheid wissen, da es nicht von Vorteil ist, sich auf einen Bereich zu spezialisieren, der nicht häufig nachgefragt wird oder bei dem der Markt durch eine Angebotsfülle schon gesättigt ist. Zum anderen wird der Einzugsbereich der Patienten von Attraktivität und Spezialisierungsgrad beeinflusst. Nur wenn beide Aspekte für die Patienten attraktiv genug sind, sind sie bereit, weitere Wege für die Behandlung in Kauf zu nehmen.41 Der schleichende Wechsel hin zur Elektivmedizin wird gerade bei kleineren Krankenhäusern ungern offen kommuniziert, da sie Imageschäden und dadurch Wettbewerbsnachteile befürchten.42

Insgesamt fordert der Prozess der medizinischen Spezialisierung sehr viel Planungszeit und Detailtiefe. Es werden nicht nur das richtige Personal und die richtige Ausstattung für das Krankenhaus benötigt, sondern es müssen noch andere Aspekte berücksichtigt werden. Zum Beispiel müssen Absprachen mit anderen Krankenhäusern getroffen werden, um das optimale Leistungsspektrum abzustecken. Das kann zu gegenseitigen Patientenzuweisungen führen. Das Problem bei diesen Absprachen ist, dass sie eventuell gegen bestehendes Kartellrecht verstoßen könnten.43

Als weiteren Punkt der langfristigen Planung der Spezialisierung muss die Festlegung auf die zukünftig zu erbringenden DRG`s erfolgen. Die Wahl sollte hier jedoch nicht sofort auf die ökonomisch attraktivsten DRG’s fallen, sondern sorgfältig abgewogen werden. Durch die jährlichen Änderungen der ökonomischen Bewertung der DRG`s kann es passieren, dass ein vormals attraktives Konzept im Nachhinein negative Folgen hat.44 Weiterhin muss im Krankenhaus beschlossen werden, welche Abteilungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine Zukunft haben. So bieten beispielsweise viele spezialisierte Krankenhäuser aufgrund sinkender statistischer Fallzahlen keine Geburtsabteilung oder gynäkologische Abteilungen mehr an. Auch die Notfallversorgung wird, wenn es möglich ist, aufgegeben, da bei Notfällen häufig nicht kostendeckend gearbeitet werden kann. Grund dafür ist, dass Notfälle im DRG-System nicht ausreichend vergütet werden, um die Fixkosten für die Notfallbehandlung auszugleichen. Gerade kleine Krankenhäuser werden von dieser Situation benachteiligt.45

Bei der Schließung von einzelnen Abteilungen eröffnet sich ein weiteres Problem. Gerade bei regionalen Politikern sind diese Schließungen ungern gesehen, da es ihnen beispielsweise bei einer anstehenden Kommunalwahl von der Bevölkerung negativ ausgelegt werden und somit auch Wählerstimmen kosten könnte. Ergo ist die Einflussnahme vieler regionaler Politiker auf Krankenhäuser groß, auch wenn diese sich negativ auf die gute wettbewerbliche Positionierung für ein Krankenhaus auswirkt.46 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anforderungen an die Planung einer medizinischen Spezialisierung sehr komplex sind.

3.3. Folgen und Möglichkeiten der medizinischen Spezialisierung

Die direkte Folge einer Spezialisierung ist zunächst die Wahl der Ausrichtung der Krankenhäuser. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. So kann sich ein Krankenhaus beispielsweise komplett auf eine medizinische Fachdisziplin wie Parkinson oder Herzchirurgie konzentrieren.

