Die Logistik 4.0 und moderne technische Systemlösungen. Wie arbeiten Mensch und Maschine in Zukunft zusammen?


Fachbuch, 2019

73 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffserklärung und Abgrenzung
2.1 Digitalisierung
2.2 Industrie 4.0
2.3 CPS
2.4 Big Data
2.5 Logistik 4.0

3 Logistik 4.0 als Branchentreiber
3.1 Veränderung von Arbeitsabläufen und Prozessen
3.2 Herausforderungen für Unternehmen und Personal
3.3 Übersicht aktueller technischer Anwendungen

4 Vorstellung ausgewählter technischer Systemlösungen
4.1 Augmented Reality
4.2 Hub2Move
4.3 Autonome Nutzfahrzeugkonzepte

5 Logistik ohne Mensch

6 Fazit

Anhang

Quellen

Literatur

Internetbeiträge

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:Die Geschichte der industriellen Revolution.

Abb. 2: Die drei „Internets“ und seine Schnittstellen.

Abb. 3: Die Entwicklungsstufen der Logistik.

Abb. 4: Die Entwicklung des Paketsendungsvolumens in Deutschland.

Abb. 5: Die Logistikbeschäftigung 2015 in Deutschland.

Abb. 6: Der Prototyp einer Amazon-Paketdrohne.

Abb. 7: Der „Starship“-Paketroboter.

Abb. 8: Der „PostBOT“ im Praxistest.

Abb. 9: Der Jungheinrich ERC 215a.

Abb. 10: Der Aufbau des Magazino „TORU“.

Abb. 11: Der intelligente SAFELOG-Kommissionierwagen.

Abb. 12: Motorisierter Exoskelett-Prototyp und unmotorisierte Exoskelett-Hebehilfe.

Abb. 13: Eine „Hyperloop“-Konzeptzeichnung.

Abb 14: Eine Übersicht aktueller Datenbrillen.

Abb. 15: Die 6-in-1-Funktion des STILL „CubeXX“.

Abb. 16: Das Swisslog „CarryPick“-System.

Abb. 17: Die Stufen des automatisierten Fahrens.

Abb. 18: Die Funktionsweise des „Platooning“-Konzepts.

1 Einleitung

Die Welt der Logistik ist im Wandel und der Wandel ist digital. Der Wandel kennt auch eine Zahl: 500 Milliarden Euro. Dieser Betrag beziffert das volkswirtschaftliche Gesamtpotenzial der Digitalisierung in Deutschland, hochgerechnet auf ganz Europa würde sich der Betrag noch einmal verfünffachen. Trotz dieses enormen Potenzials hat die deutsche Wirtschaft, besonders die Transport- und Logistikbranche, die Digitalisierung lange verschlafen. Erst vor wenigen Jahren haben die meisten Unternehmen begonnen den größten Megatrend des neuen Jahrtausends ernst zu nehmen und dabei gleichzeitig ihr unterdurchschnittliches Digitalisierungsniveau erkannt.1 Dies gab den Anstoß zu einer technologischen Aufholjagd und Investitionsbereitschaft welche ihresgleichen sucht, denn gerade die für Deutschland so unverzichtbare Logistikbranche steht in vielen Belangen immer noch ganz am Anfang des Umbruchs. Doch die Zeichen stehen auf Fortschritt, im Ausblick auf 2018 geben sich die Logistikmanager kämpferisch: Mehr Flexibilität in der Leistung, innovative Geschäftsmodelle, maximale Transparenz in der Lieferkette, höhere Präzision der Zustellung, optimierte Logistikprozesse und Schaffung neuer Kostenvorteile sind nur einige der erklärten Ziele. Wie diese Ziele erreicht werden sollen? Vor allem natürlich „digital“: Digitalisierte Prozesse, digitale Speditionen, digitale Schnittstellen, digitales Denken und diverse weitere Kombinationen gehören hier zu den häufigsten Antworten, welche sich zusammengefasst wohl besser in einem Schlagwort ausdrücken lassen: Logistik 4.0. Denn die Logistik 4.0 ist der Branchentreiber schlechthin, steht sie doch gleichbedeutend für die Implementierung neuer Technologien, durch deren Einsatz die oben genannten Zielvorstellungen erfüllt werden sollen.2 Diese Technologien sollen jedoch nicht nur hohe Gewinne oder Einsparungen ermöglichen, sondern aufgrund der stetig wachsenden exogenen Herausforderungen die Zukunftsfähigkeit und Rentabilität der Unternehmen sicherstellen. Die individuellen Herausforderungen sind vielfältig und je nach Logistikzweig unterschiedlich stark ausgeprägt, jedoch lassen sie sich recht genau kategorisieren: Kostendruck, Nachfrageschwankungen, Regulierung, Individualisierung, Fachkräftemangel, Risiken, Nachhaltigkeit, verändertes Käuferverhalten und ganz besonders eine zunehmende Komplexität machen der deutschen Logistikbranche das Leben schwer.3 Die angesprochenen Logistik 4.0-Technologien sollen diese Trends in Zukunft unter anderem durch Vernetzung, Dezentralisierung und Automation kompensieren. Doch was sind das für Technologien und was macht sie aus? Wie funktionieren sie und wessen Arbeitsalltag werden sie verändern? An dieser Stelle setzt der eigentliche Inhalt dieser wissenschaftlichen Arbeit an, denn die folgenden Kapitel widmen sich intensiv der Beantwortung solcher Fragen, zusammengefasst in der grundlegenden Kernfragestellung „Logistik 4.0 – Wie arbeiten Mensch und Maschine in Zukunft zusammen?“. Zu deren fundierter, nachvollziehbarer Beantwortung ist die Thesis in insgesamt fünf aufeinander aufbauende Abschnitte eingeteilt. Der erste Teil dient der theoretischen Einführung in das Vokabular der Digitalisierung, denn zur Nachvollziehbarkeit dieser Arbeit müssen neben dem zentralen Logistik 4.0-Begriff noch einige weitere ausgewählte Fachbegriffe und Konzepte vorgestellt, definiert und erklärt werden. Der zweite Abschnitt befasst mit den Auswirkungen der Logistik 4.0 auf die Branche, beginnend mit den Veränderungen in klassischen Arbeitsabläufen, gefolgt von einer näheren Beschreibung aktueller Herausforderungen für Logistikunternehmen und Dienstleister sowie die Vorstellung einer breiten Auswahl moderner Logistik 4.0-Technologien aus den Bereichen Last-Mile-, Intra- und Transportlogistik. Das darauffolgende Kapitel ergänzt diese allgemeine Auswahl mit einer präzisen Betrachtung und Analyse dreier besonders interessanter Systeme: Der Augmented Reality, dem Hub2Move und dem autonomen Fahren. Im vorletzten fünften Abschnitt wird noch ein kurzer Ausblick auf eine Zukunft der Logistik ohne menschliche Mitarbeiter auf Basis zweier verschiedener Ansätze gegeben, woraufhin im finalen Kapitel die Ergebnisse der Arbeit kompakt zusammengefasst und letztendlich auch die Fragestellung konkret beantwortet wird. Dem Fazit folgen noch ein umfangreicher Anhang mit diversen Abbildungen zur Veranschaulichung oder Ergänzung der geschilderten Inhalte sowie natürlich ein Quellenverzeichnis mit allen genutzten Literatur- und Internetquellen nach. Soviel zur Einführung, Intention und Gliederung dieser Abschlussarbeit, ist das Interesse geweckt, darf sich ab der nächsten Seite sofort mit der Logistik 4.0, vielen hochinnovativen Technologien und den zukünftigen Veränderungen für Beschäftige und Unternehmen auseinandergesetzt werden, denn eines steht im Vorhinein fest: Der Wandel in der Logistik ist nicht nur digital, er ist bereits heute Realität.

