Das System der German Diagnosis Related Groups und dessen Einführung in der Krankenhausabrechnung in Deutschland


Diplomarbeit, 2005

57 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Glossar

Darstellungsverzeichnis

1 Fragestellung und Konzeption

2 Grundzüge von Diagnosis Related Groups

3 Historische Entwicklung
3.1 Entstehung von DRG-Systemen
3.2 DRG-System der Health Care Financing Administration (USA)
3.3 Refined Diagnosis Related Groups (USA)
3.4 All Patient Diagnosis Related Groups (USA)
3.5 All Patient Refined Diagnosis Related Groups (USA)
3.6 Australian National Diagnosis Related Groups
3.7 Australian Refined Diagnosis Related Groups

4 Systematik und Gruppierung der AR-DRGs
4.1 Grundlagen des AR-DRG-Systems
4.2 Gruppierungsprozess im AR-DRG-System
4.2.1 Zusammensetzung einer AR-DRG-Fallgruppe
4.2.2 Plausibilitätsprüfung der Patientendaten
4.2.3 Zuordnung der Hauptdiagnose
4.2.4 Zuordnung der Hauptdiagnosekennziffer
4.2.5 Zuweisung in die Partition
4.2.6 Schweregrad eines Behandlungsfalles
4.2.7 Bewertung des Ressourcenverbrauches einer Fallgruppe
4.2.8 Bewertung der Fallschwere eines Krankenhauses

5 Vom Optionsmodell zum einheitlichen G-DRG-System
5.1 Leistungsvergütung vor Einführung der DRGs
5.2 Einführung der DRGs in Deutschland
5.3 Anpassung: Optionsmodell
5.4 Weiterentwicklung: 2004 und
5.5 Auswirkungen auf das Krankenhausbudget

6 Anforderungen an die Kostenrechnung
6.1 Bisherige Gegebenheiten
6.2 Gegebenheiten nach der DRG-Einführung
6.3 Klinische Behandlungspfade

7 Perspektiven und Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellungsverzeichnis

Darst. 1: DRG-Entwicklungsphasen, Stand:

Darst. 2: Aufbau einer AR- bzw. G-DRG-Fallgruppe

Darst. 3: Hauptdiagnosekategorien im AR- bzw. G-DRG-System

Darst. 4: Übersicht über die CCL-Werte

Darst. 5: Berechnung des individuellen Basisfallwertes für ein Konvergenzjahr

Darst. 6: Kalkulationsschritte zur Ermittlung der DRG-relevanten Fallkosten

1 Fragestellung und Konzeption

Kaum ein anderes Thema hat in den letzten Jahren zu derart kontroversen Diskus- sionen im deutschen Gesundheitswesen geführt wie die Einführung eines neuen Abrechnungs- und Kalkulationssystems in deutschen Krankenhäusern. Es handelt sich dabei um das System der G-DRG („German Diagnosis Related Groups“).

Im Zuge des Gesundheitsreformgesetzes 2000 wurde mittels des am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen § 17 b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) die Ein- führung eines fallpauschalenorientierten Entgeltsystems beschlossen.1 Die Selbst- verwaltungspartner im Gesundheitswesen - die deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die gesetzlichen Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenver- sicherung, denen seitens des BMGS die Betreuung und Weiterentwicklung des Systems überlassen wurde, verständigten sich darauf, das in Australien verwendete AR-DRG-System mit erstmaliger Gültigkeit zum 1. Januar 2003 in Deutschland einzuführen. Zwecks Unterstützung der Selbstverwaltung bei der Einführung und Entwicklung des Systems wurde von den Partnern das Institut für das Entgelt- system im Krankenhaus gGmbH (InEK) gegründet.

Ziel der Umstellung auf eine vollständig fallpauschalenbasierte Finanzierung der Krankenhäuser ist nach den Erwartungen des Gesetzgebers eine Intensivierung des Wettbewerbs, Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven2 sowie eine verbesserte Effizienz der benötigten Ressourcen.