Oder man wählt mehrere Spezialdisziplinen, wie zum Beispiel Kopfkliniken, die sich dann auf HNO-Heilkunde, Augenheilkunde usw. konzentrieren. Es besteht zusätzlich die Chance sich nach Patientengruppen auszurichten, indem man Kinderzentren oder geriatrische Krankenhäuser bildet.47

Wie bereits in Kapitel 3.2. erwähnt, ist hierbei eine „Rosinenpickerei“, also die Auswahl der ökonomisch attraktivsten DRG, kontraindiziert. Der Fokus sollte auf mehreren Bereichen liegen, um die Spezialisierung so effektiv wie möglich zu gestalten.48 Denn von der Auswahl des richtigen Bereiches sowie des optimalen Ressourceneinsatzes wird zukünftig das Überleben des Krankenhauses abhängen. Durch die weiterhin sinkende Verweildauer der Patienten trotz häufig gleich bleibender Kapazitäten, muss, um eine optimale Auslastung des Krankenhauses beizubehalten, das Einzugsgebiet vergrößert werden. Abbildung 1 spiegelt wider, wie sich das Vergrößern des Einzugsgebietes auf Patienten und andere Krankenhäuser auswirkt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vergrößerung des Einzugsbereiches eines Krankenhauses (Vgl. Beivers (2010), S.99)

Durch die Ausdehnung des Einzugsbereiches wird der Wettbewerb unter den Krankenhäusern um Patienten steigen und für Patienten werden die Anfahrtswege teilweise länger werden.49 Um die Kosten abzudecken, wird die Leistungsmenge weiter steigen. Schon heute liegen deutsche Krankenhäuser bei elektiven Leistungen, wie Knie- oder Hüft-TEP’s über dem doppelten Wert des OECD-Durchschnitts.50 Trotzdem muss erwähnt werden, dass das deutsche Krankenhaussystem im internationalen Vergleich, sowohl bei Wirtschaftlich- und Kostengünstigkeit als auch bei Angebotsbreite und Zugänglichkeit Bestnoten erzielt.51 Der Druck auf die Krankenhäuser wirtschaftlich zu arbeiten wird künftig trotz allem weiter steigen und diejenigen, die es nicht schaffen, werden vermutlich aus dem Markt ausscheiden. Damit der Spagat zwischen Ausbau der Spezialisierung und Vermeidung der Unterversorgung gelingt, wird es in Zukunft nötig sein, zwischen den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens verstärkt zu kooperieren, damit Rettungsdienste und einweisende Ärzte von Anfang an die optimale Zielklinik für den Patienten auswählen können. Es werden also regionale, strukturierte und vor allem sektorenübergreifende Versorgungsnetzwerke benötigt.

4. Einfluss auf die regionale Versorgung

4.1. Überblick über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland

Die Entwicklung der deutschen Bevölkerung ist schon seit vielen Jahren geprägt vom sogenannten demographischen Wandel. Seit Anfang der 1970er Jahre ist die Mortalitätsrate höher als die Geburtenrate, folglich verliert Deutschland insgesamt an Bevölkerung.52 Im Jahr 2007 betrug die Zahl der Einwohner in Deutschland 82,2 Mio. Menschen. Bis 2050 wird ein Rückgang der Zahl um 13,4 Mio. (≙ -16%) auf 68,8 Mio. Menschen erwartet. Während die Zahl der Bevölkerung insgesamt kleiner wird, steigt der Anteil der alten Leute. Bei der Altersgruppe 66+ von 16,5 Mio. um 38% auf 22,8 Mio.

Bei der Altersgruppe 80+ wird eine Steigerung von 3,9 Mio. auf 10 Mio. ( ≙ +156%) prognostiziert.53 Grund dafür ist eine steigende Lebenserwartung, die durch den medizinisch-technischen Fortschritt mit ermöglicht wird.