2 Begriffserklärung und Abgrenzung

2.1 Digitalisierung

Um die wesentlichen Inhalte sowie die eigentliche Themenstellung dieser wissenschaftlichen Arbeit überhaupt erst sinngemäß nachvollziehen zu können, ist es zunächst erforderlich, die diversen Begrifflichkeiten, welche vor allem durch die vielschichtige aktuelle Debatte um die Kernthemen dieser Arbeit entstanden sind, klar zu definieren und somit vergleichbarer, transparenter und verständlicher darzustellen. Gleichzeitig wird so eine gemeinsame Basis zwischen Autor und Leser für das Verständnis des spezifischen Vokabulars geschaffen, denn es ist im Vorhinein sofort anzumerken, dass der Megatrend Digitalisierung in den Fachkreisen der internationalen Wirtschaft, Forschung und Politik ununterbrochen neue Bezeichnungen generiert. Neben „Digitalisierung“ fallen auch immer wieder Begriffe wie „Digitale Transformation“, „Digitaler Wandel“, „Digitale Wende“, „Digitale Revolution“ aber auch anwendungsspezifische Varianten wie beispielsweise „Arbeit 4.0“, um nur einige Beispiele zu nennen. Trotz der im jeweils stark variierenden Kontext schier endlosen Flut an sprachlichen Neukreationen eint der jedoch Wortteil „Digital“ die meisten Bezeichnungen.4 ;5 In einer allgemeinen Betrachtung kann die Digitalisierung nebst ihren diversen genannten Ablegern jedoch wie folgt erklärt werden: Die Digitalisierung der Welt lässt sich als einen fortwährenden Prozess der technologisch gesteuerten Umwälzung von Wirtschaft und Gesellschaft definieren, ausgehend von der stetigen „Computerisierung“ im jungen Informationszeitalter. Als treibende Kräfte dieser digitalen Umwälzung gelten vordergründig neu entstehende disruptive Technologien und die daraus resultierenden innovativen Geschäftsmodelle auf Basis einer zunehmenden Autonomisierung, Flexibilisierung und Individualisierung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen.6 Die beschriebene Disruption, welche in diesem Kontext als hochinnovativer, alte Wertschöpfungsformen zerschlagender, oder gar revolutionärer Schaffensprozess und dessen Folgen angesehen wird, ist jedoch nicht ausschließlich auf einer rein ökonomischen, sondern auch auf einer gesellschaftlichen Ebene zu verstehen, was den eigentlichen Oberbegriff der Digitalisierung in der sinngemäßen Betrachtung von dem der Industrie 4.0 abgrenzt, da in diesem Zusammenhang die beiden Vokabeln oft als identisch ausgelegt werden. Abschließend ist also festzustellen, dass sich neben Industrie 4.0 also auch branchenspezifische Auslegungen wie die Logistik 4.0 in ihrer Gesamtheit, zumindest im deutschsprachigen Raum, jeweils als tragender Teil des Megatrends Digitalisierung beschreiben lassen.7 ;8 ;9

