Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse aller geschossenen Freistöße aller Mannschaften der Österreichischen Tipico Bundesliga aus der Saison 2015/16. Diese Arbeit soll Auskunft darüber geben, ob es direkte Zusammenhänge zwischen Entfernung, Schussart, Schussfuß, Zeitraum, Anzahl der Personen in der gestellten Mauer oder der Position des Freistoßes hinsichtlich des Torerfolgs gibt. Dabei ist dies die erste Studie, die sich über einen objektiven Beobachtungsbogen und einer anschließenden multimedialen computergestützten Systematischen Spielanalyse ausschließlich dem Standard des Freistoßes in dieser Liga widmet.
Die Erhebung, Auswertung und Präsentation von Informationen durch die Systematische Spielanalyse nimmt im Leistungsbereich des modernen Fußballsports einen hohen Stellenwert ein. Bezogen auf den Standard Freistoß stellt das Onlineportal RAN (2016) auf Grundlage der Datenbank optasports die Top Ten der effektivsten Freistoß-Schützen des Jahres 2016 vor. Der Deutschtürke Hakan Calhanoglu beispielsweise belegt mit einer Freistoßquote von 13,3% Platz acht. Er verwertete vier Freistöße aus insgesamt 30 Versuchen. Betrachtet man diese Freistoßquoten der effektivsten Freistoßschützen aller europäischen Fußball-Ligen der Saison 2015/16 näher, so scheint das Verhältnis der erfolgreich verwerteten Freistöße im Verhältnis zu allen Versuchen gering zu sein.
Als beste Freistoßschützen werden Namen wie Christiano Ronaldo, Lionel Messi oder Robert Lewandowski vermutet. Wider Erwarten ist es jedoch Zlatko Junuzović, offensiver Mittelfeldspieler bei Werder Bremen. Er hat eine Trefferquote von 23,5% (vier von 17 Freistößen). Das macht ihn in der vergangenen Saison, verglichen mit allen Spielern führender europäischer Fußballliegen, zum erfolgreichsten Freistoßschützen. Gemessen an der 5-Jahres-Wertung der UEFA 2015/16, sind das die Liga Nos (Portugal), die Serie A (Italien), die Bundesliga (Deutschland) und die Premier League (England) hinter dem Spitzenreiter aus Spanien, der Primiera División.
Inhalt
Glossar
Theoretischer Teil
1. Einleitung
2. Spielanalyse im Leistungsfußball
2.1 Konzeption der systematischen Spielanalyse
2.2. Theoretische Einführung
2.2.1 Die quantitative Spielanalyse
2.2.2 Die qualitative Spielanalyse
2.2.3 Spielbeobachtung im Fußball
2.2.4 Formen der Spielbeobachtung
2.3 Gütekriterien der Spielbeobachtung und Spielanalyse
2.3.1 Hauptgütekriterien
2.3.2 Nebengütekriterien
2.4 Grenzen der systematischen Spielanalyse
3. Die Spielanalyse in der Fußballpraxis
3.1 Ziele der systematischen Spielanalyse in der Fußballpraxis
4. Der Freistoß als Standardsituationen im Fußball
5. Zusammenfassung
Empirischer Teil
6. Methodik
6.1 Design
6.2 Durchführung
6.3 Datenanalyse
7. Ergebnisse
7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
8. Diskussion
9. Fazit & Ausblick
10. Literaturverzeichnis viii
Glossar
I. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Anzahl gewonnener Meisterschaften in der Österreichischen Fußball-Bundesliga von 1912 bis 2017
Abb. 2.: Diagnostische Verfahren im Sport nach Carl (2003)
Abb. 3.: Methoden der Spielbeobachtung nach Hellwig (2010)
Abb. 4.: Varianten der Spielbeobachtung nach Lames (1994)
Abb. 5.: Die Formen der Spielbeobachtung/ -analyse nach Krüger und Otto (2012)
Abb. 6.: Beobachtungsbogen des DFB (http://training-service.fussball.de/fileadmin/_dfbdam/21109-11_Beobachtungsbogen.pdf)
Abb. 7.: Testgütekriterien nach Bisanz und Gerisch (2013)
Abb. 8.: Prozessmodell zur „Systematischen Spielanalyse“ nach WINKLER (2000, S. 64)
Abb. 9.: Arbeitsoberfläche Kinovea, Perspektive 1
