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Das Alte Ägypten im Spiegel seiner Literatur

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Jedes Jahr zieht es Millionen von Menschen aus aller Welt nach Ägypten, um die Schätze der Grabbeigaben der Pharaonen im Museum zu betrachten und um die Bilder an den Wänden der Tempel und Gräber zu bewundern. Die Inschriften in Hieroglyphen waren bis zu ihrer Entzifferung tausendachthundert Jahre lang unlesbar, und sie bleiben auch für den Touristen ein Geheimnis.

In den üblichen Informationsschriften wird eine altägyptische Literatur zwar erwähnt, sie wird dadurch aber nicht greifbar. So sieht der Tourist im Land am Nil überwiegend eine Welt der Toten. Die teils bunten, sich scheinbar oft wiederholenden Bilder bleiben trotz einführender Worte bemühter Führer weitgehend unverständlich, wie auch die Schriftzeichen unverständlich bleiben. Man geht als Tourist an ihnen vorüber wie an bunten Comic-Zeichnungen, deren Sprechblasen in chinesischer Schrift abgefasst sind. Die Welt der alten Ägypter bleibt so tot, wie es die Mumien im Museum zu Kairo sind.

Es war für mich eine Überraschung festzustellen, dass ich über den Zugang zur Literatur der alten Ägypter – über die ich bis dahin nichts wusste – einen Eintritt in die Welt der lebenden Ägypter fand. Plötzlich wurden für mich aus den Ägyptern der Pharaonenzeit Menschen, deren Gedanken und deren Emotionen ich nachvollziehen konnte, sodass ich von ihnen innerlich erfasst und ergriffen wurde. Ich möchte deshalb hier in Form einer Sammlung von übersetzten Hieroglyphentexten berichten über meine Einblicke in diese für mich ganz neue Welt.

Unsere Schulweisheit machte uns glauben, dass unsere Religionsgeschichte in Israel und unsere Kulturgeschichte in Griechenland begonnen hat. Die Zeugnisse altägyptischer Literatur und Poesie, Theologie und Staatsphilosophie zeigen uns, dass die Wurzeln unseres kollektiven Kulturgedächtnisses weit tiefer zurückreichen. Da ich mich als begeisterter Amateur auf dem Gebiet der Ägyptologie wissenschaftlicher Präzision nicht verpflichtet fühle, habe ich lange oder schwer verständliche Textpassagen willkürlich gekürzt – jedoch nie verfälscht. Es ging mir in erster Linie darum, bei dem Leser die Lust zu wecken, sich weiter in die Materie zu vertiefen. Dazu wäre die Fachliteratur unverzichtbar.

Dieses Buch mit seinem Kurzüberblick der altägyptischen Literatur eignet sich besonders für Ägyptentouristen, die sich für den Alltag dieser faszinierenden Zeit begeistern.

Extracto


Inhalt

Einleitung

Geschichtlicher Überblick

Geographischer Überblick

Der Nil

Die Hieroglyphen

Religion in Ägypten

Erschaffung der Welt

Die Götterfamilie der Neun

Osiris

Isis

Horus

Das Jenseits

Echnaton

Staatsphilosophie

Stellung der Frau

Liebeslyrik

Nachwort, Jan. 2009

Einleitung

Jedes Jahr zieht es Millionen von Menschen aus aller Welt nach Ägypten, um die Schätze der Grabbeigaben der Pharaonen im Museum zu betrachten und um die Bilder an den Wänden der Tempel und Gräber zu bewundern.

Die Inschriften in Hieroglyphen waren bis zu ihrer Entzifferung tausendachthundert Jahre lang unlesbar, und sie bleiben auch für den Touristen ein Geheimnis.

In den üblichen Informationsschriften wird eine altägyptische Literatur zwar erwähnt, sie wird dadurch aber nicht greifbar.

So sieht der Tourist im Land am Nil überwiegend eine Welt der Toten.

Die teils bunten, sich scheinbar oft wiederholenden Bilder bleiben trotz einführender Worte bemühter Führer weitgehend unverständlich, wie auch die Schriftzeichen unverständlich bleiben.

Man geht als Tourist an ihnen vorüber wie an bunten Comic-Zeichnungen, deren Sprechblasen in chinesischer Schrift abgefasst sind. Die Welt der alten Ägypter bleibt so tot, wie es die Mumien im Museum zu Kairo sind.

Es war für mich eine Überraschung festzustellen, dass ich über den Zugang zur Literatur der alten Ägypter - über die ich bis dahin nichts wusste - einen Eintritt in die Welt der lebenden Ägypter fand.

Plötzlich wurden für mich aus den Ägyptern der Pharaonenzeit Menschen, deren Gedanken und deren Emotionen ich nachvollziehen konnte, sodass ich von ihnen innerlich erfasst und ergriffen wurde. Ich möchte deshalb hier in Form einer Sammlung von übersetzten Hieroglyphentexten berichten über meine Einblicke in diese für mich ganz neue Welt.

Unsere Schulweisheit machte uns glauben, dass unsere Religionsgeschichte in Israel und unsere Kulturgeschichte in Griechenland begonnen hat. Die Zeugnisse altägyptischer Literatur und Poesie, Theologie und Staatsphilosophie zeigen uns, dass die Wurzeln unseres kollektiven Kulturgedächtnisses weit tiefer zurückreichen.

Da ich mich als begeisterter Amateur auf dem Gebiet der Ägyptologie wissenschaftlicher Präzision nicht verpflichtet fühle, habe ich lange oder schwer verständliche Textpassagen willkürlich gekürzt - jedoch nie verfälscht. Es ging mir in erster Linie darum, bei dem Leser die Lust zu wecken, sich weiter in die Materie zu vertiefen. Dazu wäre die Fachliteratur unverzichtbar.

„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“

Mit diesem Satz beginnt das grosse epische Romanwerk, in dem Thomas Mann die biblische Geschichte von Joseph und seinen Brüdern nacherzählt und mit dem er uns Einblicke gewährt in die Erlebniswelt des jungen Joseph, der aus ländlichen Bezirken Kanaans kommend die grossstädtische Welt Ägyptens kennenlernt. Sie muss ihm mit ihrer Modernität und ihren riesigen vielfarbigen Gebäuden erschienen sein wie einem Jungen aus einem Dorf in Kalabrien, der 1920 in New York ankommt. In dem nachfolgenden sehr langen Satz führt Thomas Mann uns entlang der Schnur eines Senkbleis, das in die abgründigen Tiefen der Vergangenheit hinabgelassen wird, und das nur scheinbare Zwischenstops macht, bei denen wir glauben, dies sei nun das Ende. Wir Deutschen beginnen unsere Geschichte mit der Schlacht im Teutoburger Wald. Für die alten Ägypter war dieser Zeitpunkt schon das Ende ihrer dreitausendjährigen Geschichte. Aber auch die Ägypter blickten je nach der Zeitepoche, in der sie lebten, wieder zurück auf längst vergangene Urzeiten ihrer Kulturgeschichte.

Im goldenen Zeitalter des Tutanchamun und der Ramessiden, etwa 1200 Jahre vor Christi Geburt - von uns aus gesehen ist das 3200 Jahre her - blickte man zurück auf die graue Vorzeit der Urahnen mit ihrem berühmten Philosophen, Arzt und Architekten Imhotep, der um 2800 vor Christo, das heisst also 1600 Jahre zuvor gelebt haben muss, und der unter dem griechischen Namen Äskulap uns auch heute noch gegenwärtig ist.

Im Harfenlied des König Antef aus der 11. Dynastie (ca 2100 v.Chr.) wird hingewiesen auf die Vergänglichkeit des Lebens und auf die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Nutzung des Tages. Das Lied wurde gefunden in dem Papyrus Harris aus der 19. Dynastie der Ramessiden 900 Jahre später. Der Sänger betont, dass von dem grossen Imhotep keine irdischen Spuren mehr bestehen, dass aber sein Geist in den Schriften weiterlebt.

Das Harfenlied des Antef

Ich habe die Worte des Imhotep und des Hordedef gehört, aus deren Sprüchen man überall zitiert.

Wo sind ihre Stätten? Ihre Mauern sind zerfallen, ihre Plätze existieren nicht, als wären sie nie entstanden. Keiner kommt von dort, dass er ihren Zustand beschreibe und von ihren Bedürfnissen Kunde gebe, dass er unser Herz beruhige, bis auch wir dorthin gegangen sind.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Du aber erfreue dein Herz, um all das zu vergessen - es tut dir gut, deinem Herzen zu folgen, solange du lebst. Lege Myrrhen auf dein Haupt, kleide dich in feinstes Leinen (...) Vermehre dein Wohlbefinden und lass deinen Willen nicht müde werden! Folge deinem Herzen in Gemeinschaft mit deiner Liebsten, verrichte dein Werk auf Erden und kränke dein Herz nicht, bis jener Tag der Totenklage zu dir kommt

Aber der „Herzensmatte “ hört ihre Schreie nicht,

und ihre Klagen retten das Herz eines Menschen nicht aus der Unterwelt. Nochmals: feiere einen Festtag und werde dessen nicht müde!

Bedenke: Niemandem ist es gegeben, seine Habe mit sich zu nehmen.

Bedenke: Niemand, der fortgegangen ist, kehrt wieder!

Erik Hornung, Reclam Nr 9381, Seite 153

Nachfolgende geschichtliche Übersicht soll Orientierung geben über die zeitlichen Abläufe der dreitausendjährigen Geschichte des ägyptischen Volkes der Pharaonenzeit.

Die Aufstellung entspricht dem Gedanken Thomas Manns mit dem Senkblei, das wir von der Oberfläche unserer Erdentage hinabsenken bis zu den Tagen des König Narmer um 3000 vor Christi Geburt, der die beiden Ägypten (Ober- und Unterägypten) erstmalig vereinigte und damit der erste Träger der roten und weissen Doppelkrone war und damit für die dreitausendjährige Geschichte des alten Ägypten den Auftakt gab.

Die Geschichte Ägyptens

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Kurze Einführung in das Wo und das Wann im Pharaonenreich

Für den Leser, der nur einen Eindruck haben möchte von der Literatur des Alten Ägypten ist es nicht nötig, sein Gedächtnis mit vielen geschichtlichen Zahlen zu belasten. Er sollte sich jedoch vergegenwärtigen, dass zwischen den Sehenswürdigkeiten, die ihm als Tourist von den Führern gezeigt werden, oft gewaltige Zeitabstände liegen.

So gehören die Stufenpyramiden von Sakkara und auch die grossen Pyramiden von Giseh zu der ganz alten Geschichte Ägyptens. Damit sind auch die Pyramidentexte Zeugnisse des Alten Reiches von 2800 bis 2600 v. Chr.

Zum Verständnis der Literatur ist die Kenntnis der Ersten Zwischenzeit um 2100 bis 2000 v. Chr. wichtig. Das Zerbrechen der staatlichen Ordnung des Alten Reiches war ein schweres Trauma. Darauf bezieht sich die Literatur der Klagen über den Zerfall der Moral, die für den Anfang des Mittlere Reiches bestimmend ist.

Die Kunstschätze raffinierter Vollendung aus dem Grab des Tutanchamun stammen hingegen aus dem Neuen Reich um 1350 v.Chr.

Die Tempel aus der Zeit der Ptolemäer, d.h. der Nachfolger Alexanders sind griechisch beeinflusst und stammen aus der Zeit um 300 v. Chr.

Wenn der Tourist von seinem Reiseführer innerhalb einer Woche von den Stufenpyramiden von Sakkara zum Tal der Könige und dann zum Horustempel von Edfu geführt wird, sollte er sich darüber klar werden, dass er jeweils Zeitsprünge von mehr als Tausend Jahren macht.

Die virtuose Benennung der Dynastien von Experten der altägyptischen Geschichte wirkt für den Laien zunächst imponierend, ist aber eine gute Orientierungshilfe.

Die Einteilung der ägyptischen Königshäuser in 30 Dynastien stammt von dem griechischen Historiker Manetho aus den Jahren um 200 v.Chr.

Für den Neueinsteiger ist es hilfreich sich zu merken, dass die uralte Geschichte der Pyramiden in die 4. Dynastie gehört (2800-2600 v.Chr.).

Das Goldene Zeitalter mit seinen raffinierten Kunstschätzen und Zeugnissen hochentwickelter Zivilisation, wie wir sie in den Grabschätzen Tutanchamuns finden, gehört in die 18. Dynastie. (1300-1200 v. Chr.) Die 19. Dynastie der Ramessiden ist von den monumentalen Tempelbauten geprägt, wie wir sie in Abu Simbel antreffen.

Die Geschichte des alten Ägypten endet mit der Herrschaft der griechisch­hellenischen Ptolemäer, welche die 30. Dynastie repräsentierten (300 - 40 v.Chr.). Danach wurde Ägypten römische Provinz.

Die nachfolgende geographische Skizze soll eine Orientierungshilfe für den Neueinsteiger sein. Die darin genannten Orte sind die wesentlichen Ziele der touristisch geführten Reise durch das alte Ägypten. Sie sind auch die wichtigsten Orte, an denen altägyptische Literatur in Form von Papyrusrollen, Tonscherben, so wie Schriften an Tempelwänden, Sarkophagen und Grabwänden gefunden wurden.

Ägy pten, das Geschenk des Nils

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Der Nil, ein Geschenk der Götter

Ägypten besteht eigentlich nur aus Wüste. Mitten durch diese Wüste fliesst jedoch der Nil als kontinuierliche Wasserader. Das allein würde nicht viel nützen, denn der Sand an beiden Ufern würde nicht fruchtbar, wenn er mit Wasser benetzt würde. Das eigentliche Geschenk der Götter besteht darin, dass der Nil jedes Jahr zu vorbestimmter Zeit einen fruchtbaren Schlamm, den er aus Zentralafrika mitbringt, an seinen beiden Ufern ablegt. Es ist, als wolle er dem ägyptischen Volk sagen: “Da habt ihr den fruchtbaren Schlamm; nun macht etwas daraus!“

Das haben die alten Ägypter gemacht.Um aber über eine Strecke von 1000 km die jährliche Schlammflut zu kanalisieren, zu drainieren und für Landwirtschaft nutzbar zu machen, bedurfte es einer kollektiven Zusammenarbeit eines klugen und fleissigen Volkes mit einer zuverlässigen Beamtenschaft, genialen Architekten und einer klugen Staatsführung.