2.2 Industrie 4.0

Obwohl sich diese Arbeit im Kern natürlich mit einer Themenstellung rund um den Bereich Logistik 4.0 auseinandersetzt, ist es im Hinblick auf das Gesamtverständnis des übergeordneten Themenfelds der Digitalisierung eine alternativlose Notwendigkeit, zunächst einen kurzen Einblick in Bedeutung und Inhalt des Industrie 4.0-Begriffs zu geben. Ähnlich den zu Anfang von Punkt 2.1 geschilderten Umständen, könnte man im deutschsprachigen Raum auch beim Thema Industrie 4.0 fast schon von einer teils euphorischen, teils ängstlichen Hysterie um etwaige Potenziale, Mehrwerte und Risiken sprechen, welche angestoßen von Konzernen und Politik, mittlerweile auch sämtliche Schichten des produzierenden Mittelstands bis hin zu Kleinunternehmen erfasst hat.10 Es gilt also erneut, der unvermeidlichen Flut an verwässerten Inhalten zu trotzen und somit eine klare Definition abzuleiten: Der Begriff Industrie 4.0 wurde 2011 zunächst als reiner Marketingbegriff zur Einführung der vom Bundesministerium für Forschung und Entwicklung initiierten Wirtschaftsförderkampagne „Die neue Hightech-Strategie“ geschaffen und ist in diesem Zusammenhang spätestens seit Einführung der „Plattform Industrie 4.0“ in 2013 auch ein integraler Bestandteil von Forschung und Entwicklung rund um das Thema Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland.11 ;12 Selbstverständlich beschreibt das Schlagwort Industrie 4.0 weit mehr als nur ein Zukunftsprojekt der Bundesregierung, daher folgt nun eine Betrachtung der Begrifflichkeit sowohl im volkswirtschaftlichen als auch im technologisch getriebenen Sinne: Unter Industrie 4.0 versteht man die aktuell jüngste Stufe des industriellen Fortschritts, auch vierte industrielle Revolution genannt, hauptsächlich basierend auf der fortschreitenden massiven Digitalisierung, Technisierung aber auch Individualisierung von industriellen oder industriell-geprägten Produktions- und Fertigungsstätten sowie deren kooperativ-kaufmännische Gesamtumgebung der Wertschöpfung, um bereits an dieser Stelle die jeweilig individuellen Lieferanten- und Dienstleisternetzwerke nicht außen vor zu lassen. Warum sofort von einer vierten Revolution gesprochen wird ist schnell erklärt: Die Geschichte der Industrialisierung ist bei jedem ihrer über drei Jahrhunderte verteilten Sprünge, eine detaillierte Übersicht über die Historie findet sich im Anhang, immer von der Einführung und Nutzung einer neuartigen Technologie geprägt, beginnend mit der Dampfmaschine, gefolgt von der Elektrizität, bis hin zum Computerchip. Jede einzelne dieser beschriebenen Technologien kann als Beispiel für erfolgreiche Disruption dienen, als eine Umwälzung, welche durch die zunehmende Veränderung der globalen und nationalen Märkte notwendig wurde. Selbstverständlich ist dieser Umstand auch für die Einführung des Industrie 4.0-Begriffs ursächlich, konkret der zunehmenden Komplexität der Märkte auf Basis der bereits beschriebenen stetig steigenden Anforderungen an Industrie und Dienstleister geschuldet. So ist es wohl wenig verwunderlich, dass im Zusammenhang mit Industrie 4.0 auch oft von der vierten technologischen Revolution gesprochen wird, da im Zentrum der bereits beschriebenen Attribute von Industrie 4.0 primär die sogenannten „Cyber-Physical-Systems“, kurz „CPS“, stehen, welche als Kerntechnologie mit disruptivem Charakter für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0-Kernkonzepten, wie der intelligenten Fabrik, der „Smart Factory“, stehen.13 „Smart“ ist das Wort der Stunde in diesem Kontext, denn in der Wunschvorstellung einer Fabrik der Zukunft wären alle erdenklichen Glieder der Value- oder Supply-Chain, angefangen beim Menschen, über Anlagen, Ressourcen und Ladungsträger bis hin zum fertig ausgelieferten Produkt im Kundengebrauch, „smarte“ Faktoren, also intelligent über das Internet vernetzte, in Echtzeit untereinander kommunizierende, sich selbst organisierende dezentrale Einheiten. Die gewünschte Zielsetzung eines solchen Modells im Sinne der Industrie 4.0 wäre eine automatische maximal-effiziente Produktion auf Basis einer bedarfsgerecht optimierten Datenlage in Echtzeit.14 An dieser Stelle könnte man sich nun bereits die berechtigte Frage stellen wie und ob der Faktor Mensch als Arbeitskraft überhaupt in dieses Paradigma der Zukunft passt, ein erster Denkanstoß zur eigentlichen Thematik dieser Arbeit. Ersten Aufschluss gibt womöglich ein weiterer Einblick in die Theorie der Industrie 4.0: Es ist anzumerken, dass sich alle internen und externen „smarten“ Faktoren und Modelle individuell in drei Kategorien einordnen lassen, in die drei Internete: Das vielbesungene „Internet der Dinge“ bzw. das „IoT“, ein weiterer Standardbegriff in der Debatte rund um Industrie 4.0, das Internet der Dienste und natürlich das Internet der Menschen. Auf der Basis dieser unabhängigen Internete und deren diversen Bestandteilen, wird wiederum erst dann eine reale Industrie 4.0-Umgebung geschaffen, wenn die gemeinsame Konnektivität über entsprechende Schnittstellen, also gemeinsame Plattformen, ermöglicht oder gewährleistet ist. Somit schließt sich der Kreis zu den bereits erwähnten CPS, der Kerntechnologie, da sich diese über ihre eingebetteten Kommunikationssysteme über CPS-Plattformen kooperativ vernetzen und so die Idee der Industrie 4.0 und ihrer Modelle und Konzepte systemseitig erst ermöglichen.15 ;16 Eine detaillierte Abbildung zur Veranschaulichung der drei „Internets“ findet sich im Anhang, die CPS, ihre Varianten, Stufen und Eigenschaften werden noch ausführlich im nächsten Punkt 2.3. dieser Arbeit beschrieben, da diese ganz besonders im Fokus des zentralen Themas Logistik 4.0 stehen. Final ist in diesem Punkt der Arbeit noch anzumerken, dass die große Aufmerksamkeit rund um Industrie 4.0 kein rein nationales Phänomen ist, denn die Entwicklung von digitale Produktions- und Wertschöpfungsmodellen auf Basis der kommunizierenden CPS ist in sämtlichen entwickelten Volkswirtschaften der Welt das treibende Thema der wirtschaftsstrategischen Ausrichtung, unabhängig vom Status als Schwellen- oder Industrienation. Die Unterschiede liegen im Grad der digitalen Ausrichtung und der individuellen Anwendungsmöglichkeit der Konzepte, sowie natürlich in den Bezeichnungen, die sich mehr oder weniger ähneln. Hohe Bekanntheit genießt beispielsweise das US-amerikanische „Industrial Internet of Things“, wohingegen sich wohl nur die Wenigsten etwas Präzises unter dem chinesischen Staatsprojekt „Made in China 2025“ vorstellen können.17 Dies wäre im Sinne dieser Thesis auch nicht weiter erforderlich, da sich der gesamte weitere Inhalt, vor allem bezüglich der abgeleiteten Logistik 4.0, auf die Theorie und Abgrenzung in diesem Abschnitt bezieht.