Abb. 10.: Arbeitsoberfläche Kinovea, Perspektive 2
Abb. 11.: Absolute Häufigkeiten aller Freistöße verteilt auf die Mannschaften der Saison 2015/16
Abb. 12.: Freistoßquote der BL Saison 2015/16
Abb. 13.: Verteilung der verfehlten Freistöße
Abb. 14.: Verhältnis der Freistöße aufgeteilt nach Spielhälften
Abb. 15.: Entfernung zum Tormittelpunkt hinsichtlich Schussart
Abb. 16.: Verhältnis der erfolgreich verwerteten Freistöße aufgeteilt nach Torzonen
Abb. 17.: Verteilung aller Freistöße nach Fit und Non-Fit Situationen
Abb. 18.: Spieler in der Mauer bezüglich der Freistoßentfernung zum Tormittelpunkt
Abb. 19.: Die Freistoßquote der BL in der Saison 2015/2016
Abb. 20.: Verhältnis der erzielten Tore bezogen auf den Schussfuß
Abb. 21.: Position der mit rechts geschossenen Freistöße
Abb. 22.: Entfernung der mit rechts verwerteten Freistöße
Abb. 23.: Die Trefferzone der erfolgreichen Freistöße
II. Tabellenverzeichnis
Tab. 1.: Beobachtungstabelle für die Analyse der Freistöße
Tab. 2.: Korrelationstabelle nach BROSIUS (1998)
Tab. 3.: Abschlusstabelle der BL, Saison 2015/2016
Tab. 4.: Kreuztabelle zu der bivariaten Häufigkeitsverteilung, Schussfuß/Torerfolg, SPSS24
Tab. 5.: Exakter Test nach Fisher bezüglich Schussfuß/Torerfolg, SPSS24
Tab. 6.: Kruskal-Wallis-Test der Torquote hinsichtlich der Tabellenregion, SPSS24
Tab. 7.: Kruskal-Wallis-Test hinsichtlich der Freistöße insgesamt, SPSS24
III. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Theoretischer Teil
1. Einleitung
Die Erhebung, Auswertung und Präsentation von Informationen durch die Systematische Spielanalyse nimmt im Leistungsbereich des modernen Fußballsports einen hohen Stellenwert ein. Bezogen auf den Standard Freistoß stellt das Onlineportal RAN (2016) auf Grundlage der Datenbank opta sports ( www.optasports.de) die Top Ten der effektivsten Freistoß-Schützen des Jahres 2016 vor. Der Deutschtürke Hakan Calhanoglu bspw. belegt mit einer Freistoßquote von 13,3% Platz acht. Er verwertete vier Freistöße aus insgesamt 30 Versuchen. Betrachtet man diese Freistoßquoten der effektivsten Freistoßschützen aller europäischen Fußball-Ligen der Saison 2015/16 näher, so scheint das Verhältnis der erfolgreich verwerteten Freistöße im Verhältnis zu allen Versuchen gering zu sein.
Als beste Freistoßschützen werden Namen wie Christiano Ronaldo, Lionel Messi oder Robert Lewandowski vermutet. Wider Erwarten ist es jedoch Zlatko Junuzović, offensiver Mittelfeldspieler bei Werder Bremen. Er hat eine Trefferquote von 23,5% (vier von 17 Freistößen). Das macht ihn in der vergangenen Saison, verglichen mit allen Spielern führender europäischer Fußballliegen, zum erfolgreichsten Freistoßschützen. Gemessen an der 5-Jahres-Wertung der UEFA 2015/16, sind das die Liga Nos (Portugal), die Serie A (Italien), die Bundesliga (Deutschland) und die Premier League (England) hinter dem Spitzenreiter aus Spanien, der Primiera División.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse aller indirekt bzw. direkt geschossenen Freistöße aller Mannschaften der Österreichischen Tipico Bundesliga aus der Saison 2015/16. Diese Arbeit soll Auskunft darüber geben, ob es direkte Zusammenhänge zwischen Entfernung, Schussart, Schussfuß, Zeitraum, Anzahl der Personen in der gestellten Mauer oder der Position des Freistoßes hinsichtlich des Torerfolgs gibt. Dabei ist dies die erste Studie, die sich über einen objektiven Beobachtungsbogen und einer anschließenden multimedialen computergestützten Systematischen Spielanalyse, ausschließlich dem Standard des Freistoßes in dieser Liga widmet.
