Die Entwicklung weiblicher Videospielcharaktere seit 1981. Die Auswirkungen der Rollenbilder auf Spielerinnen


Thèse de Master, 2019

101 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

Glossar

1 Einleitung

2 Geschlecht, Medien und Sexualisierung
2.1 Das Geschlecht als sozial-konstruiertes Konstrukt
2.2 Geschlecht und Rolle
2.3 Mediennutzung und Medienwirkung
2.4 Sexualisierung und Hypersexualisierung
2.4.1 Definition
2.4.2 Amerikanische Comics
2.4.3 Sexualisierung in japanischen Zeichentrick und Videospielen
2.5 Frauen als Videospielerinnen

3 Weibliche Videospielcharaktere
3.1 Anfänge der weibliche Videospielprotagonistinnen
3.2 Damsel in Distress
3.3 Sexualisierte Darstellungen von Frauen in Videospielen
3.3.1 Anfänge der Sexualisierung
3.3.2 Stripclubs und Sex in Videospielen
3.3.3 Sexualisierte Kleidung und Rüstungen
3.4 Fehlende weibliche Videospielprotagonistinnen
3.5 Heutige Entwicklung (2015-2018)

4 Analyse von bestimmten Videospielen und weiblichen Charakteren
4.1 Metroid
4.2 Tomb Raider
4.3 League of Legends
4.4 Life Is Strange

5 Interviews
5.1 Methode
5.2 Auswertung
5.2.1 Kontakt mit Videospielen
5.2.2 Geschlechterunterschiede und Vorurteile
5.2.3 Multiplayer und Ego-Shooter
5.2.4 Damsel in Distress
5.2.5 Sexualisierung von weiblichen Videospielcharakteren
5.2.6 Weibliche Charaktere als Protagonistinnen
5.2.7 Videospielerwähnungen
5.2.8 Fortschritt und Entwicklung

6 Zusammenfassung und Fazit

7 Quellen
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis

8 Anhang
8.1 Leitfaden
8.2 Interviewtranskripte

Anmerkung:

Ich habe die Abkürzung VS für Videospielerin, Videospieler und dem Plural Videospielerinnen/Videospieler gewählt. Häufig bezieht sich die Abkürzung hauptsächlich auf ein Geschlecht, aber das andere Geschlecht soll nicht explizit ausgeschlossen werden.

Beispiel: „Der VS kann in Double Dragon (1987) aufgrund der Kameraposition ihre Unterwäsche sehen.“ Da dieses Spiel als Zielgruppe heterosexuelle Männer hat, richtet sich der sexuelle Sachverhalt in erster Linie an den heterosexuellen Videospieler. Selbstverständlich würde eine Videospielerin aber selbiges im Spiel zu Gesicht bekommen.

Glossar

Achievement – Eine digitale Belohnung, welche Freunde einsehen können und ein Indiz dafür ist, inwiefern die VS im Videospiel alle Inhalte des Spiels gesehen hat.

Cosplay – Kostümierung als Comic-, Anime- oder Videospielfigur.

Crowdfunding ­– Gruppenfinanzierung eines Projekts.

Damsel in Distress – Jungfrau in Nöten, welche vom männlichen Helden gerettet werden muss.

DLC – Downloadable Content: Zusatzinhalte zum normalen Videospiel. Dies können weitere Spiellevel, aber auch digitale Kleidung für die Charaktere sein (siehe Skins). Im Allgemeinen kostenpflichtig.

eSport – Sportlicher Wettkampf zwischen Menschen in Videospielen.

Easteregg – Spielinhalt, welcher Entwickler im Spiel versteckt haben und häufig popkulturelle Anspielungen, Referenzen auf vorherige Titel oder Sonstiges ist.

Egoperspektive – Kameraperspektive aus den Augen des Protagonisten.

Free-to-play – Videospiel, welches in erster Linie kostenlos ist, um es zu spielen. Die Entwickler geben aber Anreize um Echtgeld in das Spiel zu investieren.

KI – Künstliche Intelligenz.

Let’s Plays – Videoformat, bei welchem man Menschen zuschaut, wie sie ein Videospiel spielen.

Map – Das Level eines Videospiels.

MMORPG – Massive Multiplayer Online Role Play Game: Spiel, in welchem man seinen eigenen Charakter erstellen kann und in einer Rollenspielwelt gleichzeitig mit vielen anderen echten VS spielt.

MOBA – Multiplayer Online Battle Arena: Multiplayer-Spielgenre, welches man fünf gegen fünf spielt, beispielsweise League of Legends.

Mod (auch FanMod) – Modifikation eines Spiels.

NPC (Mehrzahl: NPCs) – Not playable Character. Charaktere, welche ausschließlich vom Computer gesteuert werden können und daher Nebenrollen im Videospiel beschreiben.

N64 – Konsole: Super Nintendo 64

Patch – Verbesserung eines Programmes, welcher Fehler behebt.

PS – Konsole: Sony Playstation, auch PS2 für Playstation 2.

Skins – Aussehen der Spielfigur. Diese kann manchmal individuell ausgewählt werden, kostet aber meist auch zusätzlich Geld (siehe DLC).

SNES – Konsole: Super Nintendo Entertainment System

Third Person Perspective – Kameraperspektive oberhalb der Schulter.

1 Einleitung

Im Jahr 1981 begab sich ein bis dato unbekannter Held, welcher später den Namen Super Mario erhielt, auf den Weg seine Freundin Pauline aus den Fängen eines riesigen Gorillas zu befreien. Die Aufgabe des Helden war klar, er setzte alles darauf seine Freundin zu befreien. Die Aufgabe von Pauline war es um Hilfe zu schreien, nichts zu tun und sich retten zu lassen.

Fünfzehn Jahre später konnte man in Tomb Raider (1996) die Archäologin Lara Croft spielen, welche mit zwei Pistolen und viel Sex-Appeal im Dschungel nach Artefakten suchte. Ihre Brüste waren groß, ihre Taille schmal und doch war diese Videospielheldin selbstbewusst und schlagfertig. Gerade ihre Charaktereigenschaften waren Vorbilder für Mädchen und junge Frauen. Als damalige progressive Frauenrolle tauchte sie in der Fernseh-Werbung der Frauenzeitschrift Brigitte auf, aber auch auf erotischen Bildern in einer Zeitschrift in Kooperation mit dem Playboy. Siebzehn Jahre später erhielt sie in einem Reboot der Reihe einen gutaussehenden, nicht-sexualisierten Körper, aber auch andere Charakterzüge. Aus der selbstbewussten Lara Croft wurde eine ängstliche, junge Frau.

In Halo 4 (2012) spielte man den Space-Soldaten ‚Masterchief‘, welcher mit seiner künstlichen Intelligenz Cortana das Universum bereist. Cortana ist nicht nur ein blauschirmendes Hologramm, sondern (sinnloserweise) auch eine nahezu nackte Frau mit perfekten Proportionen, deren Aufgabe es ist, dem Masterchief die nächsten Aufträge mitzuteilen. 2015 konnte man im Videospiel Life Is Strange die Protagonistin Max dabei begleiten, wie sie ihr Fotographie-Studium durchlebt und dabei bemerkt, dass sie die Zeit zurückdrehen kann. Sie selbst ist schüchtern, nicht-muskulös und trägt dabei typische Teenager-Kleidung.

Mehr als 37 Jahre ist Paulines Hilfeschrei bereits her, und die weiblichen Videospielcharaktere haben sich in dieser Zeit stark gewandelt. Eine ganze Generation an Videospielerinnen und Videospielern ist mit diesen Rollen aufgewachsen. Schon seit mehreren Jahren belegen Statistiken immer wieder neu, dass ungefähr die Hälfte aller Videospielenden weiblich sind, und trotzdem sind weibliche Protagonistinnen eine Seltenheit. Die großen und teuren Spieleproduktionen sind Videospiele, welche sich hauptsächlich an ein männliches Publikum richten. Inwiefern haben also vermeintliche, falsche, weibliche Rollenbilder die Entwicklung und ihre Beziehung von Videospielerinnen zum Medium Videospiel beeinflusst? Wie kamen die Videospielerinnen zu ihrem Hobby und welche Erfahrungen machten sie mit dem Medium, insbesondere in der Interaktion mit anderen Spielenden?

