Der Hürdenläufer - Alles ist möglich

Wie man Burn-out sportlich nimmt


Essay, 2019

188 Seiten, Note: 2,0

Reinhard Komosny (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kindernisse

30 Jahre zum Traumberuf – oder „Kafka für Anfänger“

Das Bein, das man sich selber stellt

TSM – meine Vision und ihre Metamorphosen

Jeder Schmerz hat eine Botschaft

Auch Mitleiden ist Leiden

Daheim im Konflikt

Schwer gestürzt

Comeback

Check, Recheck, Doublecheck: Erkenne dich selbst!

Trotzdem: Warum ich glücklich bin, ich zu sein und das alles noch einmal täte. Nur ein bisschen anders

Kurzbiografie

Danksagung

Vorwort

Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie sich schon gedacht, über Ihr Leben müsste man ein Buch schreiben? Ich habe mich hingesetzt und genau das getan. Die ersten Seiten schrieb ich, um meine eigenen Lebensperspektiven gerade zu rücken, als ich einen solchen Ruck dringend notwendig hatte. Bald habe ich dann erkannt, dass jedes Leben ein Buch mit vielen Autoren ist: Wie es beginnt, haben wir nicht in der Hand. Aber wie sich die Geschichte entwickelt und wie sie letztlich ausgeht – das liegt zu einem guten Teil bei und in uns selbst.

Als dann das letzte Kapitel geschrieben war, habe ich das Buch vom Anfang bis zum Ende durchgelesen und mich gefragt, ob ich es guten Freunden empfehlen würde? Langweilig ist die Geschichte ja nicht: Zu Beginn steht ein schüchterner Bub, der seine Kindheit an der Seite seines behinderten Bruders verbringt, in der Schule überfordert ist, für weniges auffällig talentiert, außer für Sport. Als Teenager trifft er eine aus heutiger Sicht visionäre Berufswahl und hat dann über ein Jahrzehnt lang mit den einbetonierten Geschlechterrollen der damaligen Zeit zu ringen: „Physiotherapie? Ein Mann? Nie! Das ist ein Frauenberuf! Maturazeugnis nur durchschnittlich? Keine Beziehungen und Protektion?“

Trotzdem hat er nie sein Ziel und seine Vision aus den Augen verloren: Er wollte eine hochprofessionelle, komplexe Sportlerbetreuung auf die Beine stellen. 1993 war es dann so weit und er gründete mit seiner damaligen Frau die Firma TSM. Er war hoch motiviert, voller Enthusiasmus und Energie, arbeitete quasi rund um die Uhr, um sein Institut auf Schiene zu bringen. Die Frage, wie er persönlich mit dieser enormen Verantwortung umging, stellte er sich zum damaligen Zeitpunkt nicht. Plötzlich war er Unternehmer und scheiterte fast daran, die individuellen Ansprüche von Partnern und Mitarbeitern mit den wirtschaftlichen und organisatorischen Anfordernissen unter einen Hut zu bringen. Erschwerend hinzukam, dass er immer wieder mit depressiven Phasen zu kämpfen hatte. Aber für die Außenwelt hatte er zu funktionieren. Am Ende stand dann beinahe zwangsläufig die Diagnose „Burn-out“. Gefolgt von einem gelungenen Neuanfang.

Ich habe das erste Manuskript weggeworfen und das Buch noch einmal geschrieben. Warum? Weil man jeden Tag viel zu viel über Krankheit, Unglück und Scheitern liest und hört. Als würde uns das helfen, uns besser zu fühlen! Viel eher sollte man sich doch fragen: Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Was will mir das Leben damit sagen?

Also habe ich beim zweiten Mal die Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählt: Vom Weg zurück aus dem Burn-out in ein gelungenes Leben. Von meinem hart erkämpften Verständnis für alle Hindernisse unterwegs, dem neuen Umgang mit meinen Erfahrungen und von meiner neuen inneren Haltung, die ich auf diesen Weg gefunden habe.

Weil ich ein Leben lang Sportler bin, ist mir das Bild eines Hindernislaufes passend erschienen: Starke Gegner im Nacken, unter ständiger Sturzgefahr, wer sich unter ein Hindernis duckt, statt es zu überspringen, wird disqualifiziert – aber wer die Bahn bewältigt, ist Sieger. Nicht unbedingt oben auf dem Siegerpodest, aber zumindest Sieger über die Schwerkraft.

So entstand ein Buch darüber, wie ich gelernt habe, das Leben mit all seinen Herausforderungen sportlich zu nehmen. Den Rückenwind und die Hindernisse, die Bestzeiten und die Stürze, das Glück und das Unglück, die Freude und den Schmerz.

Mein Weg in das Burn-out und wieder zurück ins Leben ist eine Kette aus vielen Entscheidungen. Ich möchte in den folgenden Kapiteln zeigen, welche Entscheidungen mir geholfen und welche mir geschadet haben. Als Inspiration, als Einladung zum Nachdenken, zum Nachspüren und für einen aktiven Umgang mit Leistungsdruck und privaten und beruflichen Herausforderungen, die uns wohl alle in einer Weise betreffen.

Erwarten Sie bitte trotzdem keine Rezepte: Ihre Hürden sind nicht meine. Laufen müssen wir alle selbst. Ich möchte Ihnen nur Mut machen – zu den ersten Schritten in eine für Sie positive Richtung.

Kindernisse

Vom schwierigen Start aus einem schwierigen Umfeld, von Familie, Sport und Schulen, in denen richtig leben nicht auf dem Lehrplan steht sowie von Programmierungen, die man mühsam löschen muss. Und zwar besser früher als später.

Jeder Mensch macht in seiner Kindheit und Jugend prägende Erfahrungen. Positive wie negative. Das gehört zum Entwicklungsprozess dazu. Mich persönlich haben die negativen über viele Jahre hinweg sehr belastet. Da war immer ein gewisser unguter Beigeschmack, wenn ich an bestimmte Erlebnisse oder Situationen aus meiner Kindheit dachte. Das lag allerdings in erster Linie an mir selbst, weil ich diesen Erfahrungen einen negativen Stempel aufgedrückt hatte. Rückblickend betrachtet haben diese Beurteilungen mein Leben enorm erschwert und waren letztlich einer der Gründe dafür, dass ich im Alter von 40 Jahren ins Burn-out schlitterte. Wobei ich vorausschicken möchte, dass ich insgesamt ein schönes, glückliches, ausgefülltes Leben hatte und habe. Allerdings schaut man leider oft zu viel auf das, was momentan nicht passt, und zu wenig auf jene Dinge, die einem das Leben zum Geschenk macht.

Wie alles begann ...

Ich hatte einen um neun Jahre älteren Bruder, der seit seinem ersten Lebensjahr geistig behindert war. Meine Mutter gab auf Grund dieser Situation ihren geliebten Beruf als Frisörin auf, um sich 100 Prozent um ihn kümmern zu können. Regelmäßig fuhr sie mit ihm zu Prof. Dr. Rett, der damals für Kinder in neurologischer Hinsicht die größte Kapazität auf diesem Gebiet war. Begleitend dazu war mein Bruder lange Zeit in logopädischer Betreuung. Meine Mutter hat es als ihre Lebensaufgabe angesehen, meinen Bruder bis zu dessen Tode im Jahr 2015 bestmöglich zu betreuen. Sie tat dies mit absolutem Perfektionismus. Aus dieser Situation heraus entwickelte sich bei ihr dann über die Jahre eine (nicht diagnostizierte) Depression, die sie sich allerdings nie eingestanden hatte. Der enorm hohe Anspruch, den sie an sich selbst stellte, machte sie krank. Vor allem nach außen hin musste alles perfekt aussehen. Sämtliche Probleme, die sie belasteten, wurden einfach unter den Tisch gekehrt. Klarerweise hatte mein Bruder viel mehr Zuwendung und Betreuung gebraucht als ich. Ich habe einfach funktioniert. Emotional dürfte ich dabei etwas zu kurz gekommen sein. Quasi als Kompensation wurde ich von meinen Eltern mit vielen Geschenken verwöhnt.

Diese ganz spezielle familiäre Konstellation hat dazu geführt, dass ich mich schon sehr früh mit der Frage beschäftigt habe, welche Auswirkungen ein behindertes Familienmitglied auf die übrigen Angehörigen hat. Ich las eine Reihe von Fachbüchern zu diesem Thema. Mein prägender Eindruck war: Ein Behinderter in der Familie bedeutet eine behinderte Familie! Dieser „Glaubenssatz“ war ab diesem Moment meine Wahrheit, ohne Wenn und Aber und wurde wohl auch deshalb sehr oft in meinem Leben bestätigt, weil ich ihn durch meine Gedanken in mein Leben geholt habe. Aber diese „Kettenreaktion“ wurde mir erst viele Jahre später bewusst.

Für mich war es von klein auf völlig klar, dass man auf meinen Bruder Rücksicht nehmen muss. Das tat ich auch gerne. Und ohne dass es mir zum damaligen Zeitpunkt bewusst war, entwickelte ich quasi automatisch von Kindheit an eine überdurchschnittlich hohe Sensibilität. Ungefähr mit 12 Jahren habe ich mich auch ernsthaft mit der Frage zu befassen begonnen, was nach dem Tod meiner Eltern geschehen wird. Für mich gab es damals nur eine Lösung: Ich übernehme die Betreuung meines Bruders. Dass es letztlich anders kam, weil es zum einen sein Gesundheitszustand und zum anderen meine Familiensituation nicht zuließen, konnte ich damals freilich nicht wissen.

