Die Angliederung der Fürstpropstei Berchtesgaden an das Königreich Bayern


Seminar Paper, 2005

34 Pages, Grade: 2


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Berchtesgaden bis 1803
2.1 Die Vorgeschichte der Fürstpropstei
2.2 Die Zeit Joseph Conrads Freiherr von Schroffenberg
2.3 Das Ende der Unabhängigkeit

3. Die Schicksalsjahre 1803-1809
3.1 Berchtesgaden bei Salzburg
3.2 Berchtesgaden und Österreich
3.3 Der Krieg und die französische Besatzungszeit

4. Berchtesgaden und Bayern 1810
4.1 Die politische Entwicklung
4.2 Die Inbesitznahme Berchtesgadens durch die Krone
4.3 Die Eingliederung in die bayerische Administration

5. Schluss

Literatur

1. Einleitung

Die Epoche des napoleonischen Europas (1793-1815) war eine schicksalhafte Zeit. Während der Consul der Franzosen mit seiner Grande Armée den Kontinent überrannte und ihn bis zum Wiener Kongress 1815 weitgehend beherrschte, entstanden und zerfielen ganze Fürstentümer, Königreiche und Systeme. Der Kaiser zertrümmerte das alte deutsche Reich, kontrollierte Spanien und Italien, bekämpfte Österreich und Russland und isolierte England und Preußen. Diese ereignisreichen Entwicklungen, welche in ganz Europa stattfanden, werden in der Geschichtsforschung bzw. auch im Geschichtsunterricht oft von „oben“, das heißt aus der Vogelperspektive betrachtet. Was damals in kleinen, regionalen Räumen geschah, fristet, angesichts der großen internationalen Umwälzungen und Umbrüche, bis heute oft ein Schattendasein. Meist werden diese Geschehnisse mit den Begriffen Säkularisation und Mediatisierung zusammengefasst. Deshalb ist es interessant zu erfahren, welche Schicksale nun einzelne, kleinere Territorien erfahren haben, die in dieser Ära in die Zahnräder der großen Politik geraten sind. Besonders reichsunmittelbare Gebiete wie Klöster, Bistümer, freie Reichsstädte oder Ordensritterschaften waren von den Veränderungen im heiligen römischen Reich betroffen.

Hierbei ist die Geschichte der Fürstpropstei Berchtesgaden ein Paradebeispiel für diese Umwälzungen, die am Anfang des 19. Jahrhunderts stattgefunden haben. Innerhalb von sieben Jahren änderte sich zum Beispiel die Zugehörigkeit dieses kleinen Landes zwischen Bayern und Salzburg glatte fünf Mal: eigenständig, salzburgisch, österreichisch, französisch und letzten Endes bayerisch!

Die folgende Seminararbeit für das Proseminar in bayerischer Geschichte „Bayern 1806 – Königreich dank Napoleons Gnaden“ fokussiert nun exakt die Geschehnisse um die Jahrhundertwende in der kleinen Fürstpropstei.

Die Literatursituation bezüglich dieses Themas könnte man folgendermaßen beschreiben: zwar spärlich, aber nicht vollständig historisches Neuland. Durch die vielen Jubiläen, die in den letzten Jahren in Berchtesgaden stattfanden sind, binnen kurzer Zeit eine Vielzahl von historischen Werken zur Geschichte Berchtesgadens entstanden. Ferner existieren ein großes fünfbändiges Standardwerk zur Geschichte Berchtesgadens, sowie einige weitere Veröffentlichungen von Historikern zur allgemeinen Entwicklung dieses Landes. Ausschlaggebend sind auch die zahlreichen Gemeindearchive in Berchtesgaden, sowie das Archiv des Berchtesgadener Anzeigers, in das ein individueller Zutritt möglich ist. Zu guter letzt ist noch die Kooperationsbereitschaft der Pfarreien, der Archivare und des Plenk Verlags zu erwähnen. Insgesamt war dieses Thema zwar fast historisches Neuland, es war aber insgesamt gut zu bearbeiten.

Doch nun zurück zum Thema. Welche Auswirkungen die Politik und die Kriege der großen europäischen Reiche auf Berchtesgaden hatten, soll nun im Folgenden gezeigt werden. Von besonderer Bedeutung sind in dieser Arbeit natürlich das Verhältnis Berchtesgadens zu Bayern und die Angliederung an das neue bayerische Königreich.