Bei der Prognose der zukünftigen Fallzahlen für Krankenhäuser ist nach der Medikalisierungsthese und der Kompressionsthese zu unterscheiden. Bei ersterer geht man davon aus, dass gewonnene Lebensjahre überwiegend in Krankheit verbracht werden. Die Folge wären steigende Fallzahlen und Verweildauern. Die Kompressionsthese unterstellt eine steigende Lebenserwartung bei sinkender Krankheitswahrscheinlichkeit, was niedrigere Fallzahlen zur Folge hätte.54 Geht man von der aktuellen Entwicklung aus, sprechen wohl mehr Argumente für die Medikalisierungsthese, folglich wird der Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen weiter zunehmen. Das liegt auch daran, dass mit steigendem Alter die Multimorbidität, also die Wahrscheinlichkeit für Mehrfacherkrankungen, zunimmt, was häufigere, unvorhersehbare Krankenhausaufenthalte notwendig macht.55 Im Jahr 2008 wurden 17,8 Mio. Patienten stationär behandelt, für das Jahr 2030 werden 19,3 Mio. stationäre Fälle prognostiziert.56 Vergleicht man die Bundesländer untereinander zeigen sich zum Teil unterschiedliche Tendenzen. In allen Bundesländern bis auf Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden steigende Fallzahlen erwartet.57

Neben dem demographischen Wandel gibt es noch einen weiteren Trend in Deutschland. Junge Leute wandern in die wirtschaftlich attraktiveren Ballungsräume ab, während auf dem Land häufig ältere Generationen zurück bleiben.58 Gerade die ländlichen Regionen Ostdeutschlands haben mit hohen Bevölkerungsverlusten zu kämpfen, was auch die Prognosen der zukünftigen Krankenhausfälle beeinflusst haben könnte.59 Neben den numerischen Veränderungen der Bevölkerung in Deutschland gibt es auch Änderungen im Anspruchsdenken der Leute. Patienten möchten fähiges medizinisches Personal sowie moderne Ausstattungen der Kliniken bei wohnortnaher Versorgung. Dieses Anspruchsdenken besteht auch in den ländlichen Regionen, gerade im Bereich der Notfallversorgung.

4.2. Medizinische Spezialisierung und regionale Versorgung in ländlichen Regionen

Unter ländlichen Regionen versteht man Bereiche, in denen weniger als 33% der Bevölkerung in Groß- und Mittelstädten leben und die eine Einwohnerdichte von unter 155 Einwohnern pro km² haben. Des Weiteren gehören dazu auch Bereiche in denen sich eine Großstadt befindet, jedoch die Einwohnerdichte ohne Einbezug dieser unter 100 Einwohnern pro km² beträgt.60 Für Krankenhäuser in diesen Regionen Deutschlands sind die Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung besonders spürbar. Einerseits besteht durch die gesetzlichen Vorgaben bei gewissen medizinischen Eingriffen der Druck, diese Zahlen zu erreichen, da sie ansonsten aufgrund der Mindestmengenregelung nicht mehr angeboten werden dürfen. Andererseits sinkt die Anzahl der potentiellen Patienten im Einzugsgebiet. Dies passiert zum einen durch die Abwanderungstrends in Großstädte und Ballungsräume, zum anderen durch die erhöhte Mobilität der Patienten, die sich gerade bei Elektivfällen bemerkbar macht. Bei einer Analyse der Wohn- und Behandlungsorte wurde festgestellt, dass über 50% der Patienten bei elektiven Fällen nicht in ihrem Wohnort behandelt wurden.61 Zwar ist den Patienten bei der Notfallversorgung immer noch wohnortnähe wichtig, jedoch zeigt sich auch, dass mit höherem Behandlungsrisiko die Bereitschaft steigt, weitere Wege in Kauf zu nehmen, um in Spezialkliniken behandelt zu werden.62 Mit der Behandlung von ambulanten Notfällen oder „Bagatellerkrankungen“, wie sie häufig in ländlichen Krankenhäusern der Grundversorgung auftreten, können die Kliniken allerdings nicht einmal ihre variablen Kosten decken, ebenso wenig, wie ihre fixen Vorhaltekosten.63

Die Folge ist, dass es keine Existenzgarantie gibt, sowohl für einzelne Fachbereiche als auch für das gesamte Krankenhaus. 10% der ländlichen Krankenhäuser, die in einer Studie des DKI befragt wurden, gaben an, dass sie in nächster Zeit die Schließung von Fachabteilungen erwarten. Hauptsächlich betroffen sind zunächst die Gynäkologie und die Geburtshilfe. 6% der Krankenhäuser befürchten sogar die komplette Schließung bis 2020.64