Spektakulär sicherten sich die Roten Bullen des FC Red Bull Salzburg in der abgelaufenen Saison das Triple-Double. Sie sicherten sich vier Meistertitel in fünf Jahren und zum dritten Mal in Folge das Double aus Meisterschaft und dem Samsung Cup (Cup des Österreichischen Fußball-Bundes). Rekordmeister der Fußball-Bundesliga in Österreich bleibt jedoch weit abgeschlagen mit 32 gewonnenen Meisterschaften der SK Rapid Wien (vgl. Abb. 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Anzahl gewonnener Meisterschaften in Österreichischen Fußball-Bundesliga von 1912 bis 2017
Die vorliegende Arbeit ist in zwei (Haupt-)Teile gegliedert. Im theoretischen Teil wird das diagnostische Verfahren (vgl. Kapitel 2) der Systematischen Spielanalyse samt Konzeption und Ablauf erläutert. Als Grundlage dienen die zentralen Literaturangaben. Auch wird auf die generellen Ziele der Systematischen Spielanalyse, speziell in der Fußballpraxis eingegangen (vgl. Kapitel 3.1). Abgeschlossen wird der erste Teil dieser Arbeit mit einer Zusammenfassung und einer Formulierung relevanter Hypothesen (vgl. Kapitel 5).
Im zweiten empirischen (Haupt)-Teil werden die Hypothesen, welche als Prämisse der Ergebnisdiskussion dienen, überprüft. Das zentrale Element ist hierbei die Eruierung, Auswertung und detaillierte Darstellung von direkten und indirekten Freistößen (n = 255) anhand der im Beobachtungsbogen festgelegten Kriterien (vgl. Kapitel 6). Ein daraus resultierendes Fazit (vgl. Kapitel 9) soll die Bedeutung der Arbeit und der Systematischen Spielanalyse einschätzen und Schlüsse für kommende Erhebungen ziehen (vgl. Kapitel 9).
2. Spielanalyse im Leistungsfußball
Die Leistungsdiagnostik nimmt sowohl im modernen professionellen, als auch im Amateurfußball zunehmend eine zentrale Rolle ein. Denn „ ein professionell arbeitender Trainer kann nicht mehr auf leistungsdiagnostische Maßnahmen im Training und Wettkampf verzichten.“ (Winkler, 1989, S. 68).
Im sportwissenschaftlichen Lexikon wird die Leistungsdiagnose definiert als „[…] das Erkennen und Beurteilen des individuellen Niveaus der sportlichen Leistung oder des sportlichen Leistungsstandes “ (Krug, 2003, S. 337). Leistung im sportlichen Sinne definiert die Sportwissenschaft als „ Vorgang wie auch als Ergebnis von Handlungen“ (Krüger & Otto, 2012, S. 23). Zudem ist die Leistungsdiagnostik ein fundamentales Instrument zur Talentbestimmung und Talentförderung.
Nach Carl (2003) werden im Bereich der empirischen Trainingswissenschaft, dank ihrer quantitativen und qualitativen Methoden, Aussagen über die sportliche Verfassung von Athleten und ganzer Mannschaften getroffen. Insgesamt geht es um die Gewährleistung einer optimierten Trainings- und Wettkampfsteuerung (Buschmann, Krüger, & Otto, 2013). Um diese Optimierung erreichen zu können, „ kommen trainingsmethodische Untersuchungsverfahren wie Leistungskontrollverfahren, sportmotorische Tests, Beobachtungs- und Analyseverfahren des Trainings und Wettkampfes zum Einsatz.“ (Krug, 2003, S. 338).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Diagnostische Verfahren im Sport nach Carl (2003)
In Abbildung 2 sind die fünf traditionellen diagnostischen Mittel, die im Sport ihre Anwendung finden, dargestellt. Dabei spielen biomechanische Untersuchungen oder psychologische Testverfahren eine untergeordnete Rolle und haben sich bis dato noch nicht durchsetzen können (Leser, 2007). Jeder Fußballer muss sich mittlerweile vor der Vertragsunterzeichnung ausführlichen Fitnesschecks unterziehen, da Vereine für verstärkende Transfers viel Geld ausgeben müssen (Hardt, 2016). Sportmedizinische Untersuchungen sind samt Funktionsprüfung somit ein Standard im Fußball. Sportmotorische Tests, wie der Feld-Stufen-Test, bilden das Kernstück der Leistungsdiagnostik. Sie erfahren unter Trainern eine breite große Akzeptanz, was vor allem auf die standardisierten und objektiven Testkriterien zurückzuführen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sportmotorische Testreihen häufig den Nachteil mit sich bringen, dass sie unter Laborbedingungen durchgeführt werden, wodurch der Übertrag in die Trainings- und Wettkampfpraxis als problematisch zu betrachten ist (Leser, 2007). Diese Problematik ist bei systematischen Spiel- und Wettkampfanalysen nicht gegeben, da sie ihre Daten direkt aus dem Spielgeschehen erheben. (Kleemann, 2011).