Nach einer Erläuterung der Entwicklung der Fürstpropstei und deren Ende folgt eine Zusammenfassung der Geschichte von Berchtesgaden von 1803-1809, bis dann im Anschluss die Angliederung an das Königreich Bayern behandelt wird. Als abschließender Gedanke folgt eine kurze Beurteilung der mittlerweile 195-jährigen Zugehörigkeit Berchtesgadens zu Bayern. Doch erst zur Geschichte der alten Fürstpropstei.

2. Berchtesgaden bis 1803

2.1 Die Vorgeschichte der Fürstpropstei

Das unwirtliche Gebiet um „Perthersgadem“[1] und um „Chuonis See[2] war um die Jahrtausendwende ein dünn besiedelter Landstreifen, über dessen Vorgeschichte nur sehr wenige Quellen existieren. Demnach bleibt die römische oder keltische Vergangenheit des kleinen Alpentales Berchtesgaden im Dunkel der Geschichte verborgen. Erst ab dem 12. Jahrhundert sind ausreichend Quellen erhalten. Die Beweggründe, die schließlich zur Gründung des Augustiner Chorherrenstiftes führten, sind durch die „Fundatio monasterii Berchtesgadensis, [die] zwischen 1125 und 1136 noch zu Lebzeiten des ersten Propstes Eberwin“[3] entstanden ist, relativ gut überliefert. Gräfin Irmgard, die Gemahlin Graf Gebhard II. von Sulzbach stiftete um 1102 „eine Klerikergemeinschaft nach der Idee des gemeinsamen Lebens.“[4] Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Besiedelung, aufgrund des unwirtlichen harten Klimas, gelang es den Mönchen erst ab 1121, eine dauerhafte Existenz in Berchtesgaden aufzubauen.

„Der schreckenerregende Bergwald und das entsetzliche Erlebnis von ständigem Eis und Schnee [scheint] den Gründerkonvent veranlasst [zu haben] einen geeigneteren Ort zu suchen.“[5]

Das Kloster blieb, trotz aller Gefahren und der Ersatzgründung eines Stifts bei Baumburg dennoch in Berchtesgaden bestehen. Das Stift erhielt schon 1156 durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa ein eigenes eingetragenes Forstprivileg, welches weitreichende Folgen haben sollte. Die Urkunde wurde nämlich von den Chorherren durch ein zusätzliches, gefälschtes Salzprivileg ergänzt, dass allerdings – von Barbarossas Sohn Heinrich VI. unterschrieben - nicht bemerkt und somit auch amtlich geworden ist. Mit dieser Urkundenfälschung sicherten sich die Mönche Berchtesgadens wichtigste Einnahmequelle und legten somit den Grundstein für die spätere Eigenständigkeit. Nach der Verleihung der niederen Gerichtsbarkeit 1194 und dem Blutbann 100 Jahre später wurde der Propst des Chorherrenstiftes 1386 durch König Wenzel I. mit Regalien belehnt. Damit war Berchtesgaden zu einem unabhängigen, reichsunmittelbaren Territorium aufgestiegen, dessen Landesherr Sitz und Stimme im Reichstag sowie ab 1559 einen Platz auf der Reichsfürstenbank innehatte. Die Zahl der meist adeligen Mönche, der Chorherren, wurde schließlich Ende des 16. Jahrhunderts auf zwölf festgelegt. Schon damals bestand jedoch stets die Gefahr, entweder vom Erzbistum Salzburg oder vom Herzogtum Bayern geschluckt zu werden, welche natürlich besonders am Salzabbau interessiert waren. Auch die strategische Bedeutung des kleinen geistlichen Staates - der genau zwischen Salzburg und Bayern gelegen war - war von großer Bedeutung. Nur durch das gegeneinander Ausspielen der Kontrahenten, beziehungsweise durch deren stetiges konträres Eingreifen, konnte sich die Fürstpropstei als Zünglein an der Waage quasi unabhängig halten. Von 1594 bis 1723 waren zum Beispiel schon die Wittelsbacher Kurfürsten von Köln auch Fürstpröpste von Berchtesgaden, um Annexionsgelüste der Salzburger Bischöfe zu verhindern. Ab 1724 gelang es den Chorherren, sich ein letztes Mal - bis zu Ernennung des letzten Fürstpropstes – dieser wechselseitigen Abhängigkeit zu entledigen. Was sich also schon in der frühen Neuzeit ankündigte, sollte nun unter Fürstpropst Joseph Conrad Freiherr von Schroffenberg zu einer unaufhaltsamen Bedrohung der Unabhängigkeit Berchtesgadens werden. Diese Entwicklung war jedoch von so hohem europäischen Ausmaß, dass die kleine Fürstpropstei nur noch zu einem Spielball der historischen Ereignisse werden konnte.