„Tatsache war jedenfalls, dass ich bereits als Kind innerlich die Verantwortung für meinen Bruder übernommen und mir hier selbst einen enormen Druck auferlegt habe.“

Mein Vater ist mit der Behinderung meines Bruders lange nicht zurechtgekommen. Er flüchtete sich in die Arbeit, um uns möglichst viele Dinge ermöglichen zu können: Urlaube, Geschenke, Skiausflüge am Wochenende etc. Für sich selbst hatte er kaum Zeit und erst in der Pension intensivierte sich seine Beziehung zu meinem Bruder. Später im Pflegeheim war er dann – bis zu seinem Tod – der Hauptbetreuer meines Bruders.

Diese spezielle Familiensituation äußerte sich bei mir in starker Schüchternheit und Unsicherheit und rief auch jede Menge Minderwertigkeitsgefühle hervor. Einen „gesunden“ Selbstwert habe ich im Grunde nicht wirklich entwickeln können. Als Kompensation wurde ich – innerlich und nach außen hin – immer mehr zum Perfektionisten.

Schulzeit: Die Bestätigung meiner Schwächen

Die Volksschule absolvierte ich in meiner Heimatgemeinde Neulengbach. In den ersten zwei Schulklassen hatte ich eine sehr liebe Lehrerin, was aber nichts daran änderte, dass ich von Anbeginn Angst hatte, zu versagen. Speziell beim Vorlesen und Singen. Sonst war ich ein sehr guter Schüler. Trotzdem wirkte sich das nicht positiv auf mein Selbstwertgefühl aus. In der dritten und vierten Klasse hatte ich dann einen sehr strengen Lehrer namens Ernst. Der Name spricht Bände ... Bei ihm wurde ich noch schüchterner, ängstlicher und unsicherer.

„Meine Schulzeit war von Ängsten, Schüchternheit und eigener Geringschätzung geprägt.“

Kein einfaches Thema war für mich auch der soziale Status. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und speziell gegenüber dem Nachbarsbuben kam ich mir immer dümmer vor. Mit Ausnahme von Turnen und Rechnen war er für mich immer der Bessere und Gescheitere. Seine Eltern waren Lehrer und sein Opa war noch dazu der Direktor unserer Volksschule. Das heizte meine Minderwertigkeitskomplexe noch mehr an. Ich war introvertiert, er extrovertiert und was zusätzlich erschwerend hinzukam: Ich war rothaarig, was damals noch als Makel galt und mir von den Mitschülern, aber vor allem von mir selbst, immer wieder in Erinnerung gerufen wurde.

Obwohl ich – außer beim Sport – ein sehr überschaubares Selbstvertrauen an den Tag legte, hatte ich trotzdem bereits in diesem Alter stets klare und sehr hohe Ziele. Das muss mir irgendwie im Blut liegen. Ein Psychologe analysierte das vor mehr als 20 Jahren einmal so: Ich sei ein Menschentyp, der gegen alle Widerstände seine Ziele mit allerletzter Kraft schafft und danach völlig erschöpft und ausgebrannt ist. Beispiele dieser Art könnte ich reihenweise aufzählen und dazu gehört auch meine damalige Entscheidung, ins Gymnasium zu gehen. Das wurde mir nicht von meinen Eltern ans Herz gelegt, sondern dieser Wunsch kam von mir selbst. Zu diesem Zwecke musste ich damals sogar eine Aufnahmeprüfung machen, die mich viel Energie gekostet hat. Aber ich habe sie geschafft!

„Ängste sind eins, Mut sie zu überwinden die Lösung und der Weg zum Ziel!“

Die Gymnasiumzeit war dann eine große Umstellung für mich. Um 6.30 Uhr ging der Zug nach Wien, das hieß, um 6 Uhr morgens aufstehen. Um 7 Uhr sind wir dann am Westbahnhof angekommen, eine Stunde vor Schulbeginn. Frühestens um 15 Uhr war ich dann wieder zu Hause. Anschließend Mittagessen, Aufgaben erledigen und danach ging es bis 19.30 Uhr zum Schwimmtraining. Nach dem Abendessen musste ich dann – wenn notwendig – noch für bevorstehende Schularbeiten lernen. Spätestens um 22 Uhr war Bettruhe. Und das von Montag bis Samstag.

Ich war ein Durchschnittsschüler mit Schwächen in den Fächern Deutsch, Englisch und Latein. Meine einzige Nachprüfung hatte ich in der 1. Klasse in Englisch, die ich aber Gott sei Dank mit viel Lernen bestanden hatte. An unserer Schule gab es richtig autoritäre Lehrer, vor denen ich mich wirklich gefürchtet habe. Aber 1977 habe ich die Matura bestanden und das Kapitel Gymnasium war somit abgeschlossen.

„Alles in allem war die Schule für mich keine gute Zeit, schon gar nicht, um mich in persönlicher Hinsicht weiterzuentwickeln.“

Aber noch ein Wort zum Thema Selbstzweifel und Selbstwertgefühl. Von Anbeginn meiner Lebensgeschichte nimmt der Sport eine ganz wesentliche Rolle ein. Im Grunde war der Sport die einzige Sache auf der Welt, aus der ich Selbstbewusstsein schöpfen konnte. Doch auch diese Säule kam des Öfteren ins Wanken, was ich in der Folge anhand einiger Beispiele erzählen möchte.

Ich war ein vielseitiges Talent: Schon von klein auf ist mir alles, was mit Bewegung und Sport zu tun hatte, leichtgefallen und hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Skilaufen, Wandern und Schwimmen waren jene Sportarten, die in meiner Familie vorrangig betrieben wurden, wobei ich beim Skifahren am talentiertesten war. Zu dieser Zeit gab es eine Fernsehserie mit einem Skiläufer namens Mario, der auf einem Bergbauernhof wohnt und sogar in die Schule mit den Skiern fährt. Er wurde mein großes Vorbild. Genauso wollte ich sein. Ein erfolgreicher Skirennläufer. Dieses Gefühl hat mich dann viele Jahre begleitet. Da ich allerdings nicht in den Bergen aufgewachsen bin, war diese Leidenschaft leider nur auf Urlaube und Wochenenden beschränkt. Aber der Wunsch an sich war ganz stark vorhanden: Es war mein großer Traum, im Skigymnasium Stams zur Schule zu gehen und Skirennläufer zu werden. Doch zu der Zeit, als dies theoretisch noch möglich gewesen wäre, hatte ich in Neulengbach begonnen in einem Schwimmverein zu trainieren. Meine Eltern meinten, ich sollte mich auf das Gymnasium und aufs Schwimmen konzentrieren. Mein Skirennläufer-Traum war ihnen nicht recht. Ich habe es ihnen nie übelgenommen. Aber mein Traum war geplatzt.

Schwimmen statt Skifahren: eher Alptraum als Traum

Im Grunde begann alles ziemlich vielversprechend. In meiner Heimatgemeinde wurde damals gerade ein neues Schwimmbad und Freizeitzentrum eröffnet und gleichzeitig auch der Schwimmverein SUN (Schwimmunion Neulengbach) gegründet, dem ich bald darauf angehörte. Ich trainierte mit voller Motivation, Einsatz und Spaß. Die Initiatoren (ein Landespolitiker, eine ehemalige Leistungssportlerin und die Gemeinde) wollten in kurzer Zeit den größten und erfolgreichsten Schwimmverein Niederösterreichs hervorbringen. Zu diesem Zwecke wurde ein ungarischer Spitzentrainer (selbst ehemaliger Olympiateilnehmer) engagiert, der dieses Ziel 100 Prozent verfolgte.

Nur Zweitbester: eine meiner Lebenserfahrungen

Der beste Schwimmer war zwei Jahre älter als ich. Er war das Aushängeschild des Vereins. Ich war immer das zweite Rad am Wagen. Bei Wettbewerben vielseitig einsetzbar, aber ohne individuelle Betreuung des Trainers. Kein Lob, keine Anerkennung, keine Wärme. Als einziges Highlight in Erinnerung geblieben ist mir ein Trainingslager in Ungarn, zu dem ich vom ungarischen Nationaltrainer eingeladen wurde. Seiner Meinung nach zählte ich zu den größten Talenten des Vereins. Die persönliche Betreuung und Wertschätzung, die mir in diesen Tagen zuteilwurde, war für mich ein enorm motivierendes Erlebnis. Wir führten auch viele Gespräche und er bestärkte mich darin, dass ich am richtigen Weg sei und alle Chancen hätte, mich auch international etablieren zu können. Er bot mir außerdem an, die ganzen Sommerfreien bei ihm zu trainieren, um für die Staatsmeisterschaften optimal vorbereitet zu sein. Doch für den Verein waren die kleineren Wettkämpfe, bei denen ich in fast allen Disziplinen starten und punkten konnte, wichtiger.

Alles in allem betrieb ich Schwimmen sechs Jahre lang von 1970–1976 als Leistungssport. In dieser Zeit lernte ich leider auch die internen Mechanismen zur Genüge kennen, die sich hinter den Kulissen abspielten. Funktionäre und einflussreiche „Schwimmeltern“ bestimmten das Geschehen maßgeblich mit oder anders formuliert: nicht nachvollziehbare Nominierungen und Entscheidungen führten dazu, dass Enttäuschung und Frust bei mir immer mehr auf der Tagesordnung stand.