Hiermit soll eine Minimierung der Kosten für Krankenhausbehandlungen und dadurch eine Stabilisierung des Beitragssatzes der Gesetzlichen Krankenversicherungen erreicht werden. Eine Intensivierung des Wettbewerbs bedeutet für viele Krankenhäuser häufig erstmalig, eine bessere Effizienz und Qualität liefern zu müssen als es andere erreichen.3

Das Gelingen dieser Herausforderung hängt von der Bereitschaft und den Fähigkeiten des einzelnen Krankenhauses ab. Auch ist eine derartige Systemumstellung wie in den letzten Jahren beobachtet mit Chancen, aber auch Problemen verbunden. Diese ergeben sich zwangsläufig durch die gänzlich anders geartete Kalkulationsweise als im bisherigen Finanzierungssystem und der daraus erwachsenden Veränderung der Einnahmesituation der Krankenhäuser.

Das DRG-System ist keine deutsche Erfindung, vielmehr erfolgt der Einsatz verschiedener Varianten von Patientenklassifikationssystemen wie DRGs bereits seit Jahren insbesondere in den USA und in diversen weiteren Ländern.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich zunächst grundlegend mit dem Aufbau und der geschichtlichen Entwicklung von DRG-Systemen insbesondere in deren Mutterland USA und den in Australien implementierten Weiterentwicklungen. Im Speziellen wird der Aufbau eines DRG-Systems sowie die Kalkulationsweise an- hand der Zusammensetzung des australischen AR-DRG-Systems in der Version 4.1 eingehend vorgestellt. Dessen Portierung auf die „German Diagnosis Related Groups“ - im Allgemeinen als G-DRG bezeichnet und die vollzogene Einführung in deutschen Krankenhäusern wird nachfolgend beschrieben. Zusätzlich wird hier- bei auf die notwendige Weiterentwicklung des Abrechnungssystems eingegangen. Alle bisher schon in Teilen umgesetzten aber vorwiegend noch in der Entwicklung befindlichen Einführungsstufen bilden den Themenschwerpunkt.

Ferner wird das interne Rechnungswesen in Form der Kosten- und Leistungsrech- nung der Krankenhäuser zusammenfassend erläutert. Die sich aus der Änderung der Finanzierungsweise durch die Kostenträger ergebenden Herausforderungen und auch Problemstellungen werden hierbei aufgezeigt. Eine Lösungsmöglichkeit für den nach der DRG-Einführung nicht immer gesicherten Ausgleich zwischen Er- lösen und Kosten wird abschließend beispielhaft vorgestellt und untersucht.

2 Grundzüge von Diagnosis Related Groups

Alle DRG-Systeme zeichnen sich grundsätzlich durch die Tatsache aus, dass stationäre Behandlungsfälle nicht wie in Deutschland bisher praktiziert nach der tatsächlichen Verweildauer des Patienten tageweise abgerechnet werden sondern u. a. je nach relevanten Diagnosen und durchgeführten Maßnahmen (so genannten Prozeduren) eine Fallpauschale gebildet wird. Diese ergibt einen festen Betrag für jeweils ähnliche „diagnosebezogene Fallgruppen“.

Ein stationärer Behandlungsfall lässt sich so beispielsweise mit einem Aufenthalt eines Autos in einer Werkstatt vergleichen, für den ein bestimmter nach dem Anlass für diesen Aufenthalt und den dort durchgeführten Leistungen kalkulierter Paketpreis in Rechnung gestellt wird.

DRG-Systeme sind Systeme zur Klassifikation von stationären Behandlungsfällen in Akutkrankenhäusern. Sie berücksichtigen neben ärztlichen, also medizinischen Aspekten auch insbesondere die ökonomische Sichtweise. Bei den hauptsächlichen Einsatzgebieten handelt es sich um die Kostenträgerrechnung, also die Kalkulation eines Behandlungsfalles, Führung des Krankenhausbetriebes und Betriebsverglei- che. Ferner erfolgt die Vergütung von Behandlungsfällen über die Bildung einer DRG aus medizinischen (u. a. Diagnosen) und demografischen Daten der behan- delten Person (u. a. Alter, Gewicht).