2.2 Die Zeit Joseph Conrads Freiherr von Schroffenberg

Als der ehemalige Jurist Joseph Conrad Freiherr von Schroffenberg mit 27 Jahren 1770 sein Augustinergelübde ablegte, um Kapitular in Berchtesgaden zu werden, befand sich das Land schon in einer tiefen Krise. Das nur 8 Quadratmeilen große Land war durch die finanzielle Abhängigkeit von Salzburg unter der Regierung Franz Anton von Hausens „in existentielle Bedrängnis geraten“[6] Als von Hausen starb und Schroffenberg 1780 zum neuen Fürstpropst gewählt wurde, waren Land und Bevölkerung verarmt und die Propstei mit fast 400.000 Gulden verschuldet. Schroffenberg gelang es durch Sparsamkeit, Zurückhaltung und durch eine langsame politische Öffnung in Richtung Bayern und Salzburg, das Land vor dem drohenden Bankrott zu retten. Der Propst vermied Steuererhöhungen, förderte das Schulwesen und die Industrie und zahlte sogar Schulden Berchtesgadens aus seinem Privatvermögen zurück. Die verheerenden Unwetter von 1786/87 brachten die Propstei jedoch wieder in die finanzielle Abhängigkeit – diesmal gegenüber Bayern – und machten jegliche Aufbruchstimmung zunichte. Schroffenberg, mittlerweile auch zum Bischof von Regensburg und Freising gewählt, hatte nun die Aufgabe, sich um drei reichsunmittelbare Territorien zu kümmern. Deshalb gelang es dem Stiftskapitel, ihren viel beschäftigten Prior zu hintergehen, indem es einen Wirtschaftsvertrag mit Bayern aushandelte, der die Salinen Schellenberg und Frauenreuth dem Kurfürstentum überschrieb. Diese zur Tilgung der Schulden fast notwendige Abhängigkeit verhinderte 1798 der Reichshofrat, nachdem Salzburg gegen dieses Vertragswerk geklagt hatte.

Trotz all dieser Schwierigkeiten war die Unabhängigkeit Berchtesgadens noch nicht existenziell gefährdet. Ohne die nun eintretenden äußeren Ereignisse und Einflüsse, hätte die Fürstpropstei mit ihrem beherzt agierenden Fürstpropst wahrscheinlich auch noch weiter existiert, da sich weder Bayern noch Salzburg auf eine Annexion eingelassen hätten. Doch wie schon erwähnt sollte Berchtesgaden ab 1800 ein Spielball der äußeren Umstände werden.

2.3 Das Ende der Unabhängigkeit

Mit den militärischen Siegen Napoleons gegen das alte Reich und Italien und dem Frieden von Lunéville 1801 wurde das Ende der Propstei eingeläutet. Besonders bedeutend für Berchtesgaden ist hierbei ein Separatartikel zu Artikel 5 des Friedensvertrags:

„Gemäß dem Übereinkommen im Artikel 5 des öffentlichen Friedensvertrags wird der Großherzog von Toscana in Deutschland eine volle, gänzlich und seinen Staaten gleichwertige Entschädigung erhalten: als solche wird ihm vorzüglich das Erzbistum Salzburg und die Propstei Berchtesgaden zugewiesen.“[7]