Der griechische Historiker Herodot (geb.484 v.Chr.) bereiste Ägypten und kam bis nach Elefantine.

Mit grossem Respekt berichtet er über die grossen Bauwerke und die kluge Staatsverwaltung der Ägypter. Aus der Zeit des Königs Sesostris (Mittleres Reich) berichtet er:

„ Durch Ägypten, welches doch durchgehend eben ist, kann man nicht durch Reiten und Fahren gut fortkommen. Dieses haben die Gräben verursacht, deren sehr viele sind und welche allerlei Richtungen und Windungen haben. Der König machte aber diese Durchschnitte aus dieser Ursache: Die Ägypter, welche ihre Städte nicht am Fluss hatten, sondern mitten im Land und daher, wenn der Fluss wieder in sein Ufer ging, Mangel an Wasser litten, konnten dasselbe in grösserem Überfluss zum Trinken mit dem Ziehbrunnen aus dem Nil haben. Um dessen Willen ist Ägypten so durchschnitten worden. Dieser König soll auch das Land den Ägyptern ausgeteilt, einem jeden ein gleich grosses Stück ins Geviert zum Eigentum gegeben und davon seine Einkünfte genommen haben, indem er verordnete, davon jährlich eine gewisse Steuer zu entrichten. Nahm aber der Strom jemandem von seinem Eigentumsstück etwas weg, so ging er zum König und zeigte an, was geschehen war. Dieser schickte Leute, welche die Sache untersuchen und ausmessen mussten, um wie viel das Feld kleiner geworden war, damit die Steuer nach dem Verhältnis des erlittenen Schadens ermässigt würde. Davon scheint mir die Feldmesskunst erfunden und nach Griechenland gebracht zu sein“. Herodot, Geschichten, Atlas-Verlag Köln, Seite 158

Über die Nutzung des Nilschlamms und des Wassers für die Landwirtschaft hinaus diente der Fluss auch als Transportstrasse für Menschen und Waren, für den Handel im Lande und hinaus aufs offene Meer zur Vermehrung des Reichtums Ägyptens.

Kein Wunder also, dass der Nil vom Volk hymnisch verehrt wurde, ähnlich, wie wir es vom Erntedankfest kennen.

Hymne an den Nil

Der Autor ist möglichenfalls König Kethi. Der Text wurde gefunden in sechs Versionen auf vier Papyri und zwei Tafeln. Alle Manuskripte stammen aus dem Neuen Reich; In den Schulen wurde er als klassisches Beispiel der Hymnologie gelehrt. Vielleicht wurde die Hymne auch gesungen zum feierlichen Anlass der Überschwemmungsperiode.

Heil dir, o Nil, der aus der Erde stieg, der gekommen ist, um Ägypten das Leben zu bringen! Geheimnisvoll von Natur und dunkel am Tage, gepriesen von deinem Gefolge; Er ist es, der die Felder bewässert,
der von Rah geschaffen wurde um das Vieh zu tränken, der die Wüste bewässert fern von der Wasserquelle.

Wenn der Nil anfängt zu steigen, jubelt das Land, alle sind voller Freude.
Es lächeln die Gesichter, die Zähne sind entblösst im Lachen.
Du Bringer der Nahrung, Erzeuger aller guten Dinge,
Herr der Ehrfurcht, von süssem Duft, guttuend, wenn er kommt.
Er ist es, der die Pflanzen wachsen lässt für das Vieh und die Opfer für die Götter.

Ihr Menschen, freut euch,
zeigt Ehrfurcht vor der Macht des Schöpfergottes,
der durch seinen Sohn (den Nil) die beiden Ufer prosperieren lässt.
Blühe mit deinem Kommen!
Du kommst nach Ägypten,
um den Menschen und den Tieren Leben zu geben
durch die Früchte der Felder.
Blühe mit deinem Kommen, o Nil!

Die Hieroglyphen - geheimnisvolle Schriftzeichen?

Wenn der Tourist in Ägypten die mit Hieroglyphen umgebenen Bilder an Säulen und Tempelwänden sieht, mag er wohl denken, dass man mit einer so fremdartigen und umständlichen Schrift nur einfache religiöse Formeln ausdrücken kann aber nicht komplexere Gedankengänge.

Diesem Irrtum unterliegt nicht nur der Tourist.

In seinem Buch „ Das kulturelle Gedächtnis “ (S.263) geht der Ägyptologe

Jan Assmann auf die Ansicht des Historikers Havelock ein, der meint, erst das griechische Alphabet habe die schriftliche Kommunikation in den Stand versetzt, kontroverse philosophische Gedankengänge auszudrücken, wozu das hieroglyphische Schriftsystem nicht fähig sei. Assmann hält dem energisch entgegen:

„Es gibt keinen Laut, kein Wort, keinen Satz, keinen Gedanken der jeweiligen Sprache, der sich nicht in der zugehörigen Schrift ausdrücken liesse. Havelocks Vorstellung von nicht-alphabetischen Schriften, die schwerfällig im Gebrauch und äusserst reduktiv in ihrer Wiedergabequalität sein sollen, beruht schlicht auf Unkenntnis.“

Mit der arabischen und der hebräischen Schrift hat die hieroglyphische Schrift gemeinsam, dass sie keine Vokale schreibt. Der arabische Name „Samir“ z.B. wird im Arabischen „Smr“ geschrieben. Nur derjenige, der mit der arabischen Sprache vertraut ist, erkennt, dass es hier „Samir“ heissen muss, und nicht „Sumer“ o.ä. Das Problem der fehlenden Vokale zeigt sich für die Ägyptologen beim Lesen der Hieroglyphenschrift, weil niemand mehr weiss, wie die lebendige Sprache der alten Ägypter geklungen hat. Die richtige Ausprache der Königsnamen weiss man z.T. aus Vergleichen mit babylonischen Keilschrifttexten, in denen es Vokale gibt. Für die schriftliche Wiedergabe von fremden Namen, wie dem griechischen Namen „Alexandros“ besitzt die Hieroglyphenschrift jedoch sehr wohl auch Vokale. Bleibt aber die Ausprache eines altägyptischen Wortes wegen fehlender Vokale völlig unklar, besteht unter Ägyptologen international die Übereinkunft, ein „e“ einzuschieben, um das Wort lesbar zu machen.

Die Bezeichnung „die Schöne“, die sowohl für die Frau Echnatons als auch für die Frau Ramses II als Name verwendet wurde (nach ihren Bildnissen müssen sie wirklich aussergewöhnlich schön gewesen sein), wird in der Hieroglyphenschrift als „nfrt“ wiedergegeben. Kein Wunder also, wenn man im internationalen Schriftum heute die Namen „Nefertiti“, Nefertari“ oder Nofretete“ liesst und achtgeben muss, welche Frau gemeint ist.

Die Entzifferung der Hieroglyphen, für die dem Franzosen Champollion 1824 der Durchbruch gelang, wurde möglich durch das Vorgehen auf zwei verschieden Gleisen.

Champollion nutzte die Erkenntnis, dass die von altersher erhalten gebliebene liturgische Sprache der koptischen Christen in Ägypten von der Sprache der Pharaonen hergeleitet ist. Aufgrund seiner genialen Sprachbegabung war es ihm schon in jungen Jahren ein Leichtes, diese Sprache perfekt zu erlernen

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Wie recht Assmann mit seiner Feststellung hat, dass die Ägypter mit ihrer Hieroglyphenschrift jeden beliebigen - auch umgangssprachlichen Gedanken niederschreiben konnten, sei hier belegt durch einen kurzen Ausschnitt aus einem polemischen Briefwechsel, der in einem Papyrus aus der Zeit Ramses II erhalten ist und im Ägyptologischen Museum in Turin aufgehoben wird. Der Staatsbeamte Hori äussert sich spöttisch über stilistische Mängel des Schreibers des Heeres Amenemope.

Die Ironie des Antwortbriefes spiegelt offenbar die Rivalität wider zwischen dem Beamten der Staatsverwaltung und dem des Heeres. Insofern gibt er uns auch einen kleinen Einblick in sehr persönlich gelebtes Leben dieser Zeit.

„Dein Brief erreichte mich zu der Zeit meiner Mittagsruhe. Dein Bote traf mich an, als ich bei den Pferden sass, die sich in meiner Obhut befinden. Ich freute mich und machte mich daran, Dir zu antworten.

Ich betrat meine Wohnung um Deinen Brief zu lesen. Aber ich fand, dass er weder lobend noch angreifend war. Deine Sätze vermischen dieses mit jenem. Alle Deine Worte waren verworren und ohne Zusammenhang. Alles was Du schreibst, ist nicht süss und auch nicht bitter. Du hast Stroh mit Honig vermischt. Du hast Traubensaft in Wein geschüttet.() Deine verworrenen Aussagen sollen mich erschrecken, aber ich habe keine Angst vor Dir Ich kenne Deine Natur. Ich dachte, Du würdest allein, von Dir aus antworten. Aber nun stehen Deine Beschützer hinter Dir Du hast viele Gruppen um Dich versammelt, die Dir helfen sollen wie diejenigen, die Du für ein gerichtliches Verfahren sammeln würdest “

E ddaBresciani, Letteratura e poesia dell'antico Egitto, pag.344 (deutsch übersetzt von Rüdiger Tessmann)

Dem Beruf des Schreibers brachten die Ägypter offenbar sehr viel Respekt entgegen. Es gibt schriftliche Zeugnisse davon, dass eine Vater seinem Sohn den dringenden Rat gibt, Schreiber zu werden.

Besondere Hochachtung genoss jedoch der Schreiber von Büchern, (wir würden heute sagen: der Schriftstellern bzw. der Intellektuelle) die der Nachwelt erhalten blieben. Zeugnis gibt davon ein Gedicht zum Ruhme des Schreibers, das im Papyrus Chester Beatty IV aus der Ramessidenzeit erhalten ist und im British Museum aufbewahrt wird. Hier eine verkürzte Wiedergabe:

Der Nachruhm des Schreibers

Die weisen Schreiber seit der Zeit, die auf die Götter folgte, deren Voraussagen sich erfüllt haben - ihr Name bleibt bis in Ewigkeit, auch wenn sie dahingegangen sind und ihre Lebenszeit vollendet haben, alle ihre Zeitgenossen vergessen sind.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Sie haben sich keine Pyramiden aus Erz gebaut und eherne Denksteine dazu.
Nicht verstanden sie Erben zu hinterlassen an leiblichen Kindern, die ihren Namen bewahren. Sie haben sich Erben an Büchern geschaffen, an Lehren, die sie verfassten.

Werde Schreiber, das nimm dir vor, damit dein Name ebenso werde!
Nützlicher ist ein Buch als ein Denkstein mit Inschrift, als eine fest gefügte Grabwand.
Es errichtet Tempel und Pyramidentexte im Herzen dessen, der ihre Namen bewahrt.

Wahrlich, ein Name im Munde der Leute ist nützlich auch im Totenreich,
Denn der Mensch vergeht und sein Leib wird zu Staub, auch seine Zeitgenossen sind zur Erde gegangen;
aber die Schrift macht, dass man sich seiner erinnert von Mund zu Mund.
Nützlicher ist ein Buch als ein wohlgebautes Haus, als Grabbauten im Westen;
besser ist es als ein fest gefügter Turm, als ein Denkstein im Tempel!

Religion im Ägypten der Pharaonen

Nach einer touristisch geführten Reise durch das Land am Nil kommt vielleicht mancher zurück mit dem Empfinden, die Religion der alten Ägypter mit den vielen Göttern mit Tierköpfen und fremden Namen sei doch ein recht seltsamer Aberglaube. Die Ägypter beteten Affen und Mistkäfer an und verschwendeten ihr Staatsvermögen im Beerdigungspomp für ihre Pharaonen.

Aber nun stellen Sie sich einen Reisenden aus einem anderen Kulturkreis vor, der für eine Woche Italien besucht und daheim über die Religion in Italien berichtet. Er wird erzählen, dass in Italien jedes kleine Dorf einen eigenen Heiligen hat, und dass die Dorfbewohner jedes Jahr eine Holzfigur durch die Strassen tragen und dabei singen und beten, als handle es sich um einen Gott.

Der Kurzbesucher hat von den geistigen Inhalten und von der emotionalen Bedeutung einer lebendigen Religion in diesem Volk, in diesem Lande nichts verstanden.

Was ist eine lebendige Religion? Wann lebt eine Religion in einem Volk?

Ich schlage folgende Kriterien vor:

1. Viele Menschen finden im Moment grosser Freude oder tiefer Verzweiflung in Gott einen Ansprechpartner für Dankbarkeit oder Trost. („Wir sind in Gottes Hand“)
2. Religion ist für viele Menschen eine Richtschnur zu ethischem (sozialem) Verhalten („Gott sieht, was ich tue“).
3. Die religiösen Sitten und Gebräuche sind identitätsstiftend für einen Kulturkreis (Wir sind eine Gemeinde)
4. Die religiösen Vorstellungen sind für grosse Künstler eine fortwährende Inspiration für bedeutende Werke.(„Das Werk als Gottesdienst“)

Mehr als aus der Besichtigung der Tempel und Gräber erkennt man aus den Zeugnissen der Literatur, dass die Religion im Alten Ägypten von den Menschen wirklich gelebt wurde. Erstaunlicher ist es darüber hinaus zu erkennen, dass diese Religion unserer christlichen Religion nähersteht, als mancher annimmt, zumal wir durch unsere religiöse Erziehung aus dem Alten Testament ein überwiegend ägyptenfeindliches Bild erhalten haben.

Wenn man bedenkt, dass Moses aus Ägypten stammt, ja vielleicht sogar Ägypter war und ägyptisches Denken mit nach Israel brachte, dass ein reger Ideenaustausch zwischen der griechischen und ägyptischen Kultur stattfand, und dass die Nachfolger der Ägypter, die Kopten bei ihrer Christianisierung viel ägyptisches Denken in das Christentum herüberbrachten, und dass in Rom und in Griechenland der Isiskult lange Zeit in Konkurrenz stand zum Marienkult, dann wird klar, dass die religiösen Ideen sich nicht in einer Richtung bewegt haben, sondern sich am östlichen Mittelmeer in Form eines Kreislaufes und Gedankenaustausches entwickelten.

Die Erschaffung der Welt

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde
Und die Erde war wüst und leer, Und es war finster auf der Tiefe; Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser

Moses, l.Buch, Vers 1 u.2

So lesen wir es in unserer Bibel. Die Ägypter des Pharaonenreiches lasen es etwas anders. In ihrer Schöpfungsgeschichte entstanden Himmel und Erde erst in der zweiten Generation.

