Eine Analyse der Darstellung der Stadt in Georg Heyms Gedicht "Die Stadt"


Texte Universitaire, 2018

23 Pages, Note: 1

Anonyme


Extrait


Inhalt

1.Einleitung

2.Zeitliche Einordnung
2.1 Expressionismus- ein Überblick
2.2 Die Großstadt zur Zeit des Expressionismus
2.3 Georg Heym und die Großstadt

3. Inhalt des Gedichts
3.1 formaler Aufbau
3.2 Inhalt und der Versuch einer Interpretation des Gedichts
3. Darstellung der Stadt

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1.Einleitung

Im Seminar „Expressionismus“ haben wir uns neben den Besonderheiten dieser Epoche vor allem mit verschiedenen Werken und Texten, die aus dieser Zeit hervorgingen, beschäftigt und anhand derer verschiedene Merkmale, Themen und Motive der expressionistischen Literatur herausgearbeitet. Da der Großstadt im Zuge der Industrialisierung im Expressionismus eine besondere Bedeutung zukommt, liegt der Fokus der vorliegenden Hausarbeit vor allem auf der Großstadt. Diese wird anhand des Gedichts von Georg Heym Die Stadt analysiert. Die Gliederung dieser Arbeit umfasst vier Teile. Beginnend mit der Einleitung folgt die zeitliche Einordnung des Expressionismus, hierbei wird zunächst ein Überblick über die Epoche des Expressionismus gegeben. Was zeichnet diese Epoche aus? Wodurch ist sie charakterisiert? Zentral ist hierbei die Frage nach dem historischen Hintergrund, sprich zu welcher Zeit entstand der Expressionismus? Wie ist dieser in die Geschichte einzuordnen? Daran anschließend steht die Großstadt als essentielles Thema des Expressionismus im Fokus und mit ihr die Frage, wie die Menschen das Leben in der Großstadt empfinden und wahrnehmen. Außerdem wird untersucht, was die Großstadt kennzeichnet und welche Auswirkungen das Leben in der Großstadt auf die Bevölkerung hat.

Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Bezug zwischen Großstadt und Georg Heym sowie seinen Erfahrungen mit dieser.

Im dritten Kapitel folgt die Analyse des Gedichts „Die Stadt“ von Georg Heym. Zunächst wird der formale Aufbau betrachtet. Was ist hierbei typisch für den Expressionismus? Welche Besonderheiten fallen auf? Wie ist das Gedicht allgemein aufgebaut? Des Weiteren wird im nächsten Abschnitt der Inhalt des Gedichts interpretiert und durchleuchtet. Zuletzt wird in Kapitel drei der Frage nach der Darstellung der Stadt in dem Gedicht nachgegangen. Wie wird die Stadt beschrieben? Inwiefern ist dies typisch für den Expressionismus? Beendet wird die Arbeit mit einem Fazit, in dem noch einmal die wichtigsten Ergebnisse, mit besonderem Augenmerk auf die Frage nach der Darstellung der Stadt, zusammengefasst werden.

2.Zeitliche Einordnung

Im folgenden Abschnitt wird die Epoche des Expressionismus näher betrachtet. So wird der Begriff Expressionismus erläutert und der historische Hintergrund aufgezeigt. Auch das Phänomen der Großstadt wird anschließend näher beschrieben, denn der Großstadt kommt eine besondere Bedeutung im historischen Wandel in Bezug auf den Expressionismus zu. Zusätzlich soll dieses Kapitel Georg Heyms Verbindung zur Großstadt aufzeigen und durchleuchten.

2.1 Expressionismus- ein Überblick

Das Wort Expressionismus entstammt aus dem lateinischen expressio und heißt übersetzt Ausdruck.1 Die Expressionisten stellen die Gegenposition zu den impressionistischen Vorläufern dar. Während die Impressionisten sich mit der Wirklichkeit auseinandersetzten, ging es den Expressionisten vielmehr darum, ihre eigene innere Wirklichkeit auszudrücken. Den Expressionisten geht es folglich nicht um die Darstellung des Sichtbaren, sondern um die Verdeutlichung von Gefühlen, Erinnerungen und Ängsten, sprich der inneren Wirklichkeit.2 Im Gegensatz zum Naturalismus setzt sich der Expressionismus mit der übermächtig aufsteigenden Großstadt auseinander. Expressionisten zielen nicht, wie der Naturalismus, auf die wirklichkeitsgetreue Schilderung eines Milieus ab, sondern sie nutzen die Realität als „Rohstoff“, welcher dann wiederum von den einzelnen Autoren durch die unterschiedlichen Emotionen der einzelnen Künstler verschieden verarbeitet wird.3