2.3 CPS

Die Zielsetzung dieses Gliederungspunktes ist das Erreichen eines klaren und logischen Verständnisses der nun bereits mehrfach erwähnten Kerntechnologie, einfach um die Nachvollziehbarkeit zur realen Nutzung im gesamten Kontext zu maximieren. Aufgrund der enormen fachlichen Tiefe in den Bereichen Wirtschaftsinformatik, Maschinenbau und Robotik, welche bei einer umfangreichen Auseinandersetzung mit diesem branchenübergreifenden Fachthema unvermeidlich schnell erreicht wird, liegt der Fokus in den Erläuterungen dieses Abschnitts auf einer allgemeinen Definition des Begriffs sowie auf der Beschreibung der abgestuften Anwendbarkeit im bisherigen Kontext der Digitalisierung von Industrie- und Logistikumgebungen. Allgemein stehen CPS, also cyber-physical-systems, zu Deutsch Cyber-physische Systeme, für eine kooperative Verschmelzung oder eine gegenseitige Integration von realen mechanischen oder biologischen Komponenten mit software- und informationstechnischen Elementen auf Basis eines gemeinsamen Kommunikationsstrangs zum effektiven Austausch von teils eigens generierten Echtzeit-Daten zur Schaffung hochkomplexer, automatisierter und individueller Wertschöpfungsumgebungen. Der gemeinsame Kommunikationsstrang zwischen dem „Cyber“-Part, also der reinen informationstechnischen Seite und dem „Physical“-Part, der ausschließlich mechanischen oder menschlichen Seite, fungiert gleichzeitig auch als Anbindung an eine übergeordnete Befehlsinfrastruktur, die als gemeinsame Schnittstelle das eigentliche Wesen sowie auch die Aufgaben und Tätigkeiten des CPS definiert, vorgibt, steuert und kontrolliert.18 Was aber steckt konkret hinter den genannten Komponenten, dem Kommunikationsstrang und der Befehlsinfrastruktur? Eine Antwort liegt bereits in den Erläuterungen zu Punkt 2.2 versteckt, die CPS sind über das Medium Internet, logischerweise als Teil des Internets der Dinge, über Ihre ebenfalls untereinander kommunizierenden CPS-Plattformen vernetzt, welche den direkten Datentransfer und die dauerhafte Kommunikation mit allen verbundenen, für den Wertschöpfungsprozess relevanten, „smarten“ Faktoren gewährleisten und ermöglichen können. Natürlich greift das System nicht nur Fremddaten auf, sondern muss, um überhaupt eine eigene individuelle Funktion ausüben zu können, auch eigene Daten generieren und diese an seine Plattform übermitteln. Eigene Datensätze werden bei den CPS durch eine möglichst effizient integrierte und ausgeprägte Sensorik generiert, welche während des gesamten CPS-Einsatzes konstant die jeweilige virtuelle Umgebung erfasst und in Kombination mit den durch die Plattform bereitgestellten, ausgewerteten Daten in Echtzeit die nächsten realen Aktionen der jeweiligen CPS errechnet.19 Was rein oberflächlich betrachtet schnell nach der Machtübernahme der Roboter und Maschinen klingen mag, ist in der Praxis, allein aufgrund begrenzt verfügbarer Rechenkapazität, begrenzter Bandbreiten und sonstiger komplexer IT-Problematiken, meist fehlender Investitionen seitens Wirtschaft und Politik geschuldet, glücklicherweise reine Theorie.20 Die essentiellen Potenziale von CPS wurden jedoch schon früh erkannt und befinden sich in mehr oder weniger ausgeprägten Stadien bereits in einer realen Umsetzung oder Planung. So ist es an dieser Stelle wohl nur sinnvoll, diese verschiedenen Stadien, sowie deren technologische Ausprägung, also vor allem die mechanischen Komponenten im zentralen Zusammenhang mit der Funktion des Menschen, der biologischen Komponente innerhalb der CPS, evolutionär zu klassifizieren und so bereits einige Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Logistik, Warehousing, E-Commerce und Transport aufzuzeigen, welche dann im weiteren Textverlauf in den Arbeitsabschnitten 3. und 4. auch teilweise genauer vorgestellt und beschrieben werden. Differenziert werden CPS in den folgenden, insgesamt vier technologischen Entwicklungsstufen: Die erste Stufe bilden passive, „dumme“, Systemkomponenten, wie der bekannte RFID-Tag, welcher als idealer Nachfolger des feudalen Barcodes gehandelt wird. Dieser ist zwar systemisch in der Lage eine geringe Menge Daten abzuspeichern und diese auch zu senden, jedoch ist der Chipsatz ohne die externe Möglichkeit des Auslesens sowie der Auswertung des Datensatzes völlig isoliert, da er selbst keine Eigenschaften der selbstständigen Berechnung oder Vernetzung im Sinne eines intelligenten Systems aufweist. Dies ist selbstverständlich seiner einfachen Machart geschuldet, welche ihn als einer der wenigen Vertreter seiner Entwicklungsstufe wiederrum allein aufgrund der für ein eigenständiges technisches System relativ geringen Anschaffungskosten bei solider Bauweise für breiteste Anwendungsfelder nicht nur im industriellen Sektor, sondern selbstverständlich auch im Bereich der KEP-Dienstleister sowie der Produktions- sowie Lagerlogistik attraktiv macht.21 ;22 Die zweite Stufe der CPS stellen Systeme mit einfach integrierter netzwerkfähiger Sensortechnik dar, welche in genau definierten, extern gesteuerten Rahmenbedingungen Funktionen und Handlungen durchführen, klassische Vertreter dieser Gruppe sind beispielsweise Fertigungsroboter in der Produktion, aber auch fahrerlose Transportfahrzeuge(FTF), welche auf fixen Bahnen Güter befördern, aber auch ein- und auslagern, eine bekannte Technik aus modernen automatisierten Hochregallägern.23 Wirklich innovativ wird die Entwicklung der CPS ab der dritten Stufe, in welcher das CPS erstmals „smart“ wird, sich also intelligent und selbstständig mit anderen Systemen und Akteuren, wie dem Menschen selbst, vernetzt. In dieser Stufe schaffen diese intelligenten, anpassungsfähigen Systeme einen erhöhten Mehrwert der menschlichen Arbeitsleistung, da sie ihn nicht ersetzen, sondern gezielte entlasten oder verstärken um seine persönliche Leistung zu maximieren oder auszubessern. Hier ist besonders die Rede von aktuellen Logistikprojekten, angefangen bei Virtual Reality- oder Augmented Reality-Anwendungen (VR/AR) über intelligente Assistenzsysteme in Nutzfahrzeugen bis hin zu funktionierenden Mensch-Roboter-Kollaborationen(MRK), um nur eine ausgewählte Beispiele zu nennen. Die finale Stufe, das „System der Systeme“, erreicht die CPS-Entwicklung erst an dem Punkt, wenn sich das System selbst vollautomatisiert, autonom und in dauerhafter Kommunikation mit allen anderen verfügbaren Systemen für eine variabel anpassbare Zielsetzung, beispielsweise für die Produktion eines hochindividuellen Einzelstücks, selbstständig konfiguriert und sich während des laufenden Prozesses parallel innerhalb seines Netzverbundes aus anderen CPS und deren Echtzeit-Daten weiterentwickelt und optimiert. Allerdings wird es wohl noch Jahre der Entwicklungszeit benötigen, um einen solchen Systemstandard für die tatsächliche betriebliche Nutzung auch nur im Ansatz zu realisieren.24 Nach diesen Ausführungen ist es wohl unschwer zu erkennen, dass der tatsächliche Mehrwert und der damit verbundene erfolgreiche Einsatz von cyber-physischen Systemen maßgeblich von der Qualität, Menge und Verfügbarkeit der modernsten aller Industrieressourcen, also von Daten oder Datensätzen, abhängt. Bevor dieser besagte Umstand im nächsten Punkt noch näher präzisiert wird, lässt sich zur gesamten Aufstellung der dreistufigen, aufeinander aufbauenden Entwicklung von CPS und der damit einhergehenden immer größer werdenden Bedeutung von Netzwerken und Datenströmen noch anmerken, dass aufgrund des evolutionären Charakters dieser Entwicklung manche Kritiker bei Industrie 4.0 mittlerweile auch eher von einer technischen Evolution anstatt einer industriellen Revolution sprechen, um abschließend zu diesem Gliederungspunkt noch einmal die öffentliche Debatte aufzugreifen.25