Derartige Patientenklassifikationssysteme unterteilen die Patienten in klinisch definierte Gruppen mit ähnlichen Behandlungskosten. Auf der klinischen Seite wird hierbei der medizinische Aspekt der Zusammenfassung ähnlich behandelter Fälle betrachtet. Auf der ökonomischen Seite werden hingegen die Kosten der Behandlung eines Einzelfalles, wie auch die Kosten aller Behandlungsfälle eines Krankenhauses betrachtet. Der für alle Behandlungsfälle entstehende Aufwand wird über die valide kalkulierten Fallkosten gemessen.4

Jede Fallgruppe erhält hierzu einen vorher definierten Bewertungsfaktor, welcher den Aufwand des beschriebenen Falles möglichst realistisch abbilden soll. Der Bewertungsfaktor wird mit einem für alle Behandlungsfälle geltenden Wert eines Durchschnittsfalles multipliziert, woraus sich der Fallerlös ergibt.

Ökonomisch bedeutsam ist das Erreichen eines Gleichgewichtes zwischen Ertrag und Kosten, ferner ist es gesamtwirtschaftlich und besonders für die Kostenträger von Bedeutung, die Kosten der stationären Behandlung zu begrenzen. Zu den hier- zu einsetzbaren Instrumenten gehören auf der Kostenseite die Kostenträgerrech- nung und auf der Ertragsseite die berechneten Pauschalen und das sich ergebende Gesamtbudget.

Durch ein Patientenklassifikationssystem wird versucht, die Interessen der medizinischen und ökonomischen Seite miteinander in Einklang zu bringen. Eine Verbindung von zum Teil gegensätzlichen Interessen kann jedoch schon von der Natur der Sache her zu Konflikten führen.

So ist es beim Einsatz eines DRG-Systems zur direkten Vergütung von Behandlungsfällen beispielsweise möglich, durch eine umfassendere und wesentlich sorgfältigere Dokumentation als notwendig auf der medizinischen Seite zu einer höher bewerteten Fallgruppe zu gelangen und damit den Erlös zu steigern. Auch gibt es häufig einen Ermessensspielraum seitens des dokumentierenden Arztes, welcher aufgrund der persönlichen Einschätzung eines Falles eine höher bewertete Hauptdiagnose wählen kann als dies eigentlich notwendig ist. Dieses Phänomen wird als DRG-Creep oder synonym als Upcoding bezeichnet.5

Hierbei ist es insbesondere von Bedeutung, dass seitens der Kostenträger, also ge- meinhin der gesetzlichen Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungen, ein erheblicher Prüfaufwand bei stationären Abrechnungen betrieben werden muss. Dieser Aufwand ist erforderlich, um möglichst nur korrekt berechnete Fallpauscha- len anzuerkennen.

Bei nach Auswertung der dem MDK zur Verfügung zu stellenden medizinischen Dokumentation erkanntem Upcoding sind entsprechende Korrekturen bei den Krankenhäusern zu erwirken. Welche Auswirkungen und Konsequenzen dieses erlössteigernde Upcoding insbesondere in der weiteren Entwicklung des deutschen Fallpauschalensystems hat, wird in den folgenden Ausführungen in den Abschnitten 5.4 und 6.3 nochmals angesprochen werden.

3 Historische Entwicklung

3.1 Entstehung von DRG-Systemen

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Entstehung von DRG-Systemen gegeben werden. Ferner wird auf die Gründe für die Klassifikation von Patienten in Fallgruppen eingegangen. Dabei wird ausgehend vom erstmaligen Einsatz der DRGs in den USA auf die weiteren Entwicklungsstufen eingegangen und schließ- lich das australische AR-DRG-System detailliert dargestellt. Dieses bildet die Grundlage des deutschen G-DRG-Systems und dessen Systematik und Aufbau wurde nach der Einführung im ersten Anwendungsjahr 2003 nahezu unverändert übernommen. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklungsstufen der einzelnen DRG-Systeme im zeitlichen Ablauf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 1: DRG-Entwicklungsphasen, Stand: 2003 (Quelle: Eigene Darstellung nach:

