„Liebesglück per Mausklick?“. Körper und Liebe im Medium Internet


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Eva Illouz – Romantische Netze
2.1 Virtuelle Begegnungen
2.2 Ontologische Selbstpräsentation
2.3 Standardisierung und Wiederholung
2.4 Phantasie und Enttäuschung

3 „Liebe ohne Körper?“

4 Ausblick und Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist“1 – dieser göttliche Ausspruch kurz nach Entstehung der Menschheit aus biblischer Sicht drückt aus, wie allgegenwärtig und fundamental Beziehung im menschlichen Miteinander ist. Diesem Bild von Zweisamkeit stehen in Deutschland jedoch 15,9 Millionen Singles entgegen, die – teils verzweifelt, teils positiv motiviert – auf der Suche nach ihrem persönlichen Traumpartner sind.

Mit der Etablierung des Internets und seinen vermeintlich unbeschränkten Möglichkeiten hat auch die Partnersuche eine neue Dimension erhalten. Der Markt der Online-Partnerbörsen, Suchmaschinen und Chatrooms für Singles boomt: in der Fernsehwerbung präsentieren sich diverse Portale, die Regale der Buchhandlungen füllen sich mit Ratgebern zum richtigen Umgang mit dem Netz. Das Prinzip der Partnervermittlung ist dabei nicht neu, in diversen Epochen der Vergangenheit war die Vermittlung von Partnern die Norm – mit dem Internet haben sich jedoch die Möglichkeiten erweitert, so spielen zum Beispiel räumliche und zeitliche Entfernungen keine Rolle mehr. Online-Partnerbörsen werben mit Aussagen wie „Sie wollen jemanden kennen lernen? Einen Partner fürs Leben oder einfach nur so zum Spaß? Auf dem modernen Markt der Liebe gibt es Traumpartner wie Sand am Meer.“ (Teussen 2001: 25) und suggerieren damit einen unerschöpflichen Pool an idealen Partnern.

Neben den Vorzügen des Online-Datings kristallisieren sich auch Gefahren und Nachteile heraus, auf die unterschiedliche Soziologen und Psychologen hinweisen. Hauptkritikpunkte beziehen sich meist auf die Präsentation des Selbst, die fehlende Authentizität sowie die Gefahr der Enttäuschung, die durch Phantasien und falsche Versprechungen bedingt ist. Eine Kritikerin ist die Soziologin Eva Illouz, die in ihrem Werk „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ in einem Kapitel die Partnersuche im Internet kritisch hinterfragt. Eine ihrer Hauptthesen bezieht sich auf der Bedeutung des Körpers für die Entstehung von Liebe und Anerkennung, die im Internet - vermeintlich - ausgeklammert wird. Illouz beschreibt das Netz als Technologie der Entkörperlichung (vgl. Illouz 2006: 114), was dazu führt, dass beim Online-Dating Emotionen losgelöst vom Körper stattfinden. Für Illouz ist der Körper jedoch eine wichtige Komponente in zwischenmenschlichen Interaktionen, so dass sie in ihrem Text der Frage nachgeht, wie in der Technologie „Internet“ Körperlichkeit und Emotionen produziert und vermittelt werden (vgl. ebd.: 115).

Im Rahmen des Seminars „‘Persönliche Beziehung‘ als übergeordnetes Forschungsprogramm von Familie, Paar, Privatheit“ haben wir uns mit verschiedenen Prototypen und Strukturmerkmalen persönlicher Beziehungen befasst, zumeist im Hinblick auf die Paarbeziehung. In dieser Hausarbeit möchte ich den Teilbereich der Online-Partnersuche genauer beleuchten. Dabei orientiere ich mich an Eva Illouz‘ Kapitel „Romantische Netze“ in ihrem Werk „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“.

Nach dieser Einleitung werde ich die Hauptthesen aus Eva Illouz‘ Werk darlegen. Das anschließende Kapitel beinhaltet eine kritische Auseinandersetzung mit Illouz‘ Aussagen, in denen es um die Bedeutung des Körpers für die Entstehung von Zuneigung und Liebe geht. Ausgangspunkt soll hierfür die Frage sein, ob eine Entkörperlichung, wie sie es nennt, tatsächlich gegeben ist und wie kritisch diese ggf. zu sehen ist. Anschließend folgt ein Ausblick, der auf den gewonnenen Erkenntnissen beruht und der Frage nachgeht, inwiefern Online-Dating die Vorstellung von Liebe und Partnerschaft prägt. Das letzte Kapitel beinhaltet außerdem ein persönliches Fazit.