2.4 Big Data

Datenströme, Datensätze, Konnektivität, Cloud computing, Plattformen, bei der tieferen Auseinandersetzung mit Themen der Digitalisierung wird, auch vor dem Hintergrund der bisherigen Abgrenzungen, ein regelrecht inflationäres Feuerwerk an Fachvokabular mit informationstechnischem Hintergrund im Bereich der Erfassung, Analyse, Auswertung und Nutzung großer unternehmenseigener oder öffentlicher Datenmengen abgefeuert. Der meistgenannte Oberbegriff in diesem Fachbereich: Big Data. Trotz des hohen Namensalters hat der massive Ausbau von Big Data und dessen Strategien in Unternehmen nach wie vor hohe bis höchste Priorität.26 Doch was steckt genau dahinter? Der nun folgende Textabschnitt hat das Ziel Big Data, sowie die im Kontext zahlreich auftretenden verwandten Begriffe, im Hinblick auf das Thema Industrie- und Logistik 4.0 kurz zu erklären, natürlich ohne dabei zu tief in den Kosmos der theoretische Informatik vorzustoßen. Einfach ausgedrückt, ist mit dem Ausdruck Big Data, auch in wortwörtlicher Hinsicht, nicht mehr als eine umfangreiche, je nach Herkunft, Qualität und Art spezifisch einzuordnende Datenmenge gemeint. Unterschieden werden hierbei vor allem die jeweiligen Wirtschaftssektoren oder Forschungsbereiche, in denen die Daten erhoben oder gesammelt werden, sowie in welcher Form sich die entsprechenden Inhaber der Daten dessen Inhalte unter Zuhilfenahme von Big-Data-Anwendungen zunutze machen können. Das Spektrum von Big-Data-Konzepten reicht daher von typischen Unternehmenszielen, wie beispielsweise der erweiterten Kaufverhaltensforschung oder der Optimierung von Produktionsplanungsprozessen, über wissenschaftliche Anwendungen, wie der Vorhersage demographischer Entwicklungen, bis hin zu militärischen Einsatzbereichen in der Terrorbekämpfung.27 Der große Unterschied zu regulären Business-Intelligence-Lösungen oder ERP- und Datenbanksystemen, welche in der Regel mit manuell vorselektierten, zielorientiert angelegten Datensätze gespeist werden, liegt bei Big Data-Anwendungen dabei im informationstechnischen Zustand der zu analysierenden Dateien und auch in deren schierer Masse, da diese Konzepte versuchen alle verfügbaren Rohdaten eines Netzwerkes, unabhängig von Formaten oder Art der Systemschnittstellen zu erfassen, anschließend unter Verwendung komplexer Algorithmen zu analysieren und die dadurch gewonnenen Informationen zur zielgerichteten Nutzung im richtigen Unternehmensumfeld bereitzustellen.28 Das Erreichen von möglichst hoher Effizienz bei diesen Big Data Mining- oder Big Data-Analyst-Konzepten ist für den erfolgreichen Einsatz der in Punkt 2.3 beschriebenen CPS maßgeblicher Faktor. Denn ohne einen schnellstmöglichen Austausch sowie die zielführende Analyse der gigantischen Mengen an erzeugten Echtzeit-Sensordaten wäre ein intelligentes System, wie beispielsweise eine teilautomatisiertes Warenlager mit mehreren komplexen Robotik-Lösungen im Verbund mit menschlichen Arbeitskräften, logischerweise weder leistungs- oder überhaupt einsatzfähig. Deshalb rücken mittlerweile, gerade im Hinblick auf die jüngste ökonomische Digitalisierungswelle, getrieben vom unternehmerischen Streben nach immer intelligenteren, stärker überbetrieblich vernetzten Vertriebs-, Produktions- und Logistiklösungen auf Basis der CPS und der damit verbundenen exponentiell wachsenden Datenmenge, auch immer mehr Begriffe wie das „machine learning“ als Teil der „Data Science“-Idee in den Fokus der Anwender, welche das zugegebenermaßen langsam in die die Jahre gekommene Big Data Mining wohl langfristig ersetzen werden.29 Natürlich handelt es sich bei allen Anwendungsmöglichkeiten und Erweiterungen in der zukünftigen Entwicklung von Big-Data-Konzepten, wie auch bei denen der CPS um eine stetig wachsende Herausforderung auf hard- und softwaretechnischer Ebene, denn auch Aspekte wie Datenschutz und Sicherheit haben in einer globalisierten Welt, gerade für die mächtigen Technologiekonzerne einen immensen Stellenwert, welcher nur noch weiter zunehmen wird, allein aufgrund der sich jährlich verdoppelnden Datenmenge und dem damit verbundenen Versuch, die bis dato noch recht niedrige prozentuale Nutzung der Datenberge in den nächsten Jahren deutlich zu erhöhen.30