„Die Ursache, weshalb ich bei Wettkämpfen oft unter meinen Möglichkeiten blieb, war aus heutiger Sicht Übertraining und Mangel an individueller Betreuung.“

Als ich bei einem großen Wettkampf wieder nicht an die Zeiten herankam, die ich im Training erbrachte, meinten meine Eltern: „Konzentrier dich jetzt mehr auf die Schule, die ist wichtiger!“ Mit diesem Satz war mein Karriereende beschlossene Sache. Was mich besonders schmerzte: Weder vom Verein noch vonseiten der Kollegen gab es Reaktionen auf meine Entscheidung. Aber wie so oft in meinem Leben, hatte auch diese bittere Erfahrung etwas Positives: Auf Grund der schlechten persönlichen Rundumbetreuung habe ich schon damals mein Berufsziel gefasst: Ich will in der Sportbetreuung arbeiten und anderen Sportlern bessere Voraussetzungen bieten, als ich es erlebt habe. Denn die Betreuung von Sportlern ist eine höchst individuelle Sache. Man braucht viel Einfühlungsvermögen, fundiertes berufliches Know-how und jede Menge Liebe zum Sport. Im Grunde entwickelte ich ab diesem Zeitpunkt Schritt für Schritt meine berufliche Vision.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: https://www.flickr.com/photos/horst_bulla_dichter_autor/29447276595

Mit dem Ende meiner Schwimmkarriere tat sich plötzlich durch Freunde eine andere Sportart, nämlich Fußball auf. Ich begann mit 15 Jahren in der Junioren-Liga zu spielen und wir wurden sofort Landesmeister. Wir waren eine eingeschweißte Freundesgruppe und ein super Team. Auf Grund meines Talents wurde dann allerdings der Betreuer der Kampfmannschaft rasch auf mich aufmerksam. Noch im selben Jahr kam ich in den Kader und gleich im ersten Spiel gelang mir ein unglaubliches Tor. Trotzdem fühlte ich mich in der Mannschaft unter lauter Erwachsenen nicht wohl. Ich vermisste den Teamgeist meiner Freunde und den Spaß, den wir beim Trainieren hatten. Hinzu kam: Mir wurde sehr bald klar, dass ich für diesen Sport zu sensibel war. Manch ein Verteidiger machte mir durch Aussagen wie „Wennst die noch a Mal zu mir zuwe traust, dann hau i dir deine Haxn ab“ richtig Angst.

Was genau der Anlass war, dass ich dann relativ abrupt mit Fußball aufgehört habe, weiß ich nicht mehr. Es war jedenfalls eine richtige Entscheidung und führte mich nahtlos zur nächsten und weitaus weniger körperbetonten Sportart: zu Tennis. Zuerst als Zuseher, dann aktiv auf Vereinsebene. Während meines Studiums machte ich dann eine Tennisausbildung und begann in meinem Heimatort Trainerstunden zu geben. Zum Missfallen der Meisterschaftsspieler, die gemeint haben, dass ich hierfür zu schlecht sei. Es stimmt: Ich war zwar kein Wettkampfspieler, aber dies ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt eine erforderliche Voraussetzung, um Freizeitspielern Tennis zu lernen. Jedenfalls ergab es sich, dass ich den ganzen Sommer über in verschiedenen Vereinen unterrichtete. Dabei lernte ich auch etwas Entscheidendes über mich selbst: Es ging mir gut von der Hand, anderen etwas beizubringen und sie in ihrer körperlichen, mentalen und sportlichen Entwicklung zu fördern.

Im Gegensatz dazu hatte ich selbst – ebenso wie beim Schwimmen – mit dem „Phänomen“ zu kämpfen, dass ich mein spielerisches Niveau, das ich im Training zeigte, im Wettkampf nicht umzusetzen konnte. Das ist auch ein Grund, weshalb ich in den letzten Jahren so hineingekippt bin in diesen Sport. „Trainingsweltmeister“ zu sein ist zwar schön und gut, aber ich wollte endlich auch im Match meine Leistung bringen! Letztlich fand ich eine Tennisakademie, wo ich mich gut betreut fühlte. Ich war damals schon 55 Jahre alt, aber die Trainer der Better-Tennis-Academy gaben mir das Vertrauen und die Motivation, dass man sich in jedem Alter technisch, spielerisch und mental verbessern kann. Und so war es auch! Parallel zu Tennis spielte ich übrigens u.a. auch Faustball, war in der Mannschaft der militärischen Fünfkämpfer, trainierte in einem Rad-Club (Rennrad, Mountainbiking), erprobte mich im Surfen und absolvierte intensives Lauftraining.

„Fazit aus all diesen persönlichen sportlichen Erfahrungen: Für den Einzelsport bzw. als Gesundheitsbetreuer bin ich am besten geeignet!“

Für mich ist der Sport auch immer ein Spiegelbild fürs Leben. Gerade im Tennis sehe ich da sehr viele Parallelen: Kämpfen, Rennen, nicht aufzugeben, bis der letzte Punkt gespielt ist, das zählt sicherlich zu meinen stärksten Qualitäten. Ich denke, dass es mir – spät aber doch! – doch noch gelungen ist, den Schritt vom Hobbyspieler zum „Seniorenprofi“ zu schaffen, hat zu einem guten Teil mit meiner jetzigen mentalen Verfassung zu tun, die sich doch sehr von früher unterscheidet. In meinen Krisenjahren habe ich mit Mentaltraining und Bewusstseinstraining begonnen. Das war und ist für mich wie eine Offenbarung und hilft mir nicht nur im Alltag, sondern eben auch im Sport ganz enorm.

Im Zuge des Mentaltrainings habe ich auch gelernt, meine negativen Glaubenssätze und Programmierungen, die ich von Kindheit an unbewusst mitgeschleppt habe, neu zu überdenken bzw. umzuprogrammieren. Diese negativen Glaubenssätze verfolgten mich über viele Jahre hindurch. Im Kindesalter ist man stark geprägt durch Erziehung und Elternhaus, später wird man von Kindergarten, Schule, Medien, Sport, Fernsehen etc. geprägt. Doch im Erwachsenenalter sollten wir diese unbewussten Programmierungen näher anschauen und – falls sie uns nicht guttun – umprogrammieren. Denn: Ich selbst bin für mein Leben und Wohlbefinden verantwortlich! Kein anderer kann das für mich tun, auch wenn man sich das manchmal vielleicht wünschen würde.

„Mich hat das Leben gelehrt, dass jede auch noch so unangenehme Lebenssituation oder Erfahrung mich in meinem Denken und Handeln letztlich weiterentwickelt hat.“

Immer wiederkehrende ähnliche Situationen, die von Mal zu Mal in immer unangenehmerer Weise auf mich zukamen, zeigten mir an, dass ich in meinem Leben etwas verändern musste. Sich gedanklich mit dieser Tatsache zu befassen, sich diese Dinge bewusst zu machen, ist der Anfang. Das Handeln ist dann der nächste Schritt. Sich von negativen Glaubenssätzen zu befreien kann in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Schritt in eine positive Richtung sein. Denn in unserem Unterbewusstsein sind unsere Glaubenssätze – auch die negativen! – ungefiltert gespeichert und haben Einfluss auf unser Verhalten und in weiterer Folge auch auf unsere gesundheitliche Konstitution. In meinem Fall waren das z.B. Sätze wie:

„Ich habe Angst vor Prüfungen.“

„Ich kann nicht singen.“

„Ich habe Angst vor der Gruppe zu sprechen.“

„Ich bin nicht so gescheit.“

„Den Anderen fallen gewisse Dinge viel leichter als mir.“

„Ich lebe in einer behinderten Familie.“

„Wir sind eine Arbeiterfamilie.“

„Mein Sport ist mein Selbstwert.“

usw.

Die Folge davon war, dass das sogenannte „Gesetz der Resonanz“ zu wirken begann. Das heißt, dasjenige, worauf man seine Aufmerksamkeit lenkt, wird im Leben plötzlich an Bedeutung gewinnen. Wenn man sich beispielsweise mit dem Gedanken befasst, sich ein neues Auto zu kaufen, wird man rasch feststellen, dass man das favorisierte Modell plötzlich laufend auf der Straße sieht. Mit anderen Worten: Die Aufmerksamkeit ist geschärft und plötzlich fällt der Blick dann zusätzlich z.B. auf einen Zeitungsartikel oder Werbeeinschaltungen, die einem in seinem Vorhaben bestärken. Kurzum: Dasjenige worauf wir innerlich den Fokus legen, wird im Außen präsent.

Gesetz: „Wie innen, so außen“

Was ich lange Zeit nicht gewusst habe: Glaubenssätze sind jederzeit veränderbar! Indem man immer wieder dazulernt, sich neues Wissen aneignet, bildet man gleichzeitig auch neue Glaubenssätze. Natürlich geht diese Entwicklung nicht von heute auf morgen. Auch neue Glaubenssätze müssen erst richtig verinnerlicht und immer wieder wiederholt werden. Aber mit der Zeit wird sich das eigene Verhalten und in der Folge die Resonanz im Außen verändern. Denn wie heißt es so trefflich? „Nichts ändert sich, außer wir ändern uns.“

„Nehmen Sie sich einmal Zeit und Setzen Sie sich einmal in Ruhe hin und überdenken Sie die wichtigsten Programmierungen und Glaubenssätze, die Sie ein Leben lang begleiten. Fragen Sie sich: Tun sie mir gut? Sind sie überhaupt noch aktuell? Passen sie zu meinem Leben? Unterstützen sie mich auf positive Weise?“

Die Grundvoraussetzung für die persönliche, positive Weiterentwicklung ist meiner Erfahrung nach eine Schärfung der eigenen Bewusstheit – frei nach dem Motto: „Erkenne dich selbst!“ Aber ehe ich mit diesen Gedanken weiter in die Tiefe gehe, möchte ich im folgenden Kapitel kurz auf meinen persönlichen beruflichen Hürdenlauf eingehen, was ich daraus gelernt habe und was vielleicht auch für Ihr Leben von Interesse sein könnte.

30 Jahre zum Traumberuf – oder „Kafka für Anfänger“

Von einem Ausbildungsweg, der eigentlich drei Jahre dauert, aber letztlich Jahrzehnte bis zum Abschluss brauchte.

