Das sozio-kulturelle Risiko bei Auslandsaktivitäten. Welche kulturellen Besonderheiten müssen Unternehmen beachten?


Hausarbeit, 2005

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einführung

Was ist eine Soziokultur?

Was genau bedeutet Kultur?

Einführung zu der Studie von Hofstede
Kollektive Programmierung
Vier Kategorien der Kultur (Zwiebelschalenmodell)

Die Studie von Hofstede
Machtdistanz
Individualismus vs. Kollektivismus
Maskulinität vs. Feminität
Unsicherheitsvermeidung
Langfrist-Orientierung vs. Kurzfrist-Orientierung

Kritik an der Studie von Hofstede

Erscheinungsformen der internationalen Kommunikation
Sprache
Gestik

Auslandsknigge
China
Frankreich
Japan
Russland
Skandinavische Länder
Spanien
USA

Literaturverzeichnis

Einführung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aktualisiert jährlich den Ratgeber „Weltweit aktiv “ für Unternehmen.

Im Jahre 2003 verfasste der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement das folgende Vorwort:

„Weltweiter Handel und Auslandsinvestitionen sind seit langem eine wesentliche Basis für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in unserem Land. Über die Jahre ist ihre Bedeutung stetig gewachsen. So hing zum Beispiel Anfang der neunziger Jahre noch jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland vom Außenhandel ab; mittlerweile ist es jeder dritte. Wir sind die zweitgrößte Außenhandelsnation der Welt. Im Jahr 2003 wurden Waren und Dienstleistungen für über 761 Milliarden € in alle Welt exportiert und für über 673 Milliarden € von dort importiert. Der Export ist für die deutsche Wirtschaft Konjunkturmotor; oft liefert er sogar die Initialzündung zur Belebung der Binnenwirtschaft.

Künftig werden Außenhandel und Auslandsinvestitionen noch wichtiger. Die Gründe liegen vor allem in der Osterweiterung der EU, in der zunehmenden Verbreitung des Euro als internationale Handelswährung und in der Öffnung neuer Märkte, wie zum Beispiel China. Künftig wird aber auch der Wettbewerb mit Industrie- und Schwellenländern noch härter und wird das weltwirtschaftliche Umfeld für deutsche Exporteure noch schwieriger.

Darum muss erfolgreiche Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Arbeitsplätze mehr denn je die Außenwirtschaft aktiv erschließen: Deutsche Unternehmen müssen die Chancen der Globalisierung weltweit wahrnehmen können und Deutschland muss sich als Standort für ausländische Investoren erfolgreich behaupten. (…)“

Abbildung 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: „Geschätztes Wirtschaftswachstum 2004 in Prozent (Prognosen)“. URL <https://www.bmwa.bund.de>, 13.11.2005.

Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick hinsichtlich des soziokulturellen Risikos dieser Auslandsaktivitäten geben.

Was ist eine Soziokultur?

Unter Soziokultur versteht man die Summe aus allen kulturellen, sozialen und politischen Interessen und Bedürfnissen einer Gesellschaft beziehungsweise einer gesellschaftlichen Gruppe. Die Wortverbindung soziokulturell hingegen bezeichnet den engen Zusammenhang zwischen sozialen und kulturellen Aspekten gesellschaftlicher Gruppen und ihren Wertesystemen.1

Was genau bedeutet Kultur?

Dieser Begriff wird in der Literatur in unzähligen Möglichkeiten ausgelegt. Hier eine Auswahl der wichtigsten zu diesem Thema:

(1) Eine konkrete Definition des Kulturbegriffs, die in der interkulturellen Forschung überaus große Beachtung gefunden hat, stammt von dem niederländischen Soziologen Geert Jan Hofstede. Seine Definition ist der kognitiven Anthropologie zuzuordnen. Die nachfolgend noch eingehend dargestellte kulturvergleichende Studie von Hofstede hat so viel Beachtung gefunden, dass eine gesonderte Darstellung seiner Kulturdefinition nicht ausbleiben kann.