Ihr Schöpfergott Atum schwebte zwar auch auf dem Wasser des Ur-Ozeans (Nun), er brachte jedoch zunächst zwei immaterielle Prinzipien hervor: Die Wahrheit (Tefnut = Maa't) und das Leben (Schu). Damit bestand von vorn herein das Weibliche und das männliche Prinzip. Die beiden erst gebaren dann den Himmel (Nuth) und die Erde (Geb) als materielle Gegebenheiten.

Die Schöpfungsgeschichte der Ägypter ist zu finden auf Sargtexten des Mittleren Reiches. Vorzustellen ist ein im Urwasser treibender Urgott, der allmählich zu Bewusstsein kommt und willensfähig wird. In Assmanns Buch „Maat“ (S.169) lesen wir über ihn:

Ich schwimme und bin sehr ermattet,

meine Glieder sind träge,

Mein Sohn „Leben“ ist es, der mein Herz erhebt.

Er wird meinen Geist beleben, nachdem er diese

meine Glieder zusammengerafft hat, die sehr müde sind.

Da sprach Nun (das Urwasser) zu Atum:

„Küsse deine Tochter Maa't, gib sie an deine Nase!“ (bedeutet:Einatmen)

Dein Herz lebt, wenn sie sich nicht von dir entfernen.

Maa't ist deine Tochter, zusammen mit deinem Sohn Schu, dessen Name „Leben“ ist.

Da sagte Atum: „ Tefnut ist meine lebendige Tochter, sie ist zusammen mit ihrem Bruder Schu, Leben ist sein Name, Maa't ist ihr Name.

Aus dem Sargtext 80 der Theologenschule von Heliopolis ergibt sich aus den drei Urgöttern eine Trinität (Dreieinigkeit)

„Als er Einer war und zu Dreien wurde “

Atum (Urgott)

Schu (masc.)

das Prinzip Leben

Tefnut (fem)

Maa't das Prinzip Wahrheit

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte;

und siehe da, es war alles sehr gut.

Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

Mose,1.Buch, Vers 31

Der Schöpfergott der Ägypter sah das, was er hervorgebracht hatte ähnlich positiv.

In einem Sargtext aus der Zeit um 2100 v.Chr. (Erste Zwischenzeit) lesen wir:

Der Allherr über seine Schöpfung

Ziehet hin in Frieden, denn ich wiederhole für euch die guten Taten, die mein eigener Wille vollbracht hat im Innern des „Weltumringlers (die Schlange) um das Unrecht zum Schweigen zu bringen.

Ich habe vielerlei Vollendetes getan im Inneren des Horizont-Tores.

Ich habe die vier Winde geschaffen

damit jedermann atmen kann in seinem Lebensraum.

Das ist eines davon.

Ich habe die grosse Flut geschaffen, damit der Arme wie der Reiche sich ihrer bemächtige. Das ist eines davon.

Ich habe jedermann wie seinesgleichen geschaffen und nicht befohlen, dass sie Unrecht tun.

Es ist nur ihr Wille, der meinem Wort zuwiderhandelt.

Das ist eines davon.

Ich habe veranlasst, dass ihre Herzen den Westen (Totenreich) nicht vergessen können, damit den Göttern Opfer dargebracht werden.

Das ist eines davon

()

Mir gehört das Leben, denn ich bin sein Herr.

Nie wird das Zepter aus meiner Hand fortgenommen.

Denn ich habe Millionen von Jahren gemacht.

Erik Hornung, Reclam 9381, Seite 117

Zwei wichtige Erkenntnisse ziehen wir aus den Versen:

1.) Es gibt Arme und es gibt Reiche. Aber sie haben die gleichen Rechte zur Nutzung der Naturresourcen.

2.) Für das Unrecht, das die Menschen tun, sind sie selbst verantwortlich.

In altägyptischen Texten lesen wir immer wieder über Bedeutung der Winde, die uns Atemluft für unsere Nasen geben und uns damit das Leben ermöglichen. Im Schöpfungsgedicht auf der vorigen Seite sahen wir, dass der Allgott auf seine Erschaffung der vier Winde besonders hinweist als eine seiner guten Werke.

Im Mittleren Reich war auf einer Vielzahl von Särgen ein Gedicht geschrieben, das hier nicht nur wegen seiner theologischen Aussage, sondern auch wegen seiner poetischen Qualität zitiert werden soll.

Das Lied der vier Winde

Das ist der Nordwind, der die Inseln des Meeres umweht, der seine Arme öffnet zu den Grenzen der Welt und der schläft, wenn er mir gebracht hat, was ich täglich wünsche. Ein Hauch des Lebens ist der Nordwind, und was er mir gewährt hat ist, dass ich lebe durch ihn.

Das ist der Ostwind, der die Fenster des Himmels öffnet, der den Windhauch zum Westen freigibt und der Sonne den Weg bereitet, wenn sie mit ihm aufgeht.

Re ergreift meine Hand und setzt mich auf sein Feld über den Binsen, dass ich mich nähre in ihm in der Weise von Apis und Seht.

Ein Hauch des Lebens ist der Ostwind, und was er mir gewährt hat ist, dass ich lebe durch ihn.

Das ist der Westwind, der Bruder des Gottes Ha, der Spross des Isaau, der im Leibe des Einzigen lebte, als noch nicht zwei Reiche entstanden waren in diesem Land. Ein Hauch des Lebens ist der Westwind, und was er mir gewährt hat ist, dass ich lebe durch ihn.

Das ist der Südwind als ein Nubier des Südens, der Wasser, Wachstum und Leben bringt. Ein Hauch des Lebens ist der Südwind, und was er mir gewährt hat ist, dass ich lebe durch ihn.

Heil euch, ihr vier Winde des Himmels!

ihr Stiere des Himmels!

Ich sage euch eure Namen, die ich euch gegeben habe.

Ich weiss, dass ihr geboren wurdet und entstanden seid, als die Menschen noch nicht geboren und die Götter noch nicht entstanden waren.

Gott als der gute Vater

Das folgende Gebet wurde in einem Grab in der Nekropole von Theben gefunden, wo es von einem Besucher an die Wand geschrieben worden war. In seiner Poesie zeigt es die blumig-orientalische Sprache, die wir auch von den Psalmen Davids kennen. In dem Ausdruck von Liebe und Vertrauen zum Herrn ist es ein Beleg für die Lebendigkeit der Religion in dieser Zeit.

Gebet zu Amun

Mein Herz sehnt sich danach, dich zu betrachten, o Herr!

Wenn der Nordwind die Kehle berührt, sättigst du den, der zu essen verlangt, du löschst den Durst dessen, der zu trinken begehrt. Mein Herz wünscht dich zu sehen.

Mein Herz ist fröhlich, o Amun, Beschützer der Armen.

Für die Waisen bist du der Vater, für die Witwen bist du der Ehemann. Wie schön ist es, deinen Namen zu nennen, er ist wie der Duft des Lebens.

Du bist wie der Geschmack von Brot für den Hungrigen, du bist wie der Hauch einer Brise für den Gefangenen im Kerker. Du hast mich die Dunkelheit sehen lassen, die du geben kannst; Leuchte für mich, damit ich dich sehen kann.

Vertreibe die Furcht.

Bringe Freude in die Herzen der Menschen.

Wie heiter ist das Gesicht dessen, der dich sieht, Amun!

Jeder Tag möge für ihn ein Fest sein.

Dem Touristen werden bei einer Ägyptenreise von eifrigen Händlern bunte Faltblätter verkauft, auf denen etwa vierzig altägyptische Götter mit seltsamen Namen und furchterregenden Tierköpfen abgebildet sind. In sehr schlechter deutscher Übersetzung ist dabei jeder Gottheit eine besondere Bedeutung zugemessen.

Um in das Geistes- und Seelenleben der Menschen des antiken Ägypten tiefer einzudringen, ist dieses Faltblatt sicherlich nicht hilfreich.

Nach der Präsentation der Dreiheit (Trinität) der Urgötter der Schöpfung erfolgt nun die Vorstellung weiterer Mitglieder der altägyptischen Götterfamilie. Es sind zunächst neun an der Zahl. Sie bilden nach dem griechischen Zahlenwort die „Enneade“ (Neunheit). Sie waren für die altägyptischen Menschen von hoher emotionaler Bedeutung, was wir verstehen, wenn wir sie näher kennenlernen.

Die Götterfamilie der Neun (Enneade) in der Theologie von Heleopolis

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Aus der Verbindung von Himmel und Erde, von Nut und Geb gehen vier Kinder hervor : Drei davon, Osiris, Isis und Seht spielen in der weiteren Dramaturgie der ägyptischen Götterwelt die entscheidende Rolle.

Osiris ist der glanzvolle König und Isis ist seine schöne Schwester, Geliebte, Gemahlin. Der finstere und neidische Bruder Seht ermordet Osiris und verstreut den zerstückelten Leichnam in den Sümpfen des Nildeltas.

Isis trauert um ihren geliebten Osiris. Mit grosser Energie unternimmt sie es, die Teile des toten Osiris zu finden und zusammenzusetzen. Indem sie die Gestalt einer Weihe annimmt, gelingt es ihr, den Samen des Osiris in sich aufzunehmen. So bringt sie den Sohn Horus zur Welt in wundersamer Überwindung des Todes. Sie beschützt das neugeborene Kind aufopferungsvoll in den Sümpfen vor den mörderischen Nachstellungen des Seht. Aufgabe des Gottessohnes Horus wird es sein, den Tod des Vaters zu rächen, und im Kampf gegen Seht das Prinzip des Bösen zu besiegen.

Die drei Gottgestalten, Osiris als Herrscher im Reich der Toten, Isis als Inbegriff der schönen Geliebten und der starken Mutter, und Horus als der Gottessohn, der das Böse bekämpfen wird, stehen jetzt als eine neue Trinität im Mittelpunkt der Anbetung durch die Menschen.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Die spirituelle und emotionale Bedeutung dieser Götterfamilie für die Menschen der damaligen Zeit wird nachfühlbar in den nachfolgenden literarischen Zeugnissen, Gebeten und rituellen Texten.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Osiris, Herr im Reich der Toten, Richter im Totengericht Erkennbar an Krone, Zepter (Hirtenstab) und Flagella (Zeichen der Macht)

Hymne an Osiris

Inschrift an einer Stehle aus der Rammessidenzeit

Du, oh mein Herr, der ewig lebt und der ewig sein wird, Osiris, der im Reich des Westens (Totenreich) herrscht, gerechter Gott, Herr der Ewigkeit, erstgeborener Sohn, den Geb (Urgott der Erde) hervorbrachte, Erstgeborener der Nut (Urgöttin des Himmels)

König im Reiche des Schweigens,

Ehrfurchtgebietender Herr des Universum, Grösster unter den Grossen:

( )

Vor dir stehen alle diejenigen, die zu dir kommen, die Reichen und die Armen („ Grosse und Kleine “) die dir angehören.

Alle die auf der Erde leben, alle kommen zu dir (...) ob sie aufsteigen oder absteigen im Laufe ihres Seins, es folgen dir diejenigen, die sind und diejenigen, die sein werden.

Edda Bresciani, Letteratura e poesia Seite 440

Für den Menschen wurde keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre.

Da liess Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er entschlief.

Und nahm seiner Rippen eine, und schloss die Stätte zu mit Fleisch

Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.

Moses, Buch 1, 2. Kapitel, Vers 21 - 23

Isis, Göttin, Gottesmutter - eine starke Frauenpersönlichkeit.

Die Erschaffung der Frau aus einem Ersatzteil des Mannes zu dem Zweck, dass sie als Gehilfin um ihn sei - nein! - eine solch extrem antifeministische Vorstellung gab es in der religiösen Denkwelt der Ägypter schon tausend Jahre vor der Niederschrift unserer Bibel nicht.

Das weibliche Prinzip war unmittelbar bei der Erschaffung der Welt sofort vorhanden als Tefnut, bzw. Maa't und hatte eine zentrale Bedeutung als Repräsentanz für Wahrheit und Gerechtigkeit als tragende Staatsphilosophie.

Isis - die erstgeborene Tochter aus der Verbindung von Himmel (Nut) und Erde (Geb) erstrahlt im Licht weiblicher Stärke über alle Götter hinweg. Ihre kultische Verehrung blieb bis in das vierte nachchristliche Jahrhundert lebendig und konnte von der römischen Regierung nur durch einen Gewaltakt ausgelöscht werden.

Isis verkörpert die Gattentreue zu ihrem geliebten Mann (und Bruder) auch über dessen Tod hinaus.

Um den Sohn Horus zu empfangen bedurfte sie auch nicht listig - schlangenhafter Verführungskunst zum Genuss von verbotenem Obst.

Bei dem wundersamen Zeugungsakt mit dem bereits toten Osiris übernahm sie energisch den aktiven Teil und als alleinerziehende Mutter bewies sie Aufopferungsbereitschaft und Heldenmut in den gefährlichen Sümpfen des Nildeltas, in denen sie den von Mördern bedrohten Gottessohn Horus verbergen musste.

Sie ist somit als starke Frauengestalt Symbol für die liebende Gattin, für bedingungslose Mutterschaft und für die wundersame Wiedererschaffung des Lebens aus dem Tode. Eine Gottesmutter, an die sich der Schmerzbeladene vertrauensvoll wandte, weil er wusste, dass sie den Schmerz kennt.

Kein Wunder also, dass der Kult der Isis lange Zeit in Konkurrenz stand zum Marienkult.

Die Trauer der Isis um ihren getöteten Geliebten, die Klage für den ermordeten schönen Jüngling, ist eine Metapher im kulturellen Gedächtnis geblieben und war Inspiration für Künstler aller Zeiten.

Wie sich eine solche Totenklage in der orientalischen Welt des Alten Ägypten

zugetragen haben mag, davon gibt uns Thomas Mann in seinem Roman „Joseph und seine Brüder“ ein einfühlbares Bild:

„ Es ist die Flötentrauer um den Herrn, denn hier am Orte sitzen Spielleute, die blasen aus aller Kraft kurze Flöten, deren Weinen gar jammervoll das Gebein durchdringt. Die Weiber aber lassen ihr Haar fallen und schweifen aus in ihren Gebärden, indem sie über den Leichnam klagen: O mein Gatte, mein Kind! Denn jede von ihnen ist wie die Göttin, und jede klagt: Niemand liebte mehr als ich!“ Thomas Mann, Joseph und seine Brüder, Fischer, S.449

Im Papyrus Bremner-Rhind, aufbewahrt im British Museum, ist die Totenklage der Isis und ihrer Schwester Nephthys wiedergegeben, die als ritueller Text im Tempel als Duett vorgetragen wurde. (Hier in verkürzter Form)

Auch für den heutigen Leser ist die Kraft der Poesie dieser Klage zu Herzen gehend.