Diese Arbeit ist zweigeteilt und versucht Antworten auf all diese Fragen zu finden und Zusammenhänge herzustellen. Im ersten Teil werden zunächst die theoretischen Hintergründe dargestellt, anschließend werden Merkmale von weiblichen Videospielcharakteren untersucht und einzelne Videospielreihen bzw. Videospiele sowie deren Protagonistinnen analysiert.

Im zweiten Teil der Arbeit wurden leitfadengestützte Gruppeninterviews mit Videospielerinnen im Alter von 24 bis 29 Jahren geführt. Diese äußerten sich zu weiblichen Videospielcharakteren und wie sie als junge Mädchen zu dem Hobby Videospiele kamen. Sie erzählten auch, wie ihre soziale Umwelt zu dem Medium steht und was sich verändern müsste, damit mehr Frauen Videospiele spielen.

2 Geschlecht, Medien und Sexualisierung

„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“ (Beauvoir 2016))

Um weibliche Videospielcharaktere und die gesellschaftliche Situation von Frauen als Videospielerinnen ausführlich darstellen zu können, werden in diesem Theorie-geleiteten Kapitel zunächst die Grundbegriffe des Gender und die Rolle von Stereotypen definiert. Anschließend wird dargestellt wie Mediennutzung und Medienwirkung sich gegenseitig beeinflussen und Rezipienten irgendwann die Einstellungen und Überzeugungen ihres Mediums übernehmen werden. Die häufig in Videospielen auftretende Sexualisierung von Charakteren wird theoretisch und historisch hergeleitet und insbesondere in den USA und Japan untersucht. Am Ende wird noch der Forschungsstand von Frauen als Videospielerinnen statistisch dargestellt.

2.1 Das Geschlecht als sozial-konstruiertes Konstrukt

Die Sozialwissenschaften unterscheiden zwischen dem Begriff des biologischen Geschlechts ‚ sex‘ und dem des sozial-konstruierten Geschlechts ‚ gender‘. Gender bezeichnet dabei die geschlechtlichen Eigenschaften, welche kulturell und gesellschaftlich eine Person beschreiben. Dabei wird das biologische Geschlecht als natürlich und unabänderlich gesehen, das sozial-konstruierte Geschlecht hingegen als sozial ausgehandeltes und veränderliches Konzept. Demzufolge muss es Aufgabe der Gesellschaft sein, das soziale Geschlecht so anzupassen, dass alle Menschen gerecht und gleichrangig unabhängig von ihrem Geschlecht behandelt werden.

Der Geschlechterforschung zur Folge veränderten sich die Eigenschaften des sozial-konstruierten Geschlechts im Laufe der Zeit. Gender beinhaltet dabei auch immer soziale, kulturelle, biologische und politische Komponenten (Becker-Schmidt und Knapp 2007). Judith Butler beschreibt in Das Unbehagen der Geschlechter die Separierung „männlich / weiblich“ als diskursives, soziales Konstrukt, welches ausschließlich dazu verwendet wird, Herrschaft und Macht über das andere Geschlecht auszuüben. Um diese Machtverhältnisse zu beenden, wollte sie die Binarität zwischen den Geschlechtern aufheben. Butler hebt besonders hervor, dass eine klare Trennung zwischen dem biologischen sex und dem symbolisch-kulturellen gender nie möglich sein wird. Der biologische „Leib“ ist demnach selbst immer nur eine soziale Konstruktion und ist so niemals ohne seine kulturelle Symbolik greifbar. Herrschaft und Macht werde dabei nicht allein durch das Geschlecht, sondern auch durch eine heterosexuelle Lebensweise und phallogozentrische Sprache ausgeübt (Butler 2007).

Michael Warner entwickelte daher den Begriff der ‚ Heteronormativität ‘, nach welchem Heterosexualität als „normale“ Verhaltensweise gilt und damit eine Privilegierung von Heterosexuellen und eine Diskriminierung von Nicht-Heterosexuellen einhergeht (Warner 1991). Des Weiteren wird die Frau nicht als eigenständiges Geschlecht gesehen, sondern nur als männliches Geschlecht, welches anders auftritt. Dies ist beispielsweise in Form der phallogozentrischen Sprache zu sehen, in welcher die neutrale Form der männlichen Form entspricht. Die weibliche Form muss extra aus dieser abgeleitet werden und ist somit speziell. Beispielsweise „die Mechaniker“ als geschlechtliches Neutrum oder die „Mechanikerin“ als explizit weiblichen Mechaniker (Irigaray 1989).

Gänzlich möchte die Geschlechterforschung mit dem Begriff des Gender auf geschlechtliche Diskriminierungen aufmerksam machen und diese bekämpfen.

2.2 Geschlecht und Rolle

Abbildung 2-1 Geschlechterrollen im 18. Jahrhundert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Den Geschlechtern männlich und weiblich werden Verhaltensweisen in einer Kultur zugeschrieben. Im 18. und 19. Jahrhundert sprach man noch von Geschlechtscharakteren. Hausen arbeitete aus verschiedenen Lexika aus dem 18. Jahrhundert verschiedene typische Geschlechtscharaktere heraus (Hausen 1976). Es fällt auf, dass Männer aktive Beschreibungen erhielten, während Frauen passive Charakterzüge gegeben wurden. Der Mann wurde als selbstständig angesehen, die Frau als abhängig (vom Mann).

Die Soziologen Parsons und Bales beschrieben im Jahr 1955 die typische Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. So hatten damals die Männer die Aufgabe Arbeiten zu gehen um die Familie zu ernähren, während die Frauen den Haushalt machten und sich um die Kinder kümmerten. Auf eine ähnliche Rollenaufteilung kamen Parsons und Bales bei männlichen Kleingruppen, in denen einem Mann die aufgabenbezogene Leitung und einem anderen Mann beziehungsorientierte Aufgaben zukamen. Daraus schlossen Parsons und Bales, dass eine zweiteilige Aufteilung von Nöten sei (Parsons und Bales 1955). Inzwischen wurden ihre Thesen stark kritisiert, da sie beispielsweise die unterschiedliche Status- und Machtaufteilung in den Bereichen gar nicht benannt hätten und somit Frauen deutlich weniger Macht als Männern zukommt (Eagly et al. 2000).

Heutzutage sind zwar viele Frauen in der Arbeitswelt vertreten, trotzdem gibt es große geschlechtliche Ungleichgewichte in den Berufsfeldern. Viele Frauen arbeiten im sozialen Bereich, während Männer eher in Technikberufen dominieren. Des Weiteren sind auch heutzutage nur wenige Frauen in den Führungsetagen der Bundesrepublik Deutschland angekommen. Der Frauenanteil in Aufsichtsräten der 160 DAX-Unternehmen liegt bei 21,4 %, 2011 sogar nur bei 9,9%. Die Zahl der frauenfreien Führungsetagen (Aufsichtsrat und Vorstand) lag 2011 sogar noch bei 46 % und ist inzwischen bei 18 % angekommen. Keines der 160 im DAX notierten Unternehmen hat eine weibliche Vorstandsvorsitzende (Stand 2015) (Wippermann 2016).