2.1 Konzeption der systematischen Spielanalyse
Die Systematische Analyse soll nicht als Konkurrenz zu den bisher genannten Diagnostikverfahren gesehen werden (Leser, 2007), eher stellt sie sich als sinnvolle und hilfreiche Ergänzung dar. Sie kann in die üblichen Verfahren eingebunden werden und eventuelle Unzulänglichkeiten ausbessern. Das ist vor allem ihrer Untersuchungsmethodik zu verdanken, die es ermöglicht, wissenschaftliche Ergebnisse von solchen zu trennen, die von einem Trainer tatsächlich in der Praxis verwendet werden können (Leser, 2007).
Der Sportwissenschaftler Eichkorn schreibt, dass die Spielbeobachtung als Vorgang nicht von der Analyse getrennt werden kann (1985, S. 12):
„ Die Vorgänge der Spielbeobachtung und Spielanalyse lassen sich streng genommen nicht voneinander trennen, denn jede Beobachtung ist zielgerichtet, selektiv und mit mehr oder weniger Vorannahmen damit mit Analyseteilen verbunden.“
In der neueren Literatur hingegen werden diese Begriffe klar voneinander getrennt und nicht mehr synonym verwendet (Heidermann, 2009; Buschmann, Krüger & Otto, 2013). Schon Winkler (2000) sagt, dass gerade im Hinblick auf den international gebräuchlichen Begriff der Match Analysis die Spielanalyse keinesfalls mit der Spielbeobachtung gleichgesetzt werden dürfe. Der Ablauf einer Spielanalyse hat laut Winkler (2000, S. 73) drei Abschnitte:
1. „Erhebung und Eingabe der Daten mithilfe der Spielbeobachtung“
2. „Datenauswertung“
3. „Interpretation der Daten und Präsentation der Ergebnisse “
Der Systematischen Spielanalyse muss „ eine grundlegende Methode der Datengewinnung“ zugrunde liegen (Krüger & Otto, 2012, S. 6). Eine Analyse sei laut Winkler (2000) somit nur systematisch, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Ziele der Beobachtung und Auswertung sind eindeutig festgelegt; z.B. in Form eines Fehlerkatalogs.
2. Die Methoden der Beobachtung und Auswertung sind eindeutig festgelegt; insbesondere die Verwendung technischer Hilfsmittel.
3. Die Ergebnisse werden grafisch oder tabellarisch dokumentiert.
4. Die festgehaltenen Ergebnisse werden interpretiert und bewertet.
Brettschneider und Thierer beschreiben die Analyse und die damit einhergehende Leistungserfassung sowohl der eigenen, als auch gegnerischen Mannschaften als unerlässlich und erläutern, dass „ zufällige Eindrucksanalysen oder subjektive Einschätzungen nicht ausreichen, um eine Leistungsverbesserung zu erzielen. “ (1971, S. 142). In der Literatur wird vorrangig die „ Informationslieferung als Grundlage für den trainingswissenschaftlichen Bereich “ gesehen (Weisz, 2007).