Fischer, W.: Patientenklassifikationssysteme, 2004, http://www.fischer-zim.ch/streiflicht/ DRG-Familie-9512.htm, Zugriff: 29.08.2005)

Insgesamt lassen sich hieraus vier Generationen von DRG-Systemen ableiten, wo- bei in jeder Generation Erweiterungen in der Systematik und eine Unterteilung immer weiter verfeinerter Abstufungen des Fallschweregrades implementiert wurden. Allen Systemen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie akutstationäre Fälle unterschiedlichen Fallgruppen zuweisen. Einem Behandlungsfall, also dem gesam- ten Krankenhausaufenthalt eines Patienten, wird genau eine Fallgruppe zuge- ordnet.6

Alle bis heute entwickelten DRG-Systeme wurden grundsätzlich unter Nutzung der gleichartigen Ermittlung einer Klassifizierung des Leistungsangebotes von Krankenhäusern entwickelt. Erstmalige Überlegungen zu dieser Klassifizierung von Patientengruppen wurden aufgestellt, nachdem eine Gruppe um den Universi- tätsprofessor R. B. Fetter Ende der 60-er Jahre an der Yale-University im Auftrag von Ärzten der dortigen Universitätsklinik ein Forschungsprojekt begann. Dieses hatte die Entwicklung eines Instrumentes zur diagnose- und kostenbezogenen Fall- betrachtung und zur Qualitätssicherung im Rahmen akutstationärer Behandlungen in Krankenhäusern zum Inhalt.7

Ziel dieses Forschungsvorhabens war, zu ermitteln, ob sich industrielle Methoden der Qualitäts- und Kostenkontrolle auf den Sektor der „Produkte“ von Krankenhäusern übertragen lassen. 1975 wurden daraufhin die Yale-DRGs, eine erstmalige Klassifizierung von Patienten in Fallgruppen, vorgestellt.8

3.2 DRG-System der Health Care Financing Administration (USA)

Die Nomenklatur der Yale-DRGs wurde noch nicht als Instrument zur Vergütung von Behandlungsfällen genutzt, sondern lediglich als Klassifizierungssystem ein- gesetzt. Es wurde aber schnell erkannt, dass sich die Systematik bei entsprechender Weiterentwicklung auch als Vergütungssystem eignet. Mit diesem Gedanken wurde das ausschließlich für Forschungszwecke eingesetzte System der Yale-DRGs zu dem System der HCFA-DRG der „Health Care Financing Administration“ weiter- entwickelt. Dieses System der ersten Generation wurde erstmalig ab 1983 in den USA neben der Rolle als Klassifizierungsinstrument zur Abrechnung stationärer Behandlungen eingesetzt. Der Einsatz beschränkte sich zunächst auf Patienten der staatlichen Krankenversicherung für über 65-jährige US-Rentner (Medicare).

Die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer Fallgruppe erfolgt anhand der für den Fall relevanten Hauptdiagnose. Bestimmte zusätzliche Diagnosen können zu einer Einstufung in eine höher bewertete Fallgruppe führen.

Alle aktuell im Einsatz befindlichen DRG-Systeme bauen in immer weiter ver- änderter und auch verfeinerter Form auf der Grundsystematik der HCFA-DRGs auf.9

3.3 Refined Diagnosis Related Groups (USA)

An der Yale-University wurde eine Verfeinerung des ursprünglichen HCFA-DRG- Systems entwickelt. Diese war im Gegensatz zum HCFA-System in der Lage, systematisch eine Unterteilung nach bis zu vier chirurgischen und bis zu vier medizinischen Schweregradunterteilungen vorzunehmen. Dieses System wird als „Refined“-DRG-System bezeichnet (RDRG), kam aber wie das HCFA-System nur im Bereich der Medicare-Versicherung zum Einsatz.10