2 Eva Illouz – Romantische Netze

„Die Romanze im Netz ist der Beziehung im echten Leben unvergleichlich überlegen, weil sie den Körper auslöscht und so einen scheinbar vollständigeren Ausdruck des eigenen authentischen Selbst ermöglicht.“ (ebd.: 114). Mit dieser Aussage fasst Eva Illouz eine gängige Auffassung bezüglich des Online-Datings zusammen: losgelöst von körperlichen Empfindungen und Eindrücken von mir selbst und anderen, könne sich das „authentische Selbst“ am besten entfalten und präsentieren. Illouz steht dieser Aussage selbst kritisch gegenüber: ist der Körper tatsächlich unbedeutend? Und wie werden dann Emotionen erzeugt? Diese Fragen bewegt sie in ihrem Text, dessen Hauptthesen ich nun kurz vorstellen möchte.

2.1 Virtuelle Begegnungen

Die virtuelle Begegnung im Internet beginnt mit dem Erstellen eines Profils, in dem jeder User sich selbst beschreiben, kategorisieren und präsentieren muss. Illouz fasst zusammen: „[…] die Technologie des Internets beruht auf einem intensiven Gebrauch psychologischer Kategorien und Annahmen darüber, wie das Selbst verstanden werden muß und wie Gemeinschaft durch emotionale Kompatibilität hergestellt werden kann“ (ebd.: 117). Voraussetzung zur Erstellung eines Profils ist demnach eine intensive Reflexion der eigenen Persönlichkeit sowie der Ansprüche an den potentiellen Partner. Für Illouz ist dies ein höchst psychologischer Vorgang, was sie an drei Komponenten festmacht: das Selbst wird konstruiert und kategorisiert, es erlebt einen öffentlichen Auftritt und die Subjektivität wird textualisiert (vgl. ebd.: 119). Daraus ergeben sich vier Konsequenzen für das Selbst im Internet. Zum einen kommt es zu einer Konzentration auf die eigenen Ideale von sich und anderen. Weiter wird so die Ordnung romantischer Interaktion umgekehrt, denn das Wissen um den anderen dominiert die im Körper verankerte Anziehung. Der Interaktion obliegt eine vorangegangen Wahl, es gibt folglich ein wählendes Selbst. Zu guter Letzt bietet das Internet einen offenen Markt der Konkurrenz (vgl. ebd.: 119 f.).

2.2 Ontologische Selbstpräsentation

Die Präsentation des Selbst im Internet beruht auf einer bewussten Selbstbearbeitung und – darstellung mit dem Zweck, einer unbestimmten Größe an Publikum zu gefallen. Dies führt zu einem allgemeinen und standardisierten Selbst (vgl. ebd.: 121). Illouz hält fest, dass beim Internet-Dating die Trennung zwischen Körper und Geist widerbelebt wird. Dabei rühmt sich das Netz damit, dem Geist eine übergeordnete Rolle einzuräumen - der Körper wird beim Online-Dating jedoch durch das Profilfoto ebenfalls vertreten. Schönheit und Körperlichkeit sind so omnipräsent (vgl. ebd.: 123) und das Foto ist Teil eines konkurrenzorientierten Marktes. Neben dem Körper tritt die Einflussgröße der Sprache in den Vordergrund, die die Uniformität der Profile durchbrechen soll, welche z.B. durch einheitliche Adjektive und sozial erwünschte Antworten zu Stande kommt. Dazu kritisiert Illouz: „Der Prozeß der Selbstbeschreibung bedient sich kultureller Skripte der wünschenswerten Persönlichkeit.“ (ebd.: 124). Weiter benutzt Illouz den Begriff der Phantomobjektivität in diesem Zusammenhang und stellt einen Widerspruch heraus, dem sich Internetnutzer ausgeliefert sehen: „Während ein erfolgreiches psychologisches Profil verlangt, sich von der homogenen Masse […] zu unterscheiden, verlangt das photographische Profil demgegenüber eine Übereinstimmung mit den etablierten Richtlinien für Schönheit und Fitness.“ (ebd.: 125).