2.2. Theoretische Einführung
Die aktuelle Forschungsliteratur (Bauer, 1998; Hansen, 2003; Bisanz/Gerisch, 2013) unterscheidet innerhalb der Datengewinnung sportlicher Leistungen prinzipiell zwei Methoden. Dabei wird, je nach Intention des Analysten, zwischen einer quantitativen oder qualitativen Analyse unterschieden (vgl. Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Methoden der Spielbeobachtung nach Hellwig (2010)
2.2.1 Die quantitative Spielanalyse
Mit Hilfe der quantitativen Spielanalyse werden bestimmte Spielsituationen oder sich wiederholende Ereignisse eines Fußballspiels gezählt und in einem hohen objektiven Grad erfasst. Diese sind zuvor klar definiert, kategorisiert und festgelegt worden. Da die vorausgegangene Definition der Spielanalyse besagt, dass die reine Beobachtung nicht ausreichend ist, müssen die erhobenen Daten statistisch verarbeitet, tabellarisch oder grafisch dargestellt und fachlich interpretiert werden (Winkler, 2000). Zählbare Angaben sind bspw. die Spielminute, der Spieltag, die Freistoßposition, die Schussart oder der Torschütze (Loy, 2006). Aber auch Performancedaten, wie Laufdistanz, Schnelligkeit und Laufwege können im professionellen Fußball mit in die Analyse einbezogen werden (Hardt, 2016).
Im Falle des Standards Freistoß werden diese nicht nur gezählt. Sie werden darüber hinaus nach Kriterien wie direkt, indirekt, erfolgreich oder nicht erfolgreich eingeordnet. Untersucht eine Studie erfolgreich verwertete Freistöße, so muss vorher definiert werden, wann ein Freistoß als erfolgreich bzw. nicht erfolgreich gilt. Dabei befasst sich die quantitative Spielanalyse zumeist mit individual-taktischen oder individual-technischen Handlungen wie Ballkontakten, angekommenen Pässen, abgegebenen Torschüssen, geschlagenen Flanken, begangenen Fouls oder erfolgreichen Zweikämpfen (Krüger & Otto, 2012). Die quantitative Spielanalyse stellt also eine statistische Erfassung von Spielhandlungen samt der Aufbereitung dieser dar. Der größte Vorteil dieser Methode liegt dabei in der Objektivität. Sie liegt darin begründet, dass die eng definierten Kategorien einfach nur ausgezählt werden. Dadurch soll eine subjektive Interpretation vorerst ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse können für die Übersicht in Tabellen und Grafiken aufbereitet und veranschaulicht werden (Hellwig, 2010).
Sollen die erhobenen quantitativen Ergebnisse interpretiert werden, so kann es durchaus zu Fehlinterpretationen der erhobenen Daten kommen. Ein Beispiel: Die Mannschaft mit mehr Ballbesitz oder einer höheren Passrate (in %) geht nicht gleichzeitig als Sieger vom Platz. Denn auch wenn ein angekommener Pass positiv gewertet wird, sagt das, laut Winkler (2000, S. 72), „ nichts über die wichtige taktische Qualität des Passes aus“. So hatte Benedict Höwedes bei seinem Bundesliga-Debüt 2007 gegen den Karlsruher FC eine Passerfolgsquote von 100% (Scouting-Studien, 2008) und trotzdem reichte es am 09. Spieltag nicht zu einem Sieg. Die hohe Passquote war dem Umstand geschuldet, dass „ alle seine gespielten Pässe den zweiten Innenverteidiger Marcelo Bordon zum Ziel hatten “ (Krüger & Otto, 2012, S. 14). Ein weiterer Nachteil liegt in der Schwierigkeit, gruppen- oder mannschaftstaktische Handlungen in die Analyse einfließen zu lassen (Krüger & Otto, 2012). Die Untersuchung von Aktionen mit Ball führt zwangsläufig zu einer Vernachlässigung der Aktionen, die nicht in Ballnähe stattfinden. Dabei können diese von hoher Bedeutung für den Ausgang eines Spiels sein. Es lassen sich also keine Schlüsse zu mannschaftstaktischen Mustern oder komplexen taktischen Zusammenhängen (Bauer, 1998) ziehen, was zu einem Desinteresse seitens vieler Trainer führt. Lames (1994, S. 22) formuliert treffend:
„ Die Frage ist längst, was man daraus macht. Je größer die Datenflut, desto wichtiger wird es zu wissen, nach was man sucht und wie man es einsetzt.“
2.2.2 Die qualitative Spielanalyse
Die qualitative Spielanalyse ist im Gegensatz zur quantitativen Analyse subjektiv geprägt. Denn sie ist „ abhängig von der Sichtweise des Beobachters “ (Stollberg, 2004, S. 8). Sie wird definiert als die Analyse von Spielszenen hinsichtlich der Qualität von Handlungen, des Verhaltens und Könnens einzelner Spieler, als auch als die Analyse der Spielstruktur einer gesamten Mannschaft (Buschmann, Krüger, & Otto, 2013). Im Unterschied zur quantitativen Spielanalyse, die alle Aktionen der zu untersuchenden Handlungen aufzeichnet, rücken hier nur qualitativ auffällige Spielsituationen in den Fokus (Krüger & Otto, 2012). Die Analyse auf qualitativer Ebene ist für den Analytiker komplexer und setzt ein hohes Maß an Fachwissen über den Fußball voraus. Ohne diese wäre ein Beobachter nicht in der Lage, Spielhandlungen objektiv zu bewerten (Kleemann, 2011). Mit der Analyse wird hierbei das Ziel, gruppen- oder mannschaftstaktische Handlungen und Spielsysteme zu untersuchen, verfolgt (Bauer, 1998). Hinzu kommt hier also, dass auch Spielhandlungen erforscht werden, die ohne Ball geschehen. Dazu zählt u.a. das Freilauf- oder Umschaltverhalten, die offensive bzw. defensive Grundordnung, das Laufverhalten von Spielern ohne Ball oder das Kombinations- oder Konterspiel von Mannschaften.