Hofstede definiert Kultur als

„die kollektive mentale Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“2.

In Zusammenhang mit der mentalen Programmierung spricht Hofstede auch von „software of the mind“. Damit bringt er seine Auffassung zum Ausdruck, dass soziale Systeme nur existent sein können, weil das menschliche Verhalten nicht zufallsgesteuert, sondern vielmehr bis zu einem gewissen Grade vorhersehbar ist:

„We assume that each person carries a certain amount of mental programming that is stable over time and leads to the same person´s showing more or less the same behavior in similar situations.“3

Die teilweise Vorhersehbarkeit menschlichen Verhaltens wird auf eine, wie Hofstede es ausdrückt, kulturweit in hohem Maße einheitliche mentale Programmierung der einzelnen Kulturvertreter zurückgeführt. In Abgrenzung zu dieser Programmierung erkennt er aber auch eine ebenfalls existente individuelle mentale Programmierung an.

(2) Kultur wird definiert als ein “universelles, für eine Gesellschaft, Nation, Organisation und Gruppe typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet (z.B. Sprache, bedeutungshaltigen Zeichen, typischen Verhaltensweisen) und in der jeweiligen Gesellschaft, Organisation, Gruppe usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft. Das Orientierungssystem ermöglicht den Mitgliedern der Gesellschaft ihre eigene Umweltbewältigung, es erlaubt eine rasche Kommunikation, erleichtert die Orientierung in komplexen sozialen Feldern und fördert die reibungslose und effektive interpersonale Kommunikation“ (Thomas et al., 2003, S. 239).4

(3) Kultur wird zusammenfassend als „sämtliche kollektiv geteilten, impliziten und expliziten Verhaltensnormen, Verhaltensmuster, Verhaltensäußerungen und Verhaltensresultate, die von den Mitgliedern einer sozialen Gruppe erlernt und mittels Symbolen von Generation zu Generation weitervererbt werden“ (Keller 1982, S. 118) oder kürzer als „mentale Programmierung“ (Hofstede 1991, S.4) beschrieben.5

Einführung zu der Studie von Hofstede

Kollektive Programmierung

Hofstede unterscheidet drei Ebenen der kollektiven Programmierung. Die drei Stufen beziehen sich auf die Abgrenzung von Individuen.

Die individuelle Ebene der menschlichen Programmierung ist der wirklich einzigartige Teil. Es gibt keine zwei Menschen, die auf dieser Ebene identisch sind. Die kollektive Ebene umfasst alle Merkmale, die für eine zu bestimmende Kultur spezifisch sind. Auf der untersten Ebene der menschlichen Programmierung liegen die universellen, genetisch bedingten Charakteristika.

Abbildung 2: Drei Ebenen der kollektiven Programmierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hofstede (1991:6)

Vier Kategorien der Kultur (Zwiebelschalenmodell)

Kultur zeigt sich nach Hofstede in vier Kategorien:

Werten, Ritualen, Helden und Symbolen.

(1) Er stellt fest, dass Werte innerhalb der sog. mentalen Programmierung das stabilste Element sind und beschreibt sie mit halb-bewussten Gefühlen, die bestimmen, was gut oder schlecht, sauber oder schmutzig, natürlich oder unnatürlich etc. ist. Diese Werte werden im Laufe der kindlichen Sozialisation angenommen. Ein Wert ist „ a broad tendency to prefer certain states of affairs over others”. Werte lassen sich nur schwer ändern und sind an sich nicht beobachtbar, sondern äußern sich in den verschiedenen Verhaltensweisen von Individuen.

(2) Rituale sind kollektive Aktivitäten, denen innerhalb einer Kultur eine große Bedeutung zukommt (z.B. Begrüßungsrituale).

(3) Jede Nation hat ihre eigenen Helden. Es sind lebendige oder tote Personen, die echt oder imaginär sind und in einer Kultur Charakteristika aufweisen, die hoch angesehen sind.