2.5 Logistik 4.0

Mit Hinblick auf die bereits thematisierten Fachbegriffe, deren Erklärung und dem somit erfolgreich geschaffenen Gesamtüberblick über die aktuelle Debatte sowie die Charakteristika der Digitalisierung wird mit diesem letzten Gliederungspunkt des zweiten Abschnitts endlich der essentielle Kern dieser Thesis angesprochen. Doch bevor es im weiteren Verlauf daran geht reale Technologien, Anwendungsbereiche und Beispiele zu beschreiben, muss selbstverständlich auch beim Themenkomplex Logistik 4.0 und der damit verbundenen digitalisierten Supply-Chain im Vorhinein ein theoretischer Umriss zu Aufklärung erfolgen. Die Kernfrage zum Denkanstoß über die Gesamtthematik ist schnell formuliert: Wie kann man Logistik 4.0 definieren und wo liegt der eigentliche der Zusammenhang zur Industrie 4.0? Letzteres ist schnell erklärt und bedarf für ein logisches Verständnis nicht einmal dem jeweilig zugehörigen Wortzusatz 4.0, denn die Logistik und ihre junge Historie, also ihre Entwicklung vom klassischen TUL-Charakter über die Koordinations- und Flow-Logistik bis hin zum wertschöpfungsorientierten modernen SCM-Gedanken, geht nüchtern betrachtet immer direkt mit der fortlaufenden Technisierung und zunehmenden Komplexität der produzierenden Industrie einher, wie es bereits in Punkt 2.2 erläutert wurde.31 Sinngemäß resultiert diese natürliche Verzahnung beider Bereiche als Folge der abgeleiteten industriellen Nachfrage nach Logistikleistung in der logischen Tatsache, dass Bestrebungen zur Schaffung von intelligenten Industrie 4.0-Modellen wie der beschriebenen Smart Factory, auch immer die Anforderung nach intelligenten, hochspezialisierten Logistiklösungen, also Logistik 4.0-Konzepten, nach sich zieht. Diese erste Antwort ist womöglich vor dem Hintergrund eines theoretisches Szenarios noch einleuchtender, denn wie könnte beispielsweise eine hochautomatisierte intelligente Produktion in Verbindung mit einer völlig veralteten, analogen Logistikumgebung mit hunderten manuellen Schnittstellen überhaupt eine Steigerung der Produktivität bewirken? Natürlich keine, denn die beschriebenen technischen und prozessualen Diskrepanzen innerhalb dieser Logistikinfrastruktur würden in der Gesamtrechnung wohl alle Vorteile der geschaffenen „smarten“ Produktion annullieren, da diese als wichtigstes Glied im gesamten Wertschöpfungsprozess technologisch völlig isoliert auftreten würde, das Konzept einer smarten Fabrik wäre so unmöglich zielführend und umsetzbar.32 ;33 Man könnte vor diesem Hintergrund wohl von einer Wechselwirkung oder gegenseitigen Abhängigkeit der technischen Innovationen und Lösungen auf unternehmensübergreifender Ebene sprechen, was auch in der folgenden Definition von Logistik 4.0 verdeutlicht wird, um an dieser Stelle wieder auf den ersten Teil der aufgestellten Kernfrage dieses Gliederungspunktes zurückzukommen: Unter Logistik 4.0 sind sämtliche Einflüsse der Digitalisierung und die damit verbundenen unmittelbar notwendigen technologischen Maßnahmen zur erfolgreichen Umsetzung der fortschreitenden vertikalen und horizontalen Vernetzung von Wertschöpfungsumgebungen durch Industrie 4.0-Konzepte innerhalb einer unternehmensübergreifenden Supply-Chain, also über alle beteiligten lager-, transport-, beschaffungs-, produktions-, entsorgungs- und informationslogistischen Strukturen, zu verstehen. Auf Grundlage einer vollständig transparent vernetzten, dezentral gesteuerten Wertschöpfungs- und Versorgungskette, erneut basierend auf dem massiven Einsatz von intelligenten CPS und Big-Data-gestützten Prozessen, soll mit der Umsetzung der Logistik 4.0-Leitidee ein vollkommen digitales SCM mit dem wiederum klassischen Ziel der maximalen Effizienz- und Effektivitätssteigerung erreicht werden.34 ;35 Die Parallelen zur Umsetzung der Industrie 4.0-Idee sind zugegebenermaßen auffällig, denn auch in der Logistik 4.0-Theorie wird die gesamte physische Umgebung „smart“, also intelligent vernetzt, zum Beispiel in Form autonomer Fördertechnik, in der wieder Sensorik, Konnektivität, Automatisierung, Echtzeit-Daten und Flexibilität für maßgebliche Erfolgsfaktoren in der möglichen Anwendung stehen.36 ;37 Es benötigt jedoch nicht ausschließlich explizites theoretisches Wissen um die Industrie 4.0, in der selbstverständlich die zunehmende Komplexität in der Anforderung an eine smarte Produktion als klarer Haupttreiber für die Forderung nach ebenso intelligenter Logistik steht, um sich die Bedeutung und Notwendigkeit von Logistik 4.0 vor Augen zu führen, denn allein ein aufmerksamer Blick auf den täglichen Straßenverkehr, auf Gewerbeflächen in Ballungsräumen und vor allem in den eigenen persönlichen virtuellen Warenkorb auf Handelsplattformen im Internet sollte mehr als ausreichen: Der unaufhaltsam wachsende elektronische Internet-Versandhandel, der E-Commerce, verändert den Konsum und damit die Anforderungen an logistische Dienstleistungen von Grund auf, denn jede Art von Waren, vom schweren Haushaltsgerät bis hin zur Tiefkühlkost, soll im Idealfall jederzeit in jeder erdenklichen Menge bestellbar und in kürzester Zeit, möglichst noch am selben Tag, direkt zum Abnehmer an die Haustüre geliefert werden, selbstverständlich frei Haus.38 Die Folgen sind bekannt: KEP-Dienstleister sind mit den bekannten gelben, braunen oder weißen Transportfahrzeugen im Dauereinsatz und quasi über Nacht entstehen stetig neue Logistikzentren, alles im Dienste des Kunden, Tendenz steigend.39 Nun gilt es, zur Schaffung eines realen Logistik 4.0–Ansatzes, alle steigenden Herausforderungen an die Supply-Chain seitens der beteiligten Glieder, also alle eingebundenen Lieferanten, Endverbraucher, produzierende Industriesektoren und natürlich die gesamten Logistikstruktur, den LDL’s, Spediteuren, Frachtführern, Lagerbetreibern, bei möglichst niedrigen Kosten und maximal effizientem Ressourcen-, Technologie und vor allem Personaleinsatz zu bewältigen.40 ;41 Mit dieser kompakten Formulierung der neuen Branchenanforderungen endet an dieser Stelle der begriffserklärende erste Abschnitt der Thesis, denn wie genau der Mensch und die CPS zur Erfüllung dieser Anforderungen aktuell und zukünftig eingesetzt werden, sei es kooperativ oder autonom, behandeln im direkten Anschluss die Gliederungspunkte 3. und 4. Weitere Details zur Entwicklung der Logistik und zur aktuellen Entwicklung im KEP-Sektor finden sich im Anhang.