Die Epoche des Expressionismus geht ursprünglich aus der bildenden Kunst hervor. Der Begriff des Expressionismus wurde 1911 von Kurt Hiller, der ebenfalls dieser Strömung angehörte, das erste Mal verwendet und auch von diesem auf die Dichtung übertragen.4 Es dauerte jedoch einige Zeit bis jener Begriff sich in der Denkweise derer Autoren verfestigt hatte, die heute für diese Epoche einstehen. Einige Autoren, die heute mit zu den wichtigsten Vertretern dieser Zeit zählen, starben sogar noch, bevor die Bewegung des Expressionismus als solche erkennbar wurder.5 Der erste Weltkrieg, welcher eines der zentralen Ereignisse ist, die das „expressionistische Jahrzehnt“ prägten,6 unterteilte den Expressionismus in drei Phasen: Frühexpressionismus (1910-1914), Kriegsexpressionismus (1914-1918) und Spätexpressionismus (1918-1925). Im Frühexpressionismus wurde durch den Kriegseinbruch „[…] das Leben und das Schreiben der jungen Autoren grundlegend verändert […]“7 Wie bereits erwähnt, forderte der Krieg auch unter den Expressionisten viele Opfer und die „[…] Auseinandersetzung mit dem Krieg wurde ein beherrschendes Thema für die Überlebenden.“8 Ferner durchziehen die Vorboten des Krieges die expressionistische Literatur ebenso „[…] wie sein Ausbruch und Verlauf zur Verschärfung der expressionistischen Zivilisationskritik beitrug.“9

Von besonderer Bedeutung für die neue Epoche des Expressionismus, sprich des Kriegsexpressionismus, war der Krieg und die entsprechende Einstellung der Menschen ihm gegenüber. Gemäß Vietta (zitiert nach Hugo Ball)10 sind es drei Krisen, die die Menschen in der damaligen Zeit in ihren Grundfesten erschütterten. Eine dieser Krisen bezieht sich auf das Atom, welches bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts als unteilbar galt. Die Entdeckung, dass dieses, bis dahin als Grundbaustein geltende Teilchen, wiederrum geteilt werden kann zog in der Wissenschaft weite Kreise. Dies spiegelte sich auch in der Gesellschaft wieder, da das Fundament aller Elemente, das Atom, nicht mehr als unteilbares Fundament vorhanden war. Hinzu kommt die „[…]Massenschichtung der Bevölkerung im heutigen Europa“11 und die „Entgötterung der Welt“. Dies meint das immer stärker werdende Vertrauen in die Naturwissenschaften, die das Unerklärliche - das Göttliche - erklären können, wodurch für die Menschheit alles begreifbarer und in Folge dessen weniger göttlich wurde. Für die Menschen damals bedeutete dies massive Veränderungen und ihr Weltbild wurde erschüttert. Das, woran man vorher geglaubt hatte, war auf einmal wertlos und wurde von etwas Neuem abgelöst.12 Der Expressionismus wurde folglich von vielen verschiedenen Ereignissen beeinflusst und geprägt: Krieg, Technisierung, politische und soziale Umbrüche, allen voran die Industrialisierung, der Aufschwung der Philosophie und die massenhafte Verbreitung der Schriften. Die Literatur zu Zeiten des Expressionismus drückt die Emotionen dieser Epoche aus und stellt gleichzeitig, wie bereits erwähnt, eine Reaktion auf den Naturalismus und Impressionismus dar. Der Expressionismus zeichnet sich durch die folgenden Themen aus: Krieg, Verstädterung und der Ich-Zerfall. Letzteres meint, dass sich das Individuum aufgrund der Fülle von für ihn nicht mehr fassbaren Wahrnehmungen des modernen Lebens von bestimmten Werten und Normen der Gesellschaft trennt.13 Urbanisierung und Industrialisierung stellten die Menschen vor neue Herausforderungen, denn althergebrachte Strukturen funktionieren nicht mehr in dieser Art. So mussten in den Städten mehr Menschen auf gleichem Raum untergebracht und versorgt werden, in der Landwirtschaft fehlten Arbeitskräfte. Diese Ereignisse stellen die Menschen neuen, für sie fremden Erfindungen gegenüber, die ihnen Angst bereiteten. Die rasant wachsende Großstadt und das neue Lebensgefühl erdrücken die Menschen. Die Anonymität nahm rasant zu und führte folglich zu dem bereits genannten Ich-Zerfall. Decker zitiert in ihrem Werk Gottfried Benn, welcher den Expressionismus als eine Ausdrucksform beschreibt, welche „[…] sein Verhältnis zur Natur, seine Liebe, seine Trauer, seine Gedanken über Gott […]“14 darstellen. Richter beschreibt in seinem Werk den Expressionismus zudem als „[…] Antwort der Künstler auf die bedrohlich gewordene Materialisierung und Reglementierung des Lebens“.15