Geschlechtsstereotypen sind persönliche Erwartungen und Charaktereigenschaften von Männern und Frauen (Hannover 2006). Sie vereinfachen kognitiv soziale Informationsverarbeitung und lassen uns über andere Menschen urteilen. Nach Thomas Eckes werden Geschlechtsstereotypen deskriptive und präskriptive Anteile zugeschrieben. Die deskriptiven Anteile beschreiben die traditionellen Sichtweisen eines Menschen bezüglich der Geschlechter (beispielsweise typische Verhaltensmuster von Frauen und Männern und welche Eigenschaften sie besitzen). Demnach „sind“ Frauen emotional und verständnisvoll, Männer hingegen „sind“ zielstrebig und dominant. Trifft man auf ein Gegenüber, welches diese Eigenschaften nicht erfüllt, so folgt für den Betrachter eine maximale Überraschung. Die präskriptiven Anteile in den Geschlechtsstereotypen beschreiben, wie sich Frauen und Männer zu verhalten haben. Männer sollen dominieren, Frauen sollen einfühlsam sein. Das soziale Umfeld reagiert auf Verletzungen der präskriptiven Anteile mit Ablehnung und Bestrafung (Eckes 2008). Geschlechtsstereotypen sind bereits bei 5-jährigen ähnlich denen eines Erwachsenen und mit zehn Jahren abgeschlossen. Dabei bleiben diese auch ein Leben lang stabil (Athenstaedt und Alfermann 2011). Des Weiteren urteilen Menschen relativ zu den Geschlechtsstereotypen. Ein Mann wird als stärker fürsorglich beschrieben, wenn er genauso fürsorglich zu einem Kind ist, wie eine Frau. Dies liegt daran, dass Frauen schon als fürsorglich angesehen werden, Männer hingegen nicht (Biernat und Manis 1994). Biernat überprüfte diesen Sachverhalt in einer Studie, in welcher sich Frauen und Männer auf einen fiktiven Job bewerben konnten. An Frauen wurden niedrigere Minimalanforderungen als an Männer gestellt. Männern mussten also mehr Leistung zeigen um eine Stufe weiter im Bewerbungsprozess zu kommen. Trotzdem wurden letztendlich Frauen am Ende des fiktiven Bewerbungsprozesses weniger häufig eingestellt, da sie generell als leistungsschwächer eingeschätzt wurden als Männer (Biernat und Kobrynowicz 1997). Biernat schloss daher, dass Männer eher bei selektiven Maßstäben (Maßstäbe mit Konsequenzen und Ausschluss von anderen, z.B. Anstellung, Preisverleihung) beachtet werden und Frauen eher bei nicht-selektiven Maßstäben (kein Ausschluss von anderen, z.B. Lob, Anerkennung) (Athenstaedt und Alfermann 2011).

2.3 Mediennutzung und Medienwirkung

Junge Menschen in Deutschland konsumieren in einen Großteil ihrer Freizeit Medieninhalte. Das Gehirn empfängt dabei die Medieninhalte und enkodiert sie anschließend. Sie wirken emotional, kognitiv und konativ. Konativ bedeutet, dass sie den Empfänger zu Handlungen verleiten (Mangold et al. 2004). Medieninhalte sind im Allgemeinen geschlechtsspezifisch und wirken so auf die Rezipienten. Diese reagieren wiederum aufgrund von unterschiedlicher Rollensozialisation und geschlechtsbezogener Persönlichkeitseigenschaften ebenfalls geschlechtstypisch auf diese (Gurin und Townsend 1986).

Mediennutzung wird dabei in die drei Phasen Medienselektion, Rezeption und Wirkung unterteilt. Will man die Auswirkungen auf das jeweilige Geschlecht beschreiben, so muss allerdings stets der komplette Prozess aller drei Phasen berücksichtigt werden. Michael Slater demonstrierte in seinem Modell der ‚ Reinforcing Spirals ‘, dass die erste Phase, „die Medienselektion“, und die dritte Phase, „die Medienwirkung“, „ sich gegenseitig bedingen und verstärken und inwieweit sie individuelles Verhalten und soziale Identität determinieren“ (Trepte und Reinecke 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2 Wechselwirkung von Mediennutzung und Einstellungen im Lauf der Zeit.

Trepte und Reinecke entwickelten Slaters Modell weiter. Sie bewiesen die ständige, gegenseitige und chronologische Beeinflussung zwischen Mediennutzung und dem Verhalten, den Einstellungen und den Überzeugungen. Werden also beispielsweise in einem Videospiel rollenstereotype Eigenschaften von Frauen dargestellt, so wird die Rezipientin möglicherweise ihre Einstellungen gegenüber Frauen anpassen und in Zukunft hauptsächlich Medien konsumieren, welche das gleiche rollenstereotype Bild von Frauen vermitteln. Des Weiteren verläuft dieser Prozess stärker, wenn die eigenen Einstellungen mit denen des Mediums übereinstimmen. Die Rezipientin fühlt sich also belohnt, wenn das Medium ihre eigene Sichtweise wiederspiegelt und dies wiederum verstärkt diese Sichtweise. Wenn beispielsweise junge Mädchen als Teil ihrer sozialen Identität internalisiert haben, dass Frauen nicht an kämpferischen Auseinandersetzungen teilnehmen und wenn diese Mädchen gewalthaltige Computerspiele spielen, in denen Frauen als Opfer oder „Bystander“ dargestellt werden, so stimmen soziale Identität und Medieninhalt überein. Voraussichtlich verstärkt sich die Auffassung, dass Frauen nicht kämpfen oder aggressiv sind, darüber hinaus ist diese Kognition für nachfolgendes Verhalten zugänglicher und entscheidender (Trepte und Reinecke 2010, S. 232).

Die daraus resultierende Folge ist, dass Frauen wahrscheinlich kein gewalthaltiges Videospiel kaufen würden, da die Gewalt innerhalb des Videospiels ihnen ein negatives Gefühl vermitteln könnte, da das Rollenbild, mit dem sie sich identifizieren (Frauen nehmen an kämpferischen Auseinandersetzungen nicht teil) im Widerspruch zu dem Spiel stünde (Trepte und Reinecke 2010).

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die ‚ kommunikative Aneignung ‘ von Medieninhalten. Andreas Hepp definiert diesen Begriff als die „Integration“ von Medieninhalten in die Lebenswirklichkeit der Rezipienten. Mediennutzung wird in der Forschung in drei Phasen aufgeteilt: 1. Die prä-kommunikative Phase (Medienauswahl), 2. die kommunikative Phase (Medienrezeption) und 3. die post-kommunikative Phase (Medienaneignung). Diese dritte Phase beschreibt kognitive Prozesse der Verarbeitung, Rollenspiele und Folgekommunikationen innerhalb der Peergroup des Rezipienten. Die kommunikative Aneignung betrachtet dabei - anders als die ‚Mediennutzung’ - den kompletten Prozess und beschreibt das „Sich-zu-Eigen-Machen“ der Medieninhalte durch personale Kommunikation. Dies bedeutet, dass die Rezipientin bei häufigem Konsum die Werte und Normen des Mediums in ihre Alltagswelt übernimmt. Sie identifiziert sich nach einer gewissen Zeit mit diesen Medieninhalten und spricht von einem sogenannten „Wir-Gefühl“. Ab dieser Stelle hat die Rezipientin ihre eigenen Normen und Werte gegen die Ansichten der Medieninhalte eingetauscht und diese gleichgesetzt. Sie selbst bemerkt dabei nicht, dass sie die Ansichtsweisen des Mediums übernommen hat (Hepp 2005).

2.4 Sexualisierung und Hypersexualisierung

2.4.1 Definition

Sexualisierung in Medien bedeutet nach Röser und Kroll, dass durch die Inszenierung des weiblichen Körpers der Frau bzw. des Mannes - insbesondere außerhalb erotischer Kontexte – diesem eine sexuelle Bedeutung zugeschrieben wird.

Dabei werden in Videospielen deutlich mehr Frauen sexualisiert dargestellt als Männer. Unter Sexualisierung fällt somit das Bezugnehmen auf sexuelle Eigenschaften und Charakterweisen von Frauen und die Reduzierung auf den Körper als bloßes Sexualobjekt (Röser und Kroll 1995, S. 12).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3 Die Heldin 2B aus Nier: Automata links im Originalspiel-Outfit, rechts in einem hypersexualisierten Outfit aus einem kostenpflichtigen DLC.

In Videospielen werden Heldinnen (und häufig weibliche Figuren) sexualisiert dargestellt. Gründe liegen dort hauptsächlich in erhofften erhöhten Verkaufszahlen von Videospielen und digitalen kosmetischen Gütern. Bei vielen Videospielen ist es heutzutage möglich, digitale Bonusinhalte zusätzlich zum normalen Spiel zu kaufen. Dies können weitere Level und Spielabschnitte sein, aber auch neue Waffen und Kleidung. Gerade bei digitalen Mehrspielertitel im Internet möchten viele Spieler mit ihrem Helden-Avatar auffallen bzw. sich von der Allgemeinheit unterscheiden, indem sie kostenpflichtige, digitale Kleidung zu ihrer Heldin bzw. ihrem Helden dazukaufen. Gerade hier gibt es häufig viele Kleidungsstücke, welche insbesondere weibliche Helden auf ihre sexuelle Objektifizierung limitieren.