Klage um Osiris

O mein Herr Osiris! Grosser des Himmels und der Erde.

Du schöner Jüngling, komm zurück zu deinem Haus, so lange haben wir dich nicht gesehen!

Du schönes Kind, komm zurück zu deinem Haus.

Du schöner Jüngling, der vorzeitig dahinging

in voller Jünglingsblüte, zur Unzeit! ( )

Ach, dass du zu uns kämest in deiner früheren Gestalt, dass wir dich umarmen, ohne dass du uns entschwindest, du Schöngesichtiger mit grosser Liebe!

Komm doch in Frieden, du unser Herr, dass wir dich sehen, dass die beiden Schwestern deinen Leib umfangen...

Du unser Haupt, wende dich zu uns!

Grosse Trauer herrscht unter den Göttern,

denn sie können den Weg nicht fassen, den du nahmst,

Du junges Kind, dessen Zeit noch nicht war,

du sollst Himmel und Erde durchmessen in deiner einstigen Gestalt!

Wie gross ist mein Verlangen, dich zu sehen!

Ich bin deine Schwester Isis, die Geliebte deines Herzens, auf der Suche nach deiner Liebe, da du fern bist.

Heute überflute ich dieses Land mit Tränen.

Ich bin eine Frau, die dem Geliebten wohltut,

(...) Für uns ist Finsternis hier in meinem Gesicht,

obwohl die Sonne am Himmel steht...

Ich verbarg mich im Dickicht, um deinen Sohn zu verstecken.(...)

Mein Geliebter, mein Herr, der zum Lande des Schweigens dahinging, Komm zurück, komm in Frieden, in Frieden!

Hymne an Isis

Inschrift über dem grossen Zentralportal des Isitempels von Philae

aus der Zeit Ptolemeus IV, 220 v.Chr

Gegrüsst seist du, Isis, grosse Mutter Gottes!

Es bejubeln dich die Beiden Länder unter der Sonne.

Dich verehrt die Nachtbarke des Ra.

Dich lobpreist die Tagbarke der Sonne, o Schöpferin aller Götter! () O Herrin des Lebens, ...

Friede deinem Geiste

an dem schönen Tag, da du erschienen bist!

Edda Bresciani, Lettratura e poesia, Seite 681, ins Deutsche Rüdiger Tessmann

Gebet an Isis

Inschrift in griechisher Sprache auf einer Eingangssäule Isidor, 100 v.Chr.

O Herrin, nie werde ich aufhören, deine grosse Macht zu besingen, du unsterbliche Retterin, grosse Isis, deren Namen unzählbar sind, die die Stadt vor Krieg beschützt und alle ihre Menschen, ihre Bewohner, ihre Frauen, ihre Güter und ihre geliebten Kinder. Alle, deren Schicksal Gefangenschaft ist, alle, denen Tod droht oder Folter auf ihrem schmerzlichen Weg, all die Menschen, die in der Fremde sind, all jene, die zu Schiff sind auf stürmischem Meer, wo die Menschen hinabstürzen, wenn das Schiff zerbirst.

Steh ihnen bei, wenn sie dich um Hilfe anrufen.

Erhöre meine Gebete, du, deren Name allmächtig ist.

Sei mir gnädig, befreie mich von allen Qualen.

Du, die unsere Gebete kennt.

Isis, du Barmherzige. Edda Bresciani, Letteratura e poesia, S.1004, ins Deutsche Rüdiger Tessmann

Das Bild der Mutter Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm ist grossen Künstlern über zwei Jahrtausende Inspiration gewesen für bildliche Darstellungen. Es ist Sinnbild schützender, mütterlicher Zuwendung zu ihrem Kinde. Als Archetypus mütterlicher Liebe ist dieses Bild älter als die Geschichte von der Geburt Christi. Mutter-und Kind-Statuen aus der Zeit der Kopten vor der Zeit der Christianisierung lassen es manchmal nur mit Mühe erkennen, ob es sich hier um Isis mit dem Horuskind handelt oder um Maria mit dem Jesuskind.

Horus, der falkenköpfige Gottessohn.

Bezwinger der Kräfte der Unterwelt

Die rituelle Wiederholung heiliger Texte war im Alten Ägypten Teil des Gottesdienstes. Im Tempel wurden dramatische Szenen rezitiert in der Art späterer griechischer Dramen mit Kommentierung durch einen Chor.

Hier ein dramatischer Sargtext aus der Zeit des Mittleren Reiches. Isis setzt gegen letzte Zweifel durch, dass ihr Sohn Horus als rechtmässiger Sohn des Osiris in der Versammlung der Götter anerkannt wird.

Geburt und Apotheose des Horus Ein mythologisches Drama.

Szenische Vorgabe: Ein Sturm heult, die Götter sind in Angst, Isis erwacht. Sie ist schwanger durch ihren Bruder-Gemahl Osiris. Sie steht auf.

Isis: Ich bin Isis, die Schwester des Osiris, die den Vater der Götter beweint. Osiris, der Richter war über die Kriege um die Beiden Länder. Sein Samen ist in meinem Schoss. Ich trage das Ei (Embrio) eines Gottes in mir, der Sohn desjenigen ist, der den Vorsitz der Götter hat, der dieses Land regiert. Er wird Geb nachfolgen und er wird für seinen Vater sprechen, und er wird Seht töten, den Feind seines Vaters Osiris.

Atum: Es möge geschehen, damit dein Herz zufrieden gestellt werde.

Chor: Aber wie wisst Ihr, dass es Gott der Herr und Erbe der Urgötter ist, den Ihr in Eurem Leibe tragt?

Isis: Ich bin Isis, die vornehmste und die heiligste unter den Göttern. Der Gott, der in diesem Leib heranwächst, ist aus dem Samen des Osiris.

Atum: Diese, die durch ein Mysterium empfangen hat, ist eine junge Frau, die empfangen und geboren hat ohne Eingriffe der Götter, wirklich und wahrhaftig: Es ist der Samen des Osiris. Gehorcht der Göttin, so wie Isis es gesagt hat.

Isis: Der Herr der Götter hat gesprochen. Er hat bestimmt, das mein Sohn in meinem Schoss geschützt werden soll. Überwacht den Schutz des Falken, der sich in meinem Leib befindet.

Atum: Herr der Götter, erscheine in der Welt! Mach, dass die Gefährten deines Vaters Osiris dich verehren und dir dienen. Nenne deinen Namen, wenn du den Horizont erreicht hast. Die Kräfte verlassen meinen Körper.

Szenische Vorgabe: Wie die Schwäche Atum überfällt, beugt er sich. Der Erleuchtete wird geboren und wählt seinen Platz vor den Göttern.

Atum: Sei gepriesen, o mein Sohn Horus! Bleibe in diesem Land deines Vaters Osiris. Dein Name sei: „Falke auf den Zinnen des Schlosses desjenigen, desse n Name verborgen ist“. Ich rufe dich auf als den Gefährten der Sonne am Horizont, am Bug des Schiffes der Urgötter, für alle Ewigkeit .

Isis: O Götter, schaut Horus!

Horus: Ich bin Horus, der Falke auf den Zinnen des Schlosses desjenigen, dessen Name verborgen ist! Mein Flug hat den Horizont erreicht. Ich habe die Götter des Firmamentes überholt, ich habe die Position jenseits der Urgötter eingenommen. Nicht einmal der Adler kann meinen ersten Flug erreichen! Mein Platz ist weit weg von Seth, dem Feind meines Vaters Osiris! Was er gegen mich sagt, kann mich nicht mehr erreichen.

Ich bin Horus, Sohn der Isis.

Edda Breschiani, Letteratura e poesia Seite 61ff, ins Deutsche Rüdiger Tessmann

Im Horustempel in Edfu sieht man ein Wandrelief, (von Christen der römischen Zeit teilweise mit Meisseln zerkratzt), das Horus auf einer Barke stehend darstellt, wie er mit einer Lanze gegen Seht kämpft, der in Gestalt eines kleinen Nilpferdes unter ihm im Wasser zu sehen ist. In dem nun folgenden dramatischen Mysterienspiel muss man sich Seht allerdings als furchterregendes Monster vorstellen, bei dessen Kampfgebrüll das Land erzittert.

Der Sieg des Horus über Seht in Form eines Nilpferdes

Dieser liturgische Text in Hieroglyphen findet sich als Inschrift an den Wänden des Horustempels von Edfu (ca 150v.Chr.)

Isis: Steh fest auf deinen Beinen um vorzugehen gegen dieses Nilpferd,

Fass zu mit deiner Hand, o mein Sohn Horus!

Deine Pfeile fliegen in die Mitte des Flusses

wie eine Wildgans zu ihrem Kücken.

Schiess, um meiner Liebe willen, mitten in den Fluss,

bohre den Pfeil in ihn, o mein Sohn Horus!

Fürchte nicht seine Kraft,

weiche nicht zurück vor dem der im Wasser ist !

Nimm deinen Wurfspiess, mach eine Ende mit ihm, o mein geliebter Sohn Horus!

Die Bewohner der Sümpfe:

Gegrüsst seist du, Horus!

Du bist wie ein tauchender Kormoran,

du bist ein starker Kämpfer mit deinem Wurfholz,

der auch den erschlagen kann, der stärker ist.

Du bist wie ein wilder Löwe, der am Ufer lauert.

der das getötete Tier unter sich gebracht hat.

Deine Pfeile sind wie diejenigen des Herrn der Katarakte.

Die Götter des Himmels:

Wir fürchten für Horus!

Hört das Brüllen des Monsters!

Isis: Steh fest, Horus.

Weiche nicht zurück vor dem der im Wasser ist !

Fürchte nicht den, der in den Wellen ist !

Höre nicht auf ihn, wenn er dich anfleht, mein Sohn Horus!

Das Boot ist leicht, und wer darin ist, ist ein Knabe, aber es ist der Schamlose, der in deinem Netz gefangen ist!

Szenische Vorgabe: Man hört ein Schreien.

Isis: Stärke dein Herz, mein Sohn Horus!

Jetzt hast du den Feind deines Vaters gefangen!

Deine Waffe hat seine Knochen erreicht, gib nicht nach!

Klageschrei am Himmel des Südens

Weinen am Himmel des Nordens!

Es ist der Klageschrei meines Bruders Seht,

wie mein Sohn Horus ihn überwunden hat.

Aber ist es nicht ein Bruder, der seinen älteren Bruder hasst?

Wer könnte ihn lieben?

Erinnerst du dich vielleicht daran,

wie wir uns im Sumpf von Khemni verstecken mussten?

Chor: Freut euch, ihr Frauen von Buto und ihr Bewohner der Lagune!

Kommt und schaut Horus am Bug seiner Barke;

Er ist wie die Sonne, wenn sie am Horizont scheint!

Die weisse Krone und die rote Krone sind fest auf seinem Haupt.

Er hat das Zepter und die Peitsche bekommen, als er mit der Doppelkrone gekrönt wurde.

Ra hat Horus Schutz verliehen unter dem Kreis des Himmels, und gleichermassen auch im Kreis der Erde.

Isis: Dein Feind ist für immer besiegt, o Rächer deines Vaters.

Chor: Seht, Busiri und Memphis sind beglückt,

Hermepolis und Abido sind in Freude, weil sie diesen Augenblick erleben, den Horus beschert hat, der Sohn der Isis. Er hat die Aufgabe seines Vaters übernommen, und er hat ihn rehabilitiert.

Den, der ihn unterdrücken wollte, den hat er besiegt.

Wie schön ist es, wenn der Sohn den Vater rehabilitiert.

Wir müssen Gott dafür danken.

Edda Bresciani Letteratura e poesia.., Seite 626, ins Deutsche Rüdiger Tessmann

Der symbolträchtige Kampf des Gottessohnes gegen den Drachen der Tiefe hat sich als christliches Erinnerungsbild erhalten.

Die Altägyptischen und die koptischen Darstellungen des Kampfes des Horus gegen den Drachen Seht ähneln stark den Darstellungen des christlichen Georg mit dem Drachen.

Die Vorbereitung auf das Jenseits

Ein Leben im Sinne der Maa't

Ein Katalog der verbotenen Verhaltensweisen wie die Zehn Gebote oder wie die Regeln der Thora gab es im Ägypten der Pharaonen nicht.

Für ein den Göttern gefälliges Leben, das später auch ein ruhiges Hinüberschreiten in das Jenseits ermöglichte, war die Göttin Maa't, die Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, Wegweiser und Vorbild. „Maa't reden und Maa't tun“ das heisst: die Wahrheit sprechen und sozial im Sinne der Gemeinschaft handeln. Bei einem solch klaren Vorbild des Guten, Gerechten und sozial Angepassten bedurfte es offenbar nicht eines ausführlichen Regelwerkes.

Im Christentum kennen wir den Spruch: „Seid gesinnet wie Jesus Christus!“ Wer sich vorstellt, wie er in einer bestimmten Situation gehandelt hätte, für den sollte das eigene Gewissen ausreichende Richtschnur sein. So etwa war es für den frommen Ägypter wohl auch genug, zu sich zu sagen: „Rede Maa't und handle Maa't!“

Ein eindrucksvolles Bild aus dem „ Totenbuch“ zeigt uns, wie die Seele eines Verstorbenen präzise geprüft wird, ob sie das Hinüberschreiten ins Jenseits verdient hat. Die Taten im Leben des Verstorbenen werden gewertet, indem sein Herz auf einer Waage gegen die „Maa't“ gewogen wird.

Auf der linken Schale der Waage sehen wir das Herz des Verblichenen, während auf der rechten Schale eine kleine Figur der Göttin Maa't sitzt, die an der Feder auf dem

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Kopf zu identifizieren ist. Der schakalköpfige Anubis prüft genau den Ausschlag des Zeigers der Waage. Der rechts sitzende Osiris als Herr im Totenreich überwacht die Prozedur und fällt das abschliessende Urteil.