Darüber hinaus ist der Punkt der Ästhetik des Hässlichen ein zentrales Merkmal expressionistischer Literatur. Diese steht „[…] in Opposition zum „ästhetizistischen Schönheitskult um 1900 […]“16 und zeigt mit schonungsloser Offenheit „Hässliches und Groteskes“, stellt die tief empfundene Zerrissenheit der eigenen Innenwelt und der Außenwelt dar und spiegelt, durch die genutzte Sprache, eine „als brüchig empfundene Sprachordnung“ wieder. Überall wurde das Verborgene sichtbar gemacht: Die Psychoanalyse kratzt am Verborgenen in der Gedankenwelt, die Archäologie schaut unter die Erde und das neue Verfahren des Röntgens schaut unter die Haut. Es wird also versucht, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Sowohl tatsächlich (siehe oben) als auch in der Kunst (der Expressionismus der die inneren Gefühle bzw. die innere Zerrissenheit darstellen mag).17 Auch Renfert betont in seinem Werk Melancholie und Expressionismus, dass im Expressionismus eine, wie er sie bezeichnet, – tragische – Ästhetik erkennbar wird. Er sagt, dass das „[…] ästhetische Prinzip der Melancholie im Expressionismus […]“ aus dem Gegensatz von „Entstehen und Vergehen“ entsteht, welches die Expressionisten „[…] in verschiedenster Weise ästhetisieren.“18 Diese „[…] Melancholie und negative Dialektik von Entstehen und Vergehen […]“19 geht einher mit dem Phänomen des Leidens, welches die Expressionisten als Keim ihrer Kunst ansehen. Dies weist gemäß Renfert auf die grundlegende tragische Struktur ihrer Kunst hin.20

Um auf den historischen Hintergrund zurückzukommen, war es vor allem der erste Weltkrieg, welcher den Expressionismus maßgeblich beeinflusste. Vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges befand sich ganz Europa in einer extremen Umbruchssituation und im Zuge der Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert gingen mit dieser Wende einige extreme Veränderungen einher. Um die Jahrhundertwende hatte sich in Deutschland die industrielle Produktion zu einem fortschreitenden Industriesystem entwickelt, während die Gesellschaft selbst jedoch weit von der Industrialisierung entfernt war. Der politisch- historische Hintergrund wurde zur Zeit des Expressionismus vor allem durch den in Deutschland vorherrschenden Wilhelminismus bestimmt, welcher das Bürgertum und die Industrie prägte. Der Wilhelminismus beschreibt den Zeitraum zwischen 1890- 1918 und beinhaltet die Herrschaftsjahre von Kaiser Wilhelm II sowie den bereits erwähnten ersten Weltkrieg. Kennzeichnend für den Wilhelminismus ist unter anderem das Großmachtstreben mit dem Ziel, ein Kolonialreich zu errichten und den daraus resultierenden Konflikten mit anderen Staaten. Das Bürgertum glaubte überwiegend an die Monarchie sowie die militärische und wirtschaftliche Macht Deutschlands, wogegen sich in der Arbeiterklasse aufgrund einer unzureichenden Sozialpolitik und den sich veränderten Bedingungen durch die Industrialisierung der Kommunismus und Sozialismus verbreitete.21 Gemäß Anz kommt es zu einer rapiden Beschleunigung soziokultureller Entwicklungsprozesse, die die „[…] Prozesse der Rationalisierung, Technisierung, Industrialisierung und Urbanisierung, die Zunahme sozialer Mobilität, die Expansion massenkommunikativer Prozesse und die Bürokratisierung […]“22 meinen. Aufgrund dieses abrupten Übergangs von einer weniger entwickelten hin zu einer fortschrittlichen kapitalistischen Wirtschaftsform, führte dies im Bewusstsein der Menschen zu einer Gegenüberstellung des für sie Fremden. Ein Großteil der jungen expressionistischen Autoren ist um das Jahr 1890 geboren und somit folglich in dieser Zeit der Umstrukturierung und des Umbruchs aufgewachsen, sodass das vorherrschende Spannungsverhältnis kennzeichnend für das Bewusstsein dieser Schriftsteller war.23