(4) Symbole sind Worte, Gesten, Bilder und Objekte, die in einer Kultur eine bestimmte Bedeutung haben. „Auf der Ebene der Organisationskultur gehören zu den Symbolen Abkürzungen, Umgangssprache, Anredeformen (formal oder nicht formal), die alle nur von Insidern anerkannt bzw. erkannt werden“.

Abbildung 3: Zwiebelschalenmodell der Elemente der Kultur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hofstede (1991: 9)

Im Hinblick auf die kulturelle Zugehörigkeit lässt sich folgendes zusammenfassen:

- kulturelle Zugehörigkeit ist unbewusst und determiniert den Menschen (Denken, Fühlen, Handeln)
- kulturelle Zugehörigkeiten sind schwer veränderbar, eher statisch
- kulturelle Differenzen sind deshalb etwas ursprünglich Gegebenes
- der Zugehörigkeit zu einer Nationalkultur wird ein besonders großer Einfluss zugesprochen6

Durch Kräfte wie „eine dominante Landessprache, gemeinsame Massenmedien, ein nationales Bildungssystem, nationale Streitkräfte, ein nationales politisches System“ (Hofstede 1997, S.14) wird die Herausbildung eines nationalspezifischen Bedeutungs- und Orientierungssystem stark begünstigt, das dementsprechend das Verhalten der Menschen in großem Maße determiniert.7

Die Studie von Hofstede

Im Rahmen seiner Studien führte Hofstede eine ganze Forschungsreihe durch, die aus vier wesentlichen Projekten besteht. Seit Ende der sechziger Jahre ermittelte er die interkulturellen Unterschiede von Grundwerten und Verhaltensweisen im Berufsleben durch ausschließliche Befragung von Angestellten der Firma IBM („International Business Machines Corporation“).

In seiner ersten Studienreihe erfasste er 1968 die von mehr als 116.000 Angestellten der Firma IBM in 66 Ländern ausgefüllten Fragebögen. Aus statistischen Gründen wurden nur die 40 größten Länder in die Bewertung miteinbezogen. Darauf folgend wurden 1972 die Untersuchungen auf insgesamt 72 Länder ausgedehnt8 und durch weitere spezielle Untersuchungen für Europa und den Mittleren Osten ergänzt. Die Verarbeitung und Erweiterung dieser Studie hält bis heute an.

Die in den Untersuchungen gestellten Fragen beziehen sich in erster Linie auf die Werte der Angestellten in einem Land9. Da die Befragten ausschließlich einem Unternehmen zugehörig sind, können die ermittelten Unterschiede eindeutig auf die jeweiligen nationalen Kulturen zurückgeführt werden; Einflüsse einer unterschiedlichen Unternehmenskultur hingegen ausgeschlossen werden. Hofstede ermittelt für jedes Land Durchschnittswerte und erzeugt damit nationale Profile, mit denen die kulturell unterschiedlichen Arbeitsweisen anhand verschiedener Dimensionen erklärt werden sollen.

Ziel der umfassenden Untersuchungen ist es, Kulturdimensionen zu identifizieren, mit denen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einzelnen Ländern ermittelt werden. Ursprünglich wurde die Studie nur für konzerninterne Zwecke durchgeführt, nicht hingegen für eine allgemeine Untersuchung kultureller Unterschiede. So entschloss sich Hofstede erst nach beendeter Datenerhebung das gesammelte Datenmaterial für eine allgemeine kulturvergleichende Untersuchung heranzuziehen.

Hofstede identifizierte zunächst vier Dimensionen, später noch ergänzend eine fünfte Dimension, mit denen Kulturen beschrieben, analysiert und auch unterschieden werden können. Zur Berechnung der länderspezifischen Ausprägung der einzelnen Dimensionen stellte Hofstede verschiedene dimensionsbezogene Fragen, die er dann letztlich bei der Bildung eines dimensionsbezogenen Skalenwertes zusammenführte. Anhand dieser Dimensionen wertet er die von ihm erhobenen Daten aus. Sämtliche Kulturen sind in der einen oder anderen Richtung fundamental von der jeweiligen Ausgestaltung dieser Dimensionen betroffen.

