Religiöse Pluralität im Unterricht. Ein Vergleich der Entwicklung von Religionsunterricht zwischen Deutschland und England


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

13 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der interreligiöse RU in England
2.1 England auf dem Weg zur religiösen Pluralität
2.2. Grundzüge des Religionsunterrichts in England

3. Deutschland auf dem Weg zu religiöser Pluralität

4. Zusammenfassender Vergleich

5. Fazit

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Im Zuge des Seminars haben wir uns mit verschiedenen Modellen religiösen Unterrichts befasst, so auch mit interreligiösen Konzepten.

In Deutschland wird derzeit ein solches Konzept beispielsweise in Hamburg vertreten und nennt sich „RU für alle“, wobei „Religionspädagogen und Religionsgelehrte aus Judentum, Christentum, Islam, Alevitentum, Hinduismus und Buddhismus“1 gemeinsam den Religionsunterricht gestalten. Es wurden auch in drei weiteren Bundesländern neue Religionsunterrichtsmodelle entwickelt und durchgesetzt, allerdings ist die flächendeckende Normalität weiterhin der klassische christlich-konfessionelle Religionsunterricht.

Deutschland ist seit dem Ende des zweiten Weltkriegs christlich dominiert. Bei der Staatsgründung 1949 war die Bevölkerung mit 95,6 Prozent überwiegend christlich geprägt.2 Heute, knapp 70 Jahre später, hat fast jeder fünfte deutsche Mitbürger einen Migrationshintergrund, wodurch auch andere Religionen und Kulturen eine Rolle in der deutschen Gesellschaft spielen.3

Laut des Bundesamts für politische Bildung gehören noch „60 Prozent der Deutschen einer der beiden großen Kirchen an [gemeint sind die evangelische und katholische Kirche]. Die Quote wird aber in den nächsten 20 Jahren auf 50 Prozent gesunken sein.“4 Diese Entwicklung lässt die Frage aufkommen, inwiefern der konfessionelle Religionsunterricht noch zeitgemäß für ein Deutschland ist, in dem religiöse Pluralität und Säkularisierung auf dem Vormarsch sind. Sollte man nicht angemessen darauf reagieren?

Um der Beantwortung dieser Problemstellung näher zu kommen, habe ich mich in Europa umgeschaut, um zu sehen, wie andere Länder mit der Vielfalt an Religionen in der Gesellschaft umgehen und wie sie ihren Religionsunterricht gestalten, denn Deutschland ist eines von vielen Ländern in Europa, das auf Grund von Zuwanderung und Säkularisierung eine gesellschaftliche Wende durchmacht bzw. durchgemacht hat. Besonders auffällig ist bei dieser Betrachtung Großbritannien, denn dort setzt man schon seit Jahrzehnten auf einen interreligiösen Ansatz.

Im Folgenden werde ich sowohl den englischen interreligiösen Unterricht als auch den deutschen konfessionellen Religionsunterricht vorstellen. Dabei werde ich kurz deren Entwicklung beschreiben, warum sich die jeweiligen Modelle in dem jeweiligen Land etabliert haben und am Ende in einer Art zusammenfassender Vergleich resümieren, wo denn nun die Vorteile des interreligiösen Ansatzes gegenüber des konfessionellen liegen.

2. Der interreligiöse RU in England

2.1 England auf dem Weg zur religiösen Pluralität

Nach dem zweiten Weltkrieg zeichnete sich in England ein ähnliches Bild wie in Deutschland ab: es lebten nur wenige Zuwanderer in England, die religiöse Landschaft war sehr homogen und geprägt vom christlichen Glauben. Heute liegt der Anteil der Menschen die zur christlichen Kirche gehören bei ca. 60 Prozent. Die anderen 40 Prozent bilden die vielen verschiedenen nicht-christlichen Glaubens- und Religionsgemeinschaften und Atheisten.