3 Logistik 4.0 als Branchentreiber

3.1 Veränderung von Arbeitsabläufen und Prozessen

Nach den vielschichtigen und teils stark allgemein gehaltenen Erläuterungen zum Wesen der Digitalisierung selbst, liegt ab diesem Abschnitt der Fokus des gesamten weiteren Inhalts dieser Thesis ausschließlich auf der Behandlung von einschlägigen Konzepten oder Anwendungsfeldern im Bereich des Logistik- und Transportsektors. Wurden in diesem Kontext zwar bereits Kerninhalte zur Logistik 4.0 abgehandelt, geht es ab diesem Punkt vor allem um die Klärung der übergeordneten Fragestellung der Arbeit, wie Mensch und Maschine zukünftig in diesem neuartigen Paradigma zusammenarbeiten werden, sollen oder gar können. Spätestens an letzterer Formulierung, aber auch in Teilen den Begriffserklärungen in Abschnitt 2., lässt sich bereits erahnen, dass die theoretische Entwicklung in logistischen Zukunftsszenarien auf maximal automatisierte Prozesse abzielt, in diesem Abschnitt liegt das Augenmerk jedoch auf dem realen Wandel von menschlichen Arbeitsumgebungen unter dem Einfluss des Einsatzes von cyber-physischen Systemen in verschiedenen Entwicklungsstadien.42 Einleitend ist trotzdem anzumerken, dass der individuelle Grad im digitalen Wandel von traditionellen Arbeitsplätzen und Tätigkeiten stark vom jeweiligen Entwicklungsstand der eingesetzten Technologie abhängig ist, das heißt im Klartext: Je fortschrittlicher und intelligenter die im Verbund mit den menschlichen Arbeitskräften eingesetzten CPS sind, desto höher fällt auch der Grad der Automatisierung aus. Ein weiterer, gerade im Bereich Logistik höchst relevanter Einflussfaktor ist in diesem Zusammenhang natürlich auch der geistige und körperliche Anspruch des Arbeitsinhalts, denn je simpler oder routinierter die einzelnen Arbeitsschritte ausfallen, desto leichter gestaltet sich deren Teilautomatisierung.43 In Folge dieses logischen Umstands beziehen sich auch die meisten aktuellen Anwendungsfälle in der schrittweisen Implementierung von Logistik 4.0-Technologien eher auf die operativen, als auf die administrativen, kaufmännischen oder strategisch geprägten Arbeitsplätze innerhalb der diversen Logistiksparten. Typische Vertreter für diese operativen Bereiche sind Fachlageristen, Kommissionier- und Hilfskräfte aber auch Fahrpersonal jeder Art, sei es für Flurförder-, Transport- oder Zustellfahrzeuge, wobei hier noch einmal besonders zwischen Berufskraftfahrern und Paketzustellern unterschieden werden muss, einfach aufgrund der hohen Diskrepanzen in den zu digitalisierenden Arbeitsgängen. Für die folgenden spezifischen Betrachtungen von Logistik 4.0-Konzepten innerhalb dieser Thesis ist dieser Querschnitt an Berufsgruppen optimal, da so fast alle typischen Wirkungsfelder abgedeckt werden, sei es die Distributions-, Produktions-, Beschaffungs- oder Transportlogistik, da die anfallenden Tätigkeitsfelder wie beispielsweise Lagerung, Kommissionierung oder Transport hier überall zentrale Rollen einnehmen.44 Vor dem gezeichneten Hintergrund liegt es durchaus nahe zu argumentieren, dass es hier in vielen Bereichen bereits seit geraumer Zeit zum Einsatz digitaler Technologien kommt, beispielsweise in Form von „Handhelds“, also Scannern oder Tablets zur Lagerverwaltung. Jedoch ist sofort anzumerken, dass es sich hierbei nicht um intelligente CPS im Sinne der Logistik 4.0 handelt, eher um eine digitale Vorstufe ohne kooperative Vernetzung. Doch wie wird letzteres endlich erreicht, wie wird Logistik 4.0 endlich für den menschlichen Mitarbeiter greif- und nutzbar? Die Antwort liegt in der Schaffung einer gemeinsamen Schnittstelle zwischen Mensch, den CPS und der Plattform: Der multimodalen Mensch-Maschine-Schnittstelle. Diese Schnittstellen vernetzen somit die biologischen, mechanischen und übergeordnet virtuellen Komponenten zu einer wertschöpfenden logistischen Einheit. Der Mensch, nun ein Teil des IoT, steuert das System interaktiv oder klassisch physikalisch, entweder über Eingabe- bzw. Bedienfelder, aber auch per Gesten- und Sprachsteuerung bis hin zu autonomer Steuerung.45 Mit Schaffung dieser Grundvoraussetzung kann nun unter Berücksichtigung des bereits definierten Technologiegrads der eingebundenen CPS eine grobe Unterteilung im Wandel von typischen operativ-logistischen Arbeitsumgebungen erfolgen: Anfänglich unterstützt das CPS als passives Assistenzsystem die menschliche Arbeitskraft zunächst durch die visuelle Bereitstellung von eigens sowie im Verbund mit anderen CPS und der übergeordneten Plattform generierten Informationen, welche bei der Bereitstellung durch das System bereits soweit analysiert und „veredelt“ sind, dass sie den folgenden Arbeitsgang effektiv erleichtern und beschleunigen, ohne den Arbeiter zu verwirren oder durch Ausgabe einer zu großen Informationsmasse zu überfordern. In der Praxis finden sich Systemlösungen dieser Art vor allem in den Bereichen Lagerhaltung und Kommissionierung, beispielsweise durch den Einsatz von Datenbrillen, auf deren Technik und Einsatzmöglichkeiten im Abschnitt 4.1 dieser Arbeit noch einmal im besonderen Maße eingegangen wird.46 In der nächsten Stufe kooperiert das CPS bereits mechanisch mit dem Mensch, durch den aktiven Einsatz intelligenter Sensorik entlastet das System in Form einer Robotik-Anwendung den Werker nicht nur mental, sondern auch körperlich, indem es beispielsweise anstrengende Arbeitsgänge wie das Anheben oder Anreichen von Gegenständen übernimmt. Hier kommt es erstmalig zur direkten physischen Mensch-Roboter-Kollaboration mit diversen realen Anwendungsansätzen, vor allem zur Schaffung verbesserter ergonomischer Arbeitsbedingungen, beispielsweise beim Handling schwerer Güter innerhalb von Intralogistikprozessen.47 ;48 Auch diese direkten Mensch-Roboter-Kollaborationen, kurz MRK, werden in zum späteren Zeitpunkt noch einmal genauer thematisiert. Die letzte Stufe ist logischerweise die endgültige vollständige Automatisierung der Logistikprozesse, der Arbeiter gibt die physisch auszuführenden Tätigkeiten vollständig an die CPS ab, er selbst wird somit zum „augmented operator“, der ausschließlich als entscheidende und überwachende Komponente im Verbund mit den ab diesem Punkt fast vollständig autonom arbeitenden Systemen auftritt. Eine Folge dieser letzten Entwicklung wäre wiederum das bereits erwähnte „System der Systeme“, ein Logistikkonzept ohne Mensch. Hierzu findet sich selbstverständlich noch ein Ausblick im fünften Abschnitt der Thesis.49 Abgeleitet von dieser stufenweisen Struktur im Wandel von Arbeitsabläufen bei der angewandten Logistik 4.0-Konzeption wird im folgenden Textverlauf nun noch die Notwendigkeit dieser Technologien für die gesamte Branche, sowie ein breites Spektrum an aktuellen Anwendungs- und Forschungstrends in den verschiedensten Bereichen der Logistikwirtschaft aufgezeigt.

