Obwohl Laclau und Schmitt gegensätzliche politische Lager vertreten, fallen bereits auf den ersten Blick grundsätzliche theoretische Gemeinsamkeiten ins Auge. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt insbesondere auf den Bedingungen für die Herausbildung einer politischen Einheit innerhalb hochgradig diversifizierter Gesellschaften, die sich auf keine identitätsstiftende Gemeinsamkeit berufen können. Dieser Problematik wird durch beide Autoren Rechnung getragen, indem sie eine dissoziative Politikauffassung vertreten, welche politische Identitäten in Abhängigkeit von einem konstitutiven
Antagonisten beschreibt.
Allerdings stellen sich sowohl Schmitt als auch Laclau die Frage, inwiefern die politische Einheit darüber hinaus auch positiv zu bestimmen sein könnte. Während Laclau seine Antwort vor dem Hintergrund abstrakter Systemtheorie entwickelt und sich so gezielt von normativen Annahmen lossagt, entwickelt Schmitt eine ‚Mythologie‘ des Konflikts und der Souveränität, die ihre Normativität hinter pointierte Formulierungen zu verbergen sucht. Die nachstehende, ausführliche Darlegung der politischen Einheitsbildung bei Schmitt wird im zweiten Teil der Arbeit um die wichtigsten Grundannahmen des Dekonstruktivisten Laclau ergänzt, um schließlich beide Konzeptionen gegenüberzustellen. Aufbauend auf den Grundlagenkapiteln soll dort die These begründet werden, dass die positive Bestimmung der politischen Einheit bei beiden Autoren auf einer lediglich irrational-fiktiv erzeugten Gemeinsamkeit fußt.
Im Verlauf seiner mehr als 70-jährigen Schaffensperiode hat Schmitt nicht nur eine beträchtliche Anzahl an Publikationen verfasst, sondern auch seine Theorie beständig weiterentwickelt und verändert. Diese Arbeit fokussiert sich in erster Linie auf seine Schriften aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, die zugleich einen Höhepunkt seiner Schaffensperiode bilden.
Fernab jeder theologischen Argumentation versucht Ernesto Laclau, eine Art ‚Grund‘ für die Herausbildung einer politischen Einheit zu identifizieren. Dass sich neben offensichtlichen Unterschieden auch deutliche Parallelen zu Schmitt ausmachen lassen, wird in den folgenden Kapiteln verargumentiert. Die Darstellung der politischen Theorie Laclaus beschränkt sich auf den Prozess der Einheitsbildung in seiner Bedeutung für die Gegenüberstellung mit Schmitt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Politische Einheitsbildung bei Carl Schmitt
- 2.1 Grundannahmen und Grundlagen der politischen Theorie Carl Schmitts
- a. Schmitts Liberalismus- und Rechtsstaatskritik
- b. Der starke Staat als Gegenentwurf zur politischen Romantik
- c. Der Einfluss von Zeitgeist bzw. Zentralgebiet
- d. Loslösung des Politischen vom Staat
- e. Schmitts Souveränitätsbegriff im Angesicht des Ausnahmezustands
- f. Schmitts Umdeutung der Demokratie
- 2.2 Die fiktive Homogenisierung der politischen Einheit
- a. Die Verfassung als Ausdruck der politischen Einheit
- b. Homogenität als Voraussetzung der politischen Einheit
- c. Die positive Bestimmung der Einheit: Schmitt und Sorel
- d. Die negative Erzeugung der Einheit: Der Feindmythos
- 2.3 Staat und Kirche als „Sichtbarmachung des Unsichtbaren“
- 2.1 Grundannahmen und Grundlagen der politischen Theorie Carl Schmitts
- 3. Ernesto Laclaus Diskurs- und Hegemonietheorie
- 3.1 Die Konzeption des Politischen als Diskurs
- 3.2 Der leere Signifikant als Fiktion der positiven Bestimmbarkeit des Diskurses
- 3.3 Die Sphäre des Unentscheidbaren
- 3.4 Der leere Signifikant als mythical fullness
- 4. Schmitt und Laclau im Vergleich
- a. Weltbild und Politikverständnis
- b. Menschenbild
- c. Formalismus
- d. Einheitsbildung durch Repräsentation
- e. Demokratieverständnis
- 5. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die politischen Theorien von Carl Schmitt und Ernesto Laclau und fokussiert dabei insbesondere auf die Frage, wie beide Denker die Herausbildung einer politischen Einheit in hochgradig diversifizierten Gesellschaften begreifen. Dabei wird analysiert, wie sie die Konzeption einer dissoziativen Politikauffassung vertreten, die politische Identitäten in Abhängigkeit von einem konstitutiven Antagonisten beschreibt.
- Der Fokus liegt auf der Frage, wie eine politische Einheit in heterogenen Gesellschaften entsteht.
- Die Arbeit untersucht die Rolle des Antagonismus bei der Bildung politischer Identitäten.
- Es werden Gemeinsamkeiten in der Begriffsbildung von Schmitt und Laclau hinsichtlich der Einheitsbildung aufgezeigt.
- Die Arbeit beleuchtet die Rolle von Mythen und Fiktionen in der Konstruktion von politischer Einheit.
- Schließlich wird die Frage gestellt, inwiefern die positive Bestimmung der politischen Einheit bei beiden Autoren auf einer fiktiv erzeugten Gemeinsamkeit basiert.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die beiden zu untersuchenden Denker, Carl Schmitt und Ernesto Laclau, vor und skizziert ihre jeweiligen Lebensläufe und politischen Prägungen.
Kapitel 2 befasst sich mit der politischen Einheitsbildung bei Carl Schmitt. Es werden seine Grundannahmen und seine Kritik am Liberalismus und Rechtsstaat beleuchtet. Zudem wird die Rolle des starken Staates als Gegenentwurf zur politischen Romantik diskutiert.
Kapitel 3 widmet sich der Diskurs- und Hegemonietheorie von Ernesto Laclau. Es werden die Konzeption des Politischen als Diskurs, der leere Signifikant als Fiktion der positiven Bestimmbarkeit des Diskurses sowie die Sphäre des Unentscheidbaren vorgestellt.
Kapitel 4 vergleicht die Theorien von Schmitt und Laclau hinsichtlich ihrer Weltbilder, Politikverständnisse, Menschenbilder, Formalismen und Demokratieverständnisse.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen der politischen Einheit, Antagonismus, Dissoziative Politik, Leerer Signifikant, Mythos, Fiktion, Staat, Hegemonie, und Demokratie. Die Arbeit setzt sich mit den politischen Theorien von Carl Schmitt und Ernesto Laclau auseinander, die sich in ihren unterschiedlichen Perspektiven mit den Herausforderungen der Einheitsbildung in diversen Gesellschaften auseinandersetzen.
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- Sara Mann (Autor), 2018, Einheitsbildung als Fiktion, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459592