2.3 Standardisierung und Wiederholung

Die Größe des Internetmarktes ermöglicht häufige Begegnungen und Interaktionen, die wiederum zu standardisierten Verhalten und Abläufen führen. Illouz stellt der Ökonomie der Knappheit, die in der realen Welt herrscht, eine Ökonomie der Fülle entgegen, wie sie im Internet vorzufinden ist. Letztere geht mit dem Wunsch einher, Zeit und Effizienz zu maximieren, wie es z.B. beim Speed-Dating der Fall ist (vgl. ebd.: 128). Im Internet macht so der schnelle Kapitalismus auch vor der Liebe nicht Halt, so dass eine Kopplung zwischen Psychologie und Konsumismus stattfindet: „[…] radikalisiert das Internet die Forderung, für sich selbst das beste (ökonomische und psychologische) Geschäft zu machen.“ (ebd.: 129). Das Internet strukturiert die Partnersuche als Markt: potentielle Partner können visualisiert werden, es herrscht eine starke Konkurrenz, das Selbst wird als Produkt angeboten und eine Kosten-Nutzen-Analyse wird wiederholt durchgeführt (vgl. ebd.: 132).

Illouz beschreibt einen Bruch mit der traditionellen Liebe und Romantik durch die Rationalisierung der Partnerwahl, die nicht mehr einer spontanen, irrationalen und emotionsbedingten Begegnung obliegt. Zudem gibt es eine Entkörperlichung der textuellen Interaktion, sowie eine Trennung der Sphären von Aktivität und Empfindungen (vgl. ebd.: 133 f.). Der Vorstellung der Einzigartigkeit steht so dem Geist der Auswechselbarkeit entgegen: „Der Grund darin liegt darin, dass die Partnersuche im Internet den Bereich romantischer Begegnungen mit den auf einer Ökonomie der Fülle, der endlosen Wahlfreiheit, der Effizienz, der Rationalisierung basierenden Prinzipien des Massenkonsums vertraut gemacht hat.“ (ebd.: 135).

2.4 Phantasie und Enttäuschung

Illouz‘ Hauptkritik liegt in dem Problem der Enttäuschung, was sie in der Diskrepanz zwischen den eigenen Erwartungen, z.B. durch Selbstpräsentation, und der begrenzten Realität sieht. Zudem kritisiert sie die Entkörperlichung beim Internet-Dating, was sie mit der Störung der halbbewussten Anpassungsprozesse bei realen Interaktionen begründet (vgl. ebd.: 146). Demnach ist der Austausch von unbewussten Reaktionen und Verhaltensweisen eine entscheidende Komponente bei sozialen Interaktionen – die kognitiv ausgetauschten Informationen können dies nicht ausgleichen. Das Äußere sei ein entscheidender Faktor für romantische Anziehungskraft, so stellt sie in Frage, ob sich Gefühle im Internet überhaupt entwickeln können. Die Vorstellungskraft, die bei der Entwicklung von Liebe eine wichtige Rolle spielt, setzt im Internet zwar Phantasien frei, basierte jedoch auf rationalen und verbalen Kenntnissen und lässt so die Sinne unangesprochen. Auch die Intuition, die körperlich bedingt ist, ist so ausgeklammert (vgl. ebd.: 153). Weiter stellt Illouz die These auf, die Trennung von Körper und Geist lasse nicht zu, eine Person als Ganzes zu erfassen und zu verstehen (vgl. ebd.: 155 ff.). Die Dominanz der Sprache störe „den Prozeß visueller und körperlicher Anerkennung“ (ebd.: 157). Sie beendet ihre Kritik mit einer Einschätzung, für wen die Online-Partnersuche erfolgreich sein kann: „Ich vermute also, daß es die Menschen sind, die besonders viel Gewicht auf emotionale verbale Kommunikation legen, die ferner am kompetentesten sind, wenn es um das Herstellen privater Beziehungen durch öffentliche Manipulation ihrer Emotionen und ihres Selbst sowie um den am therapeutischen Modell orientierten Aufbau von Beziehungen geht […].“ (ebd.: 159).