3.4 All Patient Diagnosis Related Groups (USA)

Da die HCFA-DRGs für die Abrechnung stationärer Behandlungen von über 65- jährigen konzipiert waren, fehlten diesem System Einordnungskriterien, die für ein breiteres Patientenspektrum anwendbar waren. Ferner fehlte im ursprünglichen System die Unterteilung in verschiedene Schweregrade und nach dem Patienten- alter. Zur differenzierten Klassifizierung der Haupt- und Nebendiagnosen wurden so genannte CCs und Major-CCs gebildet. Mit CCs (Complications and Comorbidities) wird die Schwere von Diagnosen und/oder Begleiterkrankungen bezeichnet. Major-CCs sind schwerste Nebendiagnosen, die bei bestimmten Fall- gruppen in ihrer Relevanz vor die Hauptdiagnose treten können.

Bei dem diese Merkmale berücksichtigenden DRG-System der zweiten Generation, dem AP-DRG-System („All Patient“), handelt es sich um eine alternative Weiterentwicklung des HCFA-Systems. Das AP-DRG-System wurde zur Abrechnung von Patienten ohne Beschränkung auf das Einsatzgebiet der Medicare-Versicherung entwickelt und kam ab Ende der 80er Jahre in den USA zum Einsatz.11

3.5 All Patient Refined Diagnosis Related Groups (USA)

Als Ableitung aus dem AP-DRG-System wurde das System der APR-DRGs als verfeinertes System entwickelt. Im Unterschied zum zeitgleich entwickelten R-DRG-System wurden für sämtliche Bereiche vier Schweregrade eingeführt. Damit wurde erstmals eine Trennung der medizinischen Komplexität eines Behand- lungsfalles und des wirtschaftlichen Verbrauches von Ressourcen erreicht. Der Ein- satz der APR-DRGs erfolgt in den USA jedoch nicht flächendeckend, sondern regional begrenzt.12

3.6 Australian National Diagnosis Related Groups

In Australien kam es erstmals Anfang der 90er Jahre zur Entwicklung von DRGSystemen auf der Grundlage der verfügbaren Daten aus australischen Krankenhäusern. Vorbild für die Entwicklung des eigenen DRG-Systems waren die APDRGs sowie die APR-DRGs aus den USA.

Den erstmaligen Einsatz als Finanzierungsinstrument der öffentlichen Kranken- häuser erfuhren die daraus entwickelten AN-DRGs („Australian National“) im Jah- re 1993 im australischen Bundesstaat Victoria.13 Die Einteilung der Schweregrade entsprach dem AP-DRG-System, also einem System der zweiten Generation.

3.7 Australian Refined Diagnosis Related Groups

Das AN-DRG-System wurde ab 1995 komplett überarbeitet. Dabei wurde die Sys- tematik eigenständig weiterentwickelt und auch in weiten Teilen neu entwickelt. Jede Nebendiagnose wird in diesem System individuell mit ihrem einzelnen Schweregrad gewichtet und geht dabei in der Addition aller Diagnosen in den Gesamtschweregrad des Behandlungsfalles ein. Bisherige DRG- Entwicklungsstufen sahen nur die Berücksichtigung der schwersten Nebendiagnose vor.

Ergebnis dieser Verfeinerung ist das AR-DRG-System („Australian Refined“), welches ab dem Jahr 1998 zum Einsatz kam.14 Der Entwicklungsstufe entspre- chend handelt es sich hierbei um ein System der vierten und bislang letzten Genera- tion.

Da sich seitens der Selbstverwaltung in Deutschland am 27. Juni 2000 auf die Lizenzierung des australischen AR-DRG-Systems in der seit 1999 geltenden Version 4.1 geeinigt wurde, soll im folgenden Abschnitt eingehend auf die Syste- matik, Methodik und Berechnungsweise dieser Version eingegangen werden.15

4 Systematik und Gruppierung der AR-DRGs

4.1 Grundlagen des AR-DRG-Systems

Das AR-DRG-System besitzt eine differenzierte Abbildung der einzelnen Schwere- grade jeder individuellen Diagnose. Sämtliche Diagnosen werden im AR-DRG- System der Version 4.1 nach dem international gültigen Diagnosenschlüssel ICD- 10 in der australischen Version (ICD-10-AM) kodiert. Dieser Schlüssel deckt nahezu sämtliche denkbaren Krankheitsbilder ab. Somit ist eine detaillierte Differenzierung möglich.