Hypersexualisierung ist eine verstärkte Form der Sexualisierung, was insbesondere in fiktionalen Welten, welche übertriebene Körperformen zulassen, möglich ist. Sie wird durch sexuelle Verhaltensweisen, Gestik und Mimik dargestellt, aber auch durch erotische Kleidung, viel nackter Haut und einer Betonung auf Brust, Gesäß oder Genitalbereich. Dabei werden die Körperformen häufig stilisiert dargestellt, so dass eine Frau eine stark verschmälerte Taille im Vergleich zu stark vergrößerten Brüsten und zu einem breiteren Gesäß hat (Götz 2013, S. 91).

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Abbildung 2-4 Mechanikerin Cindy aus Final Fantasy XV.

Eine typische Form der Hypersexualisierung ist die sexualisierte Veränderung typischer, institutionalisierter Berufskleidung, welche zusätzliche, rein-sexualisierte Versatzstücke erhält. Beispielsweise ein großes Dekolleté oder einen kurzen Rock in einem (normalerweise geschlechtsneutralen) Anzug für Automechanikerinnen. Damit einhergehend haben die Frauen Körper, welche weiblichen Bodybuildern ähneln. Es wird also die unrealistische Möglichkeit symbolisiert, einen arbeitsaufwändigen Beruf zu führen und dazu einen makellosen, komplett-durchtrainierten Körper zu haben.

Da eine ähnliche Form der Hypersexualisierung von Frauen in Videospielen schon Jahre zuvor in Comics vorkam, lohnt sich ein Blick auf die amerikanische und japanische Comiclandschaft.

2.4.2 Amerikanische Comics

1941 tauchte die von William Moulton Marston erdachte amerikanische DC-Comic -Heldin (damals noch All-American Comics) Wonder Woman im „All-Star Comics #8“ zum ersten Mal auf. Wonder Woman ist eine schwarzhaarige, kämpferische Amazone mit übermenschlicher Stärke. Als Superheldenuniform trägt sie eine rote Corsage mit einem goldenen Adler-Emblem und einen blauen Minirock mit weißen Sternen. Die weißen Sterne sollen an die Stars-and-Stripes-Flagge der USA erinnern. Bemerkenswert ist an dieser weiblichen Rüstung bereits, dass sie sehr viel Haut zeigt und daher als Rüstung ungeeignet ist (Lyons 2006).

Im Mittelpunkt stand eine sexualisierte Darstellungsform um die hauptsächlich männliche Comic-Käuferschicht anzusprechen. Wonder Woman verfügt über ein magisches Lasso, das eingefangene Opfer dazu zwingt, die Wahrheit zu sagen. Zusätzlich besitzt sie zwei silberne Armbänder mit denen sie Geschosse abwehren kann. So wie der Comic-Held Superman eine Schwäche gegen Kryptonit hat, so ist ihre Schwäche, dass sie all ihre Kräfte verliert, wenn ein Mann ihre Armbänder aneinanderkettet oder sie fesselt. Letzteres lässt sich größtenteils auf den Bondage -Fetisch des Erfinders William Marsons zurückführen. In vielen seiner Geschichten werden sowohl Männer als auch Frauen gefesselt und ausgepeitscht oder befinden sich in demütigenden Körperhaltungen. Daher befahl der Verlag Marson größtenteils auf solche Szenen zu verzichten (Lyons 2006).

Zusätzlich achtete der Verlag bis in die 1970er Jahre darauf realistische weibliche Körper zu zeichnen, weshalb weibliche Comic-Charaktere beispielsweise keine besonders großen Brüste besitzen sollten. "The inclusion of females in stories is specifically discouraged. Women, when used in plot structure, should be secondary in importance, and should be drawn realistically, without exaggeration of feminine physical qualities" (Kane und Uslan 2002). Spannend an diesem Zitat ist allerdings nicht nur, dass die Frauen realistisch gezeichnet werden sollen, sondern auch, dass sie nach Möglichkeit nicht Teil des Plots sein sollten.

1976 änderte DC seine Leitlinien mit dem Auftreten von Power Girl in All Star Comics #58. Ihr Zeichner Wally Wood, steckte Power Girl in einen weißen hautengen Body, in welchem sich die großen Brüste der Superheldin gut darstellen ließen. Später wurde in den Body dann zusätzlich ein Loch gezeichnet, um das große Dekolleté zu präsentieren. Bei Power Girl ging es nicht mehr primär um die Geschichte und ihre Superkräfte, sondern um ihre Hypersexualisierung in Form ihrer Brüste. Dabei hat Power Girl nicht nur sehr große Brüste, sondern auch eine Wespentaille. Ab jetzt war der Weg frei, weibliche Charaktere sexualisiert darzustellen um das Ziel-Publikum in Form von weißen, heterosexuellen Männern zu erreichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-5 Power Girl, Catwoman, Spiderman

Diese Hypersexualisierung in den Comics erreichte in den 1990er Jahren ihren bisherigen Zenit. Da viele der damaligen weiblichen Hollywood-Stars große runde Silikonbrüste hatten und die Medien auch wieder die Wirklichkeit sowie die Wahrnehmung beeinflussen (siehe Kapitel 2.3 Mediennutzung und Medienwirkung), wurden auch die Körper und insbesondere die Brüste in den Comics hochgepusht. Jim Balent prägte als Hauptzeichner von Catwoman in den Jahren von 1993 bis 1999 einen pornographischen Zeichenstil. Die DC-Superheldin hat bei ihm markante, runde Riesenbrüste, eine Wespentaille und einen perfekt-trainierten Hintern. Wurde sie zuvor noch katzenähnlich bzw. sehr schlank dargestellt und als Charakterzug sehr scheu, so lässt ihr Anzug sie jetzt nahezu nackt mit einer deutlichen sexuell-pornographischen Betonung erscheinen. Insbesondere auf Comic-Covern wurde Catwoman in pornographisch-expliziten Szenen dargestellt, um den Hauptanreiz zum Kauf des solchen beim potentiellen Kunden zu erzeugen. DC sprach damit klar ihre männliche, heterosexuelle Zielgruppe an.

Seit den 2000er Jahren hat sich das Bild in amerikanischen Comics jedoch wieder gewandelt. Allein durch die verfilmten Comic-Superheldenfilme, in denen die Kinobetreiber auch eine weibliche Zielgruppe anlocken wollten, wurden die Superheldinnen in den Comics weniger sexualisiert dargestellt (Jensen 2017). Dies ist ein weiteres Indiz dafür, inwiefern die Medien auch wieder ein soziales Geschlecht abbilden und verändern können. Trotzdem kommt es auch in den amerikanischen Comics immer wieder zu einer sexualisierten Darstellung von Charakteren. Beispielsweise zeigt das Cover zum Marvel-Comic the Amazing Spider-Man Vol 1 Nr. 601 aus dem Jahre 2009 eine hypersexualisierte Darstellung Mary Janes mit weitem Dekolleté und viel zu schmaler Taille (Marvel 2009).

2.4.3 Sexualisierung in japanischen Zeichentrick und Videospielen

Große Brüste, perfekte Figuren, devotes, niedliches Verhalten der Frauen, und der gelegentliche Zoom der Kamera unter den Rock — die Sexualisierung von weiblichen Figuren und der Sexismus in Animes ist nicht zu negieren.“ (Meinert 2016)

Wichtig für die Darstellung von weiblichen Videospielcharakteren sind aber nicht nur die amerikanischen Comics, sondern auch die japanische Comic- (Manga) und Zeichentrickwelt (Anime). Hier entwickelte sich der Markt ähnlich wie in Amerika, so dass der Sexismus in Animes von den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre anstieg. Im Unterschied zum amerikanischen Comic flachte dort die Sexualisierung von weiblichen Charakteren hingegen bis heute nicht ab (Albone 2013). Gründe hierfür liegen in der japanischen Kultur und dem Erfolg von Manga und Anime in der westlichen Welt, da dort lieber japanische Comics mit sexualisierten Charakteren gekauft werden.

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Abbildung 2-6 Charakter Nami aus dem erfolgreichen Anime One Piece.