Hofstede unterscheidet die folgenden fünf Kulturdimensionen:

(1) Machtdistanz
(2) Individualismus vs. Kollektivismus
(3) Maskulinität vs. Feminität
(4) Unsicherheitsvermeidung sowie
(5) Langfrist-Orientierung vs. Kurzfrist-Orientierung10

Machtdistanz

Die Dimension der Machtdistanz repräsentiert sich in dem „Grad, bis zu dem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen und Organisationen in einem Land die ungleiche Verteilung der Macht erwarten und akzeptieren.“11

Mittels der Dimension Machtdistanz wird ausgedrückt, wie in einer Gesellschaft mit Machtunterschieden umgegangen wird, bzw. in welchem Ausmaße die schwächeren Mitglieder z.B. von Organisationen, Familien, Institutionen etc. eine ungleiche Verteilung von Macht hinnehmen und akzeptieren bzw. sogar erwarten.

Die Machtdistanz selbst ist Resultat einer Ungleichheit zwischen einzelnen Menschen hinsichtlich Macht, Einfluss, Status, Prestige oder Reichtum. Somit beschreibt die Dimension der Machtdistanz die Art des Umgangs einer Gesellschaft mit Ungleichheit und Autorität12. Eine geringe Ausprägung der Dimension Machtdistanz bedeutet, dass soziale Klassen oder hierarchische Strukturen eher abgelehnt werden. In einer Kultur mit starker Ausprägung der Machtdistanz hingegen gilt eine unterschiedliche Machtverteilung und Entlohnung als normales Charakteristikum der jeweiligen Gesellschaft.

Die länderspezifischen Ausprägungen der Dimension Machtdistanz hat Hofstede durch Fragen zu folgenden Aspekten ermittelt:

- Angst des Mitarbeiters, dem Vorgesetzten gegenüber zu zeigen, dass er nicht seiner Meinung ist
- Wahrnehmung des Mitarbeiters, dass der Vorgesetzte Entscheidungen autokratisch bzw. patriarchalisch trifft
- Wunsch des Mitarbeiters, dass der Vorgesetzte Entscheidungen autokratisch bzw. patriarchalisch fällen sollte13

Die auf Basis der Antworten durchgeführten Berechnungen führen Hofstede, wie für die verbleibenden vier Kulturdimensionen auch, zu einem Index (MDI), der als Gesamtausdruck für die Ausrichtung einer Nation bzgl. der Dimension der Machtdistanz zu verstehen ist.

[...]


1 www.wikipedia.org

2 Hofstede (1991: 5)

3 Hofstede (2001: 2)

4 Bergemann (2005: 25)

5 Martin (2001: 19)

6 Bolten (2001: 269)

7 Bolten (2001: 271)

8 Hofstede (2001: XIX)

9 Hofstede (2001: 41ff.)

10 Hofstede (2001: XIX)

11 Hofstede (2001: 98)

12 Hofstede (2001: 79)

13 Kutschker; Schmid (2002: 704)

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Das sozio-kulturelle Risiko bei Auslandsaktivitäten. Welche kulturellen Besonderheiten müssen Unternehmen beachten?
Hochschule
Fachhochschule Kiel
Veranstaltung
Außenhandel / Internationales Marketing
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
30
Katalognummer
V460947
ISBN (eBook)
9783668919624
ISBN (Buch)
9783668919631
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozio-Kultur, Kultur, Hofstede, Auslandsknigge, Werte, Rituale, Helden, Symbole, Zwiebelschalenmodell, Kulturdimensionen, Machtdistanz, Individualismus, Kollektivismus, Maskulinität, Feminität, Unsicherheitsvermeidung, Sprache, Gesten, Gestik, China, Frankreich, Japan, Russland, Skandinavien, Spanien, USA
Arbeit zitieren
Bianca Bielemeyer (Autor:in), 2005, Das sozio-kulturelle Risiko bei Auslandsaktivitäten. Welche kulturellen Besonderheiten müssen Unternehmen beachten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460947

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