Nach medizinischen Einordnungskriterien erfolgt die Zuordnung der im Laufe der Behandlung behandelten Diagnosen zu Fallgruppen, die einen ähnlichen Behandlungsaufwand aufweisen. Je Behandlungsfall ist die Bildung von genau einer Fallgruppe vorgesehen. Aus ökonomischer Sicht in sich homogene Gruppen werden dabei unter Berücksichtigung der aus medizinischer Sicht sinnvollen Kombination definierter Zuordnungskriterien gebildet.

Die Darstellung des AR-DRG-Systems erfolgt in Anlehnung an die Ausführungen von W. Fischer und B. Rochell/N. Roeder.16

4.2 Gruppierungsprozess im AR-DRG-System

Der gesamte Vorgang von der medizinischen Dokumentation eines Behandlungsfalles, also der genauen Erfassung aller für die Berechnung der abzurechnenden Fallgruppe relevanten medizinischen und ökonomischen Merkmale einer behandelten Person wird als Grouping (Gruppierung) bezeichnet. Sofern es für die Ermittlung der Fallgruppe bedeutsam ist, werden auch demografische Merkmale berücksichtigt. Demografische Merkmale können Alter, Geschlecht oder das Aufnahmegewicht bei Neugeborenen sein.

Im Zuge des Gruppierungsprozesses findet eine Zuordnung anhand eines eindeutig definierten Algorithmus statt, der für den Zweck der Ermittlung der korrekten Fallgruppe genau einzuhalten ist.

Aufgrund der vorgegebenen Systematik ist dieser Vorgang durchaus bei Gegebenheit sämtlicher Daten von Hand machbar, jedoch wird sich in der Praxis eines Softwareprogrammes bedient. Hierbei handelt es sich um einen so genannten Grouper welcher nach Erfassung der für die Ermittlung der DRG erforderlichen Daten, die endgültige Vergütungshöhe des Behandlungsfalles ausgibt.17

Der Ablauf des Gruppierungsprozesses wird im Folgenden skizziert.

4.2.1 Zusammensetzung einer AR-DRG-Fallgruppe

Die folgende Abbildung zeigt die Zusammensetzung einer Fallgruppe beispielhaft an der DRG, welche im AR-DRG-System 4.1 zur Abrechnung einer Appendektomie (Blinddarmoperation) gebildet wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 2: Aufbau einer AR- bzw. G-DRG-Fallgruppe (Quelle: Eigene Darstellung)

Hieraus ist zu entnehmen, dass sich eine Fallgruppe aus insgesamt vier Zeichen zusammensetzt. Die einzelnen Elemente des Codes und die Gruppierung einer DRG werden im Folgenden erläutert.

4.2.2 Plausibilitätsprüfung der Patientendaten

Zuerst wird eine Prüfung der erfassten Daten auf deren Plausibilität vorgenommen. Spezialfälle wie Langzeitbeatmungen, HIV oder Transplantationen und Fehlkodierungen werden vorab identifiziert und einer Fallgruppe zugeordnet.

4.2.3 Zuordnung der Hauptdiagnose

Anhand klinischer Daten erfolgt nun die Zuordnung der Diagnose, welche der hauptsächliche Anlass für die stationäre Behandlung war.

Diese nach dem ICD-10 Schlüssel kodierte Diagnose wird als Hauptdiagnose be- zeichnet und bildet die Grundlage für den gesamten weiteren Gruppierungsprozess.