Die Rettung für Krankenhäuser und damit auch die Sicherstellung der notfallmedizinischen Versorgung in ländlichen Regionen sehen viele der befragten Kliniken in der Spezialisierung. 36% von ihnen erwarten für die Zukunft eine Spezialisierung und Überarbeitung ihres Leistungsangebotes. Als wichtige Prämisse dafür erachtet man die gezielte Abstimmung der ländlichen Krankenhäuser untereinander. Nur so können die Potentiale vollkommen ausgeschöpft werden.65 Für die Patienten, die nicht mobil sind, bedeutet es zwar längere Transportwege mit dem Rettungsdienst oder anderen Organisationen, aber die flächendeckende Versorgung ist so zunächst gewährleistet und die Gefahr der Unterversorgung vorerst abgewandt. Jedoch wird künftig auch die Gefahr bestehen, dass die momentan bestehende Versorgung durch öffentliche Nahverkehrsmittel aufgrund fehlender Auslastung und sinkender Rentabilität eingeschränkt wird.66 Welche Auswirkungen die medizinische Spezialisierung von ländlichen Krankenhäusern neben längeren Transportwegen für den Rettungsdienst noch hat, wird in den nächsten Kapiteln erläutert.

4.3. Auswirkungen der medizinischen Spezialisierung von Krankenhäusern auf den Rettungsdienst

4.3.1. Grundlagen des Rettungsdienstes – Zahlen, Daten, Fakten

Der Rettungsdienst wird in Deutschland durch das Föderalismusprinzip des Grundgesetzes geregelt, das heißt, es ist Sache der Bundesländer, wie die Strukturen und gesetzlichen Vorgaben auszusehen haben. Die Durchführung des Rettungsdienstes unternehmen unterschiedliche Organisationen. Der bodengebundene Rettungsdienst wird von kommunalen Rettungsdienstunternehmen, Berufsfeuerwehr, Bundeswehr, privaten Rettungsdienstunternehmen sowie von den fünf großen Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK/BRK, Johanniter-Unfallhilfe, Malteser Hilfsdienst) durchgeführt. Die Luftrettung wird am häufigsten durch den ADAC, die DRF Luftrettung sowie die Bundeswehr ausgeführt. Die Luftrettung steht dabei nicht in Konkurrenz zum bodengebundenen Rettungsdienst, sondern stellt eine sinnvolle Ergänzung dar, wenn der Zeitdruck hoch ist oder für den Patienten ein schonender Transport indiziert ist.67

Die Finanzierung des Rettungsdienstes erfolgt über vier Säulen. Zum einen gibt es die externe Finanzierung, die durch Zuschüsse oder Kostenübernahmen aus öffentlichen Haushalten erfolgt. Dann gibt es die Tariffinanzierung, das heißt, diese wird über Preise, Benutzungsentgelte und Gebühren getätigt. Als drittes wird eine interne Finanzierung durchgeführt, bei der Investitionen durch Eigenmittel oder Spenden durch Sanitätsorganisationen vorgenommen werden. Zu guter Letzt geben häufig auch Stiftungen und Vereine Zuschüsse, um Gerätschaften oder Fahrzeuge zu beschaffen.68

Die Zuständigkeit der Rettungsdienste wird nach Rettungsdienstbereichen eingeteilt. Ein Rettungsdienstbereich umfasst für gewöhnlich einen Kreis oder eine kreisfreie Stadt. Die Koordinierung der Einsätze erfolgt dann über geschultes Personal der zugehörigen Rettungsleitstelle.69 Der Trend bei den Leitstellen geht zur sogenannten Integrierten Leitstelle. Bei Integrierten Leitstellen erfolgen Rettungsdienst- und Feuerwehralarmierung an einem Ort und nicht, wie in der Vergangenheit meist praktiziert, getrennt. Zur Optimierung der Kapazitäten und Kostensenkung werden die Leitstellenbereiche größer, indem vormals getrennte Bereiche zusammengefasst werden, das heißt, die Anzahl an Leitstellen in Deutschland sinkt. So forderte beispielsweise die AOK Baden-Württemberg eine Verringerung der Leitstellenanzahl in Baden-Württemberg von 34 auf 8 Rettungsleitstellen.70