2.2 Die Großstadt zur Zeit des Expressionismus

Im Zuge der allgemeinen Verstädterung in der Zeit von 1870 bis 1910 kam es zu einer gewaltigen Zunahme „[…] des großstädtischen Anteils innerhalb der Gesamtbevölkerung.“24 Bereits 1911 deklarierte Kurt Hiller die Großstadt als zentrales Thema der zukünftigen Dichter. Das Motiv der Großstadt, welches im Naturalismus neu entdeckt wurde, rückte schließlich im Expressionismus in den Fokus.25 Das städtische Erscheinungsbild wurde durch die technischen Neuerungen wie „[…] Autos, Hochbahnen, elektrifizierte Straßenbahnen, elektrische Straßenbeleuchtung […]“26 massiv verändert. Es fiel den Menschen schwer, sich zielgerichtet in der veränderten Umwelt zu orientieren, da sie sich aufgrund eines beschleunigten Lebenstempos, erhöhter Ereignisdichte und der damit einhergehenden Reizüberflutung an die sich veränderten Bedingungen anpassen mussten. Um sich dennoch in dieser Umwelt bewegen zu können, mussten neue Routinen selektiver Wahrnehmung entwickelt werden, da viele äußere Reize plötzlich den Mittelpunkt der Wahrnehmung bestimmten. Dadurch reduzierten sich Erfahrungen auf eine Reihe intensiver Augenblicke, durch die es Betroffenen schwer gefallen ist, zwischen äußeren Sach- und inneren Sinnzusammenhängen zu unterscheiden.27 Infolge der Jahrhundertwende traten folglich zeitnah die ersten „[…] tieferdringenden Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der Industriestadt […]“28 auf. Das Gefühl eines „[…] verselbstständigten, >verdinglichten< System gegenüberzustehen […]“ in dem der Mensch selbst nahezu funktionslos geworden ist, war vor allem in Deutschland besonders ausgeprägt, da hier das Wachstum von Industrie und großstädtischen Ballungszentren verspätet, aber dafür umso rapider einsetzte.29 Die Menschen nahmen die entstandenen Großstädte als Bedrohung, Anonymität und Reizüberflutung wahr. Hektik, Orientierungslosigkeit, Entfremdung, Ohnmacht und Isolation sind weitere Schlagworte, die die Gefühle der Menschen zu der damaligen Zeit beschreiben. Die Menschen hatten Angst vor der Masse an neuen Maschinen, die die Industrialisierung mit sich bringt sowie vor dem Ich-Zerfall, dem Verlust des Individuums in der Umwelt und vor der Abhängigkeit von einer fremden, übermächtigen Welt. Die Gesellschaft und die traditionellen Weltbilder standen zu der Zeit der Jahrhundertwende vor einer großen Veränderung. Riha nennt in ihrem Werk Deutsche Großstadtlyrik die „Schocks“ als zentrale Wahrnehmung, mit denen „[…] diese neue großstädtische Wirklichkeit- >Großstadt< verstanden […]“ und erfasst wird.30 Zwischen 1910 und 1920 erlebte die deutsche Großstadtlyrik ihre „zweite Blüte“ und zwar „[…] sowohl numerisch als auch qualitativ.“31 Die jungen Expressionisten der Vorkriegsjahre lösten sich inhaltlich von der „[…] naturalistischen Beschränkung des Sachverhalts Stadt auf die Motive Proletariat, Armut, Wohnelend und Fabrikarbeit.“32 Darüber hinaus kam es um die Jahrhundertwende in Deutschland auch zu einer „Umschichtung der Volksmassen“.33 Rothe bezeichnet die Großstadt primär als eine „volkswirtschaftliche Tatsache“. Menschen strömten vom Land in die Stadt und suchten dort „[…] Brot, Arbeit, Wohnung.“34 Aufgrund dessen traten damit eine Menge neuer Probleme „[…] wirtschaftlicher, sozialer, technischer Natur […]“35 vor dem Staat und der Gesellschaft auf. Des Weiteren deckt sich Rothes Aussage mit der von Riha, dass die großen Städte als Lebenszentren der modernen Industriestaaten auf die Menschen und somit auch die Künstler zu der damaligen Zeit eine unglaubliche „Schockwirkung ausübten.36 Auch in der Literatur entwickelte sich die Großstadt zum zentralen Thema. Dieser Vorgang geht einher mit der oben aufgeführten Ausprägung der Großstadt zu der dominierenden Erscheinungsform des Städtewachstums. Wie weiter oben bereits aufgeführt kamen die Menschen vom Land in die Stadt und mussten sich den für sie völlig fremden Lebensformen anpassen, „[…] die von moderner Technik, kapitalisierter Wirtschaftsweise und relativer Beliebigkeit der sozialen Beziehungen geprägt waren.“37 Diese Ereignisse werden auch in der Lyrik der Epoche des Expressionismus sichtbar, die durch die immer wieder auftauchenden Bilder von „[…] Angst, Hast, Lärm, Isolation ein krisenhaftes Lebensgefühl der Großstadtbewohner widerspiegelt.“38 Für die damaligen Schriftsteller war das Erlebnis der Großstadt von großer Bedeutung, da sie die sich verändernden Lebensumstände verfolgten, sodass dies als Basis für die literarische Moderne galt. Großstadtlyrik bezieht sich zum einen auf die neue Mechanisierung sowie Entindividualisierung und zum anderen auf die Industrialisierung sowie Automatisierung und der sich daraus ergebenden Anonymität sowie Verelendung – auf all das reagieren die Frühexpressionisten.39