In den fünfziger und sechziger Jahren fand ein regelrechter Zuwanderungsboom in England statt. Menschen aus ehemaligen britischen Kolonien, fanden ihren Weg nach Großbritannien, darunter aus Zypern, Pakistan, Bangladesch, Indien und von diversen Karibischen Inseln.5 Der Großteil der Zuwanderer kam zunächst alleine, um in England einer Arbeit nachzugehen, nach einiger Zeit begann deren Familiennachzug, der zur Konsequenz hatte, dass in den Klassen englischer Schulen schnell immer mehr immigrierte Kinder saßen. 6

Bis dato bestand die größte religiöse Diversität in den Schulklassen aus verschiedenen Arten christlicher Gläubiger. Die Anglikanische Kirche machte den Großteil aus, es gab allerdings auch weitere Kirchen, wie z.B. Baptisten oder Presbyterianer.7 Seit 1870 fand ein christlicher Religionsunterricht in öffentlichen Schulen statt, der allerdings vom Staat nicht finanziell unterstützt und nur unter der Prämisse toleriert wurde, dass er Neutralität gegenüber allen Religionsgemeinschaften vermittelte und von allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen besucht werden konnte.8

1944 wurde dann ein Bildungsgesetz erlassen, der den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen fortan unterstütze. Staat und Religionsgemeinschaften, allen voran die Anglikanische Kirche, arbeiteten nun zusammen und erstellten mit Hilfe einer Konferenz, die sich aus den religiösen Vertretern und staatlich-schulischen Behörden zusammensetzte, eine Art Rahmenlehrplan.9

In der Mitte der sechziger Jahre, standen die Vertreter des Religionsunterrichts vor neuen Herausforderungen: Durch die neu immigrierten Schülerinnen und Schüler kamen viele neue Glaubensrichtungen in den Schulalltag, die Beachtung erforderten. So prägten fortan zusätzlich zu den christlichen Kirchen auch Muslime aus Pakistan, Hindus und Sikhs aus Indien, griechisch-orthodoxe aus Zypern und verschiedene Freikirchen die religiöse Landschaft.10

Dies veränderte den Umgang mit dem Religionsunterricht, der zu dem Zeitpunkt noch Religious Instruction [Religiöse Unterweisung] hieß. Vertreter der Konferenz sahen mehr und mehr die Notwendigkeit, dass „die Lehrpläne die religiöse Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln sollten, und der Unterricht eher bildend statt unterweisend sein sollte“11. Im Jahre 1988 wurde aus Religious Instruction also Religious Education [Religiöse Bildung]. In diesem Jahr wurde auch erstmals ein landesweiter, verbindlicher Lehrplan für das Fach Religion erlassen, der auf zwei Hauptzielen basiert: zum einen soll Wissen über Religionsgemeinschaften und deren spezielle religiöse Traditionen vermittelt werden, was den Schülerinnen und Schülern dazu verhelfen soll, diese Religionen zu verstehen und zum anderen sollen sie dazu befähigt werden sich selbst in Bezug auf Religionen und Glauben zu positionieren.12.

2.2. Grundzüge des Religionsunterrichts in England

Auf Grund der Pluralität in der Glaubenslandschaft englischer Schulen steht nicht mehr die Theologie als solche im Vordergrund des Religionsunterrichts, sondern eher der objektbezogene, religionswissenschaftliche Teil von Religionen. Alle größeren Religionsgemeinschaften sollten gleichermaßen im Unterricht behandelt werden, kein Schüler sollte das Gefühl haben einer fremden Religion anzugehören.13 Was als zweiter wichtiger Punkt im englischen Religionsunterricht gilt ist die individuelle Suche jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers nach Antworten auf in ihrem Leben wichtige Fragen. Die Bibel als Unterrichtsquelle wurde von Schulbüchern abgelöst, die sich auf die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler einstellten. Ziel ist es dabei die religiösen Ansichten und kulturellen Ideologien auf gemeinsame Werte hin zu untersuchen und diese als Basis für eine funktionierende Gesellschaft herauszukristallisieren.14 Und so wird der sog. multifaith Religionsunterricht auch heute noch vor allem als „potentiell geeigneter Raum für den Dialog zwischen Schülern unterschiedlicher religiöser Herkunft und säkularer Prägung“15 verstanden.