4.2.4 Zuordnung der Hauptdiagnosekennziffer

Ausgehend von der Hauptdiagnose erfolgt die Zuordnung zu der Major Diagnostic Category (MDC), der Hauptdiagnosekennziffer. Diese orientiert sich ungefähr an dem durch die Hauptdiagnose bezeichneten Körperabschnitt. Das AR-DRG-System sieht eine Zuordnung zu insgesamt 23 MDCs vor.

Jede dieser MDCs erhält einen Buchstabencode, welcher sich von MDC 00 (PRE) = A bis zu MDC 23 = Z erstreckt. Bei diesem Code handelt es sich um die erste Stelle des vierstelligen DRG-Codes.

Neben den reinen MDCs gibt es auch die Pre-MDCs, wozu u. a. besonders teuer zu behandelnde Krankheitsbilder zählen. Für diese Krankheitsbilder sind gesonderte DRG-Fallgruppen vorgesehen, die mit dem Buchstaben A beginnen.

Bei Angabe falscher bzw. unsinniger Diagnosekombinationen wie z. B. „Prostata- krebs“ beim Mann mit der Nebendiagnose „Entbindung“ entsteht hingegen eine so genannte „Fehler-DRG“, welche anstelle des Buchstabens die Ziffer 9 zu Beginn erhält.

Einen Überblick über die MDCs und deren Zuordnung liefert die folgende Tabelle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 3: Hauptdiagnosekategorien im AR- bzw. G-DRG-System

(Quelle: Eigene Darstellung nach Fischer, W.: Australien, 2000, http://www.fischer- zim.ch/text-pcssa/t-ga-E9-System-AR-0003.htm, Zugriff: 13.08.2005)

[...]


1 § 17 b Abs. 1 KHG.

2 § 10 Abs. 3 Nr. 3 KHEntgG.

3 Vgl. Buscher, F.: Bericht, 2005, S. 181.

4 Vgl. Roeder, N. u.a.: DRG-Start, 2001, S. 668.

5 Vgl. L ü ngen, M./Lauterbach, K. W., DRG, 2003, S. 102-104.

6 Vgl. Rochell, B./Roeder, N.: Patientenklassifikationssystems, 2000, S. 262.

7 Vgl. L ü ngen, M./Lauterbach K.W.: DRG, 2003, S. 29.

8 Vgl. Braun v. Reinersdorff, A.: Buchstaben, 2002, S. 32-34.

9 Vgl. Rochell, B./Roeder, N.: Krankenhausvergütungssystem, 2003, S. 472.

10 Vgl. Fischer, W., Grundzüge, 2001, S. 22.

11 Vgl. Fischer, W., Grundzüge, 2001, S. 22-23.

12 Vgl. Lüngen, M./Lauterbach, K.W.: DRG, 2003, S. 48.

13 Vgl. Fischer, W.: Grundzüge, 2001, S. 24.

14 Vgl. Fischer, W.: Grundzüge, 2001, S. 24.

15 Vgl. Rochell, B./Roeder, N.: Krankenhausvergütungssystem, 2003, S. 472.

16 Vgl. Fischer, W.: Australien, 2001, http://www.fischer-zim.ch/text-pcssa/t-ga-E9-System-AR- 0003.htm (13.08.2005) und Rochell, B./Roeder, N.: Patientenklassifikationssystems,

S. 262-263.

17 Ein Demonstrationsgrouper kann für alle derzeit gültigen Versionen des G-DRG Systems unter http://drg.uni-muenster.de/de/webgroup/m.webgroup.php4 abgerufen werden (Zugriff: 13.08.2005).

Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Das System der German Diagnosis Related Groups und dessen Einführung in der Krankenhausabrechnung in Deutschland
Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Lüneburg
Veranstaltung
Betriebswirt VWA Lüneburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
57
Katalognummer
V46394
ISBN (eBook)
9783638435932
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
System, German, Diagnosis, Related, Groups, Einführung, Krankenhausabrechnung, Deutschland, Betriebswirt, Lüneburg
Arbeit zitieren
Andre Dobelmann (Autor:in), 2005, Das System der German Diagnosis Related Groups und dessen Einführung in der Krankenhausabrechnung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46394

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