Schon mit 15 Jahren war mir klar, welchen Berufsweg ich einschlagen würde: Ich wollte als Sportphysiotherapeut in der Sportlerbetreuung arbeiten. Ausschlaggebend dafür war die mangelnde Rundumbetreuung, die ich im Rahmen meines eigenen sportlichen Werdegangs erfahren hatte. Nach der Matura ging ich also zur Akademie für Assistenten für physikalische Medizin (heute Fachholschule für Physiotherapie), um mich für diese Ausbildung anzumelden. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich freilich nicht ahnen, dass dies der Beginn eines letztendlich 30-jährigen bürokratischen Hürdenlaufes war ... Wie es dazu kam und welche kafkaesken Episoden ich auf meinem Weg zum Traumberuf erlebte, möchte ich in der Folge erzählen.

Da stand ich also, 19 Jahre jung und voller Tatendrang, um mich an der Akademie anzumelden. Wir schrieben das Jahr 1977. Damals war Physiotherapie ein Berufsfeld, in dem in erster Linie Frauen tätig waren. Entsprechend groß war die Verwunderung, dass sich nun plötzlich ein Mann für diese Ausbildung interessierte. Erschwerend kam die Tatsache hinzu, dass mein Maturazeugnis nur Durchschnitt war und noch erschwerender, dass mir Beziehungen, Protektion und Seilschaften fehlten, die sich bei den Anmeldungsformalitäten vielleicht positiv ausgewirkt hätten. Stattdessen hörte ich bloß den Satz:

„Durchschnittliches Maturazeugnis, Kein Vitamin B und männlich? Was glauben Sie denn? Tut uns leid, versuchen Sie es nächstes Jahr wieder ...“

So lange konnte und wollte ich aber nicht warten. Um mein Berufsziel trotzdem nicht aus den Augen zu verlieren, entschloss ich mich, einen Umweg zu gehen. Ich fasste den Plan, zunächst einmal als Sportbetreuer bei der Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS) zu arbeiten. Grundvoraussetzung hierfür war allerdings die Berufsoffiziersausbildung abzuschließen. Also leistete ich zunächst den Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer in Mautern ab und meldete mich – was ebenfalls notwendig war – EF (Ein Jahr freiwillig). Anschließend stand ein dreimonatiges Vorbereitungssemester an der MILAK (Militärakademie) in Wiener Neustadt am Programm, um dann in die Offiziersausbildung einsteigen zu können.

Doch soweit kam es nicht. Denn im dritten Monat des Vorbereitungssemesters meldete ich mich ab und kehrte zur Stammkaserne zurück, wo ich als militärischer Fünfkämpfer den Rest der Ausbildungszeit verbrachte. Meine Beweggründe für diesen Schritt würden den Rahmen dieses Buches sprengen, nur so viel: Sinnlose Schikanen, gesundheitlich grenzwertige Aktionen und interne Anfeindungen gaben den Anstoß für diese Entscheidung. Wobei ich dazusagen muss, dass ich bei allen Dingen, die mit körperlicher Leistung zu tun hatten, der Beste meines Jahrgangs war. Dies war aber eher ein Nachteil als ein Vorteil. Denn wenn man auch besser ist als seine Ausbildner kann einem das zum Verhängnis werden. Zusätzliche Schikanen standen an der Tagesordnung und man wollte mir im Gegenzug deutlich machen, wo meine Schwächen liegen: Nämlich im psychischen Bereich. Immer wieder bekam ich die unangenehmsten Aufgaben zugeteilt. Der krönende Höhepunkt war ein 70-km-Nachtorientierungsmarsch. Natürlich wurde ich als Gruppenkommandant von 12 Soldaten eingeteilt. Diese Erfahrung war an Schikanen und Grenzwertigkeiten kaum zu überbieten und gab letztlich den Ausschlag dafür, dass ich mich von der Offiziersausbildung abmeldete.

Nun stand allerdings abermals die Frage im Raum, wie es nun weitergehen sollte? Ich gab mir einen Ruck und versuchte zum zweiten Mal, mich bei der Akademie für Assistenten für physikalische Medizin anzumelden. Doch wie im Jahr zuvor hörte ich bloß den Satz, dass man als Mann mit durchschnittlichem Maturazeugnis in diesem frauendominierten Beruf keine Chance hat. Hinter vorgehaltener Hand ließ mich die zuständige Dame nun auch unverblümt wissen, dass Protektion eine weitere „Aufnahmebedingung“ sei. Kurzum: Ich bekam wieder keine Chance meinen Traumberuf zu lernen, und die aufmunternden Worte: „Probieren Sie es doch wieder im nächsten Jahr!“, waren alles andere als ein Trost.

Als Notlösung entschloss ich mich daraufhin an der Universität Wien Sport und Geographie als Lehramtsstudium zu beginnen. Ich wusste zwar von Anfang an, dass ich nicht Lehrer werden wollte, aber den Studienzweig Sportwissenschaften gab es im Jahr 1978 noch nicht. Erst ein Jahr später konnte ich auf dieses neue Studium mit der Fächerkombination Rehabilitation und Prävention umsatteln. Ich war einer der Ersten, die dieses Studium begannen. Die Berufschancen schienen sehr gut zu sein. In einer Broschüre wurden uns seitenweise Arbeitsmöglichkeiten aufgelistet, u.a. in Verbänden und Vereinen, in Gesundheitseinrichtungen, im Behindertenbereich, im Tourismus usw.

„Ich war Feuer und Flamme: der akademische Physiotherapeut. Das wäre es gewesen!“

Doch es sollte anders kommen. Im Laufe des ersten Studienabschnitts wurde auf Grund von Interventionen der Ärztekammer und des Physiotherapeutenverbands der Kompetenzbereich auf Prävention und Rekreation verändert. Das hatte für die Praxis gravierende Auswirkungen: Man durfte somit nur „Gesunde“ betreuen, aber nicht am Patienten arbeiten. So ist mein persönliches Berufsziel wieder in weite Ferne gerückt. Abermals war Umdenken angesagt. Es war ein endloser Kampf ... Um mit Patienten arbeiten zu können, machte ich dann parallel zu meinem Studium die Heilmasseur- und Heilbademeisterausbildung am Wiener Wilhelminenspital sowie einige andere Fortbildungstätigkeiten im physiotherapeutischen und sportphysiotherapeutischen Bereich.

Da ich nach Studienabschluss (1985) als Sportwissenschaftler keine Arbeit fand (40 Bewerbungen – 40 Absagen) war ich allerdings wieder gezwungen einen Umweg zu gehen. Ich begann im Wilhelminenspital als Heilmasseur zu arbeiten und bekam gleichzeitig die Chance im physikalischen Institut als freiberuflicher Mitarbeiter im wissenschaftlichen Bereich tätig zu sein. Gemeinsam mit meinem Chef war ich am Aufbau einer Sportambulanz inklusive Sportlerbetreuung beteiligt. Das war eine total interessante Aufgabe! Nach eineinhalb Jahren hatten wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, allerdings haperte es dann mit der Umsetzung. Abgesehen von meiner Eigeninitiative im Bereich Handball kamen keine anderen Kooperationen zustande. Dies war auch der Grund, weshalb ich dann nach fast drei Jahren im Wilhelminenspital kündigte und 1988 den Schritt in die Selbständigkeit wagte.

„Und schon wartete die nächste Hürde auf mich!“

Denn welche (bürokratischen) Steine mir in den Weg gelegt wurden, bis ich endlich meine Zusatzausbildung zum gewerblichen Masseur abschließen konnte, war abermals ein kafkaeskes Unterfangen ersten Ranges. Und das bringt mich zu einem Thema, das mir wichtig erscheint, kurz angesprochen zu werden: Nämlich das stark ausgeprägte Konkurrenzdenken vonseiten des Physiotherapeutenverbandes gegenüber allen anderen angrenzenden Berufen (Masseuren, Sportwissenschaftlern, Ärzten etc.). Dieser seit jeher bestehende Konkurrenzkampf geht meiner Ansicht nach oft auf Kosten des Patienten. Wenngleich sich die Situation in Teilbereichen mittlerweile etwas verbessert hat, sehe ich hier immer noch genügend „Luft nach oben“.

„Das Motto sollte lauten: konstruktive Zusammenarbeit anstelle von Konkurrenzdenken!“

Meiner Ansicht nach sollten die Schnittstellen zwischen diesen einzelnen Berufsgruppen als Motor der Zusammenarbeit dienen im Dienste des Patienten. Meiner Erfahrung nach erzielt man die besten Ergebnisse, wenn eine Kombination der verschiedensten Therapie- und Trainingsmaßnahmen auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt werden.

„Ich vergleiche unseren Job gerne mit einem Koch, der seine Gewürze frei nach Gefühl wählt. Das Endergebnis muss dem Gast schmecken bzw. unsere Therapie sollte dem Patienten Schmerzfreiheit, Wohlbefinden, Selbstvertrauen, Veränderung, Bewusstheit und Verständnis für die Ursache seines Problems bringen. So kann er Selbstverantwortung für sich und die Ursache seines Problems übernehmen.“

Im Zuge dieses Prozesses haben Masseure, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler und Ärzte ihren jeweiligen Anteil zu leisten. Man sollte gemeinsam an einem Strang ziehen und nicht Eigeninteressen den Vorrang geben! Diese nach allen Seiten hin offene Philosophie war auch die Basis für die Gründung von TSM im Jahr 1993. Auf Grund meiner bisweilen absurden Erfahrungen, die ich während meines Ausbildungsweges gesammelt habe, setzte ich alles daran, meine Vision eines gemeinsamen Großen und Ganzen vorzuleben. Und plötzlich tat sich auch ein Fenster auf, doch noch meine ersehnte Berufsausbildung als Physiotherapeut abzuschließen. Auf Grund meiner intensiven Fortbildungstätigkeit, meines Studiums, meiner beiden Masseurausbildungen sowie meiner dreijährigen Tätigkeit im Wilhelminenspital erwirkte ich im Jahr 1994 die Zulassung zu einer komprimierten Physiotherapie-Ausbildung in Deutschland.