Im weiten Sinne führt jeder Betrachter eines Spiels, ob Trainer, Journalist oder Zuschauer, eine qualitative Spielanalyse durch. Wobei Zuschauer dies meist nur oberflächlich und unsystematisch tun. Allerdings steht auch bei der qualitativen Analyse das Erlangen von möglichst objektiven Ergebnissen im Vordergrund. Daraus ergibt sich eine Gemeinsamkeit zur quantitativen Betrachtung. Auch hier ist eine eindeutige Definition und Kategorisierung der zu analysierenden Spielhandlungen notwendig, um auch bei der Analyse derselben Datenbank durch mehrere Analysten zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen (Buschmann, Krüger, & Otto, 2013). Die moderne qualitative Spielanalyse erfasst also objektiv gruppen- und mannschaftstaktische Spielhandlungen, deren Ergebnis in Form von Erfolg oder Misserfolg subjektiv bewertet wird. Bauer (1998) bezeichnet die moderne systematische und qualitative Spielanalyse als Mischung aus objektiver Erfassung und subjektiver Bewertung von komplexen taktischen Spielhandlungen.
2.2.3 Spielbeobachtung im Fußball
Die Spielbeobachtung ist der erste Teil der systematischen Spielanalyse. In dieser Instanz werden Daten erhoben, die als Grundlage der darauffolgenden systematischen Spielanalyse dienen. Beobachten ist die visuelle Wahrnehmung der näheren Umgebung hinsichtlich von Objekten und Vorgängen (Meffert et al., 2012). Dabei wird unterschieden, ob die Beobachtung zufällig und unbewusst stattfindet oder ob die Beobachtung geplant wurde und somit bewusst geschieht (Krüger & Otto, 2012). Die bewusste Beobachtung ist dabei ein wissenschaftliches Instrument, welches zielgerichtet mit oder ohne technische Hilfsmittel stattfindet (siehe Abb. 4). Heutzutage wird mehr denn je auf technische Hilfsmittel zurückgegriffen, um die Beobachtungen zu dokumentieren.
Die Spielbeobachtung selbst wird durch Lames (1994) in zwei Varianten unterschieden (vgl. Abb. 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Varianten der Spielbeobachtung nach LAMES (1994)
Dabei trennt er die systematische Spielbeobachtung durch fünf Merkmale klar von anderen Varianten der Spielbeobachtung ab. Eine Spielbeobachtung ist systematisch, sobald sie bspw. mithilfe eines Bewertungsbogens geschieht. Um die Beobachtungen besser zu dokumentieren, ist es im heutigen Fußballsport Standard, dass sich die Beobachter technischen Hilfsmitteln bedienen (Krüger & Otto, 2012). Sie ist direkt, da sie unmittelbar durch den Beobachtenden durchgeführt wird. Nicht-teilnehmend ist der Beobachter, solange er nicht aktiv Einfluss auf das Spielgeschehen selbst nimmt. Lames (1994) bezeichnet einen Beobachter als wissentlich, sobald die Spiele öffentlich und für jedermann zugänglich sind. Den Unterschied zwischen vermittelt und unvermittelt macht er darin aus, ob eine digitale reproduzierte Version des Spielgeschehens vorhanden ist (Kleemann, 2011). Zusammengefasst ist die Spielbeobachtung im Fußball laut Definition immer zielgerichtet und systematisch und eine die meistens standardisiert und „ streng merkmalsbezogen durchgeführt wird“ (Krüger & Otto, 2012, S. 18).