Der Soziologe Georg Simmel veranschaulicht in seinem Aufsatz Die Großstädte und das Geistesleben unter welchen Bedingungen die Menschen die Großstadt damals wahrgenommen und erlebt haben und inwiefern sich diese Erlebnisse auf das einzelne Individuum seiner Meinung nach ausgewirkt haben. Die auf das Subjekt wirkenden Einflüsse und neuen Wahrnehmungen definiert Simmel folgendermaßen:

„Die psychologische Grundlage, auf der der Typus großstädtischer Individualitäten sich erhebt, ist die Steigerung des Nervenlebens, die aus dem raschen und ununterbrochenen Wechsel äußerer und innerer Eindrücke hervorgeht. Der Mensch ist ein Unterschiedswesen, d.h. sein Bewusstsein wird durch den Unterschied des augenblicklichen Eindrucks gegen den vorhergehenden angeregt; beharrende Eindrücke, Geringfügigkeit ihrer Differenzen, gewohnte Regelmäßigkeit ihres Ablaufs und ihrer Gegensätze verbrauchen sozusagen weniger Bewußtsein, als die rasche Zusammendrängung wechselnder Bilder, der schroffe Abstand innerhalb dessen, was man mit einem Blick umfasst, die Unerwartetheit sich aufdrängender Impressionen.“40

[...]


1 Vgl. D’Aprile, Iwan-Michelangelo (Hrsg.): Literatur um 1900. Naturalismus-Fin de Siécle-Expressionismus. Berlin: Akademie Verlag GmbH 2009, S. 49.

2 Vgl. Renfert, Christof: Melancholie und Expressionismus. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH 2008, S.60.

3 Vgl. Daniels, K.: Expressionismus und Technik. In: Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Franck Verlag: 1969, S. 171.