Bei der Anmeldung wurde mir versichert, dass ich nach Beendigung dieser Ausbildung sofort in Österreich offiziell als Physiotherapeut zu arbeiten beginnen könne und auch die Abrechnungsmodalitäten mit den Krankenkassen problemlos möglich sein würden. In der Praxis sah das dann allerdings ganz anders aus ... Aufgrund unzähliger bürokratischer Hürden dauerte es letztlich zehn (!) Jahre, bis ich in Österreich die Anerkennung meiner in Deutschland abgelegten Physiotherapieausbildung erwirken konnte. Konkret klappte es erst im Jahr 2007 mit der Nostrifikation. Diese zehn Jahre waren ausgesprochen hart für mich und brachten unser Projekt TSM phasenweise gehörig ins Wanken.

„Es war ein kafkaesker Hürdenlauf zu meinem Traumberuf und ich weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, bürokratischen Mächten ausgeliefert zu sein. All das kostete mich enorm viel Energie und Kraft.“

Erst im 40. Lebensjahr, als ich ganz am Boden war, verstand ich wofür dieser Hürdenlauf notwendig war: Ich musste wachgerüttelt werden, um etwas in meinem Leben und Handeln zu verändern. Mittlerweile sind 20 Jahre vergangen und ich denke, ich bin auf einem guten Weg. Ich habe viele Lernprozesse und Veränderungen hinter mir. In therapeutischer Hinsicht hat sich meine Philosophie hingegen nicht verändert: Der Mensch, der Patient, in seiner Gesamtheit als vielschichtiges Wesen steht nach wie vor für mich im Vordergrund und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit Fachleuten aus verschiedenen Gesundheitsberufen die Grundvoraussetzung für den gemeinsamen Erfolg ist. Von daher sehe ich mich nicht als Einzelkämpfer, zumal man alleine im Gesundheitswesen nichts verändern kann, sondern vielmehr als Motivator, dass diese Philosophie in Zukunft alte Denkmuster mehr und mehr ablösen möge.

Das Bein, das man sich selber stellt

Perfektionismus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.topos-online.at/html-texte/der-perfektionismus.htm

Wie man mit Perfektionismus richtig gut wird – und warum man dabei sein Leben zerstören kann.

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie streben nach der perfekten Karriere, der perfekten Partnerschaft, nach der optimalen Fitness, nach bestmöglichem Aussehen? Dann wissen Sie, dass es sehr anstrengend und kräfteraubend sein kann, wenn man in seinem Leben alles perfekt machen will. Ich habe diesen Hang zum Perfektionismus seit meiner Kindheit. Entstanden ist er aus der Erfahrung, dass ich nur dann Zuwendung und Anerkennung fand, wenn ich eine tolle Leistung erbrachte. Zumindest war dies mein Eindruck, der sicherlich mit meinem geringen Selbstwertgefühl in Verbindung stand. Ich hatte das Gefühl, dass ich von meiner Außenwelt nur dann entsprechend wahrgenommen werde, wenn ich nach außen hin möglichst makellos und perfekt bin.

Diese Haltung habe ich später dann auch von meinem unmittelbaren Umfeld erwartet – sowohl in privater wie in beruflicher Hinsicht. Wie zuvor angesprochen, halte ich es für ganz wesentlich, dass man Fachleute aus angrenzenden Berufsgruppen in den Therapieprozess miteinbezieht. Und genau das war in Hinblick auf meine perfektionistische Grundeinstellung keine leichte Übung. Denn denselben 100 prozentigen (oder 120 prozentigen!) Einsatz, den ich von mir selbst fordere, erwartete ich auch von meinen Mitarbeitern. Und jede Abweichung von meiner Detailbesessenheit bedeutete für mich Stress pur.

„Handschlagqualität ist etwas, das ich ungemein schätze und von meinem Mentor Johann Mayerhofer übernommen habe. Dass heute – meiner Erfahrung nach – sehr wenige Menschen diese Qualität leben und wertschätzen, musste ich immer wieder erfahren.“

Es war über viele Jahre hinweg ein innerlicher Hürdenlauf, bis ich zu der Erkenntnis gelangte, dass man andere Menschen nicht mit den eigenen Maßstäben messen darf. Mein Perfektionismus ist Teil meiner Persönlichkeitsstruktur, ein anderer Mensch hat eine andere Prioritäten- und Werteskala. Man muss einfach erkennen, dass wir alle unterschiedlich strukturiert sind, und es nur wenige gibt (in der Regel etwa 10 Prozent), die in ähnlicher Weise denken und handeln wie man selbst.

„Das Paretoprinzip1 besagt, dass sich viele Aufgaben mit 20 Prozent des Gesamteinsatzes erledigen lassen, sodass 80 Prozent der mit einer Aufgabe einhergehenden Anfordernisse gelöst sind. Für die letzten 20 Prozent benötigt man 80 Prozent seiner Kräfte. Fazit: Perfektionismus ist oftmals völlig ineffizient! 80 Prozent sind auch ein gutes Ergebnis und vor allem gesund!“

Irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich einsehen musste, dass ich mich selbst kaputt mache, wenn ich nicht beginne, an meiner Einstellung zu arbeiten. Auf Grund meiner Lebensgeschichte weiß ich auch, dass zu viel Perfektionismus einer Sache oft nicht dienlich ist, zumal man dabei den Blick aufs Wesentliche verliert. Bildhaft gesprochen fährt man – völlig fokussiert auf das Ziel gerichtet – stur auf der Autobahn und bekommt links und rechts nichts von der Schönheit der Landschaft mit. Man ist zu verbissen und übersieht dabei manchmal Angebote, die das Leben für einen bereithalten würde.

Ich habe mit den Jahren gelernt, gewisse Dinge ein wenig „sanfter“ anzugehen. Auf der einen Seite meine hohen Ansprüche zu wahren, mein Bestes zu geben und gleichzeitig etwas lockerer zu werden gerade in Hinblick auf meine Erwartungshaltung anderen gegenüber. Früher war ich sehr enttäuscht, wenn Partner ihre selbst gesteckten Ziele nicht umsetzten, heute sehe ich es anders. Ich habe mich einfach getäuscht! Wenn 80 Prozent meiner Erwartungen erfüllt werden, bin ich zufrieden.

„Natürlich gibt es Bereiche in der Arbeit, wo auch kleinste Abstriche nicht akzeptabel sind, aber im Großen und Ganzen habe ich gelernt, meinen Perfektionismus ein wenig zu relativieren. Ich selbst habe es in der Hand, wie ich mit einer Situation umgehe bzw. welche Konsequenzen ich daraus ziehe.“

Es ist immer möglich, das Gleis des Denkens zu wechseln! Wenn Schmerz da ist, dann ist Freude möglich, wenn Armut da ist, ist Reichtum möglich. Nichts ist auf Dauer. Muster, Neigungen, Ängste oder Schwierigkeiten haben irgendwann angefangen. Was angefangen hat, ist endlich! Und kann sich ändern – oder besser gesagt: Das kann ICH ändern!

Es ist kein Geheimnis, dass das Streben nach zu hoher Perfektion zu körperlicher Anspannung und innerer Unruhe führt. Zu großer Perfektionismus hat auch Auswirkungen auf unsere Gefühlslage: Wir haben ständig Angst zu versagen, sind frustriert und deprimiert, wenn wir nicht das Optimum unserer Ziele erreichen. Dabei ist Perfektionismus an sich keinesfalls etwas Schlechtes. Es gibt viele Berufe und Lebenslagen, in denen man nur dann vorankommen kann, wenn man höchste Qualitätsansprüche hat.

„Mein Lernprozess war, trotz hoher Ansprüche mit Unvollkommenheiten, Fehlern und Niederlagen umgehen und leben zu lernen. Ohne dabei ständig unter Strom zu stehen. Denn diese Haltung brennt einen im wahrsten Sinne des Wortes aus.“

Sensibel – sehr sensibel – hochsensibel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Pinterest.at

Wenn Sie perfektionistisch veranlagt sind und gleichzeitig zur Kategorie hochsensibler Menschen zählen, haben Sie einerseits allerbeste Voraussetzungen, überdurchschnittlich gute berufliche Leistungen zu erbringen, andererseits allerbeste „Chancen“ sich physisch und mental zu überfordern. Es stellt sich die Frage: Bin ich in der Lage, diese Fähigkeiten in gesundem Maße auszu schöpfen oder lasse ich mich von diesem Wesenszug er schöpfen? Dass ich eine überdurchschnittlich hoch ausgeprägte Sensibilität habe, wurde mir sehr früh bewusst.

„Hohe Sensibilität war von jeher mein täglicher Begleiter. Der Umgang damit ist entscheidend! Abgrenzung ist lebenswichtig!“

Der folgende Test gab für mich den Anstoß, dass ich mich vermehrt mit dem Thema Hochsensibilität beschäftigte.