In Japan geht die Zahl der arbeitenden Frauen ständig zurück. Die meisten Japanerinnen und Japaner glauben an ein traditionelles Rollenbild mit einem zur-Arbeit-gehenden Mann und einer Frau, welche sich zu Hause um die Kinder kümmert (Meinert 2016). Dieses traditionelle Rollenbild übt einen immensen Druck auf junge Japanerinnen und Japaner aus. Männer müssen genug Geld verdienen um eine ganze Familie ernähren zu können. Frauen hingegen sollen ihre bisherige Karriere für immer aufgeben um den Haushalt zu führen. Dies hat für beide Geschlechter die Folge, dass sie kaum noch ein Interesse an romantischen Beziehungen haben, da viele junge Männer nicht mehr genug Geld verdienen und die nötige Karriere mit einer sehr großen Anstrengung und Disziplin verbunden ist. Frauen wollen hingegen ihren bisherigen beruflichen Status nicht aufgeben um auf ihre Kinder aufzupassen. So sind 61 % der Japaner und 49% der Japanerinnen im Alter von 18-34 Single; ein Drittel aller Japaner unter 30 Jahren hatte noch nie ein romantisches Date in ihrem Leben (The guardian 2013).

Dieses fehlende Verhältnis zu Romantik und Sexualität zeigt sich auch im Manga und Anime. Ein populäres Manga-Genre, ‚Yaoi‘, zeigt ausschließliche homosexuelle, männliche Beziehungen, da das Bildnis einer traumhaften, heterosexuellen Beziehung mit so einem immensen Druck auf ihre weibliche, heterosexuelle Zielgruppe wirken würde. Das männliche Pendant ist das „Moe“-Genre, in welchem weibliche Charaktere sehr süß dargestellt werden. So wird das Leben gerne als Idylle mit wenigen und vor allem einfachen Problemen dargestellt, in dem kein Druck auf die männlichen Protagonisten lastet. Japaner sehen in den sexualisierten, weiblichen Charakteren daher kaum noch etwas sexuelles, sondern viel mehr eine Traumwelt ohne Stress (The guardian 2015).

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Abbildung 2-7 Dead or Alive Xtreme 3, das Bikinioberteil hat Stoffhände um das Begrabschen der Brüste zu symbolisieren.

Aber nicht nur das abweichende Frauenbild beflügelt den Sexismus in Manga und Anime, sondern auch der Erfolg in der westlichen Popkultur seit den 1990er Jahren. Die internationale Käuferschicht erwartet von weiblichen Anime- und Mangafiguren große Brüste und sexistische Klischees. Japanische Produzenten möchten traditionell lieber auf einen garantierten sicheren Absatzmarkt ihr Geld setzen, als fortschrittliche, weibliche Frauenbilder zu präsentieren. Dabei werden sogar für den westlichen Markt ursprünglich progressive Geschlechterbilder aus dem Anime entfernt. So gibt es im Anime Sailor Moon zwei lesbische Protagonistinnen („Sailor Uranus“ und „Sailor Neptun“), deren homosexuelles Verhältnis in der westlichen Fassung herausgeschnitten wurde (Albone 2013).

Japan dominierte und dominiert mit den Konsolenherstellen Sony, Nintendo und Sega den Videospielmarkt. Einzig Microsofts Xbox ist eine erfolgreiche, nicht-japanische Videospielkonsole. Einhergehend mit den Spielekonsolen gibt es in Japan auch viele Spieleentwickler. Durch die vielen japanischen Spiele sieht man auch hierzulande viele sexualisierte weibliche Animefiguren in Videospielen, beispielsweise in Xenoblade Chronicles (2010) oder Dead or Alive Xtreme 3 (2016). Des Weiteren wird der japanische Anime-Stil auch gerne im Cosplay von hauptsächlich Mädchen und jungen Frauen benutzt. „Beim Cosplay verkleiden sich vor allem weibliche Fans als fiktive Figuren aus populären Texten wie z. B. Anime, Manga/Comics und Videospielen. Im Fandom beliebte Serien wie » Sailor Moon « oder » Kill la Kill « liefern die Rollenbilder für die Kostümpraxis. Sie stellen jugendliche Heldinnen vor, die sich durch Uniformen und Accessoires in mächtige Kämpferinnen verwandeln. […] Cosplayerinnen inszenieren sich auch für den imaginierten männlichen Blick und müssen sich dabei mit dem Sexismus der Vorlage und des Publikums auseinandersetzen“ (Heinrich 2016). Cosplay kann hier auch als ein Beweis der Beeinflussung zwischen Mediennutzung und dem Verhalten, den Einstellungen und den Überzeugungen betrachtet werden. So passen gerade junge Frauen ihre Schönheitsideale an die japanischen Comics und Videospiele an. Auch der Sexualisierungsgrad normalisiert sich in ihren Augen, so dass eine leichte Sexualisierung von Frauen als üblich angesehen werden kann.

2.5 Frauen als Videospielerinnen

Sollen 1982 nur 20 % der Arcade-Videospielhallenkunden weiblich gewesen sein, so sind heute 49 % der Videospieler in Deutschland weiblich (Quantic Foundry 2017a). Obwohl es heutzutage also genauso viele Videospielerinnen wie Videospieler gibt, unterscheiden sich die Geschlechter in diesem Segment enorm. So spielen Frauen am liebsten auf ihrem Smartphone Videospiele, während Männer am liebsten auf der Heimkonsole zocken. In der JIM Jugendstudie von 2017 zeigte sich, dass 60% der Mädchen am ehesten das Smartphone zum Spielen verwenden, 17% nutzen den PC und nur 12% eine feste Spielekonsole. Bei den Jungen teilten sich diese drei Geräte in etwa zu gleichen Teilen auf (JIM Jugendstudie 2017).

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Abbildung 2-9: L: Statistik, wie viel Prozent der Spieler des Genres weiblich sind. Rechts oben Statistik, welches Gerät zum Spielen verwendet wird. Unten rechts: Candy Crush, Typisches Match 3-Videospiel (Quantic Foundry 2017a; JIM Jugendstudie 2017)

Der größte Unterschied liegt aber im Genre der Spiele. Weibliche Spielerinnen spielen mit großem Abstand am liebsten Match 3 und Family-Simulationen. Match-3 Spiele sind Puzzle-Spiele, welche häufig auf dem Smartphone gespielt werden, in denen die Spielerin / der Spieler nach gewissen Gesetzen Items (beispielsweise Früchte) auf dem Bildschirm zum Verschwinden bringen müssen um Punkte zu generieren. Ein populäres Beispiel ist das Spiel „Candy Crush Saga“ aus dem Jahr 2012. Genauso populär sind Family-Simulationen, in denen die Spielerin häufig Häuser baut und einrichtet, Freundschaften und Beziehungen schließt und mit ihren Spielfiguren Geld verdient. Sehr populär ist hier die Spielereihe „Die Sims“ (seit 2000). Besonders an Sims ist, dass es lange nur auf dem PC gekauft und gespielt wurde und dort die Verkaufszahlen dominierte. Ausschließlich bei diesen zwei Genre sind Videospielerinnen in der Überzahl. Die weiteren Lieblingsgenres sind klassische Adventure und Rollenspiele. Bei Multiplayer-Rollenspielen mögen sie viel lieber Fantasy-Themen als Science-Fiction.

Eine deutliche Überzahl an männlichen Spieler gibt es in fast allen kompetitiven Videospielen: MOBA, Strategie, First-Person und taktische Shooter werden von Männern dominiert. Am aller stärksten ist der Geschlechterunterschied bei Sportspielen, bei denen nur jede fünfzigste Spielerin weiblich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-10 Links die Bestseller insgesamt in Deutschland für das Spielejahr 2015/2016. Rechts gerätespezifisch für das Jahr 2017. Quelle Gameswirtschaft

Dabei ist die Fußball-Videospielreihe FIFA in Deutschland fast jedes Jahr das meistverkaufte Spiel. So lagen im Spielejahr 2015/2016 auf den ersten sechs Plätzen Videospiele, welche aufgrund ihres Genres fast ausschließlich männliche Videospieler ansprechen.

Betrachtet man allerdings die Verkaufszahlen nach Geräten getrennt, so zeigen sich die Käuferinnen zumindest bei einem PC-Spiel. So war 2017 „Die Sims 4“ das meist-verkaufte PC-Spiel und dies drei Jahre nach seinem Release. Es stellt sich also die Frage, warum so wenige Spiele Videospielerinnen ansprechen. Dafür werden zunächst Darstellungsformen von weiblichen Videospielcharakteren aufgezeigt und später dann bestimmte Videospiele beleuchtet.