4 Vgl. D’Aprile, Iwan-Michelangelo (Hrsg.): Literatur um 1900, S. 49.

5 Vgl. Vietta, Silvio; Kemper, Hans-Georg: Expressionismus. 5., verbesserte Aufl. München: Wilhelm Fink Verlag 1994, S.11.

6 Vgl. ebd., S.14.

7 D’Aprile, Iwan-Michelangelo (Hrsg.): Literatur um 1990, S. 50.

8 Ebd.

9 Vgl. Vietta, Silvio; Kemper, Hans-Georg: Expressionismus. S, 14.

10 Vgl. Ebd., S.19

11 Ebd.

12 Ebd.

13 Vgl. Vietta, Silvio (Hrsg.): Lyrik des Expressionismus. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1999, S. 69.

14 Decker, Gunnar: Georg Heym. „Ich, ein zerrissenes Meer“. Ein bibliographisches Essay. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg 2011, S. 162.

15 Richter, Horst: Geschichte der Malerei im 20. Jahrhundert. Stile und Künstler. Köln: Dumont Verlag 1977, S. 16f.

16 Anz, Thomas: Literatur des Expressionismus. 2.aktualisierte Aufl., Stuttgart: Springer-Verlag GmbH 2010, S.167.

17 Vgl. Anz, Thomas: Literatur des Expressionismus, S. 168.

18 Renfert, Christof: Melancholie und Expressionismus, S. 60.

19 Ebd., S.61

20 Vgl. Ebd.

21 Vgl. Hinton T. R.: Das Ich und die Welt. Expressionismus und Gesellschaft. IN: Rothe, Wolfgang(Hrsg.): Expressionismus als Literatur . Gesammelte Studien. Bern/München: Francke Verlag 1969, S.19.

22 Anz, Thomas: Literatur des Expressionismus, S.18.

23 Vgl.Hinton T. R.: Das Ich und die Welt. Expressionismus und Gesellschaft, S.19.

24 Riha, Karl: Deutsche Großstadtlyrik. München: Artemis-Verlag 1983, S.11.

25 Vgl. Rölleke, Heinz: Die Stadt bei Stadler, Heym und Trakl. 2., ergänzte Aufl., Berlin: Erich Schmidt Verlag 1988, 26f.

26 Krause, Frank: Literarischer Expressionismus. Göttingen: V&R unipress 2015, S.106.

27 Vgl. Krause, Frank: Literarischer Expressionismus,S. 106f.

28 Rölleke, Heinz: Die Stadt bei Stadler, Heym und Trakl, S.47.

29 Vgl. Vietta, Silvio: Lyrik des Expressionismus, S. 31.

30 Riha, Karl: Deutsche Großstadtlyrik, S.11.

31 Ebd., S.13.

32 Ebd., S.14.

33 Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Großstadtlyrik. Vom Naturalismus bis zur Gegenwart. Stuttgart: Philip Reclam jun.1973, S.6.

34 Ebd.

35 Rothe, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Großstadtlyrik. Vom Naturalismus bis zur Gegenwart. Stuttgart: Philip Reclam jun.1973

36 Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Großstadtlyrik. Vom Naturalismus bis zur Gegenwart, S.8.

37 Riha, Karl: Deutsche Großstadtlyrik, S.18.

38 Ebd.

39 Vgl. Läufer, Bernd: Entdecke dir die Hässlichkeit der Welt. Bedrohung, Deformation, Desillusionierung und Zerstörung bei Jakob van Hoddis. Literaturhistorische Untersuchungen. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag 1996, S.155.

40 Simmel, Georg: Die Großstädte und das Geistesleben. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2006, S.8f.

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Eine Analyse der Darstellung der Stadt in Georg Heyms Gedicht "Die Stadt"
Université
Justus-Liebig-University Giessen  (Germanistik)
Cours
Expressionismus
Note
1
Année
2018
Pages
23
N° de catalogue
V463973
ISBN (ebook)
9783668927391
ISBN (Livre)
9783668927407
Langue
allemand
Mots clés
eine, analyse, darstellung, stadt, georg, heyms, gedicht
Citation du texte
Anonyme, 2018, Eine Analyse der Darstellung der Stadt in Georg Heyms Gedicht "Die Stadt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463973

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