Hochsensibilitäts-Check:

- Ein Einkaufsbummel in der Stadt scheint für mich anstrengender zu sein als für andere.
- Gewaltszenen im Kino oder Fernsehen scheinen mich tiefer zu beeindrucken als andere.
- Soziale Ungerechtigkeit beeindruckt mich so stark, als wäre ich selbst betroffen.
- Ich bin deutlich schreckhafter als andere.
- Komme ich neu in einen Laden, fühle ich mich schnell von all den Eindrücken überwältigt und brauche etwas länger als andere um mich zu orientieren.
- Ich reagiere deutlich empfindlicher auf Kritik, Beschuldigungen, Ungerechtigkeiten als andere Menschen.
- Reisen scheint mich mehr anzustrengen als andere.
- Der Kontakt mit anderen Menschen laugt mich manchmal aus.
- Oft gehen mir selbst kleine Dinge nah, die andere oder ich selbst gesagt haben.
- Manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich auch das hören, was andere nicht sagen.
- Oft geht mir nahe, dass ich etwas unterlassen oder nicht gut genug gemacht habe.
- Ich spüre genau, wie es anderen geht.
- Ich fühle mich häufig missverstanden, weil ich offenbar mehr und andere Dinge wahrnehme als andere. Manchmal fühle ich mich aus diesem Grund auch sehr allein.
- Großen Menschenansammlungen weiche ich am liebsten aus.
- Als Kind war ich tief erschrocken, wenn der Lehrer mit meinem Mitschüler schimpfte. Ich fühlte mich so, als hätte er mit mir geschimpft, obwohl ich gar nicht beteiligt oder gemeint war.
- Wenn Konflikte und Streit in der Luft hängen, spüre ich das beinahe körperlich – auch wenn ich von der Spannung selbst gar nicht betroffen bin.
- Die Stimmungen anderer Menschen beeindrucken mich unnötig stark.
- Wenn zu viel Unruhe herrscht, reagiere ich gereizt, fahrig, mit Stress oder körperlichen/emotionalen Symptomen.
- Ich brauche viel Rückzug und Ruhe.
- Harmonie ist mir wichtig, sonst leide ich unter der Atmosphäre.
- Konfliktsituationen weiche ich am liebsten aus. Wenn ich mich eigentlich behaupten sollte, reagiere ich eher mit Rückzug, obwohl ich mich dann darüber ärgere.
- Es gelingt mir eher für die Rechte andere oder die Ansprüche der Allgemeinheit einzutreten als für meine eigenen Interessen.
- Ich bin ein guter Zuhörer und kann mich gut einfühlen und andere wieder aufbauen, wenn sie Probleme haben.

22 von 23 dieser Feststellungen beantwortete ich damals mit JA. Es war somit eindeutig: Ich zähle zur Kategorie hochsensibel. Vielleicht interessiert Sie dieser Test ja auch? Wenn von den 23 Aussagen zumindest die Hälfte davon auch für Sie zutreffend ist, dann dürften Sie ebenfalls zur Kategorie hochsensibler Menschen gehören. Mir persönlich tat dieses Wissen gut. So konnte ich Strategien entwickeln mit dieser Persönlichkeitsstruktur besser umzugehen und diese Wesensart auch teilweise zu verändern. Bis zu diesem Test wusste ich zwar, dass ich sehr sensibel bin, dass es mein Leben immer wieder erschwert, mehr aber nicht.

„Ca. 15–20 Prozent der Bevölkerung sind hochsensible Menschen.“

Was macht es so schwierig, Hochsensibilität für sein Leben zu nutzen?

Prinzipiell sehe ich Hochsensibilität als Begabung und keinesfalls als Makel. Die sogenannte Empfindlichkeit bzw. Empfindsamkeit ist zumeist eine erworbene Sensibilität, die viele Ursachen haben kann. In meinem Fall steht diese Hochsensibilität sicherlich in Verbindung mit meinem Bruder und andererseits wurde sie auch von meiner Mutter vorgelebt. Obgleich Hochsensibilität eine Gabe ist, stellt sich die Frage, wieso es dann so schwierig ist, diese für sein Leben zu nutzen? Meiner Einschätzung nach liegt das daran, dass man nicht gelernt hat, in adäquater Form damit umzugehen.

Hochsensible Menschen nehmen mehr Reize auf als andere, ihre Wahrnehmung ist feiner, intensiver und differenzierter. Wenn man lernt, dies als Begabung zu sehen, wird einem gleichzeitig bewusst, dass man damit für die Gesellschaft einen wertvollen Beitrag leisten kann. Mir ist es immer besser gelungen, diesen Weg zu gehen. Doch es war ein harter langer Weg. Zuerst unterdrückt man seine Hochsensibilität, versucht sich anderen anzupassen, um dazuzugehören und geliebt zu werden. Gleichzeitig habe ich aber sehr genau registriert, was andere sagten oder sich insgeheim dachten bzw. was von mir erwartet wurde. Ich spürte ihre Einstellungen, ihre Urteile, Abwertungen und Ablehnungen sehr genau. Diese Vielzahl an Wahrnehmungen im Außen ging auf Kosten meiner eigenen Wahrnehmung. Und es war klar, dass dieser ständige Anpassungsprozess auf Dauer nicht gutgehen konnte. So kam es vor, dass ich manchmal total emotional reagierte – und zwar in Situationen, die für Außenstehende absolut nicht nachvollziehbar waren. Niemand verstand, warum ich plötzlich so „überreagierte“. Oft war dies einfach der Summe von vielen kleinen Unstimmigkeiten geschuldet, die ich zwar stets registrierte, aber wortlos „hinunterschluckte“, um ja nicht negativ aufzufallen oder als Außenseiter zu gelten.

„Mit dieser Außenorientiertheit konnte ich allerdings nur Zweiter sein und sie ging auf Kosten meiner eigenen Bewusstheit.“

Keine Frage: Die Wahrnehmung ist ein sehr zentrales Thema für uns Hochsensible. Lenken wir unsere Aufmerksamkeit zu sehr nach außen, verlieren wir sehr viel Energie. Da unsere Wahrnehmung aber ein aktiver Vorgang ist, haben wir es letztlich selbst in der Hand, was wir wahrnehmen wollen und was nicht. Und das ist die gute Nachricht, denn ich entscheide in jedem Moment selbst, was ich wahrnehmen möchte! Lenkt man die Aufmerksamkeit auf störende Reize, auf Missempfindungen, werden die eigenen Missempfindungen und daraus resultierenden störenden Reize stärker wahrgenommen. So kann es zu einem Teufelskreis kommen, bei dem das Leiden in den Fokus gerückt wird. Um aus dieser Spirale herauszukommen, sollte man sich die eigene Wahrnehmung in allen ihren Facetten bewusst machen. Auf diese Weise kann man lernen, mit den Reizen gezielt umzugehen, sie zu relativieren, zu steuern und zu dosieren. Um ein Beispiel zu nennen: Arbeit ist zumeist mit Stress und Anstrengung verbunden, trotzdem muss man zur Arbeit gehen, um seine Rechnungen bezahlen zu können. Es ist somit eine Frage der inneren Haltung, der Bewusstmachung der Anforderungen und Belastungen. Und das bringt uns zum nächsten wichtigen Thema, nämlich zur mentalen Abgrenzung, die gerade für Hochsensible eine Grundvoraussetzung und eine wesentliche Basis zur Burn-out-Prophylaxe darstellt.

„Zauberwort: Abgrenzung“

Doch wie grenze ich mich in adäquater Form von meiner Umwelt ab, ohne mich selbst ins soziale Abseits zu befördern? Der erste Schritt wäre meiner Erfahrung nach, sich seiner eigenen Grenzen bewusst zu werden und sie mit Mut und Kraft zu verteidigen. Dies ist gerade für hochsensibel veranlagte Menschen schwierig, weil sie meistens ein stark ausgeprägtes Harmoniebedürfnis haben. Aber gerade für Menschen, die äußere Reize in verstärktem Maße wahrnehmen, ist Abgrenzung eine unbedingte Notwendigkeit, um auf lange Sicht nicht aus der Balance zu geraten.

Bei diesem Lernprozess waren für mich vor allem Mentaltraining und Bewusstseinstraining, aber auch das Wissen um die Spiegelgesetze sehr hilfreich. Ich habe gelernt, aus mir heraus zu leben und nicht nur vom Verstand her, der mir immer nur zwei Beurteilungskriterien anbietet, nämlich richtig oder falsch, treu oder untreu etc. Doch zwischen diesen Polen liegt meist die Wahrheit. Ich denke, jeder von uns sollte seine eigene Wahrheit finden und jene der Anderen akzeptieren. Auf diese Weise bleibt man auch offen für die (manchmal sehr versteckten) Geschenke, die die Menschen in unserer Umgebung für uns bereithalten.

„Do what’s good for you or you are not good for anybody“ (Billy Joel)

Unser Körper ist der einzige, der unsere Grenzen kennt. Er sagt uns, wann wir genug gegessen haben, wann wir bei der Computerarbeit eine Pause brauchen, um gesund und leistungsfähig zu bleiben etc. Doch um dieses Informationen überhaupt wahrnehmen zu können, ist es notwendig, dass wir für unseren Körper die entsprechende Sensibilität entwickeln. Hochsensible sind mit dieser Gabe ausgestattet – oft mehr als es ihnen vielleicht lieb ist. Gerade in dieser Beziehung kann man diese Veranlagung als Chance betrachten. Denn wenn wir zentriert sind auf unseren Körper, können wir lernen, Dysbalancen und Überforderungen zeitgerecht wahrzunehmen und nicht erst dann, wenn wir uns verhoben haben, die Augen brennen und der Rücken oder ein Gelenk schmerzt. Auch automatische Reaktionsmuster bei Stress sind trainierbar und veränderbar! Bei mir persönlich verspannt oder überdehnt sich bei Stress zum Beispiel vor allem meine Wadenmuskulatur. Muskelverletzungen in unterschiedlicher Ausprägung können dann die Folge davon sein, wobei die Ursachen sehr komplexer Natur sind und sich auf keinen Fall auf mechanische oder physikalische Belastungen herunterreduzieren lassen.

„Hochsensibilität – vom Manko zum Plus“

Heute sehe ich meine Hochsensibilität mit anderen Augen, konkret als Chance, mich weiterzuentwickeln. Ich weiß, dass es möglich ist das – über viele Jahre hindurch – gefühlte Manko zum Plus werden zu lassen. Genauso wie man unter Hochsensibilität leiden kann, kann man die Vorzüge dieser Persönlichkeitsstruktur spüren und nutzen. Es ist beispielsweise ein ganz großes Geschenk, besonders tiefe Freude und Glück empfinden und erleben zu können. Doch dieses Ergebnis ist kein Spaziergang, man muss konsequent im „Tun-Modus“ sein und bleiben und auch die Bereitschaft haben, sich mit gewissen Problematiken auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch der Umgang mit Stress.