3 „Liebe ohne Körper?“

Gibt man einmal die Schlagworte „Vorteile“ und „Online-Dating“ in eine Internetsuchmaschine ein, erscheint neben der großen Auswahl und der Unabhängigkeit von Zeit und Ort stets der Aspekt der Anonymität und damit die Möglichkeit, sich losgelöst von seiner körperlichen Erscheinung auf einer viel tieferen, persönlicheren Ebene anzunähern. Es sei möglich, das wahre Selbst zu offenbaren, wo Schüchternheit oder körperliche Unsicherheit sonst im Wege stünden. Der Körper sei demnach ein Hindernis, das authentische Ich zu repräsentieren. Fraglich bleibt, was das echte, unverfälschte Selbst denn ausmacht. Für Eva Illouz steht fest: der Körper ist eine wichtige Komponente für zwischenmenschliche Interaktion und gehört ebenso zum Selbst wie die Persönlichkeit. Statt einem Hindernis kann und muss man folglich eher von einer Ergänzung des Selbsts sprechen. Unbewusste Reaktionen und Verhaltensweisen, Körperhaltung, Stimme, Tonfall und kleine Gesten unterstreichen die Persönlichkeit und lösen beim Gegenüber etwas aus, auf das der Akteur keinen Einfluss hat. Es lässt sich sicher nicht leugnen, dass z.B. Schüchternheit die interessanten Facetten einer Person überdecken kann. Nicola Döring schreibt dazu: „Es gibt Selbstaspekte, die im Alltag außerhalb des Netzes unterpräsentiert sind, weil die Gelegenheiten fehlen, die darzustellen, oder weil sie durch das äußere Erscheinungsbild quasi überdeckt werden“ (Döring 2003: 552). Trotzdem bleibt die Frage bestehen, ob das verschüchterte Verhalten bei dem ersten realen Date nicht wieder auftritt, wenn der mediale Kontext verlassen wird. Ein medialer Auftritt ohne Schüchternheit lässt folglich nicht den Schluss zu, dass man in Wirklichkeit gar nicht schüchtern sei.

Illouz bemängelt, dass das Internet kein Verständnis des Chatpartners als Ganzes ermöglicht (vgl. Illouz 2006: 154 f.). Dem kann ich nur zustimmen. Der Körper, und alle Reaktionen und Verhaltensweisen, die in ihm gegründet sind, ist meines Erachtens nach Teil des Selbsts. Damit darf gleichzeitig dem Körper keine dominante Rolle zugesprochen werden – Eva Illouz tendiert leicht dazu -, sondern Geist und Körper stehen in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander und bedingen sich gegenseitig.

Gertrud Teusen schreibt in ihrem Ratgeber zur Partnersuche im Internet: „Jeder ist so schön und interessant, wie er sich darstellen kann.“ (Teusen 2001: 12). Mit dieser Aussage fällt man in ein anderes Extrem – auch die Selbstpräsentation mit ihrer Interpretation des vermeintlich authentischen Selbst ist letztlich ein konstruiertes Ich, das einer starken Subjektivität und, so unterstelle ich, einer ausgeprägten sozialen Erwünschtheit unterliegt. Eine blumig verfasste, durchweg positive Selbsteinschätzung vermag kaum ein authentisches Selbst darzustellen. Hier könnte der Körper Illusionen, Übertreibungen und Fehleinschätzungen entlarven (man stelle sich zum Beispiel eine Selbstbeschreibung mit Attributen wie „sportlich“ und „aktiv“ vor für einen 74-jährigen, schwergewichtigen Rentner).

[...]


1 1. Mose 2, 18 Elberfelder Übersetzung

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
„Liebesglück per Mausklick?“. Körper und Liebe im Medium Internet
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Soziologie)
Note
1,0
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V457997
ISBN (eBook)
9783668896901
ISBN (Buch)
9783668896918
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Beziehungen, Internet, Online-Dating
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, „Liebesglück per Mausklick?“. Körper und Liebe im Medium Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457997

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