Nach der Niederlage Bayerns und Österreichs 1800 bei Hohenlinden rückte General Moreau auch in Salzburg und Berchtesgaden ein. Schroffenberg floh im Gegensatz zu Erzbischof Hieronymus von Salzburg nicht aus seinem Land, sondern harrte, als einziger Fürst eines besetzten Staates, im Reich aus. Der Grund dafür lag in einer Freundschaft zwischen Moreau und Schroffenberg, die die Märkte „Schellenberg und Berchtesgaden“[8] vor einer Militärbesatzung und Kriegskontributionen bewahrte. Das Schicksal der Propstei wurde dennoch besiegelt, weil Großherzog Ferdinand von Toskana eben einen Ausgleich für sein verlorenes Herzogtum erhalten sollte. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden Berchtesgaden und Salzburg endgültig säkularisiert und zusammengelegt. Bayern, nun unter Kurfürst Max IV. Joseph, stand schon auf französischer Seite, während das neue Kurfürstentum Salzburg-Berchtesgaden mit Österreich verbündet blieb. Vor allem weil Kurfürst[9] Ferdinand der Bruder des österreichischen Kaisers war und Napoleon in Italien erfolglos gegenüberstand, sollten nun aus alten Freunden und Nachbarn Feinde werden. Der Großherzog ließ aus Furcht vor Annexionsgelüsten der Bayern sein neues Herzogtum schon 1802 durch österreichisches Militär besetzen. Berchtesgaden wurde bis zum Reichsdeputationshauptschluss von 200 Mann besetzt, die mangels einer Kaserne in den Bürgerhäusern der Gnotschaften[10] untergebracht werden mussten. Da Berchtesgaden nun das erste Mal besetzt wurde, hielt sich die Begeisterung der Bevölkerung, die überwiegend pro bayerisch und misstrauisch gegenüber Salzburg eingestellt war, folglich in Grenzen. Freiherr von Schroffenberg gelang es aber, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und „seine“ Berchtesgadener ruhig zu halten, die ihn immer noch als ihren eigentlichen Herren ansahen.

Am 11. Februar 1803, noch vor dem Reichsdeputationshauptschluss, entsagte der schwerkranke Schroffenberg – ein achtlos geworfenes Holzscheit hatte ihn 1794 so schwer am Kopf verletzt, dass er davon nie wieder genas – seiner Herrschaft in einem letzten Manifest an seine Bürger.

„Wir sind, unter pflichtmäßiger Erwartung, daß allerhöchst Se. Kaiserliche Majestät und das Reich den oben besagten Reichsdeputations-Schluss genehmigen werden, der vollen Bereitwilligkeit, die Übergabe Unseres Reichsstiftes Berchtesgaden an hochgedacht S. königliche Hoheit [Ferdinand] wirklich zu betätigen.“[11]

Nach fast 700-jährigem Bestehen kam somit 1803 das Ende der Fürstpropstei Berchtesgaden unter seinem 47. und letztem Propst. Die Geschichte und die Geschicke des Landes lagen nun in den Händen eines neuen, weltlichen Herrn kaiserlicher Herkunft: Großherzog Ferdinand von Toskana.

3. Die Schicksalsjahre 1803-1809

3.1 Berchtesgaden bei Salzburg

Wer war nun dieser ehemalige Großherzog kaiserlicher Herkunft, dem letzten Endes Berchtesgaden, Salzburg, Passau und Eichstätt als Entschädigungsmasse zufielen?

„´Sowohl in der Toscana als auch in Salzburg war das Hauptaugenmerk auf die Gerechtigkeitspflege, Hebung der Finanzen, des Verkehrs und die Förderung der Künste und Wissenschaften gerichtet´, schrieb Constantin von Wurzelbach in seinem Biographischen Lexikon von Österreich.“[12]

Der Großherzog, der gleichzeitig Erzherzog von Österreich war, ging als moderner, aufgeklärter und liberal eingestellter Herrscher in die Annalen der Geschichte ein. Der von ihm als 20-jähriger übernommene Staat Toscana galt um 1800 als einer der bestregierten Staaten Italiens mit einer starken Wirtschaft, liberalen Gesetzen und ausgezeichneten Handelswegen. Konnte man sich nun in Berchtesgaden, angesichts der sonst herrschenden Irrungen und Wirrungen der Jahre 1802/3, deshalb Hoffnungen auf eine bessere Zukunft machen?