3 Weibliche Videospielcharaktere

" She refuses to wear clothes. The last staff member who tried to dress her breathing through tubes.“ Metal Gear Solid V (2015)

Weibliche Videospielcharaktere erhalten in Videospielen häufig ähnliche diffamierende Rollen. Ob es ihre Rolle als zu rettende, hilflose Frau ist oder ob sie als sexuelles Objekt ihre männliche Spielerschaft zum Kauf animieren sollen. Dabei sind sie zusätzlich meist nicht spielbare Charaktere (NPCs) und der VS muss sich mit einem männlichen Helden identifizieren. All diese Rollen werden in diesem Kapitel aufgearbeitet und es wird der heutige Stand dargestellt.

3.1 Anfänge der Videospielprotagonistinnen

Videospiele wurden sehr lange als sogenannte ‚Boys‘ Toys‘ bezeichnet. Dabei wurden und werden Videospiele von Männern entwickelt und auf eine männliche Zielgruppe maßgeschneidert. Frauen hingegen wurden als Wenig-Spielerinnen betrachtet (Heeter 2004). Vermeulen begründet dies mit ausschließlich typischen ‚Jungsthemen‘, welche in den frühen 80er Jahren in den Arcade-Spielautomatenhallen, dargestellt wurden und somit nur ein Geschlecht ansprachen. So gab es damals dort hauptsächlich Science-Fiction-Shooter sowie Renn- und Sportspiele (Vermeulen 2013). Beachtlich ist, dass die noch älteren Videospiele Pong (1972) und Space Invaders (1978) zuvor noch beide Geschlechter in die Arcadehallen lockten. Ausschließlich Pacman (1980) wurde explizit für eine weibliche Zielgruppe entwickelt. „ Weil es nur Gewaltspiele gab, waren sie eine Domäne der Jungen. Ich wollte auch Mädchen und Pärchen dafür begeistern und zielte auf diese neue Zielgruppe ab. Wir dachten über verschiedene Themen für neue Spiele nach – von Mode bis zu Jungen. Weil aber fast alle Mädchen eine Schwäche für süße Sachen haben, entschieden wir uns schließlich für 1das Thema Essen.“ – Toru Iwatani, Erfinder von Pacman (Kiel 2014, S. 34)

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Abbildung 3-1 Links Spielfigur, rechts Ms. Pacman-Arcade-Automat

Jedoch war der Spielcharakter Pacman schon vom Namen her dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Aus diesem Grund wurde 1982 Ms. Pacman konstruiert, welche eine rote Schleife und rotgeschminkte Lippen erhielt.

Dies war ein typisches Beispiel für einen ‚ distaff counterpart ‘ (deutsch: weibliches Gegenstück), nach welchem ein männlicher Charakter mit stereotypischen Accessoires weiblich wird. Das Problem daran ist, dass der männliche Teil als „normal“ gilt, während der weibliche Charakter „speziell“ ist. Beispiele für distaff counterparts gibt es auch heute noch häufiger in Videospielen. Beispielsweise in der Videospielreihe Mass Effect (2007), in der sich die Spieler das Geschlecht ihres Protagonisten Shepard selbst aussuchen können. In sämtlichen Videospielwerbungen wird aber mit dem männlichen Shepard geworben, obwohl das Spiel mit einem weiblichen Protagonisten geplant wurde (Moviepilot 2015). Wird in Foren über das Spiel diskutiert, so wird immer von „female Shepard“ gesprochen, wenn jemand den weiblichen Shepard spielte. Das normale ist also der männliche Shepard, der weibliche hingegen ist das Spezielle, was abgegrenzt werden muss. Trotz der sexistischen Klischees war Ms. Pacman eine der erste weiblichen Videospielprotagonistinnen und gab VS die Möglichkeit einen weiblichen Charakter zu spielen. Viel häufiger traten weibliche Charaktere in einer anderen Form auf.

3.2 Damsel in Distress

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Abbildung 3-2 Perseus befreit Andromeda.

Die häufigste vorkommende Art von weiblichen Videospielcharakteren ist die ‚Damsel in Distress‘ (deutsch: Jungfrau in Nöten). Diese Form der Heldenerzählung, in welcher der männliche Held die hilflose Frau aus den Händen ihres Peinigers befreien muss, gab es schon bei den alten Griechen. So rettet der griechische Held Perseus die Königstochter Andromeda vor einem Seeungeheuer. Das Motiv der Damsel in Distress ist ein einfaches Mittel, die Spielerin / den Spieler emotional betroffen zu machen und gleichzeitig ein Grund für den Videospielcharakter sich auf die Heldenreise zu begeben.

1981 erschien das sehr populäre Donkey Kong -Arcade Videospiel mit dem bekanntesten Videospielcharakter aller Zeiten - Super Mario. In diesem heißt er noch Jumpman und befreit seine Freundin Pauline aus den Fängen eines riesigen Gorillas namens Donkey Kong. Pauline ruft andauernd um Hilfe, während der Affe Fässer in Richtung Super Mario wirft. Pauline ist dabei absolut hilflos und kann nur von ihrem männlichen Helden aus den Klauen des Affen gerettet werden. In späteren Super Mario-Teilen heißt die Damsel in Distress „Prinzessin Peach“ und wird immer wieder von dem Monster Bowser entführt. Prinzessin Peach wird in ihren Damsel in Distress-Spielen stets nur als hilflos dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass man in vielen Super Mario-Spielen nur männliche Charaktere spielen kann. Nur in zwei Spielen wurde Prinzessin Peach zur Protagonistin.

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Abbildung 3-3 Donkey Kong Automat

Im Videospiel Super Mario Bros. 2 (1988) ist sie eine von vier wählbaren Figuren und kann kurze Zeit fliegen, was in gewissen Leveln von Vorteil sein kann. Hierbei muss aber beachtet werden, dass Super Mario Bros. 2 nur ein Ersatzspiel Nintendos für den westlichen Markt war und eigentlich Yume Kōjō: Doki Panic (1987) heißt. Hier wurde nur das Aussehen der vier Protagonisten durch vier neue Protagonisten aus der Super Mario-Welt übernommen, weshalb sich daraus keine gender-positiven Schlüsse ziehen lassen. Das andere Videospiel Super Princess Peach (2006) ist eine exakte Umkehr zu all den anderen Super Mario-Spielen, weil in diesem Prinzessin Peach Super Mario befreien muss. Leider ist das Spiel voll von gendertypischen Klischees. So hat Peach beispielsweise die „weibliche“ Superfähigkeit so stark zu heulen, dass ihre Gegner Schaden von ihren Tränen erhalten. Das Bild einer starken, eigenständigen Protagonistin zeigt sich dort im Prinzip also gar nicht. Viel mehr wird das Bild von ihr und somit von Frauen in der Super Mario-Welt verstärkt.

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Abbildung 3-4 Prinzessin Peach in Gefangenschaft

Ein weiteres typisches Beispiel ist das Videospiel Double Dragon (1987), in welchem die Damsel in Distress Marian am Anfang niedergeschlagen wird und der VS aufgrund der Kameraposition ihre Unterwäsche sehen kann. Die Videospieler können nun allein oder zu zweit die Brüder Billy und Jimmy spielen, welche am Ende des Videospiels noch gegeneinander kämpfen müssen, da nur der Gewinner das Herz der entführten Marian gewinnt. Im Sequel Double Dragon 2: The Revenge (1988) wird Marian direkt in der ersten Szene erschossen. Soll sie im ersten Teil also die VS noch motivieren diese zu retten, so soll sie im zweiten Teil Rachegefühle gegenüber ihrem Mörder beim VS auslösen.