2.2.4 Formen der Spielbeobachtung
Die erste Ebene der Spielbeobachtung/ -analyse unterscheidet sich hinsichtlich der Entscheidung, ob Hilfsmittel hinzugezogen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.5: Die Formen der Spielbeobachtung/ -analyse nach Krüger und Otto (2012)
Ist dies der Fall, spricht man von einer gebundenen Analyse. Die freie Spielbeobachtung hingegen kommt ohne Hilfsmittel aus. Die gewählte Form der Analyse ist dabei individuell wählbar. Es muss jedoch bedacht werden, dass sich hinter den teils modernen, gebundenen Systemen häufig ein hoher personaler und finanzieller Aufwand verbirgt.
Laut Bisanz und Gerisch (2013, S. 75) unterscheiden sich
„Die verschiedenen Formen der Spielbeobachtung hinsichtlich ihrer Systematik, Präzision, Praktikabilität und Ökonomie, insbesondere in Bezug auf ihren Material- und Zeitaufwand sowie ihren Informationsgehalt.“
I. Freie Spielbeobachtung
Diese Form der Beobachtung kann, wie Abbildung 4 zu entnehmen ist, ohne weitere Hilfsmittel durchgeführt werden. Damit wird in Kauf genommen, dass es ihr an wissenschaftlicher Exaktheit fehlt. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass in einem Fußballspiel viele Aktionen gleichzeitig stattfinden, die die Aufnahmekapazität des menschlichen Gehirns überfordern. Nach Holzer (2001) ist die Informationsaufnahme bereits von Anfang an stark eingeschränkt. Laut Winkler (2000) ist diese Art der Beobachtung jedoch für den Amateurbereich nach wie vor unentbehrlich. Durch die freie Spielbeobachtung kann sich ein Trainer einen groben Überblick über Spieler und bestimmte Spielhandlungen verschaffen. Zudem kann das Spiel ohne zusätzliche Hilfsmittel nicht aufgenommen und wiedergegeben werden. Dabei ist die freie Spielbeobachtung nicht gleichzusetzen mit Alltagsbeobachtungen oder gar der „ naiven Spielbeobachtung, wie sie die Millionen Zuschauer in den Stadion und an den Fernsehschirmen wöchentlich ausüben“ (Heidermann, 2009, S. 17). Laut Stiehler (1962a) ist sie qualitativ, wenn die drei Bedingungen erfüllt werden:
1. Klar definierte Beobachtungsaufgabe
2. Konzentration auf das Wesentliche dieser Beobachtungsaufgabe
3. Kenntnis und Erfahrung des Beobachtenden in der betreffenden Sportart
Grundsätzlich ratsam ist das Festhalten der Eindrücke als Gedächtnisstütze.
II. Schriftlich gebundene Spielbeobachtung
Die schriftlich gebundene Spielbeobachtung zeichnet sich dadurch aus, dass die subjektiv gewonnenen Eindrücke schriftlich auf Formblättern festgehalten werden (vgl. Abb. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.6: Beobachtungsbogen des DFB
Das kann laut Nopp (2006) in Form eines Beobachtungsbogens, stichwörtlichen Notizen oder durch ein Stenogramm erfolgen. Dabei beinhalten diese Formblätter Kategorien wie zu beobachtender Spieler, technische Fertigkeiten, Spielwitz oder Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Abb. 6). Einen großen Vorteil sieht Holzer (2001) darin, dass die schriftliche Form im Gegensatz zur freien Spielbeobachtung eine höhere Datenmenge fassen kann. Außerdem kann ein Analyst auch nach längerer Zeit wieder auf die Daten zugreifen. Dabei muss der Beobachtende die Eindrücke möglichst schnell und zuverlässig übertragen, da ansonsten wichtige Spielszenen nicht beobachtet werden können. Kleemann (2011) sieht zusätzlich Probleme bei schlechter oder kalter Witterung.