Gleich am 11. Februar 1803 trat das von Wien aus erlassene Besitzergreifungspatent des Großherzogs Ferdinand in Kraft. Dieser erwähnte darin, als neuer Kurfürst von Salzburg, neben dem noch abzuleistenden Eid des Gehorsams, dass alle Gesetze, Statuten und Landesfreiheiten, die bisher galten, provisorisch noch in Kraft bleiben sollten. Ferdinands oberster Commissaire und bevollmächtigter Minister Freiherr von Crumpipen hatte alsbald erste administrative Veränderungen durchzuführen. Während der Markt Berchtesgaden nun nicht mehr Herrschaftssitz war, sondern nur noch den Rang eines Pflegegerichts einnahm, verlor der Markt Schellenberg auch diesen Gerichtsstatus und blieb Markt. Die bisherige Regierung, bestehend aus dem Stiftskapitel und dem Konsistorium[13] wurde vorläufig genauso bestätigt, wie der Status der fürstpröpstlichen Beamten. Die in der Besitzergreifung erwähnte Erbhuldigung, also die zeremoniell volle Inbesitznahme Berchtesgadens verzögerte sich aber bis 1804, weil Bayern sich, durch den Salinenpachtvertrag von 1795, nun wieder im Besitz der Salinen sah und diesen Standpunkt erst 1804 aufgab. Die provisorische Regierung wurde hingegen schon 1803 aufgelöst. Berchtesgaden wurde von nun an von einem Pfleger, zwei Bürgermeistern für die beiden Märkte, vier Ratsmitgliedern sowie von acht Gnotschaftsvorstehern regiert. Der Bürgermeister sollte alle sechs Jahre direkt von allen „anständigen“ Bürgern, die Arbeit und Eigentum hatten, gewählt werden. Das Stiftskapitel büßte seine weltliche Macht natürlich ein, blieb aber als Geistlicher Rat oberstes Gremium der Kirche. Die eigentlichen Fäden hielt allerdings der in Salzburg sitzende Commissaire in der Hand, wodurch Berchtesgaden von nun an eher zu einem politischen Nebenschauplatz wurde. Die neue Regierung erließ unter Kurfürst Ferdinand viele neue Gesetze und Verordnungen, wie das Aufheben von Mauten, Zöllen und Nachsteuern innerhalb des Kurfürstentums Salzburg. Auch das von der immer noch de jure bestehenden Leibeigenschaft her stammende Abfahrtsgeld, welches an den Grundherren zu zahlen war, wenn man aus Berchtesgaden wegzog, wurde nun endlich aufgehoben. Ferner wurden Straßen gebaut, die besonders für Post und Handel im neuen Kurfürstentum dienlich sein sollten. Besonders die 1805 beschlossene Hirschbichlstraße, die die Landesteile Salzburg und Tirol über Berchtesgaden verbinden sollte, brachte wirtschaftliche Impulse. Die neue Gewerbefreiheit führte hingegen im allzu „abgesonderten Berchtesgaden“[14] zu keinem weiteren Aufschwung, sondern nur zu acht mageren Gewerbeneugründungen. Insgesamt war man im Kurfürstentum Salzburg zwar um eine Verbesserung der, insbesonders finanziell schwierigen Lage bemüht, es gelang allerdings nicht die Lage der Bevölkerung entscheidend zu verändern. Trotz vieler gut gemeinter Veränderungen sank die Wirtschaftskraft, besonders im Markt Schellenberg, der 1805 aus Rationalisierungsgründen seine Saline verlor. Abwanderungen und eine immer noch aus der Fürstpropstzeit stammende drückende Schuldenlast von über 300.000 Gulden machten das Leben in Berchtesgaden nicht wirklich einfacher.

Das Schulwesen wurde hingegen durch mehr finanzielle Mittel, neue Schulen und andere Lehrmethoden einheitlich verbessert. Durch die eingeführte Schulpflicht und durch die in den Gnotschaften neu gebauten Schulen, in die die Kinder kostenlos gehen konnten, wurde der Bildungsstandard deutlich gehoben.

Für die innere Sicherheit war die Bürgerschaft Berchtesgadens selbst verantwortlich, musste diese doch vier Männer mit polizeiähnlichen Aufgaben an das Pflegegericht abstellen und diese eigenhändig bezahlen.