[...]


1 Vgl. o.V., 500 Milliarden Euro Potenzial, 2017.

2 Vgl. Wissmann, M./Rodi, H./Frese, B./Hellmich, K./Voß, P./Winkelmann, B., VR Spezial 2018, S. 4-6.

3 Vgl. Bundesvereinigung Logistik, Trends und Strategien, 2017, S. 20-21.

4 Vgl. Schorta, S., Digitalisierung und Arbeit 4.0.

5 Vgl. Meffert, J./Dörner, K./Mohr, N./Schumacher, T., Auf ins neue Zeitalter, 2017.

6 Vgl. Bendel, O., Digitalisierung.

7 Vgl. o.V., Disruption.

8 Vgl. Bauer, T./Hermanni, A./Stopper, S./Ornau, F., Digitalisierung in Wirtschaft und Wissenschaft, 2017, S. 1-4.

9 Vgl. Müller, W., Industrie 4.0, 2015.

10 Vgl. Heisterhagen, N./Schwickert, D., Industrie 4.0 ist Deutschlands Chance, 2014.

11 Vgl. Bendel, O., Industrie 4.0.

12 Vgl. o.V., Hintergrund zur Plattform Industrie 4.0, 2018.

13 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 1-15.

14 Vgl. Eisert, R., Gebt den Maschinen das Kommando, 2014.

15 Vgl. Roblek, V./Mesko, M./Krapez, A., Industry 4.0, 2016.

16 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 15-16.

17 Vgl. Heilmann, D/Eickemeyer, L./Kleibrink, J., Industrie 4.0 im internationalen Vergleich, 2016, S. 33-47.

18 Vgl. Bendel, O., Cyber-physische Systeme.

19 Vgl. Janiesch, C., Cyber-physische Systeme, 2017.

20 Vgl. Heisterhagen, N./Schwickert, D., Industrie 4.0 ist Deutschlands Chance, 2014.

21 Vgl. o.V., RFID der Intralogistik, 2013.

22 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 16.

23 Vgl. o.V., Hochregallager, 2013.

24 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 17.

25 Vgl. Heinze, R., ETZ 2014, S. 24-26.

26 Vgl. Kroker, M., IT-Trends, 2017.

27 Vgl. Bendel, O., Big Data.

28 Vgl. Plattner, H., Big Data, 2017.

29 Vgl. Andelfinger, V./Hänisch, T., cyber-physische Systeme, 2017, S. 10-11.

30 Vgl. Lorenzen, M., Datenwust, 2012.

31 Vgl. Voß, P., Horizontale Supply-Chain, 2008, S. 28.

32 Vgl. Bousonville, T., Digitale Transformation, 2017, S. 13-14.

33 Vgl. Bundesverband deutscher Industrie, Perspektiven für die Logistik, 2017, S. 6-8.

34 Vgl. Oeser, G., Logistik 4.0.

35 Vgl. Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., Digitale Supply Chain, 2014, S. 4-7.

36 Vgl. Bousonville, T., Digitale Transformation, 2017, S. 5-7.

37 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 616-618.

38 Vgl. Bundesverband Paket und Expresslogistik, KEP-Studie, 2017, S. 38-41.

39 Vgl. o.V., Online-Warenhandel wächst, 2018.

40 Vgl. Schulte, C., Optimierung der Supply-Chain, 2016, S. 695-698.

41 Vgl. AXIT GmbH, Logistik 4.0, 2016, S. 4-6.

42 Vgl. Andelfinger, V./Hänisch, T., cyber-physische Systeme, 2017, S. 4.

43 Vgl. Nissen, R., Digitalisierung und Arbeit 4.0.

44 Vgl. Straub, N./Kaczmarek S./Hegmanns, T./Niehues, S., I40 2017, S. 48-49.

45 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 24.

46 Vgl. Kasselmann, S./Willeke, S., Assistenzsysteme, 2016, S. 5-11.

47 Vgl. Kirisci, P./Pannek, J./Ghrairi, Z./Thoben, K./Lawo, M., Mensch-Roboter-Kollaboration, 2015.

48 Vgl. Molzow-Voit, F./Quandt, M./Freitag, M./Spöttl, G., Robotik in der Logistik, 2016, S. 32-34.

49 Vgl. Bauernhansl, T./Ten Hompel, M./Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0, 2014, S. 21-22.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Die Logistik 4.0 und moderne technische Systemlösungen. Wie arbeiten Mensch und Maschine in Zukunft zusammen?
Autor
Jahr
2019
Seiten
73
Katalognummer
V460784
ISBN (eBook)
9783960955443
ISBN (Buch)
9783960955450
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Logistik 4.0, cyber-physical-systems, Technologisierung, Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Arbeitsalltag, Cyber-Physische Systeme
Arbeit zitieren
Ludwig Johannes Wolff (Autor:in), 2019, Die Logistik 4.0 und moderne technische Systemlösungen. Wie arbeiten Mensch und Maschine in Zukunft zusammen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460784

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