Hürde Nr. 1: Stress!

Es ist kein Geheimnis, dass zwischen Fitness und der Fähigkeit, Druck auszuhalten eine Verbindung besteht. Nicht nur physische, sondern auch mentale und emotionale Belastungen erfordern Energie. Die effektivste Methode, seinen eigenen Leistungszustand zu verbessern, ist, Körper und Geist erhöhtem Stress auszusetzen, um mit gewissen Situationen besser umgehen zu lernen. Dieser Lernprozess war für mich persönlich ein langer Weg. Ich habe mich im Grunde die meiste Zeit über gestresst gefühlt – aus beruflichen ebenso wie aus privaten Gründen. Und der Stress hat mich dann irgendwann krank gemacht. Erholung kannte ich nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße. Was genau ist Stress? Was stellt er mit uns an?

Stress ist – allgemein formuliert – der Gegenpol zur Erholung, wobei es verschiedene Arten von Stress gibt:

EuStress = jene Form von Stress, die in einem gewissen Ausmaß notwendig zur Leistungssteigerung ist. Also wenn wir trotz Belastung eine Situation positiv einschätzen und wir über das Geleistete Freude und Spaß empfinden.

DiStress = der sogenannte negative Stress, wenn unsere Bewältigungsstrategien nicht ausreichen, um Herausforderungen positiv zu begegnen und wir Ärger, Angst oder Traurigkeit dabei empfinden.

„Entscheidend ist meine ganz persönliche Interpretation: Wird die jeweilige Herausforderung von positiven Gefühlen begleitet oder von negativen? Empfinde ich es als bereichernde Tätigkeit oder überwiegt die Belastung?“

Stress ist ein sehr komplexer und vielschichtiger Prozess, der u.a. vom Selbstwertgefühl und der sozialen Lebensgeschichte eines Menschen mitbestimmt wird. Er wird durch äußere Ereignisse, innere Reaktionen und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale beeinflusst.

„Die äußere Welt lässt sich schwer beeinflussen, die eigenen Reaktionen darauf jedoch schon!“

Wie zuvor angesprochen, war es mir viele Jahre nicht möglich, meine Trainingsleistungen im Wettkampf umzusetzen. Nervosität, Ängste, Unsicherheit, gespeicherte Misserfolge aus der Vergangenheit, aber auch Einflüsse von außen (Zuseher, Lärm etc.) beeinflussten sehr stark mein Leistungsvermögen. Mit meinem Kämpferherz konnte ich zwar immer wieder meine Einschränkungen etwas kompensieren, doch der entscheidende Wendepunkt kam erst ab dem Zeitpunkt, als ich meine eigenen Schwächen nicht mehr länger akzeptiert habe, und sie als veränderbar erkannte.

„Selbsterkenntnis und Selbstanalyse waren die Grundlage für meinen mentalen und sportlichen Entwicklungsprozess.“

Stress ist oft auch eine Frage des Selbstwertgefühls. Ein gutes Selbstwertgefühl ist ein sehr wichtiger Puffer gegen Stress. Wer sich öfter unsicher, ängstlich, überfordert, ohnmächtig oder wertlos fühlt, ist anfälliger für Stress.

„Meine Erfahrung: Den meisten Stress macht man sich meistens selbst!“

Stress entsteht im Kopf: Ob wir uns gestresst fühlen oder nicht, hängt davon ab, wie wir eine Situation subjektiv einschätzen. Erst die Interpretation der jeweiligen Situation macht den Unterschied aus, ob man sich gestresst fühlt oder nicht. Ebenfalls unterschiedlich sind die Reaktionen auf Stress: Leidet man darunter, entstehen Gefühle von Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Scham oder Verzweiflung. Richtet man seinen Frust nach außen, geht das mit Gereiztheit, Ärger, Wut oder Aggression einher.

Methode Nr. 1: Die Wut in sich hineinfressen (anger in).

Diese Strategie ist nicht gesund, psychosomatische Erkrankungen sind oft die Folge (z.B. Rückenbeschwerden, Verdauungsprobleme, Migräne, Herzkrankheiten). Menschen, die dieses Verhaltensmuster aufweisen, gelten meist als friedlich, angepasst und umgänglich. Doch Wut und Ärger stauen sich an. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, wo man plötzlich „explodiert“ – oft zur Überraschung und zum Entsetzen der Anwesenden, die eine solche Reaktion nicht erwartet hätten.

Methode Nr. 2: Ungefiltert Dampf ablassen (anger out).

Wenn wir manchmal die Nerven verlieren, ist das normal und kann für den Betroffenen im Moment durchaus als befreiend empfunden werden. Doch wenn es zur Regel wird, ist dies kein adäquater oder angemessener Umgang mit Stress und belastet nicht zuletzt auch unsere sozialen Beziehungen.

Methode Nr. 3: Den Ärger weitergeben (anger substitution).

Eine Kombination aus den ersten beiden Varianten, frei nach dem Motto: Nach oben buckeln, nach unten treten, was für die so agierende Person und ihr Umfeld nicht förderlich und oft auch mit Schuldgefühlen verbunden ist.

Methode Nr. 4: Wut im Griff (anger control).

Zweifelsohne die beste Variante: Den Ärger nicht leugnen oder verdrängen, ihn nicht ungefiltert loswerden oder unfair an Schwächere ausleben, sondern ihn kontrolliert zum Ausdruck zu bringen.

Im Umgang mit dem komplexen Phänomen Stress hat mir die folgende Übung geholfen, gewisse Zusammenhänge besser verstehen zu lernen:

„Das Stresshaus“2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: stressfit – WordPress.com

Das Fundament = Selbstwertgefühl

1. Stock = Wertschätzung meiner selbst und Anderen gegenüber (Wichtig für unser Fundament!)
2. Stock = Aktuelles Befinden (die Basis der Leistungs-, Liebes- und Genussfähigkeit)
3. Stock = Konkrete Strategien und Maßnahmen zur Stressbewältigung

Dachboden = Werte und Sinn, die unserem Tun Orientierung geben. (Wirkt stressmindernd!)

Blitzableiter = Fachleute, die im Falle einer Krise positiv unterstützend einwirken.

Drei Leitungssysteme: Sie versinnbildlichen alles, was zum Wohlbefinden und damit zur Stressresistenz beiträgt.

- Elektrizität = Zeitmanagement und Stress
- Wasserversorgung = Ernährung (= Faktor, der Stress verstärken oder vermindern kann)
- Heizungsrohre = Hobbys, Freunde, Muße (stressausgleichende Aktivitäten)

Machen Sie sich ein Bild von Ihrem ganz persönlichen Stresshaus. Überdenken Sie alle Etagen und Stockwerke. Passt das Fundament? Wie sieht es mit den einzelnen Etagen aus? Welche hilfreichen „Blitzableiter“ gibt es in meinem Leben? Wo sollte ich Veränderungen vornehmen, um stressresistenter zu werden?

„Ich bin der Baumeister meines Stresshauses. Einen Großteil meines Stresses schaffe ich mir selbst!“

Quelle: Stark gegen Stress: Mehr Lebensqualität im Alter von Guy Bodenmann und Christine Klingler, Beobachter edition

Diese Einsicht kann der erste Schritt sein, um sich gezielter mit den eigenen Stressfaktoren auseinander zu setzen. Denn Stress ist das subjektive Empfinden einer Situation. Also nicht die Situation selbst, sondern die eigene Interpretation und Bewertung eines Ereignisses.

Prinzipiell gibt es unterschiedliche Strategien zur Stressbewältigung. Hier gibt es keine „Patentrezepte“. Jeder Mensch hat individuelle seelische, emotionale und körperliche Grundvoraussetzungen und entsprechend subjektive Stressbewältigungsstrategien. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, kann ich allerdings sagen, dass oft das Schicksal der beste Therapeut ist, auch wenn es ein langer Weg für mich war, zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Denn hinter jeder Erkrankung steht ein Problem. Wenn dieses Problem mit übermäßigem Stress zu tun hat, muss man handeln. Oder besser gesagt, sich auch mit dem Nicht-Handeln, also mit Ruhe und Entspannung auseinanderzusetzen.

Die Kraft der Pause

Diesen Bereich habe ich viele Jahre lang sehr vernachlässigt, sowohl in körperlicher wie in mentaler und emotionaler Hinsicht. Dabei ist der angepasste Wechsel von Stress und Erholung für alle drei Bereiche von enormer Bedeutung!

Zunächst ein Beispiel aus dem physischen Bereich: Bei einem Knochenbruch erfolgt zunächst eine Phase der Ruhigstellung, gefolgt von der allmählichen Wiederaufnahme der Belastungsreize für die anderen Strukturen (Muskeln, Sehnen, Bänder …). Das gleiche Prinzip gilt für die mentale und emotionale Ebene: Wenn es hier zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt (z.B. bei Burn-out), sind zunächst einmal die Belastungsreize für einen gewissen Zeitraum möglichst niedrig zu halten. Danach sollte man aber wieder sukzessive beginnen, ins normale Leben einzusteigen. Denn wenn wir uns vor Reizen zu sehr schützen, nimmt die Belastbarkeit gegenüber diesen Stresssituationen ab (Training, Wettkampf, Schule, Beruf …).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: https://www.bm-online.de/wissen/unternehmensfuehrung/stress-lass-nach/

„Bei mentaler Überlastung ist eine längere Regenerationszeit erforderlich als im physischen Bereich!“

Um auf lange Sicht gesund zu bleiben, lautet die „Zauberformel“: Wohldosierter rhythmischer Wechsel von Belastungs- und Erholungsphasen. Beim Krafttraining darf man sich das so vorstellen: Die Kraftübungen bedeuten Stress für den Muskel. Deshalb sind die Pausen zwischen den einzelnen Übungen nicht nur wichtig, sondern notwendig, damit es zu einer Leistungssteigerung kommen kann. Die Erholungsphase zwischen den einzelnen Trainingseinheiten ist wiederum wichtig, damit der Körper ausreichend regenerieren kann, um für das nächste Training wieder leistungsbereit zu sein. Diese Pause dient des Weiteren dafür, das Ausgangsniveau für die darauffolgende Trainingseinheit zu erhöhen. Denn, so überraschend das klingen mag: Beim Krafttraining kommt es in der Erholungszeit zum Muskelwachstum. Mit anderen Worten: Die Leistungssteigerung erfolgt über die gut dosierte Pause. Zu wenig Pause führt zu Leistungsverlust, zu viel Pause zu Stagnation der Leistung. Wie so oft im Leben kommt es also auch hier auf das richtige Maß an! Wobei in diesem Zusammenhang auch erwähnt sei, dass richtig dosiertes Training nicht nur zu einer besseren sportlichen Leistung bzw. zur Fähigkeit ein höheres Maß an Stress auszuhalten führt, sondern auch zu kürzeren Erholungszeiten, also zur Fähigkeit, verbrauchte Energie schneller wieder bereitzustellen.