Um die Richter milde zu stimmen, wurde in der 18. Dynastie dem Verstorbenen oft ein Papyrus in den Sarg gegeben mit den Worten: „ O mein Herz, das ich von meiner Mutter habe, beschwere nicht das Zeugnis gegen mich! Klage mich nicht an vor dem Gericht! Richte dich nicht gegen mich in Gegenwart des Wächters an der Waage!“

Im Totenbuch werden dem Verstorbenen für seine Aufnahmeprüfung vor dem Totengericht Formulierungen empfohlen, durch die das Gericht milde gestimmt werden soll, so dass ihm die ersehnte Aussicht zu teil wird, das Antlitz des Gottes zu sehen:

„Gegrüsst seist du, o grosser Gott! Ich komme zu dir, o mein Herr, um deine Schönheit zu schauen. Ich bin zu dir gekommen. Ich habe Gerechtigkeit geübt. Ich habe das Unrecht zurückgewiesen.

Ich habe nicht Frevel geübt gegen die Menschen.

Ich habe keine Tiere gequält

Ich habe nicht Frevel verübt gegen die Maa't

Ich habe nicht Gott geflucht.

Ich habe keinen Armen geschädigt

Ich habe nicht gegen göttliche Tabus verstossen.

Ich habe niemand weinen gemacht.

Ich habe nicht mit Knaben geschlafen

Ich habe nicht das Hohlmass gefälscht.

Ich habe nichts dem Gewicht der Waage zugefügt.

Ich habe das Flächenmass nicht geschmälert.

Ich habe getan, was die Menschen raten.

Brot gab ich dem Hungernden und Wasser dem Dürstenden, Kleider dem Nackten, ein Fährboot dem Schifflosen.

Ich bin rein, ich bin rein!“

Erik Hornung, Reclam 9381 Seite 122 Diese Aufzählung der Unschuldsbeteuerungen ist im Original wesentlich länger. Sie zeigt uns immerhin, welches Verhalten im Antiken Ägypten sozial erwünscht war. Sollte der Verstorbene aufgrund seines irdischen Lebens bei der Prüfung wirklich durchfallen, erwartete ihn ein krokodilsköpfiges Ungeheuer, das ihn auffrass, so dass er dann wirklich tot war.

Im günstigen Falle erwartete ihn ein ruhiges Hinüberschreiten in eine Welt des Friedens, des Ausgleichs aller Spannungen.

Eindrucksvoll sind die Worte aus der Lehre des Merikare, 10. Dynastie, 2100 v.Chr.

Die Ewigkeit bedeutet das Dortsein,

Wer es erreicht ohne Verfehlung, der wird dort sein wie ein Gott, frei schreitend wie die Herren der Ewigkeit. Jan Assmann, Maa't, S.131

Der „Ketzerkönig“ Echnaton

Die vom Pharao befohlene monotheistische Revolution.

Während der Glanzzeit der 18. Dynastie kommt im Jahre 1372 v.Chr. als Nachfolger des Pharao Amenophis III sein Sohn Amenophis IV auf den Thron. Seine Frau ist die schöne Nofretete., deren Büste im Berliner Museum zu bewundern ist.

Durch sein Leben und sein Werk gibt er den Ägyptologen und den Religionswissenschaftlern Rätsel auf, an deren Deutung und Lösung noch ständig gearbeitet wird.

Er schafft die gesamte bisherige ägyptische Religion mit ihrer Priesterschaft ab, zieht in die von ihm selbst gegründete neue Hauptstadt Amarna um, gibt sich selbst den Namen Echnaton und erklärt sich zum Begründer einer neuen Religion, die nur einen Gott kennt, nämlich die Sonne, genannt „Aton“

Sich selbst und seine Frau Nofretete erklärt er zu unmittelbaren Abkömmlingen dieses Sonnengottes. In seiner neuen Hauptstadt fährt er zusammen mit ihr in elegantem Wagen von Tempel zu Tempel und lässt sich von willfährigen Untertanen bejubeln. Seine Abbildungen zeigen ihn mit unschön gestalteter Figur, die an gewisse Hormondefekte denken lässt. Um die politischen Gefahren im Innern des Landes und an dessen Grenzen scheint er sich kaum gekümmert zu haben.

Seine Herrschaft dauert nur 18 Jahre lang. Er verschwindet recht plötzlich aus der Geschichte. Ob er ermordet wurde, ist nicht bekannt. Nach seinem Abgang bemüht man sich, seine Spuren möglichst vollständig zu tilgen. Unter seinem Nachfolger Tutanchamun werden die alten Verhältnisse rasch wieder hergestellt.

So gesehen war die Regierungszeit des „Ketzerkönigs“ Echnaton nur ein kurzes Intermezzo. Dennoch ist die Spur seiner Erdentagen gewaltig, denn er hat als erster Mensch den Monotheismus eingeführt, der einige Jahrhunderte später von Moses nach Israel gebracht wurde, und der von dort aus mit dem Entstehen der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam die Welt verändert hat. Dies geschah, wie Jan Assmann betont, nicht nur zum Besseren, denn der Eine Gott erwies sich als eifersüchtig, mit der Bereitschaft, Anhänger von Nebenbuhlern grausam verfolgen und vernichten zu lassen. Toleranz wurde zum Problem.In den Trümmern der Hauptstadt Echnatons fand man nicht nur die berühmte Büste seiner schönen Frau Nofretete, sondern an einer Grabwand auch- in Hieroglyphen geschrieben- ein hymnisches Gedicht, das er selbst verfasst haben soll. Mit diesem poetischen Werk, mit dem er die Wunder der Weltschöpfung preist, hat er sich über die Jahrtausende hinweg Weltruhm als Hymnendichter verschafft.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Der Sonnengesang des Echnaton

(Etwa um die Hälfte gekürzt)

Schön erscheinst du im Horizont des Himmels, du lebendige Sonne, die das Leben bestimmt. Du bist aufgegangen im Osthorizont und hast jedes Land mit deiner Schönheit erfüllt.

Schön bist du, gross und strahlend, hoch über allem Land.

Deine Strahlen umfassen die Länder bis ans Ende von allem, was du geschaffen hast.

Du bist Re, wenn du ihre Grenzen erreichst und sie niederbeugst für deinen geliebten Sohn.

Fern bist du, doch deine Strahlen sind auf Erden;

du bist in ihrem Angesicht, doch unerforschlich ist dein Lauf.

Gehst du unter im Westhorizont, so ist die Welt in Finsternis, in der Verfassung des Todes.

Die Schläfer sind in der Kammer, verhüllten Hauptes, kein Auge sieht das andere.

Raubt man alle ihre Habe, die unter ihren Köpfen ist- sie merken es nicht. Jedes Raubtier ist aus seiner Höhle gekommen, und alle Schlangen beissen. Die Finsternis ist ein Grab, die Erde liegt erstarrt, ist doch ihr Schöpfer untergegangen in seinem Horizont.

Am Morgen aber bist du aufgegangen im Horizont

und leuchtest als Sonne am Tag;

du vertreibst die Finsternis und schenkst deine Strahlen.

Die Beiden Länder sind täglich ein Fest,

die Menschen sind erwacht und stehen auf den Füssen, du hast sie aufgerichtet.

Rein ist ihr Leib, sie haben Kleider angelegt,

und ihre Arme sind in Anbetung bei deinem Erscheinen, das ganze Land tut seine Arbeit.

Alles Vieh ist zufrieden mit seinem Kraut, Bäume und Kräuter grünen.

Die Vögel sind aus ihren Nestern aufgeflogen, ihre Schwingen preisen deinen ka.

Alles Wild hüpft auf den Füssen, alles was fliegt und flattert, lebt, wenn du für sie aufgestanden bist.

Die Lastschiffe fahren stromab und wieder stromauf, jeder Weg ist offen durch dein Erscheinen.

Die Fische im Strom springen vor deinem Angesicht, deine Strahlen sind im Inneren des Meeres.

(....)

Wie zahlreich sind deine Werke, die dem Angesicht verborgen sind, du einziger Gott, dessengleichen nicht ist!

Du hast die Erde geschaffen nach deinem Wunsch, ganz allein, mit Menschen, Vieh und allem Getier, mit allem, was auf der Erde ist, was auf den Füssen herumläuft, und allem, was in der Höhe ist und mit seinen Flügeln fliegt.

Die Fremdländer von Syrien und Nubien, dazu das Land Ägypten - jeden stellst du an seinen Platz und sorgst für seine Bedürfnisse, ein jeder hat seine Nahrung, seine Lebenszeit ist bestimmt.

Die Zungen sind verschieden im Reden,

ebenso ihre Wesenszüge; ihre Hautfarbe ist verschieden, denn du unterscheidest die Völker.

(......)

(...) Seit du die Welt gegründet hast, erhebst du sie für seinen Sohn, der aus deinem Leibe hervorgegangen ist, den König Beider Ägypten () Echnaton, gross in seiner Lebenszeit, und die Grosse Königsgemahlin, die er liebt, die Herrin beider Länder, Nofretete, die lebendig und verjüngt ist für immer und ewig.

Erik Hornung Reclam 9381, Seite 129 ff.

Neben seiner poetischen Schönheit enthält der Hymnus die gesamte Theologie des Echnaton.

Wenn man bedenkt, dass tatsächlich alles Leben auf Erden, bishin zu den fossilen Brennstoffen, die aus früheren Jahrmillionen unter der Erde ruhen, nur von der Sonnenenergie gespeist wurde, und dass wir auch für die Zukunft unsere Hoffnung auf erneuerbarer Energie aus der Sonnenkraft setzen, ist es sogar eine recht moderne Ansicht, die Sonne als die ständige Erneuerin des Lebens zu preisen.

Kritiker der Theologie des Echnaton haben die Einseitigkeit seiner Naturbetrachtung hervorgehoben, mit der er die Nachtseite mit dem Zustand des Todes gleichsetzt.

In der sonnenbeschienenen Welt des Echnaton existieren nicht die Kräfte der Dunkelheit, der Leidenschaften, für die die polytheistische Religion Ägyptens vielgestaltige göttliche Vertreter hatte.

Horus hatte zwar den bösen Seht besiegt. In der ägyptischen Mythologie lebte Seht jedoch weiter als wichtiger Gegenpol des Guten. Das wahre Leben blieb als Ringen der beiden Prinzipien eine ständige Herausforderung.

Vielleicht ist es diese lebensfremde Einseitigkeit des sonnenbestrahlten Weltbildes des Echnaton, die seine Theologie zu seiner Zeit nicht populär werden liess.

Zu der Annahme, dass zwischen Echnatons Monotheismus und der Jawe-Allein-Religion des Moses direkte Verbindungen bestehen, gibt es zahlreiche Hypothesen, die sich jedoch nicht auf Literaturzeugnisse stützen können.

Staatsphilosophie im Ägypten der Pharaonen.

Theokratie als Gemeinschaftskunst

Nach Abschluss des Kapitels über die Religion im Antiken Ägypten soll nun das Staatswesen, die Politik durch literarische Belege abgehandelt werden. In unseren modernen Staaten legen wir Wert darauf, dass der Staat sich aus der Religion heraushält, wie auch die Religion nicht in die Politik hineinreden sollte.

Für die Ägypter der Pharaonenzeit wäre ein solches Denken unverständlich. Sie lebten mit den Göttern und der Pharao war Stellvertreter Gottes auf Erden, ja, selbst ein lebender Gott, der verantwortlich war für die Erhaltung der kosmischen Ordnung im Einklang mit den Göttern des Himmels. (Jan Assmann, Maa't, beck, 2006)

Oberstes Prinzip war dabei innerhalb der ägyptischen Gesellschaft die Einhaltung von Wahrheit und Gerechtigkeit, wie sie von der Tochter des Schöpfergottes Atum, der grossen Maat vorgegeben war.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Die Göttin Maat, kenntlich an dem Federschmuck auf dem Kopf.

Der Verstoss eines Staatsbeamten gegen den Geist der Maat würde eine Verletzung der göttlichen, der kosmischen Ordnung bedeuten.

Der Pharao delegierte seine Macht an den Obersten Priester, der für die Tempelriten zuständig war, und auf den Grossvesir, der die Organisation des Staatswesens leitete. Zur Vermeidung von Amtsmissbrauch und Korruption im Staat fordern wir heute eine starke Opposition, eine unabhängige Gerichtsbarkeit und eine freie, kritische Presse. In einer Theokratie wird die Macht des regierenden Gottmenschen nur von den Göttern kontrolliert. In den dreitausend Jahren ägyptischer Geschichte funktionierte das für lange Zeitstrecken offenbar recht gut.

34 ..

Der Oasenmann - der Michael Kohlhaas des Antiken Ägypten.

Generationen von Schülern wurden im Deutschunterricht von ihren Lehrern genötigt, einen Aufsatz zu schreiben über das Thema „Das Rechtsempfinden des Michael Kohlhaas“. In dieser Erzählung von Heinrich von Kleist geht es um einen Pferdehändler, der Pferde zum Markt bringen will. Am neu errichteten Zollschlagbaum eines Adelssitzes werden ihm unter falscher Vorspielung der Rechtslage zwei wertvolle Pferde abgenommen. Mit demütigender Arroganz weist der Adelige seine rechtmässigen Forderungen ab. Als rechtschaffener Mann versucht Michael Kohlhaas auf dem Gerichtswege, sein Recht wieder herzustellen, was nicht gelingt. Erst jetzt verzweifelt er und greift zum Mittel der Gewalt als Selbstjustiz. Wir lernen daraus: Für den Menschen gibt es nichts Schlimmeres, als zu erkennen, dass der Staat ihm nicht hilft, sein Recht zu erhalten. Wenn der Staat das Recht beugt, kann auch der kleine Mann an nichts mehr glauben und wird zum Amokläufer.

Im Mittleren Reich des antiken Ägypten ab 2100 v.Chr. kursierte eine sehr ähnliche Geschichte, die damals ebenfalls in Schulen als Lehrmaterial diente.

Sie trägt den Titel: „Der redekundige Oasenmann“ oder „Die Klagen des Bauern“.

Es geht hier aber nicht um zwei Pferde, sondern um zwei Esel, bepackt mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die der Oasenmann zum Markt bringen will.

Ein Gutsbesitzer namens Thotnacht aus dem Destrikt des Oberverwalters Rensi versperrt ihm in den Weg und versteht es mit einem rechtswidrigen Trick, ihm die Esel mitsamt der Ware abzunehmen.