III. Grafisch gebundene Spielbeobachtung
Laut Stiehler (1962c) ist die grafische Spielbeobachtung nicht eindeutig von der schriftlichen Spielbeobachtung zu trennen. Wie in der schriftlichen Beobachtung werden auch hier Formblätter genutzt, die es zulassen, einfache taktische Handlungen, wie das Spielsystem oder Standardsituationen zu visualisieren und räumlich darzustellen. Des Weiteren können Laufwege von Spielern und Ball- bzw. Passwege grafisch festgehalten werden.
IV. Akustisch gebundene Spielbeobachtung
Zeichnet man sprachliche Notizen mittels Tonbandgerät auf, so wird dies innerhalb der systematischen Analyse als akustisch gebundene Spielbeobachtung bezeichnet. bewertet diese Form als unzweckmäßig. Durch Störgeräusche kann es zu Datenverlust kommen. Außerdem können die Daten nicht unmittelbar aufgearbeitet werden. Der Vorteil für eloquente Beobachter liegt auf der Hand: so können diese das Spiel sprachlich ausführlich aufzeichnen, ohne den Blick dabei vom Spielfeld lösen zu müssen (Bauer, 1998). Die anschließende Übertragung des Sprachprotokolls in die schriftliche Form stellt sich als Nachteil heraus, da sie als zusätzliche Aufgabe mit hohem Aufwand verbunden ist. Als Abhilfe der langen Nachbereitung könnte hier ein Abkürzungssystem, ähnlich der Stenographie, beim Schreiben dienen (Nopp, 2006).
V. Filmisch gebundene Spielbeobachtung
Der größte Vorteil dieser Beobachtungsform ist sicherlich der, dass das Spiel nicht nur live beobachtet, sondern dass das aufgezeichnete Videomaterial beliebig oft angeschaut werden kann. Darüber hinaus ist die Vollständigkeit des Materials, laut hierbei nicht von der Konzentrationsfähigkeit des Betrachters abhängig. Eine Videobeobachtung ist im Gegensatz zu den bereits genannten Methoden mit einem höheren technischen und finanziellen Aufwand verbunden, zeigt das Spiel aber hochauflösend auf einem Bildschirm und kann je nach Bedarf weiterbearbeitet werden. Dafür werden zusätzlich Videorekorder bzw. modernere DVD- oder Blue-Ray Player benötigt, die vom Analysten über HDMI oder VGA an einem Fernsehgerät angeschlossen werden. Für eigene Videoaufnahmen empfiehlt das Spiel großflächig aufzunehmen, da sich nur so eminent wichtige gruppen- bzw. mannschaftstaktische Handlungen besser beobachten lassen. Dadurch ergeben sich Videos, die die objektive Spielanalyse mit hohem Informationsgehalt ermöglichen (Nopp, 2006). Voraussetzung für gute Aufnahmen ist jedoch ein Standort der Kamera, der weder von Zuschauern, noch durch bauliche Bedingungen (Säulen, Dachkonstruktion etc.) visuell eingeschränkt wird. Auch sollte der Kameramann mit dem Equipment vertraut sein, um die zu analysierende Handlung stets im Bildausschnitt zu haben. Mehrere Kameras können dazu dienen, das gesamte Spielfeld aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Durch die technische Affinität des Analysten ergeben sich etliche weitere Möglichkeiten visueller Hilfsmittel, wie Zeitlupen, Standbilder oder Einstellungsgrößen. Laut dienen die Aufzeichnungen nicht nur der reinen Analyse, sondern können auch für ein „Videotraining“ eingesetzt werden, das er wie folgt gliedert:
1. „Betrachtung des kompletten oder ausschnittsweisen Spielverlaufs“
2. „Betrachtung eines Zusammenschnitts bedeutsamer Spielszenen mit Fehlern und positiven Aktionen mit Kommentierung und Zeitlupenstudien“
3. „Diskussionen der wichtigsten Spielszenen: Fehleranalyse und Korrekturhinweise sowie positive Verstärkung (und ggf. spätere Umsetzung im Training). Dieser Prozess erfolgt durch wiederholtes Einspielen der jeweiligen Phasenfolge einer Spielszene mit Zeitlupe und Standbildern.“
[...]
- Quote paper
- B. Henning (Author), 2017, Systematische Spielbeobachtung und Spielanalyse im Fußball, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460871
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