Das besondere an der englischen Form von Religionsunterricht ist dabei, dass der objektbezogene und subjektbezogene Teil des Unterrichts nicht ineinander verwoben sind, sondern nebeneinander her laufen. Begründet wird die Parallelisierung dieser zwei didaktischen Konzepte damit, dass sie zwei verschiedene Ziele vertreten und man vermeiden will die Schülerinnen und Schüler durch religiöse Texte oder ähnliches in ihrer Suche nach persönlichen Antworten und Glaubenswegen zu beeinflussen.16

3. Deutschland auf dem Weg zu religiöser Pluralität

Wie in der Einleitung bereits beschrieben kann man Deutschland bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein christlich geprägtes Land nennen, mit der einzigen Trennung, dass in einigen Regionen und Bundesländern vornämlich die katholische Kirche herrschte und in anderen die evangelische.

Während der Neugründung Deutschlands im Jahre 1949 wurde der konfessionelle Religionsunterricht in das Grundgesetz aufgenommen. Dieses Gesetz basiert auf Entwicklungen die mit dem Sturz der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg 1918 einhergingen. Der Religionsunterricht an deutschen Schulen wurde so wie er heute noch besteht zum großen Teil bereits 1919 gesetzlich vorgeschrieben. Im Zuge der Abschaffung der Monarchie und der Einführung der Demokratie, festgehalten in der Weimarer Reichsverfassung, wurde Religion zum ordentlichen Lehrfach ernannt und war somit verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Laut diesem erlassenen Gesetz zum Religionsunterricht sollte dieser konfessionell gebunden stattfinden.17

[...]


1 Landesinstitut für lehrerbildung und schulentwicklung hamburg, Interreligiös-dialogisches Lernen. Auf: http://li.hamburg.de/religion/material/3847950/art-einleitung/ (Stand: 08.03.2018).

2 Vgl. Großbölting, thomas, Warum sich die deutsche Gesellschaft mit religiöser Vielfalt so schwer tut. Eine (zeit-) historische Erkundung. In: willems, ullrich/reuter, astrid/gerste, daniel (Hg.), Ordnungen religiöser Pluralität. Wirklichkeit - Wahrnehmung - Gestaltung. Frankfurt am Main 2016, S. 249.

3 Vgl. Knauth, thorsten/Pohl-Patalong, uta, Religiöse Pluralität geht in die Schule. Religiöse Vielfalt als Lern- und Gestaltungsaufgabe schulischer Bildungsprozesse. In: Praktische Theologie - Zeitschrift für Praxis in Kirche, Gesellschaft und Kultur. Heft 03/2007 S. 163f.

4 Schieder, rolf/Meyer-Magister, hendrik, Neue Rollen der Religion in modernen Gesellschaften. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. Heft 24/2013, S.28.

5 Vgl. Aufmkolk, tobias: Hintergrund: Great Britain. Absatz: Großbritannien – ein Einwanderungsland. Auf: https://www.planet-schule.de/wissenspool/reports-in-english-gb/inhalt/hintergrund/grossbritannien.html (15.03.2018)

6 Vgl. Meyer, karlo, Zeugnisse fremder Religionen im Unterricht: »Weltreligionen« im deutschen und englischen Religionsunterricht. Göttingen 2012, S.117f

7 Vgl. Ebd., S.99

8 Vgl. Ebd., S.100

9 Vgl. Jackson, robert, Internationale Trends und lokale Vorgehensweisen in der Religionspädagogik: Entwicklungen in England und in Hamburg. In: Weiße, Wolfram (Hrsg.), Dialogischer Religionsunterricht in Hamburg. Religionen im Dialog Band 2. Münster 2008, S.191.

10 Vgl. Meyer, Zeugnisse, S.120.

11 Jackson, Trends, S.191.

12 Vgl. Meyer, Zeugnisse,S.144.

13 Vgl. Meyer, Zeugnisse, S. 125.

14 Vgl. Meyer, Zeugnisse, S. 136f.

15 Jackson, Trends, S.192.

16 Vgl. Meyer, Zeugnisse, S. 144f.

17 Vgl. Meyer, Zeugnisse, S.101.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Religiöse Pluralität im Unterricht. Ein Vergleich der Entwicklung von Religionsunterricht zwischen Deutschland und England
Hochschule
Universität Münster
Note
2,3
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V458695
ISBN (eBook)
9783668876095
ISBN (Buch)
9783668876101
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religionsunterricht, Interreligiös, Konfessionell, England, Deutschland
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Religiöse Pluralität im Unterricht. Ein Vergleich der Entwicklung von Religionsunterricht zwischen Deutschland und England, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458695

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