Der Oasenmann will sein Recht bei dem Oberverwalter Rensi einklagen, muss aber erfahren, dass der Beamte für ihn nicht tätig wird. Sein Entsetzen darüber, dass ein Beamter, der für die Wiederherstellung des Rechtes zuständig ist, nichts tut, drückt der Oasenmann in neun Klagereden aus, die so vortrefflich formuliert sind, dass sie dem Pharao zu Ohren kommen, der daraufhin das Recht wiederherstellt. Der Bauer bekommt nicht nur die Esel mit den Waren zurück, sondern auch noch eine Entschädigung. Über den Vorfall wird eine Akte angelegt.

Wir lernen aus dieser Geschichte, dass im Antiken Ägypten auch der kleine Mann die Möglichkeit hatte, für sein Recht zu streiten, und dass die Staatsgewalt bemüht war, sein natürliches Rechtsempfinden nicht zu kränken. Nach dem Chaos der Ersten Zwischenzeit war dies im Mittleren Reich offenbar ein zentrales Thema.

Heute wird jeder Bürger, der auf die Bearbeitung eines Vorganges in der Staats- oder Stadtverwaltung angewiesen war, und der an der Trägheit und Unfreundlichkeit eines Beamten scheiterte, die Klagen des Oasenmannes von vor 4000 Tausen Jahren für sehr aktuell halten. Hier einige Auszüge seiner Klagen, die er nach orientalisch -, blumenreicher Ansprache vor dem hohen Beamten vorbringt:

„ Oberverwalter, mein Herr!

Ich rede, du hörst:

Verwirkliche das Recht, du Gelobter, den die Gelobten loben, vertreibe die Not!

Siehe, ich bin beladen mit Kummer. Siehe, ich bin schwach deswegen. Zähle mich und sieh, wie wenig ich bin.

Ist das nicht etwas Schlimmes:

eine Waage, die schiefgeht, ein Lot, das fehlgeht, ein Rechtschaffener, der verwirrt worden ist?

Siehe, die Gerechtigkeit flieht vor dir, da sie von ihrem Platz verdrängt worden ist. Die Beamten tun Unrecht, wer richtig rechnen sollte, tut etwas auf die Seite.

Die Richter rauben gestohlenes Gut.

Wer einer Sache auf den Grund gehen sollte, bringt sie in Verwirrung!“

Der Oberverwalter Rensi fragt dagegen, ob es denn etwas so Schwerwiegendes sei, was da passiert ist. Da platzt die ganze Empörung aus dem Oasenmann heraus mit der Vorstellung, wo es denn hinführe, wenn das Recht im Staate nicht mehr gewährleistet sei.

Die Richtschnur der Welt ist es, Gerechtigkeit zu üben.

Sprich keine Lüge, du bist die Waage!

Deine Zunge ist das Lot der Waage, dein Herz ist das Gewicht.

Wenn du dein Gesicht verhüllst gegen den Gewalttätigen, wer dann wird der Gemeinheit wehren?

Du bist doch ein Koch, dessen Wonne das Schlachten ist, zu verletzen macht ihm nichts aus.

Als der Beamte ihn als lästigen Bittsteller mit Peitschenhieben wegzuscheuchen versucht, hält der Oasenmann ihm entgegen:

„ Wahrlich, du bist Polizist und Räuber zugleich, eine Respektsperson, die Geschenke annimmt, ein Gouverneur, der dem Raub Einhalt bieten soll, aber zum Vorbild für den geworden ist, der ihn ausübt! Nutze deine Macht nicht aus, damit kein Übel dich erreicht! Um Streitfälle anzuhören, bist du eingesetzt, um die Kontrahenten zu richten, den Räuber zu strafen. Doch was du getan hast ist, den Dieb zu unterstützen! Man hatte Vertrauen zu dir, aber du bist ein Gesetzesbrecher geworden.

Du wurdest eingesetzt als ein Damm für den Elenden, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren, aber du bist zum Gewässer geworden, das ihn fortreisst. Ist das Gesetz zerbrochen und die Ordnung gestört, dann kann ein Armer nicht leben, der beraubt wurde, und die Gerechtigkeit wendet sich ihm nicht zu. Mein Inneres ist erfüllt, mein Herz ist bedrückt.

Ja, deine Faulheit wird dich zum Frevel führen, deine Habgier wird dich dumm machen!“ Erik Hornung, Reclam, S.9ff

Sinuhe - Eine glückliche Heimkehr aus politischem Asyl

Diese Erzählung aus dem Mittleren Reich spielt in der Regierungszeit des Königs Sesostris I (1971 - 1926 v.Chr.). Autobiographisch berichtet der angesehene Beamte Sinuhe am Königshof des Amenemhat I über seine Flucht ins Ausland, nachdem er im Zusammenhang mit dem Tode Amenemhats, Vater des Sesotris, in Verdacht geraten war, Mitverschwörer einer Palastrevolte zu sein.

Als Exilant ist er im Ausland äusserst erfolgreich und wird zu einem reichen und angesehenen Mann.

Im hohen Alter erreicht ihn die Nachricht einer Amnestie seitens des Königs Sesostris. Wir erleben die tiefe Dankbarkeit eines Ägypters dafür, dass er in seinen Kulturkreis zurückkehren darf und dass er nicht in fremder Erde begraben werden muss. Die tiefe Liebe zur Heimat und zu den eigenen Kulturwerten eines Ägypters wird in der Erzählung greifbar. Hier einige Auszüge:

Der Tod des alten Königs:

Regierungsjahr 30, 3. Monat der Achet-Jahreszeit, Tag 7.

Der Gott (toter König) stieg empor zu seinem Horizont.

Der König Amenemhat I.wurde zum Himmel entrückt und vereinte sich mit der Sonne.

Der Gottesleib war vermischt mit seinem Erzeuger.

Die Residenz war in Schweigen, die Herzen in Trauer, die grossen Portale geschlossen, der Hofstaat sass, den Kopf auf den Knien, das Volk klagte.

Sinuhe schildert die Eigenschaften des neuen Köngs Sesostris:

Ein Held ist er, der mit seinem Arm wirkt, ein Kämpfer, dem niemand gleichkommt. Man erblickt ihn, wie er auf die Bogenvölker herabfährt und zum Angriff schreitet.

Er ist es, der weit ausschreitet, damit er den Fliehenden vernichtet.

Er ist einer mit standhaftem Herzen im Augenblick des Angriffs.

Er ist einer mit festem Herzen, wenn er die Massen erblickt.

Auch ein Liebenswürdiger ist er, mit grosser Huld, der durch die Liebe erobert hat.

Seine Stadt liebt ihn mehr als sich selbst

Männer und Frauen ziehen vorbei

und jauchzen über ihn, weil er ein König ist.

Der König Sesostris schreibt an Sinuhe:

„ Komm doch nach Ägypten, damit du die Heimat wiedersiehst, in der du aufgewachsen bist.

Jetzt hast du ja begonnen, alt zu werden,

rufe dir nun den Begräbnistag in Erinnerung.

Es soll nicht so sein, dass du im Fremdland stirbst,

nicht Asiaten sollen dich bestatten.

Nicht in ein Widderfell sollst du gehüllt werden, keine Steinmarkierung soll für dich gemacht werden. Dies alles vergeht ja!

Sorge für dein leibliches Fortleben und kehre zurück!“

Glückliche Heimkunft und Empfang am Königshof:

Ich wurde in das Haus eines Königssohnes gebracht.

Wunderbares gab es dort. Es hatte ein Badezimmer,

Spiegel und Schmuck aus dem Schatzhaus,

Kleider aus feinstem Königsleinen,

Weihrauch und bestes Öl des Königs und der Beamten.

Man liess die Spuren der Jahre an mir vorrübergehen.

Ich wurde enthaart, und meine Haare wurden zusammengefegt, sie wurden der Wüste übergeben, dazu meine Beduinenkleider.

Ein Landhaus wurde mir zugewiesen aus dem Besitz des Hofrates.

Viele Handwerker bemühten sich, es auszubessern, jeder Baum wurde neu gepflanzt.

Ich blieb in der Gunst des Königs,

bis der Tag des Hinscheidens gekommen war. Erik Hornung, Reclam,s.28ff

Anmerkung: Der Erfolgsroman“Sinuhe der Ägypter“ von Mika Waltari steht mit der hier genannten altägyptischen Erzählung nur in sofern im Zusammenhang, als der Romanautor seinem fiktiven Helden den Namen „ Sinuhe “ gab. Inhaltlich besteht keine Ähnlichkeit.

Warum es für den Ägypter einer Katastrophe gleichkommt, in der Fremde zu leben und in fremder Erde begraben zu werden (obgleich es ihm im Exil doch gut ging), ersehen wir aus einem Absatz im Buch „Maat“ (S.201)von Jan Assmann:

„ Der erste Grundsatz der ägyptischen Anthropologie besagt: Der Mensch kann ohne Maat nicht leben. Der Grund ist seine Angewiesenheit auf Gemeinschaft. Er kann nicht ausserhalb der Gemeinschaft leben. Die Maat ist das Prinzip seiner sozialen Integration. Weil der Ägypter unter „Leben“ mehr versteht als das physische Erdendasein zwischen Geburt und Tod, wird auch die Wirksamkeit der Maat ins Jenseits ausgedehnt. Auch eine Jenseitsexistenz ist ohne Maat nicht möglich; dafür sorgt das Totengericht.

Der zweite Grundsatz lautet: Der Mensch kann ohne Staat nicht leben. Der Grund ist: Er bedarf einer übergeordneten Instanz, die die Maat garantiert und realisiert. Der Einzelne kann nur in einem beschränkten Rahmen agieren. In diesem Rahmen kann er die Maat „ tun“ und „ sagen“. Um aber die Maatsphäre im Grossen zu verbreiten, innerhalb derer kommunikatives, d.h. auf Vertrauen und Verständigung basierendes Handeln überhaupt erst möglich ist, bedarf es einer übergeordneten Instanz. Diese ist das Königtum.“

Die Mahnworte des Iwuper

Das erlebte Trauma der Verwüstung des Landes, des Verlustes der staatlichen Ordnung und der öffentlichen Moral nach dem Zusammenbruch des Alten Reiches war auch hier Anlass für die Klagen, die wahrscheinlich nach der Ersten Zwischenzeit niedergeschrieben wurden.

Die Verse erinnern an das Gedicht von Andreas Gryphius „Tränen des Vaterlandes“, mit dem er die Zustände in Deutschland während des Dreissigjährigen Krieges schildert.

Hier einige Auszüge als Kostptobe:

Wahrlich, der Fluss ist Blut, und doch trinkt man von ihm;

man schreckt vor den Leichen zurück und dürstet nach Wasser.

Wahrlich, Tore, Säulen und Wände sind verbrannt, während die Halle des Palastes noch überdauert.

Wahrlich, das Schiff der Südleute schwankt, die Städte sind zerstört, und Oberägypten ist zu leerer Wüste geworden.

Wahrlich, fremde Barbaren sind nach Ägypten gekommen, die vornehmen Frauen irren durch das Land.

Wahrlich, Elefantine und Thinis

liefern keine Abgaben mehr wegen des Aufruhrs.

Es fehlt an Getreide, Holzkohle, Brennholz;

Wozu dient ein Schatzhaus ohne seinen Inhalt?

Jedes Fremdland sagt:“Alles gehört uns!“

Was sollen wir dagegen tun? Alles geht zugrunde!

Wahrlich, das Lachen hat aufgehört, man tut es nicht mehr, denn Trauer ist es, was die Welt erfüllt, vermischt mit Klage.

Wahrlich, die Beamten sind erschlagen und ihre Akten geraubt.

Wie weh ist mir, weil diese Zeit so trostlos ist, die Listen der Kataster-Schreiber sind zerstört, das Korn Ägyptens ist allgemeines Gut.

Wahrlich, die Gesetze der Kammer sind hinausgeworfen,

man trampelt ja darauf in den Strassen,

und das Gesindel zerreisst sie in den Gassen.

Seht, die Residenz ist voll Furcht, weil ein Herr mangelt.

Aufruhr ist entstanden, ohne Eingreifen!

Seht, das Land hat sich mit Banden gefüllt, der Feige raubt die Habe des Tapferen.

Erik Hornung, Reclam, S.78ff

Chacheperreseneb klagt

Auch dieser Autor aus dem Mittleren Reich, aus der Regierungszeit des Sesostris II beklagt den Verfall alter guter Sitten. Hier ein kurzer Ausschnitt:

Ja, ich denke nach über das, was geschehen ist, über die Ereignisse in der Welt: alles wandelt sich, nichts ist wie im vorigen Jahr, Die Welt ist verwirrt, zerstört, verwüstet.

Das Recht ist hinausgeworfen, das Unrecht sitzt im Beratungssaal.

Ja, ich denke nach über das, was geschehen ist. Feindschaft wird auch morgen herrschen, aber die Welt schweigt darüber.

Das ganze Land ist in Verwirrung, niemand ist frei vom Bösen, und alle tun es ohne Unterschied,

Die Gesichter sind stumpf, keiner ist weise genug, es zu erkennen, keiner zornig genug, es auszusprechen. Man steht nur auf, um zu leiden.

Das Herz nimmt die Wahrheit nicht an, und man duldet keinen Widerspruch.

Denn man liebt nur seine eigene Worte. Erik Hornung, Reclam, s.96

Neferti profezeit

Der Text war in der 18. Dynastie Schullektüre, bezieht sich jedoch auf die Wirren zu Beginn des Mittleren Reiches 600 Jahre zuvor. An den Auswirkungen eines Krieges auf die menschliche Seele hat sich in viertausend Jahren nichts geändert

Ich zeige dir das Land in schwerer Krankheit, was nicht geschehen sollte, ist geschehen: Man wird Waffen des Krieges ergreifen, so dass das Land in Umsturz lebt.

Man wird Pfeile aus Kupfer machen und Blut für Brot fordern.

Man lacht mit bitterem Lachen;

Man wird den Tod nicht mehr beweinen, denn jeder ist nur mit sich selbst beschäftigt. Man hält die Trauer nicht mehr ein, die Menschen haben sie ganz aufgegeben. Ein Mann sitzt da und kehrt den Rücken, während einer den anderen tötet! Erik Hornung, Reclam,s.102

Ratschläge des weisen Ptahotep

Altes Reich, 2200 v.Chr.

Üb' immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab; und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab.