Im Zombie-Videospiel Resident Evil 4 (2005) bekommt der Protagonist Leon den Auftrag, die entführte Tochter des Präsidenten (die Damsel in Distress) Ashley zu befreien. Ashley ist eine eitle, schöne, naive, junge Frau. Dabei wird Ashley mehrmals entführt und ist manchmal als zu beschützender Nebencharakter mit dem Protagonisten unterwegs. Sie schreit andauernd um Hilfe und, auch wenn sie im Spiel andauernd gefährlichen Situationen trotzt, entwickelt sich ihr Charakter nicht weiter. Sie bleibt super naiv und ist ein großes Hindernis. Die VS empfinden sie als nervig und anstrengend. An einer Stelle des Spiels klettert sie in ihrem Minirock eine Leiter herauf. Versucht der VS ihr dabei unter den Rock zu schauen, so sagt sie „ Leon, you’re pervert.“ oder „Hey, what are you looking at? “. Somit handelt es sich um ein EasterEgg der Entwickler, welche solche sexuellen Handlungen durch eingebaute Sprachnachrichten beim VS belohnen. Zusätzlich ist es auch als Zeichen der sexistischen Kultur innerhalb der Spieleindustrie zu bewerten.

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Abbildung 3-5 Prinzessin Daphne aus Dragon’s Lair (1983)

Die Damsel in Distress ist per se kein schlechtes Storytelling, das Problem ist die Verstärkung von rollenstereotypen Eigenschaften. Im Spiel Beyond Good and Evil (2003) muss Protagonistin Jade ihren männlichen Freund Pey'j befreien. Da Männer stereotypisch nicht als hilflos gelten, werden hier auch keine Rollenbilder verstärkt. Das Problem der Damsel in Distress liegt vielmehr darin, dass es fast ausschließlich weibliche Videospielcharaktere sind. Werden männliche Charaktere in Videospielen eingesperrt, so können sie sich häufig aus eigener Kraft heraus wieder befreien. Beispielsweise findet Fox McCloud aus Star Fox Adventures (2002) direkt einen Geheimgang, wenn er eingesperrt wird. Männliche Charaktere benötigen keine Retterin oder rufen um Hilfe, wenn sie in Gefahr sind.

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Abbildung 3-6 Rechts Elaine aus Monkey Island.

Ein positives Beispiel für eine weibliche Damsel in Distress ist Elaine aus The secret of Monkey Island (1989). Der Held Guybrush möchte sie vor der Zwangshochzeit mit dem Geisterpiraten „Le Chuck“ retten. Als der Held dann die Zeremonie stört, seilt sich Elaine cool von oben ab und meint, dass ihre Flucht sehr leicht gewesen sei und sie keinen Retter bräuchte.

3.3 Sexualisierte Darstellungen von Frauen in Videospielen

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Abbildung 3-7: Die durchschnittliche Sexualisierung von weiblichen Videospielcharakteren. Der Index eines Videospiels kann Werte von 0 (gar nicht sexualisiert) bis 5 (absolut sexualisiert) erhalten.

Teresa Lynch verglich in Sexy, Strong, and Secondary die Sexualisierung von weiblichen Videospielcharakteren in den Jahren 1983 bis 2014. Dafür untersuchten sie 1.527 Videospiele, in welchen es spielbare weibliche Protagonisten gab. Weibliche Videospielcharaktere wurden auf sexualisierte Brust-, Gesäß-, Taillen- und Beinregionen, sowie sexualisierte Bewegungen untersucht und bekamen dafür jeweils einen Punkt, wenn dieser Bereich sexualisiert war (sonst 0 Punkte). Ein Spiel wurde so zwischen 0 und 5 Punkte bewertet. Allgemein lässt sich daraus herleiten, dass weibliche Videospiele seit Ende der 1980er Jahre stark sexualisiert dargestellt wurden und lange einen Durchschnittswert um die 1,7 Punkte hatten, was sehr viel ist, da es sehr leicht ist null Punkte zu erhalten (Lynch et al. 2016).

3.3.1 Beginn der Sexualisierung

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Abbildung 3-8 Lady Bug, das erste Videospiel mit einer weiblichen Protagonistin.

Viele weibliche Videospielcharaktere werden in Videospielen sexualisiert dargestellt. Dies begann bereits in den 1980er Jahren, als Spieleproduzenten entschieden Videospiele auf ein männliches Zielpublikum auszurichten . Lady Bug (1981) gilt als das erste Videospiel mit einer weiblichen Protagonistin. Lady Bug war ein Pacman-Klon, in dem Pacman und die Geister durch scheinbar geschlechtsneutrale Insekten ersetzt wurden. Ausschließlich durch das Spielecover, auf welchem die Lady Bug als Frau in einem sehr kurzen Body dargestellt wird, wurde aus dem geschlechtsneutralen Marienkäfer eine Frau. Im Videospiel Dragon’s Lair (1983) wird die Damsel in Distress Prinzessin Daphne in einem sehr kurzen Kleid mit sehr tiefem Ausschnitt dargestellt. 1985 erscheint das Videospiel Time Gal, welches mit Reike Kirishami das erste Story-basierende Videospiel mit einer weiblichen Protagonistin ist. Genauso wie Dragon’s Lair handelt es sich dabei um einen interaktiven Film, in welchem wir mit Reike durch verschiedene Zeitepochen reisen und Abenteuer erleben. Es handelt sich dabei um einen japanischen Animefilm, bei welchem zum richtigen Zeitpunkt der richtige Knopf gedrückt werden muss. Reike trägt dabei die ganze Zeit nur einen roten Bikini. Typisch für japanische Animefilme, bewegt sie sich manchmal in sexualisierten Posen oder der VS erhält einen Blick auf ihren Schritt.

Im gleichen Jahr erschien das Videospiel Lady Master of Kung Fu (1985), in welchem man eine weibliche Kung Fu Kämpferin spielt. Inzwischen war die Videospiel-Grafik aber so fortgeschritten, dass im Startbildschirm die Meisterin in lasziver Pose zu sehen ist. Dabei trägt sie einen sehr kurzen Kimono und hat sehr große Brüste. Gerade die großen Brüste sind für Japanerinnen äußerst unüblich und eindeutig nur als sexuelle Gefälligkeit für die männliche Spielerschaft zu sehen. Positiv ist zumindest, dass die Protagonistin äußerst stark ist und es mit weiblichen wie mit männlichen Gegnern aufnehmen kann.

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Abbildung 3-9 Lady Master of Kung Fu – Intro-Bildschirm

1986 erschien das sehr erfolgreiche und populäre Videospiel Metroid. In diesem spielt man scheinbar einen Astronauten, welcher auch die ganze Zeit in seinem Anzug bleibt. Schafft man es das Videospiel in unter fünf Stunden durchzuspielen, so erfährt man erstmals, dass es sich bei dem Astronauten um eine Frau namens Samus Aran handelt. Schafft man es sogar in weniger als drei bzw. weniger als einer Stunde, so entledigt sie sich am Ende immer mehr ihrer Kleidung, bis sie am Ende nur noch in einem roten Bikini zu sehen ist. Die Entwickler wollten damit VS belohnen, welche das Videospiel in sehr schneller Zeit durchspielen konnten. Dies lässt darauf schließen, dass sie ihr Videospiel hauptsächlich für ein männliches Zielpublikum entwickelten. Die Videospielreihe Metroid und ihre Protagonistin werden in Kapitel 4.1 noch eingehender weiteranalysiert.

3.3.2 Stripclubs und Sex in Videospielen

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Abbildung 3-10 Stripperin Isabella in Snatcher (1988)

Eine häufige Form, wie Spieleentwickler weibliche Videospielcharaktere mit wenig Kleidung oder nackt in ihr Spiel einbauen, besteht darin den männlichen Helden in einen Stripclub oder ähnliches gehen zu lassen. So wird in Snatcher (1988) die Stripperin Isabella direkt nach ihrer Show von einem Agenten befragt, während sie nur Reizunterwäsche trägt.

Im Egoshooter Duke Nukem 3D (1996) verwandelt sich das Gewehr in einen Dollarschein, wenn man auf eine Stripperin zielt. Gibt man diesen dann der Stripperin, so öffnet sie ihr Oberteil. 17 Jahre später hatte sich in Grand Theft Auto V (2013) nicht viel verändert. Wurden in Duke Nukem die Brustwarzen aus Jugendschutzgründen bedeckt, so wurden nun die Brüste gänzlich dargestellt. In GTA V hat der VS zusätzlich mehr Möglichkeiten mit der Stripperin zu interagieren. Er kann die Kamera und somit die Perspektive verändern. Er kann sie begrapschen und muss dabei in einer Art Geschicklichkeitsspiel darauf aufpassen, dass der Türsteher dabei nicht hinschaut. Wird er dabei erwischt, so endet der „Privat Dance“ sofort. Die Stripperin selbst hingegen hat scheinbar nichts gegen das verbotene Anfassen ihres Körpers. Dies kann im echten Leben zu einer Falsch-Interpretation innerhalb realer Stripclubs führen, in welchem Stripperinnen eben genau vor solchen Übergriffen geschützt werden sollen.