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die optimale notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung ist neben der qualitativ hochwertigen Disposition durch die Leitstellenmitarbeiter auch die richtige Auswahl eines Rettungswachenstandortes. Hierfür bedarf es einer ausführlichen Standortanalyse. Durch Fahrzeitsimulationen und Einsatzortanalysen wird die Einhaltung der länderabhängigen Hilfsfristen und die Raumabdeckung getestet.71 Anschließend kann mit der Planung einer Rettungswache begonnen werden, bei der auch viele Faktoren mit einbezogen werden müssen. Zum Beispiel darf der Weg von Aufenthaltsraum zum Rettungswagen nicht zu weit sein, da sonst die Gefahr besteht, die Ausrückzeit (in Bayern maximal 2 Minuten) nicht einhalten zu können.

Um die Zahl der Fahrzeuge einer Rettungswache festzulegen werden regelmäßige Bedarfsanalysen durchgeführt, um so auf Veränderungen im Einsatzaufkommen optimal reagieren zu können. Rettungsmittel sind in diesem Fall risikoabhängig zu bemessen. Es erfolgt eine Ist-Analyse, die aus dem Aufkommen der bemessungsrelevanten Notfallanfahrten und der Alarmierungshäufigkeit unterschieden nach Tageshäufigkeit besteht. Krankentransportmittel werden frequenzabhängig bemessen, das heißt unter Berücksichtigung der tageszeitlichen Einsatzfahrtnachfrage, sowie dem mittleren Einsatzzeitbedarf.72 Anhand dieser Daten erfolgt die Anschaffung der Fahrzeuge.

Der Fuhrpark des Rettungsdienstes umfasst viele verschiedene Fahrzeugtypen. Die Unterscheidung erfolgt nach Notfallrettung und Krankentransport. In der Notfallrettung wird zwischen Primäreinsätzen und Sekundäreinsätzen unterschieden, wie in Abbildung 2 dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einsatzformen Notfallrettung (Vgl. Enke (2009), S.13 in Anlehnung an Gorgaß et al. (2005), S.60)

Die Notfallrettung unterscheidet sich demnach in Primäreinsätze, bei denen der Patient direkt vom Einsatzort in eine geeignete Klinik kommt und Sekundäreinsätze, also dringende Verlegungstransporte zwischen Krankenhäusern. Sie ist definiert als „schnellstmögliche qualifizierte Hilfe für akut verletzte oder erkrankte Personen“ und dient der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen und soll die Transportfähigkeit in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus ermöglichen.73 Der Krankentransport als Gegenstück dient der Beförderung von kranken und hilfsbedürftigen Personen, die keine Notfallversorgung benötigen und deren Transporte planbar durchführbar sind. Zu diesen Einsatzfahrten gehören Ambulanzfahrten, Einweisungen in Krankenhäuser, Verlegungen zwischen Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken oder Heimfahrten.74 Für Krankentransporte werden Krankentransportwagen (KTW’s) eingesetzt, die nur eine Basisausstattung für die qualifizierte Versorgung von Notfallpatienten mit sich führen. In der Notfallrettung werden verschiedene Fahrzeuge eingesetzt.

[...]