Nur noch ganz alte Leute werden sich erinnern, dass dieses Lied Kindern als gültige Lebensregel mit auf den Weg gegeben wurde. Die Vorstellungen darüber, welche Verhaltensweisen im praktischen Leben als modern, schlau und erfolgversprechend, zeitkonform oder politisch korrekt gelten, haben sich bei uns in den letzten hundert Jahren durch ideologische Richtungswechsel und geschichtliche Umwälzungen häufig diametral geändert.

Insbesondere galten tugendhafte Verhaltensregeln des klugen Masshaltens und der geduldigen Subordination unter die Weisung des Vorgesetzten oft als grossmütterliches Moralisieren.

Im Antiken Ägypten war das aufgrund schlimmer Erfahrungen aus den chaotischen Zeiten von Krieg und Umsturz offenbar anders. Die negativen Erfahrungen blieben im kollektiven Gedächtnis bestehen. Ein stabiler Wertekanon blieb Richtschnur des Verhaltens in einem Staatswesens über zweitausend Jahre.

Die Lehren „der Alten“ blieben als „Weisheit“ bestehen und wurden der nachfolgenden Jugend in der Schule als Vorbild vermittelt.

Wenn wir heute die Ratschläge des weisen Ptahotep lesen, können wir lächeln über die grossväterliche Moralität. Dann können wir aber auch darüber nachdenken, wie es möglich war, dass wir das Wertesystem unserer Gesellschaft in den letzten hundert Jahren so oft auf den Kopf gestellt haben. Ptahotep dagegen meint, dass der Geist der Gerechtigkeit sich seit der Zeit des Osiris nicht verändert habe., und dass das Unrecht auf Dauer keinen Erfolg habe.

O König, mein Herr!

Gebrechlichkeit ist mir beschieden, das Greisenalter ist eingetreten.

Die Altersbeschwerden sind gekommen, und Hilflosigkeit ist erneut da.

Die Kraft schwindet dahin für den mit ermattetem Herzen()

Mein Schüler soll an meinen Platz treten,

dass ich ihm die Worte des „Hörenden“

und die Gedanken der Vorfahren übermittle.

Wenn du jemand in leitender Stellung bist, der für viele zu sorgen hat, dann bemühe dich um lauter Vortrefflichkeit, so dass dein Verhalten ohne Tadel ist.

Gross ist die Gerechtigkeit, dauernd und wirksam!

Sie ist nicht verwirrt worden seit der Zeit des Osiris

41 und man bestraft den, der sie missachtet. Der Habgierige beachtet das zwar nicht, und Gemeinheit rafft Schätze zusammen, aber nie ist das Unrecht gelandet.

Ist das Ende da, bleibt nur das Recht.

Wenn du ein Gast bist am Tische eines, der grösser ist als du, dann nimm entgegen, was er dir gibt, was vor dich gelegt wird. Schau nur auf das, was vor dir liegt und belästige ihn nicht mit vielen Blicken.

Es verschlägt den Appetit, wenn man ihn stört.

Rede ihn nicht an, bis er das Wort ergriffen hat­man weiss ja nicht, was er für Sorgen hat.

Halte dich an die Wahrheit, aber übertreibe sie nicht;

man berichtet Herzensergüsse nicht weiter. Rede keinen Klatsch über irgend jemand, hoch oder gering - das ist dem Ka (Seelenstimmung) ein Greuel.

Wenn du pflügst und das Feld bebaust und Gott dir reiche Ernte gewährt, dann stille deinen Hunger nicht vor den Nachbarn - nur der Zurückhaltende geniesst hohes Ansehen.

Wenn du dich in der Amtsstube aufhälst, dann steh auf und setze dich, wie es dir zukommt, wie es dir vom ersten Tag beigebracht wurde.

Dränge dich nicht vor, sonst wirst du zurückgestossen.

Wenn du ein Beamter in leitender Stellung bist, dann höre geduldig auf die Worte des Bittstellers. Weise ihn nicht ab, bis er seinen Leib ganz ausgekehrt hat, bis er alles gesagt hat, was er vorbringen wollte.

Wer Kummer hat, möchte lieber sein Herz erleichtern, als mit seinen Bitten Erfolg haben.

Wer einen Bittsteller entmutigt, von dem sagt man:“Weshalb will er ihm schaden?“ Nicht alles, worum er bittet, kann gewährt werden, aber schon gut Zuhören tut dem Herzen wohl.

Wenn du willst, dass deine Amtsführung gut sei..., hüte dich vor der Sünde der Habgier - sie ist eine schlimme, unheilbare Krankheit

Erik Hornung, Reclam9381,

Maat, Staatsbegriff, Ethik.

In seinem Buch „Maat“ macht Jan Assmann deutlich, welch zentrale Bedeutung der Maat- Begriff für den Menschen der ägyptischen Gesellschaft gehabt hat. Hier seien nur einige Gedankengänge des Buches verkürzt dargestellt.

Der ägyptische Mensch lebt als Mitglied des Staates, der wiederum als Garant der Maat im Einklang mit den göttlichen Prinzipien steht.

In anderen Gesellschaften finden wir den starken Zusammenhalt der Familien und Sippen (Binnenmoral) Im pharaonischen Ägypten spielt die Verwandtschaft eine geringere Rolle. Die Solidarität wirkt horizontal für die ganze Gesellschaft im Staat. Dem Anderen helfen bedeutet, teilzuhaben an der horizontalen Solidarität. Gut zu sein zum Anderen lohnt sich im Diesseits, weil der Andere auch mir helfen wird. Lehre des Merikare: Der Lohn des Handelnden liegt darin, dass für ihn gehandelt

Das hält Gott für Maat. JAssmann Maat, S.111

Hier besteht ein Unterschied zur christlichen Frömmigkeit, die Gutsein erst im Himmel belohnt. Gutsein für den Ägypter war praktische Gemeinschaftskunst.

Ohne Staat kann der Ägypter nicht leben, denn:

Der Staat gewährleistet durch die Gemeinschaftsarbeit die Versorgung Der Staat garantiert Gerechtigkeit, Schutz des Schwachen Der Staat garantiert die Fortdauer der gesellschaftlichen Ordnung.

Ein gegensätzlicher Begriff zur „Maat“ ist „Isfet“. J.Assmann, Maa't, S.213

Isfet bedeutet Chaos, Sieg des Schlechten, Fehlen der Staatsordnung und damit der Gerechtigkeit.(Siehe: Klagen des Oasenmannes)

Der altägyptische Staatsbegriff geht aus von einer negativen Anthropologie, d.h. der Mensch ist an sich nicht gut, sondern handelt egozentrisch. Erst durch staatliche Ordnung wird Leben in der Gesellschaft möglich.

Verschiedene Gesellschaftsmodelle:

Rousseau: Der Mensch ist von Natur aus gut. Die Zivilisation hat ihn korrumpiert. Faschistischer Darvinismus: Die Starken müssen sich durchsetzen, damit das Starke überlebt und das Schwache ausgemerzt wird.(Survivel of the fittest)

Negative Anthropologie: (der Mensch ohne Ordnung handelt böse) Hinduismus: Nach dem Gesetz der Fische fressen die Grossen die Kleinen. Thomas Hobbes: Ohne Staat gäbe es Krieg aller gegen alle.

Die altägyptische Staatslehre basiert klar auf der negativen Anthropologie, nach der der Mensch ohne die ordnende Hand des Staates, repräsentiert durch den König im Auftrag Gottes, unsozial, egoistisch handeln würde.

Der Schwache erhält sein Recht gegenüber dem Starken nicht, weil er schwach ist, sondern weil ein Richter nach den Prinzipien der Maat Recht spricht.

In der Zeit der Ramessiden (19. Dynastie) kommt es zu allmählichem Zerfall des Maat-Begriffes. Die horizontale Solidarität weicht egoistischen Tendenzen.

Auch der Fromme betet zu Gott im eigenen Interesse. In der Schlacht von Kadesch, in der Ramses II in Bedrängnis kommt, betet er zu den Göttern für seine Rettung.

Die Stellung der Frau in der altägyptischen Gesellschaft

Ehe - Treue - Liebe zwischen jungen Menschen

Und das Weib schaute, dass von dem Baum gut zu essen wäre, und lieblich anzusehen, dass es ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte;

und nahm von der Frucht und ass,

und gab ihrem Mann auch davon; und er ass.

Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und wurden gewahr, dass sie nacket waren.

Moses, l.Buch, 2. Kapitel, Vers 6;7

Der Sündenfall der Sexualität durch leichtsinnige Verführungskunst des Weibes hat die Stellung der Frau in der christlichen Welt lange Zeit belastet. Im Mittelalter gab es die Vorstellung , dass das Weib ein Instrument des Teufels sei. Viele Heilige mussten sich schwerster Selbstkasteiungen unterziehen, um sich der Versuchung zur Sünde zu erwehren.

Wie und wo ist dieser Gedanke entstanden, mit dem der einzige Gott -Vater offenbar eine Moralkeule in die Hand bekam, mit der er seine Adepten an der Kandarre halten konnte.

Aus dem Ägypten der Pharaonen hat Moses diese Idee sicherlich nicht mitgebracht. Dort gab es diesen Gedanken nicht. War Ägypten deshalb ein Sündenbabel grenzenloser sexueller Ausschweifungen?

Sexualität war in Ägypten ein positiver Ausdruck von Vitalität. In Tempeln sieht man Bilder des Pharao mit erigiertem Glied als Zeichen seiner Lebenskraft.

Es gehört zu den Mysterien der Schöpfung, „wie du (Gott) den Samen sich entwickeln lässt in den Frauen“, wie Echnaton im Sonnengesang lobpreist.

Die Göttin Maat steht als geistiges Oberhaupt des Rechtes ganz oben, und die Göttin Isis ist als Geliebte, Gemahlin und als Mutter eine starke, selbständig handelnde Frau. Starke Frauen gab es in Ägypten als Herrscherinnen und als königliche Beraterinnen wie Hatschepsut, Teje, Nofretete oder Nefertari, bis hin zu Kleopatra VI.

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Gemahlin des Ramses II Nefertari

Abb. in Leseprobe nicht enthalten

Gemahlin des Echnaton Nofretete

Während der Pharao Nebenfrauen hatte, war für die grosse Bevölkerung die Einehe das Übliche. Es ist belegt, dass die Frau volle Mitbestimmung in Vermögensangelegenheiten hatte. Sie durfte selbständig Geschäfte führen, worüber sich der Grieche Herodot sehr verwundert äussert.

Auch das Scheitern der Ehe war als Möglichkeit vorgesehen mitsamt der dann folgenden Vermögensregelung in Bezug auf Mitgift und zugewonnenes Vermögen.

In einem Ehevertrag lesen wir von Seiten des Mannes:

„ Ich habe dich zur Frau genommen, du hast mir Silbergeld gebracht.
Wenn ich dich verlassen sollte und dich hassen würde,
werde ich dir das Geld zurückerstatten mitsamt dem Drittel von dem, was ich mit dir gewonnen haben sollte. “

Und die Frau erwidert:

„ Du hast mich zu deiner Gattin gemacht, du hast mir Geld gegeben.
Falls ich dich verlassen und einen anderen Mann lieben sollte, erstatte ich dir zurück, was ich empfangen habe
und erhebe keinen Anspruch auf das, was ich mit dir verdient haben sollte “.

Kunst und Geschichte in Ägypten, Bonechi, Deutsche Ausgabe,Seite 31

Vertrauensvolles Zusammenleben in ehelicher Treue war sicherlich das erwünschte Ziel der Ehe zur gemeinsamen Vermehrung des Familienbesitzes und zur Aufzucht der Kinder. Persönliche Briefe zwischen Ehegatten bestätigen das.

Gab es aber auch Frauen, die einem Seitensprung nicht abgeneigt waren?

Aus der Bibel kennen wir die Geschichte von Potiphars Weib, die vergeblich versuchte den keuschen Joseph zu verführen:

Und es begab sich nach dieser Geschichte, dass Potiphars Weib ihre Augen auf Josef warf, undsprach:“Schlafe bei mir!“

Er weigerte sich's aber und sprach zu ihr:

...Wie sollte ich denn nun ein solch gross Übel thun, und wider Gott sündigen?“

Moses ,1.Buch, 38. Kapitel, Vers 7 und 9

Ja, die Bibel hatte doch recht, so etwas kam im Alten Ägypten vor, wie wir einem Manuskript in hieratischer Schrift aus der 19. Dynastie. Papyrus Orbiney, aufbewahrt im British Museum entnehmen können. Sowohl der Versuch zur Verführung, als auch die anschliessende heimtückische Verleumdung des Unschuldigen wird dort in fast gleicher Form geschildert.

Die Erzählung von den beiden Brüdern

Es waren einmal, so sagt man, zwei Brüder von einer Mutter und einem Vater. Anubi war der Name des Älteren, Bata der Name des Jüngeren.

Anubi besass ein Haus und er hatte eine Frau. Sein jüngerer Bruder wohnte bei ihm wie ein Sohn.Er hütete das Vieh auf der Weide, pflügte und verrichtete alle Arbeiten des Feldes.

Nun, der jüngere Bruder war ein hübscher und kräftiger Bursche, wie es keinen gleichen gab auf Erden: Die Kraft eines jungen Gottes war in ihm.()

Nun war die Zeit des Pflügens gekommen, und der ältere Bruder sagte zu ihm: „ Beeile dich und hole ein Paar Rinder zum Pflügen. Das Wasser ist zurückgewichen und hat den Boden freigegeben. Es ist jetzt gut zu pflügen; Dann komme zum Feld mit dem Saatgut, weil wir es morgen früh brauchen werden,“ so sagte er es zu seinem jüngeren Bruder und der tat alles, wie es sein älterer Bruder ihm aufgetragen hatte.

Viele Tage später waren sie wieder auf dem Feld und es fehlte an Saatgut. Da schickte er den jüngeren Bruder und sagte: „ Geh'und hol mir Saatgut vom Dorf!“ Der jüngere Bruder traf die Frau des Älteren zu Hause an, während sie sass und sich kämmte. Er sagte zu ihr „Steh auf und gib mir von dem Saatgut, damit ich zum Feld zurückkehren kann, wo mein älterer Bruder mich erwartet.“ Da sagte sie zu ihm: “Öffne doch die Kornkammer und nimm, was du willst. Störe mich nicht beim Kämmen!“

Nun betrat der junge Mann den Stall und trank aus einen grossen Krug, denn er wollte viel Saatgut aufnehmen. Er belud sich mit Gerste und Weizen und kam heraus mit dieser Last.