Alles in allem breitete sich 1804, obwohl man dem neuen Kurfürsten Ferdinand wohlwollend gegenüber stand, dennoch ein gewisses lethargisches Ohnmächtigkeitsgefühl aus. Berchtesgaden war zwar, aufgrund des Salzes und eines neuen Erz-, und Silberbergwerks am Jenner, wirtschaftlich wichtig für das Kurfürstentum, konnte aber selbst politisch nichts mehr von sich aus bestimmen. Auch die Reise Kurfürst Ferdinands durch sein neues Land, er besuchte Berchtesgaden im Oktober 1804, machte deutlich, dass Berchtesgaden nur noch ein Nebenschauplatz im Kurfürstentum war. Auch wenn das Land von Salzburg aus gewissenhaft und gut regiert wurde, war Berchtesgaden doch nur noch eine kleine, weniger bedeutende Verwaltungseinheit.

[...]


[1] (Gernot Anders: Eberwin, der erste Propst Berchtesgadens; in: Herbert Pfisterer: 900 Jahre Berchtesgaden: „Berchtesgaden“ heißt wörtlich übersetzt „ebenerdiges Haus des Perther“)

[2] (Vergleiche: Anton Helm: Berchtesgaden im Wandel der Zeit, S.178 ff.: „Chuonis See“ bedeutet „See des Kuno von Horburg“ ursprünglich nicht Königsee)

[3] (Vergleiche: Walter Brugger, Heinz Dopsch, Peter Kramml: Geschichte von Berchtesgaden Band 1, S.232)

[4] (Ebenda: S. 233f.)

[5] (Vergleiche: Oswald Holder-Egger: Fundatio monasterii Berchtesgadensis, S.1066 ff.)

[6] (Vergleiche: Norbert Keil: Der letzte Berchtesgadener Fürstpropst Joseph Conrad Freiherr von Schroffenberg; in: Brugger, Dopsch, Kramml: Die Geschichte Berchtesgadens Bd. II/1, S.354)

[7] (Vergleiche: Feulner Manfred: Berchtesgadener Schicksalsjahre, S.11)

[8] (Vergleiche: Helm: Berchtesgaden im Wandel der Zeit, S.31 ff.)

[9] (Anm. d. Verf.: Der ehemalige Großherzog war von nun an Kurfürst)

[10] (Vergleiche: Helm: Berchtesgaden im Wandel der Zeit, S.112: Eine dörfliche Verwaltungseinheit bzw. Rasp, Franz: Berchtesgadener Mundart, S.64)

[11] (Vergleiche: Feulner: Berchtesgadener Schicksalsjahre, S.19)

[12] (Vergleiche: Brugger, Dopsch, Feulner: Die Geschichte Berchtesgadens Bd. II/1, S.437)

[13] (Anm. d. Verf.: Das von den Chorherren ernannte Kirchengericht)

[14] (Vergleiche: Feulner: Die Straße Schellenberg – Berchtesgaden – Ramsau – Hirschbichl; in: Der Marktbote, Beilage zum Berchtesgadener Anzeiger, August - Oktober 1990)

Excerpt out of 34 pages

Details

Title
Die Angliederung der Fürstpropstei Berchtesgaden an das Königreich Bayern
College
LMU Munich
Course
Bayern 1806: Königreich Dank Napoleon
Grade
2
Author
Year
2005
Pages
34
Catalog Number
V46232
ISBN (eBook)
9783638434652
ISBN (Book)
9783638936545
File size
2367 KB
Language
German
Notes
Diese ausführliche Arbeit zeigt einen detaillierten Überblick der Napoleonischen Ära bis zum Wiener Kongress. Als regionales Beispiel der Veränderungen erläutert der Autor die Geschichte Berchtesgadens und wie dieses Land zu Bayern kam. Sehr Interessant für Heimatkundler, Studenten die sich mit Napoleon, Montgelas und der Säkularisierung beschäftigen.
Keywords
Angliederung, Fürstpropstei, Berchtesgaden, Königreich, Bayern, Königreich, Dank, Napoleon, Säkularisation, altes Reich, Deutschland, 1800, Mediatisierung
Quote paper
Stefan Plenk (Author), 2005, Die Angliederung der Fürstpropstei Berchtesgaden an das Königreich Bayern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46232

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