Der Mensch ist ein Lebewesen, das der funktionellen Anpassung unterliegt. Reize beleben oder reduzieren das Energieniveau. Keine oder zu wenig Reize führen zur Leistungsreduzierung (Unterforderung), zu viele Reize zur Überlastung (Überforderung) und ebenfalls zur Leistungsreduzierung. Bei jeder Art von Belastung und Training (für Körper, Psyche, Seele, Geist) kommt es zunächst zu einem Leistungsrückgang. Setzt man innerhalb einer Woche einen weiteren adäquaten Reiz bzw. sich einer angemessenen Belastung aus, kommt es zur sogenannten Superkompensation und in der Folge zu einer Leistungssteigerung d.h. man beginnt den nächsten Reiz auf einer höheren Basis. Bei einmaligem Training kehrt die Leistung hingegen wieder auf die Ausgangsbasis zurück.

Ähnlich wie im physischen Bereich ist das Wechselspiel zwischen Anspannung und Erholung auch im mentalen Bereich von großer Bedeutung. Die Aufmerksamkeit auf eine gewisse Sache zu lenken, bedeutet Stress. Den Geist „wandern“ zu lassen, ist hingegen Erholung. Will man seine mentalen Fähigkeiten verbessern, erfolgt dies nach demselben System wie bei der Muskulatur, nämlich, indem man sich schrittweise immer größerem Stress aussetzt. Auf kurze intensive Konzentrationsphasen folgen entsprechende Erholungsphasen. Danach verlängert man die Konzentrationsphasen und verkürzt die Erholungsphasen. Dieses Wechselspiel aus Konzentration und bewusster Entspannung ist gerade im Sport enorm wichtig und gut trainierbar.

Jeder Tennisspieler kennt diese Situation: Die Konzentration lässt nach, man verliert den Fokus, plötzlich passieren leicht verschlagene Bälle, Doppelfehler etc. Diese mentalen Aussetzer kann man durch gezieltes Training minimieren und zwar indem man lernt, die Ruhephasen während eines Matches optimal auszunutzen. Einen Punkt zu spielen, bedeutet höchste Konzentration und Stress. Die Pause zwischen den Punkten (ca. 25 Sekunden) ist eine gute Möglichkeit, kurz zu entspannen. Auch das will gelernt sein! Ebenso wie man seine Schlagtechnik laufend verbessern möchte, sollte man auch gezielt den Fokus auf den mentalen Bereich legen.

„Tennis ist eine Art Lehrmeister für mich“

Tennis ist für mich auch deshalb eine Sportart, die mich bis heute in ganz besonderer Weise fasziniert, weil mir bei einem Match meine inneren und äußeren Hürden unvermittelt vor Augen geführt werden. Dieser Sport ist eine Art „Lehrmeister“ für mich, weil man sowohl in körperlicher, (fein)motorischer, technischer, mentaler und emotionaler Ebene sehr stark gefordert ist. Gerade, was das optimale Ausnützen der Erholungsphasen während eines Matches anlangt, hält Tennis ein großes Potential bereit. Man möchte gar nicht für möglich halten, wie produktiv man diese 25 Sekunden zwischen den Ballwechseln nutzen kann!

Zunächst geht es zwischen den einzelnen Punkten einmal um Körpersprache, also um ein möglichst positives Auftreten, um eine starke physische Präsenz. Selbst wenn Sie gerade einen unnötigen Fehler gemacht haben: Ihre Körpersprache sollte zeigen, dass dies für Sie kein Problem darstellt. Ihr Gesichtsausdruck sollte der „Mimik eines Soldaten in der Schlacht“ ähneln: furchtlos, kontrolliert, unbeeindruckt von der schwierigen Situation. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen: Ein solches Verhalten ist erlernbar und verhindert tatsächlich, dass negative Gedanken aufkommen! Das hat gleichzeitig zur Folge, dass die Zeit zwischen den Ballwechseln optimal für Regeneration genutzt werden kann. Früher habe ich mir zwischen den Punkten den Kopf zermartert, mich über dumme Fehler geärgert und konnte mich zwischen den einzelnen Punkten weder Kraft schöpfen, noch Konzentration für den nächsten Punkt sammeln. Kurzum: Ich war ein schlechter Schauspieler, konnte meine Emotionen nicht verbergen und obendrein kam die Phase der Erholung auch zu kurz.

„Um ein guter Wettkämpfer zu sein, sollte man jede mögliche Zeit zur Erholung nützen.“

Wie beim entschlossenen Denken kann man auch durch entschlossenes Verhalten auftretende Angst, Unsicherheit, Ärger oder Selbstzweifel kontrollieren. Wenn Ihre Energie zu schwinden droht und die Leichtfüßigkeit langsam nachlässt, sollten Sie ihrem Gegenüber mit ein paar tänzelnden Schritten auf den Zehenspitzen ganz bewusst signalisieren, dass Sie noch voll fit sind. Ein guter Wettkämpfer sollte in gewissen Situationen immer auch ein guter Schauspieler sein. Wenn Ihnen ein unnötiger Fehler passiert, drehen Sie sich um und beginnen Sie mit der Vorbereitung auf den nächsten Punkt in Kombination mit Ihren ganz persönlichen automatisierten Ritualen (Aufpäppeln des Balles vor dem Aufschlag, Position einnehmen als Rückschläger etc.) Zeigen Sie Ihrem Gegner keine andere Regung als Zuversicht. Sollten Sie gerade im Rückstand sein, signalisieren Sie Ihrem Gegner durch Ihre Körperhaltung, dass Ihnen diese Situation absolut nichts ausmacht! Sollten Sie trotzdem verlieren, setzen Sie ein Lächeln auf, und machen Sie durch Ihr ganzes Auftreten klar, dass heute zwar Ihr Gegner der glücklichere war, es das nächste Mal aber umgekehrt sein wird! Genauso wie ein perfekter Volley oder Aufschlag, will allerdings auch dieses Verhaltensmuster gelernt sein.

„Schenken Sie einfach einmal beim nächsten Trainingsmatch dieser kurzen Zeit zwischen den Ballwechseln ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Sie werden sehen: Es lohnt sich!“

Ein Paradebeispiel dafür, wie sehr man mit mentaler Stärke punkten kann, ist der amerikanische Profi-Golfer Tom Kite. Im Rahmen eines Fitnesstests war er in allen leistungsbestimmenden Parameter nur Durchschnitt. Es ist seine enorme mentale Stärke, die ihn zu einem so herausragenden Sportler macht!

Apropos mentale Fitness: Während man im Sport eine physische Überlastung durch Reduzierung des Trainings sowie durch vermehrte Erholungszeiten im Regelfall recht schnell in den Griff bekommen und bald wieder mit einem leistungssteigernden Training starten kann, dauert bei mentalen Problemen, die sich meist über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt haben, die Wiederherstellung vergleichsweise oft viel länger. Denn die Krankengeschichte ist in diesem Bereich meist viel komplexer. Wenn es allerdings gelingt, sich seine emotionalen und seelischen Herausforderungen bewusst zu machen, kann dies als Auslöser für ein generell bewussteres und glücklicheres Leben fungieren.

Aber gerade von Menschen, die perfektionistisch veranlagt sind, werden diese Symptome einer Überforderung oft absichtlich über viele Jahre hinweg „überhört“. Dass meine Burn-out-Symptomatik, mein Zusammenbruch ein Hilfeschrei meines Geistes und Körpers war, verstand ich erst später, ebenso wie die oft zitierte These „Die Krise als Chance“. Ja, diese Krise war für mich tatsächlich eine Chance. Eine Chance zur Weiterentwicklung. Heute bin ich dankbar dafür, weil ich ohne diese Krise diesen Schritt wohl nicht gemacht hätte. Eine Entwicklung, die sich auch in meinem beruflichen Leben widerspiegelt und die ich im folgenden Kapitel erzählen möchte.

[...]


1 DasParetoprinzip, benannt nach Vilfredo Pareto (1848–1923), auch Pareto-Effekt oder 80-zu-20-Regel genannt, besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden.

2 Das Modell des Stresshauses steht für Ihre Widerstandskraft gegen Stress.

Ende der Leseprobe aus 188 Seiten

Details

Titel
Der Hürdenläufer - Alles ist möglich
Untertitel
Wie man Burn-out sportlich nimmt
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
188
Katalognummer
V461097
ISBN (eBook)
9783668897861
ISBN (Buch)
9783668897878
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Burnout, Sport, Prävention, Test, Therapie, Stress, Schmerz, Glück, Motivation
Arbeit zitieren
Reinhard Komosny (Autor:in), 2019, Der Hürdenläufer - Alles ist möglich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461097

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