Sie fragte ihn nun: „ Wie viel Gewicht trägst du da auf deinem Rücken?“ Und er antwortete: “Weizen, drei Sack und Gerste, zwei Sack, insgesamt fünf Säcke hab ich auf meiner Schulter;.“ so sagte er zu ihr

Nun sprach sie zu ihm: “Du bist sehr stark. Ich beobachte deine Kraft jeden Tag.“ Sie begehrte ihn zu erkennen, wie eine Frau einen Mann zu erkennen wünscht.

Sie stand nun auf, näherte sich ihm und sagte: “Komm', verbringen wir ein Stündchen gemeinsam. Kuscheln wir uns zusammen. Es soll dein Schaden nicht sein. Ich mache dir schöne Kleider!“

Daraufhin wurde der junge Mann böse wie ein Panther des Südens wegen der üblen Anrede und sie bekam schreckliche Angst. Dann sagte er: “Du bist doch so etwas wie eine Mutter für mich, und dein Mann ist wie ein Vater zu mir, weil er älter ist als ich und mich aufgezogen hat. Was für eine Abscheulichkeit sagst du da zu mir? Sag so etwas nie wieder! Ich werde es niemandem sagen. Keine Person wird aus meinem Munde etwas darüber erfahren“. Damit nahm er seine Last wieder auf und ging zu den Feldern. Er kam bei seinem älteren Bruder an und sie setzten ihre Arbeit fort.

Als es Abend wurde, ging der ältere Bruder nach Hause, während der jüngere Bruder beladen mit Feldgerät die Tiere nach Hause trieb, um sie in ihrem Stall zu füttern, der sich im Dorfe befand.

Nun war die Frau des älteren Bruders voller Angst, wegen der Reden, die sie geführt hatte. Sie nahm Fett und ein Brechmittel zu sich und tat wie eine, die geschlagen worden ist, um zu ihrem Mann sagen zu können:“ Dein jüngerer Bruder hat mich geschlagen“.

Als nun ihr Mann gemäss seiner Gewohnheit ins Haus kam, traf er seine Frau liegend an und sie stellte sich krank. Sie goss nicht Wasser über seine Hände, wie er es gewohnt war. Es war kein Licht im Haus, alles war dunkel und sie lag da und erbrach. Ihr Mann fragte:“Wer hat dich so zugerichtet?“ Sie aber entgegnete ihm:“Niemand hat mich so zugerichtet, ausser deinem jüngeren Bruder. Als er kam um Saatgut für dich zu holen, traf er mich sitzend an, allein. Und er sagte zu mir: „Komm, machen wir uns ein schönes Stündchen! Kuscheln wir uns zusammen. Mach deine Haare offen!“ So sagte er Aber ich habe ihm kein Gehör geschenkt. „Bin ich nicht wie eine Mutter zu dir? Ist dein älterer Bruder nicht wie ein Vater zu dir?“ so sprach ich zu ihm. Er aber bekam Angst und er schlug mich, damit ich nichts darüber berichte. Nun, wenn du ihn leben lässt, dann bringe ich mich um! Also, wenn er nach Hause kommt, höre nicht auf ihn. Ich leide so sehr unter dem schlimmen Angebot, das er mir gestern gemacht hat!“

Nun wurde der ältere Bruder wie ein Panther des Südens, er nahm die Lanze und stellte sich an die Tür des Stalles, um seinen jüngeren Bruder zu töten. (. .)

Edda Bresciani, Letteratura epoesia S.377, aus italienisch übersetzt, Rüdiger Tessmann

(Schliesslich kommt es mit den beiden Brüdern aber doch zu einem guten Ende, und sie machen sogar Karriere am Königshof.)

Bei recht grosser Freizügigkeit in der Liebe fragt man sich, wie die Ägypter das Problem der Geburtenkontrolle geregelt haben. Aufgrund erstaunlicher Erkenntnisse und Erfahrung der Medizin hatten sie auch da ihre Mittel. Aus dem Papyrus Ebers ist folgende Methode überliefert:

„Damit eine Frau ein, zwei oder drei Jahre nicht schwanger wird, werden Akazienblätter zerrieben und mit Honig vermischt. Man gibt diese Masse auf eine Mullbinde, die in die Vagina eingeführt wird. “

Tatsächlich soll ein solcher Tampon spermatozide Wirkung haben.

Liebeslyrik im Reich der Pharaonen.

Die Archäologie in Ägypten bringt mit ihren Ausgrabungen phantastische Zeugnisse einer alten Kultur hervor, aber leider sind es fast immer Zeugnisse des Totenkultes. Die Ägypter bauten Grabmäler aus Granit, Tempel aus gigantischen Steinsäulen oder sie bohrten tiefe Grabeshöhlen in die Felsenwände. Die Welt des Lebens war aus vergänglichem Material gebaut. Von ihr sieht man nichts mehr.

Die glanzvolle Stadt Theben mit ihren hundert Toren, Palästen, Wohnhäusern und Gärten, in denen glanzvolle Feste gefeiert wurden, war schon um 600 v.Chr. ein Trümmerfeld. Heute sieht man an ihrer Stelle nur noch Sand oder eine neuzeitliche, ganz andere arabische Welt.

Wenn wir jetzt diese kleine Auswahl von altägyptischen Liebesgedichten lesen, sollten wir für einen Moment die toten Bilder, die Tempel und die vielen Gräber vor unseren Augen wegwischen und uns einfühlen in die Empfindungen junger verliebter Menschen voll von zarten Liebeswünschen und von knisternder Erotik.

Nein, - Das ist keine Welt der Toten. An den Liebeswünschen junger Menschen hat sich in den dazwischenliegenden 3000 Jahren nichts geändert.

Verlass mich nicht!

Mein Herz ist dir zugeneigt, ich will dir tun, was es möchte, wenn ich in deinen Armen liege. Mein Wunsch ist' s, der mein Auge schminkt, dich zu sehen, macht meine Augen hell.

Ich schmiege mich an dich, um deine Liebe zu spüren, du grosser Schatz meines Herzens!

Wie köstlich ist diese Stunde mit dir, möge die Stunde zur Ewigkeit werden! Seit ich mit dir geschlafen habe, hast du mein Herz erhoben.

Ob in Leid oder Freude - verlass mich nicht!

Erik Hornung, Reclam, S.149

Auch die nachfolgenden Gedichte entstammen dem Papyrus Harris aus der Ramessidenzeit um 1200 v. Chr.

Bleibe fest, mein Herz! Erik Hornung, Reclam, S.141

Wie pocht mein Herz so schnell, denk ich an meine Liebe zu ihm! Es lässt mich nicht wie ein Mensch gehen, es hüpft an seinem Platz.

Es lässt mich nicht das Hemd anziehen und hindert mich, den Fächer zu greifen.

Es lässt mich keine Schminke an meine Augen legen und hält mich ab, mich zu salben.

„Halte dich nicht auf, damit du das Ziel erreichst“ sagt es mir, so oft ich an ihn denke.

Begeh mir, mein Herz, keine Dummheiten, weshalb willst du mir Kummer machen?

Bleibe ruhig, der Geliebte kommt zu dir, aber zugleich auch die Augen der Menge. Lass die Leute nicht über mich sagen: „Eine Frau, die der Liebe verfiel!“ Bleibe fest, wann immer du an ihn denkst, mein Herz, poche nicht so!

Ich will ihn nicht lassen,! Erik Hornung, Reclam, S.145

Mein Herz ist noch nicht gestillt von deiner Liebe, du mein kleiner Wolfsjunge!

Rauschtrank ist ja dein Liebesakt, und ich will ihn nicht lassen, dass ich die Zeit im Sumpf verbringe - zum Syrerland mit Knüppeln und Keulen, zum Negerland mit Palmruten, zum Hochland mit Stöcken und zum Tiefland mit Prügeln - aber ich will ihre Ratschläge nicht hören, den zu lassen, den ich begehre!

Gib mir meinen Schatz heute nacht Erik Hornung, Reclam S.149

Du Schönster, mein Wunsch ist, deine Sachen zu besorgen als deine „Herrin des Hauses“! Dann ruht mein Arm auf deinem Arm und meine Liebe umpfängt dich.

Ich sage dem Herzen in meiner Brust den Wunsch: „Gib mir meinen Schatz heute nacht, sonst bin ich wie eine, die im Grabe liegt!“ Bist du denn nicht Gesundheit und Leben?

Deine Nähe macht mich froh und mein Herz verlangt nach dir!

Ihre Liebe macht mich sicher Erik Hornung, Reclam, S.151

Meine Herzallerliebste

ist dort, auf jener Seite! Der Strom ist zwischen uns, die Flut ist machtvoll in dieser Zeit.

Ein Krokodil lauert auf der Sandbank, ich aber steige in das Wasser, damit ich die Flut durchwate, mein Herz ist mutig im Strom.

Ich fand das Krokodil wie eine Maus und das Wasser wie Land für meine Füsse. Ihre Liebe ist es, die mich sicher macht, als wäre sie ein Wasserzauber für mich.

Schon sehe ich meine Herzallerliebste gerade mir gegenüber!

Nachwort Ende Januar 2009

Wir haben gesehen, dass im Ägypten der Pharaonen eine Staatsphilosophie galt, welche die Einordnung des Einzelmenschen in den Konsens der Gemeinschaft betont nach Regeln der Wahrheit, Gerechtigkeit, der Sinngebung und einer tiefen Frömmigkeit, in der die Menschen ihr diesseitiges Leben vorbereiten auf ein Jenseits, das sie ohne von Schuld beschwert zu sein, im Jenseits „frei schreiten lässt, wie die Herren der Ewigkeit“.

Die Verpflichtung zu einer „horizontalen Solidarität“ wie Assmann sie nennt, der auch der Pharao verpflichtet war im göttlichen Auftrag, die Gerechtigkeit und Wahrheit im Sinne der „Maa't“ auf Erden zu verwirklichen erforderte nach ägyptischer Ansicht einen „starken Staat“, der die Gewalttätigkeit des Starken hemmt und den Schwachen schützt.

Jan Assmann hat 1990 diesem Gedanken ein ganzes Buch („Maa't“) gewidmet und darin die Ansicht geäussert, dass das Alte Ägypten uns Heutigen etwas zu sagen habe.

Im Nachwort von 2006 beschreibt Assmann (S.291), dass man „in den siebziger und achziger Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts für solche Ideen nicht besonders aufgeschlossen“ war.

Assmanns Wunsch, für die altägyptische Staatsphilosophie im Sinne der Maa't neues Interesse zu wecken, stiess in diesen Jahren nicht auf offene Ohren.

Heute, Ende Januar 2009, haben die Zeiten sich wieder geändert. Wir erleben das Ende der Regierungszeit eines amerikanischen Präsidenten, der auf der Grundlage von Lügen und im Interesse von mächtigen Interessengruppen Kriege entfesselt hat, der entgegen dem Verfassungsauftrag illegale Foltergefängnisse errichten liess. Wir erleben einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems aufgrund von persönlicher Gier von Bankmanagern, die für das Funktionieren des Geldverkehrs der Welt hätten verantwortlich sein sollen. Hören wir da nicht buchstäblich die Klagen des Oasenmannes, der sagt:

„ Wahrlich, du bist Polizist und Räuber zugleich.

Deine Habgier wird dich dumm machen,

Deine Masslosigkeit wird dir Feinde schaffen .

Hören wir nicht die Worte des Chacheperreseneb:

„Die Gesichter sind stumpf,

Keiner ist weise genug, es zu erkennen.,

Keiner ist zornig genug, es auszusprechen.“

Die beindruckende Welle der emotionalen Erwartungen, die dem neuen amerikanischen Präsidenten Barak Obama weltweit entgegen gebracht wird, zeigt den tiefen Wunsch der Menschen nach einer Staats- und Weltführung im Sinne des verlässlichen Rechtes, der soliden Geldwirtschaft und des moralischen Anstandes.

Ja, die Staatsphilosophie der „horizontalen Solidarität“ des Alten Ägypten hat uns noch etwas zu sagen.

Literatur

Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis, 1992, Beck München

Assmann, Jan, Maàt, 1990, Beck, München

Bresciani, Edda, Letteratura e Poesia dell'Antico Egitto,2007, Enaudi

Carpiceci Alberto, Bonechi, Kunst und Geschichte in Ägypten

Donadoni, Sergio, L'uomo egiziano, 1990, Editori Laterza

Hornung, Erik, Echnaton, 1995, Patmos, Düsseldorf

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Abbildungen

5.1 : Papyrus of Bakay-jpg-Wikimedia Commons,26.05.2018

5.4 Blinder Harfner, Grab des Pa-Atem, Rijksmuseum, Leyden Wikipedia Talfest,18.05.2018

5.13 Hieroglyphen schreiben, kostenloses Foto, Pixbay

S 20 Osiris, Wandgemälde, Wikipedia, 24.05.2018

S.25 Horus mit Falkenkopf ,Wikipedia, 26.05.2018

5.28 Totengericht, Ägyptisches Totenbuch, 21. Dynastie,

1000 v. Chr. New York, Wikipedia, 24.05.2018

5.30 Echnaton mit Familie in Anbetung von Aton, Berlinjpg-Wikipedia

5.33 Göttin Maàt mit Feder am Kopf, mirror.svg-Wikipedia Common

5.43 Nefertari, Grab der Nefertari, 19. Dynastie, Tal der Königinnen Nofretete, Amarna, 19. Dynastie, Wikipedia, Neues Museum Berlin

5.47 Spaziergang im Garten, Berlin, jpg.Wikipedia, 25.05.2018

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Título: Das Alte Ägypten im Spiegel seiner Literatur

Ninguna entrada , 2025 , 53 Páginas

Autor:in: Rüdiger Tessmann (Autor)

Egiptología
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Detalles

Título
Das Alte Ägypten im Spiegel seiner Literatur
Autor
Rüdiger Tessmann (Autor)
Año de publicación
2025
Páginas
53
No. de catálogo
V458022
ISBN (PDF)
9783389143964
ISBN (Libro)
9783389143971
Idioma
Alemán
Etiqueta
Altes Ägypten Hieroglyphen altägyptische Literatur
Seguridad del producto
GRIN Publishing Ltd.
Citar trabajo
Rüdiger Tessmann (Autor), 2025, Das Alte Ägypten im Spiegel seiner Literatur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458022
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