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Abbildung 3-11 links: Duke Nukem 3D (1996) rechts: GTA V (2013)

Dabei ist zu beachten, dass im Allgemeinen nur genau ein weiblicher (perfekter) Körperskin erstellt wird, auf welchem alle weiblichen Figuren zurückgeführt werden. Es werden also nur noch die Hautfarbe, das Gesicht, die Haare und die Kleidung an jeden Charakter individuell angepasst. Dies alles führt zu einer Stilisierung gegenüber Stripclubs, da in Videospielen alle Frauen dort perfekte Körper haben. Die häufige Problematik, dass in solchen Etablissements Menschenhandel betrieben wird und die Frauen nicht dort arbeiten wollen, wird völlig ausgeblendet. Zusätzlich können die Spieler dort ihrem Voyeurismus frönen, da sie sich mit ihrer Spielfigur frei umsehen können.

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Abbildung 3-12 GTA V: Sequenz beim Oralverkehr mit einer Prostituierten aus der Ego-Perspektive

In manchen Videospielen ist es in solchen Lokalitäten oder anderen Orten auch möglich Sex mit einer Prostituierten oder weiblichen Spielfigur zu haben. Mit männlichen Prostituierten, wenn es sie im Spiel überhaupt gibt, ist dies im Allgemeinen nicht möglich. In GTA V (2013) wird Sex teilweise pornographisch und männlich-dominierend dargestellt. Beispielsweise drückt die Spielfigur den Kopf der Prostituierten tiefer in Richtung des Genitals, wenn der Spieler eine Prostituierte für Oralverkehr im Auto bezahlt. GTA V hat in Deutschland eine Altersfreigabe von 18 Jahren erhalten, was bedeutet, dass es sich ausschließlich an Erwachsene richtet bzw. richten würde. Es sollte hier klargestellt werden, dass auch solche pornographischen Elemente durchaus in Videospielen vorkommen dürfen, da es sie auch in manchen Spielfilmen gibt, beispielsweise Lars von Triers „ Nymphomaniac “ von 2013. Das Problem ist viel mehr, dass GTA V ein absolutes Massenpublikum erreichte. Es ist das dritt meist-verkaufte Videospiel aller Zeiten mit 100 Millionen verkauften Einheiten (GameStar 2018).

Sex in Videospielen ist häufig als Belohnung für den männlichen VS gedacht. Diese Belohnung ist manchmal indirekt, beispielsweise im Spiel Witcher 3, in dem der VS weibliche Hauptcharaktere nackt sieht, wenn er mit ihnen schläft. Eine andere indirekte Möglichkeit ist Sex als Belohnung mit dem männlichen Protagonisten. So haben manche Damsel in Distress in Videospielen nach der erfolgreichen Rettung Sex mit dem Protagonisten. Beispielsweise hat der Protagonist in Ride to Hell: Retribution (2013) mit zwei Frauen Sex nachdem er sie gerade gerettet hat. Zusätzlich bekommt der VS bei manchen Videospielen aber auch ein Achievement, also eine Trophäe, wenn er mit Frauen geschlafen hat.

Aber auch direkte spieltechnische Belohnungen gibt es beispielsweise in Sleeping Dogs (2012), da sich nach dem Sex mit einer Prostituierten die Statuswerte des Charakters verbessern. Dieselbe Verbesserung erhält der Protagonist, wenn er sich an einem Getränkeautomaten etwas zu trinken kauft.

3.3.3 Sexualisierte Kleidung und Rüstungen

In Spielen, in denen die Videospieler die Wahl haben, ob sie einen weiblichen oder männlichen Helden steuern können, müssen die Spieleentwickler im Allgemeinen zwei verschiedene Darstellungen derselben Kleidung bzw. Rüstung entwerfen. Dies liegt in erster Linie darin, dass die männlichen Figuren meistens etwas größer und kräftiger dargestellt werden. Die Option kommt sehr häufig in Rollenspielen vor, in welchen ein Charakter individuell zusammengebaut werden kann. In manchen Fällen begründen die Entwickler mit dieser erhöhten Menge an Animationen das gänzliche Fehlen von weiblichen Videospielcharakteren, so beispielsweise in Assassins Creed Unity, was aber als Ausrede zu interpretieren ist (GameStar 2014a).

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Abbildung 3-13 The Exiled Realm of Arborea (2011), in welchem dieselbe Rüstung von zwei Geschlechtern getragen wird. Heavy Metal: F.A.K.K.2 Schwertkampf in Unterwäsche, KI Cortana aus Halo 4, Tales of Vesperia mit Rechtfertigung für den Dress.

Doch viele Spieleentwickler erstellen für weibliche Character-Models sexualisierte Outfits. Im MMORPG The Exiled Realm of Arborea (2011) gibt es beispielsweise eine Rüstung, welche bei männlichen Charakteren einer massiven Fantasy-Ritterrüstung entspricht. Bei weiblichen Charakteren ist dieselbe Rüstung ein sehr kurzer Bikini, welcher sehr viel Haut zeigt und somit auch gänzlich den Sinn einer Rüstung verfehlt. Für die Spielmechanik spielt es allerdings keine Rolle, welches Geschlecht diese Rüstung trägt, da der errechnete Rüstungsschutz der gleiche ist. Die weibliche Form der Rüstung entspricht also nur dem sexualisierten Darstellen von Frauen – ohne dass der VS dadurch benachteiligt wird.

Sexualisierte Outfits und Rüstungen sind allerdings nahezu üblich für weibliche Videospielcharaktere. Die große Sexualisierung von weiblichen Charakteren begann 1996 mit dem großen Erfolg von Tomb Raider, welcher auf Lara Crofts große Brüste zurückgeführt wurde. Die Videospielreihe Dead or Alive (1996) führt das Bouncing Breast -Feature in ihr Spiel ein, was bedeutete, dass die Brüste der Kämpferinnen sich physikalisch übertrieben mitbewegten. Für viele Spieleentwickler waren jetzt eng-anliegende Kleidungsstücke wichtig, welche die sehr großen Brüste der Videospielheldinnen zur Geltung brachten. Julie aus Heavy Metal F.A.K.K.2 (2000) trug bei ihren Kämpfen (sinnloserweise) nur Unterwäsche. Die Künstliche Intelligenz Cortana der Microsoft -Videospielreihe Halo, erhielt in Halo 4 (2012) ein neues Aussehen. Sie trägt fast gar keine Kleidung und nur die Scham und Brustwarzen sind bedeckt. Hier stellt sich allein die Frage, warum eine geschlechtslose künstliche Intelligenz, welche selbst keinen Körper besitzt, so sexualisiert werden muss. Wird sie außerhalb des Spieles in Reviews beschrieben, so ist häufig ihre Sexyness das erste Attribut, was unter anderem in diesem Zitat zum Ausdruck kommt: „ Cortana from the Halo series: Not only is she super sexy artificial [...] she provides him (the Masterchief) with useful information “ (WatchMojo.com 2011). Ihre Intelligenz als KI steht hingegen weniger im Vordergrund.

[...]

Fin de l'extrait de 101 pages

Résumé des informations

Titre
Die Entwicklung weiblicher Videospielcharaktere seit 1981. Die Auswirkungen der Rollenbilder auf Spielerinnen
Université
University of Cologne  (Humanwissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Auteur
Année
2019
Pages
101
N° de catalogue
V461001
ISBN (ebook)
9783668915985
ISBN (Livre)
9783668915992
Langue
allemand
Mots clés
Games, Videospiele, Spielerinnen, Videospielcharaktere, Historie, Chronologie, Gender, Frauenstudien, Sozialwissenschaften, Medienwissenschaften, Medien, Interviews
Citation du texte
Constantin Becker (Auteur), 2019, Die Entwicklung weiblicher Videospielcharaktere seit 1981. Die Auswirkungen der Rollenbilder auf Spielerinnen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461001

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