1 Vgl. Beivers (2010), S.45

2 Vgl. Beske (2016), S.32

3 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.16

4 Vgl. Blum et al. (2014a), S.108

5 Vgl. Wübker (2009), S.211

6 Vgl. Köther et al. (2009), S.372

7 Vgl. Beske (2016), S.32

8 Vgl. § 12 Satz 1 SGB V (2016)

9 Vgl. Malzahn et al. (2011), S.47

10 Vgl. Neubauer et al. (2007), S.66

11 Vgl. Malzahn et al. (2011), S.38

12 Vgl. Blum (2015), S.12

13 Vgl. RWI Essen (2015)

14 Vgl. dchp Consulting (2013), S.6

15 Vgl. GKV Spitzenverband (2016)

16 Vgl. Baum (2015), S.415

17 Vgl. Behar et al. (2016), S.20

18 Vgl. DKG (2009)

19 Vgl. Schürrmeyer (2013), S.23

20 Vgl. Schürrmeyer (2013), S.30

21 Vgl. Dittmann (2015), S.782 f.

22 Vgl. Dittmann (2015), S.783

23 Vgl. Dittmann (2015), S.784

24 Vgl. Behar et al. (2016), S.19

25 Vgl. Goedereis (2009), S.243

26 Vgl. Riessen et al. (2015), S.367

27 Vgl. Behar et al. (2016), S.53

28 Vgl. Blum (2015), S.13

29 Vgl. Augurzky et al. (2015), S.173

30 Vgl. Neubauer und Minartz (2008), S.6

31 Vgl. de Cruppé et al. (2009), S.108 f.

32 Vgl. de Cruppé et al. (2009), S.115

33 Vgl. Behar et al. (2016), S.23

34 Vgl. Wittig (2013), S.69

35 Vgl. Salfeld et al. (2009), S.177

36 Vgl. Wübker (2009), S.211

37 Vgl. Friedrich und Beivers (2008), S.155

38 Vgl. Behar et al. (2016), S.49

39 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2000), S.12

40 Vgl. Beivers (2010), S.117

41 Vgl. Neubauer et al. (2007), S.72

42 Vgl. Lackner et al. (2009), S.27

43 Vgl. Münch (2008), S.40 f.

44 Vgl. Sander (2012), S.120

45 Vgl. Niehues und Barbe (2012) S.471

46 Vgl. Wittig (2013), S.74

47 Vgl. Salfeld et al. (2009), S.177 ff.

48 Vgl. Goedereis (2009), S.243

49 Vgl. Neubauer et al. (2007), S.69

50 Vgl. Greiner (2015), S.58

51 Vgl. Salfeld et al. (2009), S.1

52 Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland (2015), S.16

53 Vgl. Beske et al. (2009), S.16

54 Vgl. Stöver et al. (2011), S.14

55 Vgl. Lehnert und König (2012), S.685 ff.

56 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010), S.14

57 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010), S.18

58 Vgl. Neubauer (2014), S.28

59 Vgl. Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (2005), S.10 f.

60 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2016), S.21

61 Vgl. von Bandemer und Merkel (2013), S.56

62 Vgl. Neubauer und Gmeiner (2015), S.118

63 Vgl. Niehues et al. (2010), S.1183

64 Vgl. Blum et al. (2014b), S.17

65 Vgl. Blum et al. (2014b), S.31

66 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2006), S.21

67 Vgl. Enke (2009), S.18

68 Vgl. Schmiedel et al. (2002), S.81

69 Vgl. Behrendt (2008), S.23

70 Vgl. sk-Verlag (2016)

71 Vgl. Schmiedel et al. (2012), S.37

72 Vgl. Schmiedel et al. (2012), S.53

73 Vgl. BRK (2016)

74 Vgl. BRK (2016)

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern und ihr Einfluss auf die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
79
Katalognummer
V457894
ISBN (eBook)
9783668881396
ISBN (Buch)
9783668881402
Sprache
Deutsch
Schlagworte
klinische Spezialisierung, Rettungsdienst, Krankenhaus, ländliche Region, medizinische Spezialisierung, notfallmedizinische Versorgung
Arbeit zitieren
Julian Torlutter (Autor:in), 2016, Medizinische Spezialisierung von Krankenhäusern und ihr Einfluss auf die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457894

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